Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2013 etwa 10,5 Mil- lionen Euro, also rund 10 Prozent, des Eingliederungs- budgets der gemeinsamen Einrichtungen umgeschichtet. Und deshalb wollen wir von der Landesregierung wissen, wie sich diese Entwicklung seit 2011 hierzulande darstellt, und fordern Sie daher auf, als Beitrag zu mehr Transparenz in der Sache das Parlament zu den unter Punkt II.1. angeführten Sachverhalten zu informieren.

Wir erwarten ferner, dass sich die Landesregierung in Fachgremien wie der ASMK im Bundesrat und auch durch direkte Einflussnahme auf die Bundesregierung für die Punkte einsetzt, die wir im Antrag formuliert haben und die ich soeben als notwendige Erfordernisse vorgetragen habe. Denn obwohl Sie zahlreich am Verhandlungstisch in Berlin vertreten waren, haben Sie es nicht geschafft, tatsächliche Verbesserungen in der Arbeitsmarktförderung zu erzielen, sofern dies überhaupt beabsichtigt war.

Und natürlich wollen wir auch wissen, welchen Mittelbedarf Sie eigentlich für Mecklenburg-Vorpommern selbst als notwendig definieren. Ich sage, es muss endlich Schluss sein mit einer Arbeitsmarktpolitik nach Kassenlage. Wenn Sie es tatsächlich ernst meinen, dann brauchen wir eine am Bedarf orientierte Arbeitsmarktpolitik auch für Langzeitarbeitslose.

Und wenn von mehr Flexibilität mit Blick auf die Umsetzung der Instrumente die Rede ist, dann denken nicht nur wir zum Beispiel an den Wegfall der Kriterien der Zusätzlichkeit und der Wettbewerbsneutralität, denn es ist erwiesen, durch zahlreiche Studien belegt, Langzeitarbeitslose verdrängen in aller Regel keine regulären Arbeitsplätze. Im Gegenteil, die vorgegebenen Kriterien behindern einen lebens- und beschäftigungsnahen Einsatz.

Werte Kolleginnen und Kollegen, es gibt keine Schablone für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt. Jedes Jobcenter muss für sich seine Bedarfe identifizieren und auch individuelle Antworten für seine jeweiligen Hilfebedürftigen finden. Deshalb muss der Handlungsspielraum zum Einsatz und zur Ausgestaltung von Instrumenten wieder vergrößert werden. Dazu gehören auch eine individuelle Nachbetreuung und Begleitung bei der Integration in Arbeit.

Zum Schluss der Einbringung möchte ich Sie daran erinnern, dass das Kapitel 1 des SGB II den Titel „Fördern und Fordern“ trägt. Allzu oft bleibt vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungen leider nur ein Fordern, häufig verbunden auch noch mit einer ungerechtfertigten Stigmatisierung. Denn auch im Jahr 25 nach der politischen Wende ist es eben nicht so, dass jede und jeder,

die/der arbeiten will, auch arbeiten kann beziehungsweise arbeiten darf. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Folgendes noch mal ganz kurz vorangestellt – und, Herr Foerster, sehen Sie es mir nach, dass ich eine etwas andere Bewertung der Arbeitsmarktzahlen vornehme –:

Ich finde die Entwicklung gerade des Jahres 2013 ausgesprochen erfreulich. Im Jahresdurchschnitt hatten wir die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wende. Im Schnitt waren 99.000 Männer und Frauen arbeitslos und in Mecklenburg-Vorpommern waren 2013 ein Drittel weniger erwerbsfähige Leistungsberechtigte bei den Jobcentern gemeldet als 2005. Gemeinsam mit Thüringen hatten wir damit die günstigste Entwicklung.

Das sind aus meiner Sicht gute Ergebnisse. Zu den erfreulichen aktuellen Arbeitsmarktzahlen habe ich bereits ausgeführt. Dennoch, und da gebe ich Ihnen recht, gibt es strukturelle Probleme bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat sich mit zwei Anträgen hierzu sehr deutlich positioniert. Einstimmig haben alle Länderressorts die Bundesregierung aufgefordert, für einen ausreichenden Haushaltsansatz bei den Eingliederungsmitteln und ein auskömmliches Verwaltungskostenbudget zu sorgen.

Außerdem haben sie ihre Forderung bekräftigt, dass eine Übertragung nicht verausgabter Eingliederungsmittel auf das Folgejahr auch auf der Ebene der Jobcenter erleichtert beziehungsweise ermöglicht wird. Mit großer Besorgnis haben die Ländervertreter und -vertreterinnen festgestellt, dass 2012 bereits 361 der damals 414 Jobcenter bundesweit Mittel von den Eingliederungsleistungen zu den Verwaltungskosten umschichten mussten. 2013 sind es bezogen auf die gemeinsamen Einrichtungen sogar noch mehr gewesen. Mit den noch nicht abschließend vorliegenden Angaben zu den zugelassenen Trägern wird sich die Gesamtzahl voraussichtlich gegenüber 2012 noch einmal erhöht haben.

Und letztlich sprechen die Planungszahlen der Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern für 2014 auch eine deutliche Sprache. Alle Jobcenter haben Umschichtungen vorgesehen. Diese Tatsache bekräftigt die von den Ländern in ihrem ASMK-Beschluss an die Bundesregierung gerichtete Feststellung. Zitat: „Der Bund hat sich in den vergangenen Jahren aus seiner Finanzierungsverantwortung zurückgezogen, indem er die Mittelzuteilung reduziert und sehenden Auges die Verwaltungskostenzu- teilung nicht erhöht hat. Diese Fehlentwicklung ist zu korrigieren.“

Sehr geehrte Abgeordnete, zu begrüßen ist deshalb, dass die Große Koalition in Berlin in ihrem Koalitions- vertrag im Rahmen der prioritären Maßnahmen den Mit

teleinsatz für die Eingliederung Arbeitssuchender um 1,4 Milliarden Euro anheben will. Einzelheiten dazu sind bisher aber noch nicht bekannt. Außerdem soll die wirksame Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln von einem Haushaltsjahr ins nächste in der Grundsicherung verbessert werden.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Dafür sind die 1,4 Milliarden, das habe ich gerade erklärt.)

Das sind schon Signale in die richtige Richtung.

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Sehr geehrte Abgeordnete, das sind Themen, die auch wir mit Nachdruck verfolgen. Mecklenburg-Vorpommern setzt sich zum Beispiel seit Jahren für die Übertragbarkeit der Mittel ein, und dies ist nun endlich in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben.

Andererseits ist es bemerkenswert, dass die Jobcenter im Land 2013 so gut gesteuert haben, dass über 96 Prozent der zugewiesenen Mittel bis Jahresende ausgegeben wurden und dieser Wert im Rahmen der Endabrechnung nach Auszahlung der noch gebundenen Mittel auf deutlich über 97 Prozent steigen wird. Das ist unter den gegebenen Umständen ein gutes Ergebnis.

Trotzdem werden Sie sagen, hier gehen aber immer ungenutzte Gelder an den Bund zurück. Mir wurde berichtet, dass diese Debatte aber in aller Ausführlichkeit bereits anlässlich des Antrages „Gestaltungsspielraum für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Bereich des SGB II erhöhen – Übertragung nicht verbrauchter Eingliederungsmittel ins Folgejahr ermöglichen“ am 31.05. des letzten Jahres im Landtag geführt wurde.

Die Abgeordnete Silke Gajek gab, wie Frau Tegtmeier es damals nannte, eine Nachhilfestunde über das Förderprozedere und darüber, warum eine hundertprozentige Ausgabenquote kaum zu erreichen ist. Ich nenne hier nur die Stichworte „Planung bereits im dritten Quartal des Vorjahres“, „schwankende Teilnehmerzahlen im Maßnahmenverlauf“ und andere durch nicht planbare Abbrüche nicht mehr nachzubesetzende Maßnahmenplätze sowie günstigere Einkaufsbedingungen als geplant.

Und Frau Gajek hat zu Recht darauf hingewiesen, dass, je später im Jahr sich solche Abweichungen von der Planung ergeben, es umso schwerer ist, das Geld noch sinnvoll einzusetzen. Gerade deshalb brauchen wir eine möglichst unproblematische Übertragbarkeit der Mittel.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das bestreitet niemand.)

Sehr geehrte Abgeordnete, die Übertragbarkeit von Eingliederungsmitteln hat aber noch vor einem anderen Hintergrund für die Länder eine hohe Bedeutung. In zunehmendem Maße haben die Vermittlungsfachkräfte in den Jobcentern Schwierigkeiten, Arbeitslose mit einer einfachen Qualifizierung wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Langzeitarbeitslose und Langzeitleistungsbezieher haben mehr und mehr komplexe Vermittlungshemmnisse, die über Jahre gewachsen sind und nicht mal eben wieder behoben werden können.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Mit wenig Geld ist es auch schwer.)

Um diesen Personenkreis wieder an die Erwerbstätigkeit heranzuführen, bedarf es eines langen Atems. Das ist auch nicht in einem Haushaltsjahr zu schaffen. Um also langfristige Integrationsmaßnahmen finanzsicher auf den Weg zu bringen, ist die Übertragbarkeit der Mittel eine wesentliche Voraussetzung.

Lassen Sie mich zum Schluss noch folgenden Hinweis geben: Die Forderung, arbeitsmarktpolitische Instrumente flexibel zu gestalten, um individuelle Handlungsansätze für Langzeitarbeitslose zu ermöglichen, ist von allen Länderressorts, Ministerinnen und Ministern einstimmig auf der letzten Arbeits- und Sozialministerkonferenz in Magdeburg beschlossen worden.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Und was hat es gebracht in Berlin?)

Die AG Eingliederung beim Bund-Länder-Ausschuss soll zur Vorbereitung einer Überarbeitung und Fortentwicklung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im SGB II und SGB III bis Mitte 2014 konkrete Vorschläge erarbeiten. Wir sind also auf einem guten Weg.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Abwarten!)

Wenn die Vorschläge vorliegen, kann man über not- wendige Gesetzesänderungen und Modellversuche beschließen.

Und gestatten Sie mir noch eine letzte Anmerkung bezogen auf die Transparenz beziehungsweise Intransparenz der Haushalte der Jobcenter, Herr Foerster. Es ist jederzeit möglich, über die Trägerversammlung, über die Regionaldirektion Nord oder aber auch über meine Abteilung 5 diese Haushalte zu bekommen, und ich denke, das ist Ihnen auch bekannt. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Renz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute steht wieder einmal eine arbeitsmarktpolitische Debatte an.

(Marc Reinhardt, CDU: Das ist schön.)

Und ähnlich wie schon in vergangenen Sitzungen, Herr Foerster, muss ich feststellen, Sie greifen sich einen Punkt heraus. Das ist sicherlich auch in Ordnung. Dieser Punkt ist in diesem Fall die Gruppe der Langzeitarbeitslosen. Aber was ich dann nicht in Ordnung finde, ist die Tatsache, dass Sie aus diesem Punkt dann eine Gesamtschau machen und ein Gesamtergebnis vermitteln für den Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise in Deutschland, das ich so nicht akzeptieren kann.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ich habe von Licht und Schatten gesprochen.)

Sie haben von Licht und Schatten gesprochen. Sie haben aber auch unter anderem gesprochen von einem arbeitsmarktpolitischen Stillstand. Ich kann nicht er- kennen, dass wir hier arbeitsmarktpolitischen Stillstand haben,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Der Koalitionsvertrag im Bund ist ein arbeits- marktpolitisches Instrument des Stillstands.)

sondern es geht voran in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern. Deswegen kann ich es Ihnen und damit auch der Öffentlichkeit nicht ersparen, auch die andere Seite der Medaille, nämlich die Situation am Arbeitsmarkt, neben den Langzeitarbeitslosen hier noch mal darzustellen und zu schildern.

In dem Sinne ist es auch eine glückliche Fügung, dass gerade am heutigen Debattentag die neuen Arbeitsmarktzahlen veröffentlicht werden.

Und dann ist es eben so, dass nicht nur Arbeitslose, Langzeitarbeitslose dort vermerkt sind, sondern zum Beispiel auch die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Hier müssen wir feststellen, dass wir mit 530.800 wiederum eine steigende Tendenz aufweisen können. Wir müssen feststellen, im Bereich der offenen Stellen mit 3.100 Stellen, dass auch hier eine entsprechende Zunahme von fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr vonstatten geht. Und wir müssen feststellen, dass wir mit der aktuellen Zahl von 111.600 Arbeitslosen auch hier seit Jahren wieder sinkende Zahlen vorweisen können, und ganz konkret für den Januar die geringste Zahl an Arbeitslosen in Mecklenburg-Vorpommern seit der Wende.

Das sind Dinge, die man, finde ich, im Gesamtkontext der Arbeitsmarktsituation immer wieder beschreiben muss. Und das geht ganz klar zurück auf eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik auf Bundesebene – bisher war es Schwarz-Gelb, zukünftig ist es dort eine Große Koalition –,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da können Sie mal sehen, wie beliebig die sind.)

aber auch auf die Arbeitsmarktpolitik in diesem Land, die mit Stolz diese Zahlen vermelden kann, was ich hiermit getan habe.

Insofern wird es für Sie dann auch, das ist meine Auffassung, aufgrund der erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik immer schwieriger, hier Themen zu finden im Bereich des Arbeitsmarktes, die Sie aufarbeiten und als Negativmeldung versuchen können, hier unters Volk zu bringen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist eine Problemgruppe, keine Negativmeldung.)