Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern (Landes- und Kommunalwahlgesetz – LKWG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/1030 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses (3. Ausschuss) – Drucksache 6/2783 –
Das Wort zur Berichterstattung hat der Ausschussvorsitzende des Europa- und Rechtsausschusses Herr Detlef Müller.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Heute kann ich Ihnen nun endlich auf Drucksache 6/2783 die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen BÜNDNIS 90/
(Peter Ritter, DIE LINKE: Hättest du mal lieber noch ein bisschen gewartet. Wäre vielleicht besser geworden.)
... und zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Teilnahme an Bundestagswahlen mit 16 Jahren präsentieren. Vor Ihnen liegt mein ausführlicher schriftlicher und, wie ich finde, sehr umfangreicher Bericht über die Beratungen im Ausschuss und daher fällt mein mündlicher Bericht heute auch eher kurz aus.
Die Gesetzentwürfe und der Antrag wurden dem Europa- und Rechtsauschuss bereits vor geraumer Zeit, nämlich am 29. August 2012 überwiesen. Wir haben die Gesetzentwürfe und den Antrag intensiv in mehreren Sitzungen beraten und zudem eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Und es hat doch etwas länger gedauert, die Beratungen zum Abschluss zu bringen. Das lag auch daran, dass wir im Ausschuss im letzten Jahr eine Vielzahl von Gesetzentwürfen zu beraten hatten, und über andere Gründe werden Sie sicher in der jetzt folgenden Aussprache noch einiges hören. Im Ergebnis unserer Beratungen empfehlen wir Ihnen heute mehrheitlich, die Gesetzentwürfe und den Antrag abzulehnen.
Inhaltlich geht es um die Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes. Vorgeschlagen wurde die Absenkung der Altersgrenze für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen vom vollendeten 18. auf das vollendete 16. Lebensjahr. Weiterhin wurde ein Antrag zur Teilnahme an Bundestagswahlen mit 16 Jahren eingebracht, welcher einer Änderung des Artikels 38 Absatz 2 des Grundgesetzes bedarf, denn bisher sind alle Deutschen im Sinne von Artikel 116 Absatz 1 des Grund- gesetzes, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, berechtigt, an Wahlen zum Deutschen Bundes- tag und zum Landtag Mecklenburg-Vorpommern teilzunehmen. Demgegenüber liegt das Mindestalter im Rahmen der Kommunalwahlen bei uns, das wissen Sie, bei 16 Jahren.
Wir haben im Rahmen der Beratung eine, wie ich finde, umfangreiche öffentliche Anhörung durchgeführt, in der Sachverständige aus den unterschiedlichsten Bereichen und aus den unterschiedlichsten Bundesländern teilgenommen haben. Dabei gab es eine Besonderheit: Erstmals haben wir zu der Anhörung auch Jugendliche als Sachverständige eingeladen. Diese hatten sich zuvor im Rahmen der Veranstaltung „Jugend im Landtag“ mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich finde, die jungen Leute haben sich auch tapfer geschlagen.
Die angehörten Sachverständigen haben die Gesetzentwürfe zur Absenkung des Wahlalters zu einem großen Teil, Herr Suhr, mit guten Argumenten begrüßt. Es gab jedoch auch kritische Stimmen in Bezug auf ein aktives Wahlrecht für minderjährige Jugendliche.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, die Sachverständigen haben mehrfach hervorgehoben, dass eine Unterscheidung zwischen dem Wahlrecht auf kommu- naler Ebene und auf Landesebene schwer erklärbar sei. Seit 1999 seien Jugendliche ab 16 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern berechtigt, an der Kommunalwahl teilzunehmen, und es sei nicht ersichtlich, warum ihre Kompetenzen nicht für Landtags- und Bundestagswahlen ausreichend seien.
Die Gegenmeinungen hatten natürlich andere Aspekte betont. Jugendliche hätten demnach kein großes Interesse an der Senkung des Wahlalters. Somit könne ein Ziel der Absenkung des Wahlalters, nämlich die Eindämmung von Politikverdrossenheit, nicht erreicht werden. Primärer Kritikpunkt ist jedoch die uneinheitliche Festlegung von Altersgrenzen, die in der politischen Bildung unvermittelbar sei. Eine Absenkung der Altersgrenze für das aktive Wahlrecht, jedoch nicht für das passive Wahlrecht sei nicht zielführend. Jugendliche könnten dann wählen, aber selbst nicht gewählt werden.
Ähnlich äußerten sich auch die Ausschussmitglieder in unserer abschließenden Beratung im Ausschuss. Die Opposition, und das werden wir sicherlich auch in der Aussprache hier heute noch hören, sieht die zentrale Problematik in der politischen Entscheidungskraft Jugendlicher auf kommunaler Ebene, welche ihnen jedoch auf Landes- und Bundesebene nicht zugetraut werde, und das sei unverständlich. Insbesondere die Fraktion der CDU sah es hingegen als widersprüchlich an, mit 16 Jahren auf Landesebene wählen zu dürfen, ohne voll geschäftsfähig zu sein und ohne selbst gewählt werden zu dürfen. Man müsse die vorgebrachten Gesetzentwürfe zudem stets auf einer sachlichen und nicht auf einer emotionalen Ebene diskutieren, hieß es im Ausschuss. Weitere Argumente, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden Sie sicherlich jetzt gleich in der anschließenden Aussprache hören.
Ausdrücklich möchte ich mich an dieser Stelle im Namen des Europa- und Rechtsausschusses bei allen Sach- verständigen einschließlich der jungen Leute für ihre mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen bedanken. Ich bedanke mich auch bei den Ausschussmitgliedern und mein ganz besonderer Dank geht an das Ausschusssekretariat.
Der Europa- und Rechtsauschuss empfiehlt also im Ergebnis der Beratungen mehrheitlich, die Gesetzentwürfe und den Antrag abzulehnen. Insofern bitte ich Sie nun im Namen des Ausschusses um Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach fast 18 Monaten kommen wir nun endlich zur Zweiten Lesung der vorliegenden Gesetzentwürfe, die die Senkung des Wahlalters bei Landtags- und Bundestagswahlen zum Inhalt haben.
Nun könnte man meinen, was lange währt, wird gut, oder die Hoffnung stirbt zuletzt. Dem ist leider nicht so,
wie wir der Beschlussempfehlung des Europaausschusses entnehmen können. Die Koalition von SPD und CDU lehnt die vorliegenden Gesetzentwürfe und den Antrag ab, und das mit unterschiedlichen Begründungen. Aber eigentlich stand das Ergebnis, über das wir heute abstimmen wollen, bereits schon bei der Ersten Lesung fest. Herr Kokert hat für seine Fraktion deutlich gemacht, dass seine Fraktion keine Änderung will, und wir wüssten doch ganz genau, was passiert, wenn ein Koalitionspartner nicht will. – Ein Armutszeugnis aus unserer Sicht.
Gestatten Sie mir einige Worte zum Verfahren. Bereits im August 2012 haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und meine Fraktion die entsprechenden Gesetzentwürfe und den Antrag in den Landtag eingebracht, natürlich mit der Hoffnung, im zuständigen Ausschuss schnellstmöglich die entsprechende Behandlung durchzuführen. Im März 2013 wurde eine Anhörung durchgeführt, an der Jugendliche als Vertreterinnen und Vertreter des Projektes „Jugend im Landtag“ teilgenommen haben.
Zunächst möchte ich mich bei allen demokratischen Fraktionen bedanken, die unseren Vorschlag, die Vertreter/-innen einzuladen, unterstützt haben, und damit die Teilnahme der Jugendlichen ermöglichten. Die Teilnahme war aus unserer Sicht wichtig, weil die Jugendlichen des Projektes „Jugend im Landtag“ sich nach einer breiten kontroversen Diskussion ganz deutlich für die Herabsetzung des Wahlalters ausgesprochen haben und uns, die Abgeordneten, in ihrem Forderungskatalog im November 2012 aufgefordert haben, ihr Anliegen schnellstmöglich umzusetzen. Vielleicht sollten wir, dem Beispiel des Europaausschusses folgend, viel öfter davon Gebrauch machen, denn wer wie ich seit Jahren die inhaltlichen Debatten der Jugendlichen verfolgt, wird feststellen, dass sich die Jugendlichen sehr ernsthaft mit Problemen dieses Landes auseinandersetzen, Sichtweisen auf der Basis von Fachwissen konkret darstellen und diese aufarbeiten – manchmal um die Ecke gedacht, aber gerade das sollte uns motivieren, sie einzuladen.
Aber zurück zu den vorliegenden Beschlussentwürfen: Zwischenzeitlich gab es nach der Anhörung im Europa- und Rechtsausschuss immer wieder den Versuch, im Rahmen der Tagesordnung eine abschließende Beratung durchzuführen. Das Ergebnis liegt nun vor.
Die SPD bedauert die Ablehnung, weil sie ja eigentlich dafür sind, aber leider nicht können, weil der Koalitionsvertrag eine unterschiedliche Abstimmung innerhalb der Koalition ausdrücklich verneint. Dass sich unser Bedau
Es war in unserer Koalition so, Herr Müller, vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass wir auch mal Abstimmungen freigegeben haben und nicht immer nur darauf bestanden haben.
Und ob die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Jugendlichen, dafür Verständnis haben, wage ich zu bezweifeln. Ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie konnten sich einfach bei Ihrem kleineren Koaliti- onspartner nicht durchsetzen, waren offensichtlich zu schwach. Auch das ist merkwürdig, wo Sie sich doch in der Regel, wenn Sie ernsthaft etwas wollen, mit fast allen Vorhaben, ob sinnvoll oder nicht sinnvoll sei mal dahingestellt, bei Ihrem Koalitionspartner durchsetzen. Oder wollten Sie die Herabsetzung auch nicht wirklich so richtig? Haben Sie versucht, den Schein zu wahren, weil die Beschlüsse Ihrer Partei die Herabsetzung des Wahlalters so festschreiben oder weil Sie von Ihrem eigenen Jugendverband deutlich unter Druck gesetzt werden? Ein Zurückziehen auf den Koalitionsvertrag, meine Damen und Herren, ist einfach zu wenig.
Ja, und die CDU-Fraktion bleibt sich einfach treu, ist eben konservativ. Denn auch die Herabsetzung des Wahlalters bei den Kommunalwahlen haben Sie seit 1999 abgelehnt, und das – wen wundert es – mit den gleichen Argumenten wie heute. Nein, stimmt nicht ganz. Als Beweis für die Richtigkeit Ihrer Ablehnung ziehen Sie nun noch, einen Tag vor der Abstimmung im Parlament, eine Umfrage aus der Tasche. Aber die macht Ihre Ablehnung nicht besser, das werde ich Ihnen auch an einer anderen Stelle beweisen.
Meine Damen und Herren, sowohl meine Fraktion als auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind fest davon überzeugt, dass eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Landtags- und Bundestagswahlen längst überfällig ist. Es ist nur eine logische Konsequenz aus der 1999 beschlossenen Herabsetzung des Wahlalters für die Kommunalwahlen.
Verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken, im Gegenteil, sie sei sogar zwingend geboten, und zwar spätestens mit der Einführung der Wahlberechtigung ab 16 bei den Kommunalwahlen 1999. Denn, und das müssten Sie ja, insbesondere die Damen und Herren von der CDU als selbsternannte Hüter des Grundgesetzes, wissen, das Grundgesetz schreibt die Wahlberechtigung als Grundsatz der Allgemeinheit aller Bürgerinnen und Bürger vor. Es kann nur aus verfassungslegitimen Gründen eingeschränkt werden und die liegen bei der bloßen Feststellung des Alters einfach nicht vor, denn sonst hätte es sicherlich auf der Basis der Erfahrungen bei den Kommunalwahlen vonseiten Ihrer Fraktion schon Verfassungsklagen gegeben, oder?
Dazu kommt, dass Sie weder im Ausschuss noch hier in der Debatte erklären konnten, warum Sie die Gleichwertigkeit von Wahlen, egal auf welcher Ebene, einfach ablehnen. Sind die Kommunalwahlen für Sie weniger wichtig? Darüber hinaus haben Sie bisher keinen Beweis angetreten, dass durch die Heranziehung der Jugendlichen ab 16 in irgendeiner Weise die Wahlen infrage zu stellen sind. Nein, offenbar sind Ihnen die Kommunalwahlen weniger wichtig als die Landtags- und Bundestagswahlen, so ganz nach dem Motto: Auf kommunaler Ebene ist es eben nicht so schlimm, wenn die Jugendlichen mitwählen,
die Entscheidungskompetenzen der kommunalen Vertretungen sind eh begrenzt. Die wichtigen Entscheidungen, die die Kommunen zwar auszubaden haben, treffen wir auf Landes- und Bundesebene und das soll auch so bleiben.
Als weiteres Argument ziehen Sie unermüdlich die Kopplung der Geschäftsfähigkeit der Altersgruppen heran – leider auch ein untaugliches Argument und das wissen Sie ganz genau. Diese fehlende beziehungsweise nur beschränkte Geschäftsfähigkeit ist vom Gesetzgeber immer als Schutzrecht für die Jugendlichen, für den Einzelnen verstanden worden. Aber wovor wollen Sie den Einzelnen bei der Teilnahme an Wahlen schützen? Vor abgegebenen Wahlversprechen, die nicht eingehalten werden?
Um Ihre Argumente nun auch noch zu untersetzen und in der Öffentlichkeit nicht als mutlose Fraktion an den Pranger gestellt zu werden, lassen Sie sich schnell eine Umfrage zum Thema „Wahlalter 16“ erstellen. Ergebnis aus Ihrer Sicht: Die CDU-Fraktion ist die einzige Fraktion, die die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land vertritt.