Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

bei meinen Besuchen …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gibt es da irgendwelche Zweifel?)

Ich komme auch noch zu anderen Aspekten, die ich erwähnen möchte.

Bei meinen Besuchen in Nord- und Südamerika, Asien, Afrika und Australien habe ich erleben können, dass auch andere Kontinente guttun. Nur – das ist die einzige Differenz, das betrifft die Energiewende und die Rolle Europas dabei – die Antarktis tut offensichtlich nicht gut.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Wie ich vorgestern hören und lesen konnte, nimmt dort die Eisschmelze weiter dramatisch zu, sodass eine, ich zitiere, „verheerende Kettenreaktion“ drohe. Doch es ist klar, es ist nicht die Antarktis, die nicht guttut,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

es ist die weltweite Wirtschafts- und Klimapolitik, die nicht guttut, darunter auch die Unfähigkeit und Unwilligkeit der Europäischen Union und vor allem ihrer Mitgliedsstaaten und der nationalstaatlichen Regierungen, eine gemeinsame und vernünftige Energiepolitik zu entwickeln.

Doch wenn ich beim SPD-Slogan für die heutige Aktuelle Stunde bleibe: Natürlich hat die besondere Verflechtung von griechischer, jüdischer, christlicher und auch islamischer Kultur und Geschichte über Jahrhunderte und Jahrtausende die Kultur und die Geschichte auf diesem Kontinent geprägt. Sie hat uns reich gemacht. In dieser Hinsicht kann man durchaus sagen, dass Europa guttut.

Wenn wir uns aber auch bewusst bleiben, und das ist ja schon erwähnt worden, dass Europa praktisch die ganze Welt kolonisiert hatte und von diesem Kontinent zwei verheerende Weltkriege ausgingen, die gerade auch in Europa entsetzliche Zerstörungen, Elend und Abermillionen Tote, Verstümmelte, Verwaiste bedeuteten, dann wird deutlich, welchen geschichtlich beispiellosen zivilisatorischen Fortschritt die heutige europäische oder genauer gesagt die teileuropäische Einigung nach 1945 bedeutet und wie sehr sie gehütet, gepflegt und verteidigt werden muss.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass mit dem deutschen Nationalsozialismus und seinen grausamen Folgen uns selbst eine bleibende große Verantwortung für ein nicht nationalistisches, nicht rassistisches und für ein friedliches Europa zukommt, werden die demokratischen Fraktionen teilen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Doch genau deshalb möchte ich den sozialdemokratischen Slogan „Europa tut gut“ so nicht stehen lassen. Ich habe gerade ein neues Buch von Helmut Schmidt gelesen, in dem nicht eine Aktuelle Stunde sondern 66 Jahre über und für Europa deutlich werden. Abgesehen davon, dass der Autor bei vielen Gelegenheiten von 1948 bis heute den allgemeinen Begriff von Europa kritisierte und differenzierte, haben er und sein Verlag das Buch viel bescheidender und genauer „Mein Europa“ genannt.

Was die Europäische Union betrifft, hat Helmut Schmidt immer wieder auf die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen verwiesen, damit Europa guttut. Zu Recht schrieb er auch, ich zitiere: „Europa lebt – aber mir scheint, es lebt von Krisen.“

Demokratinnen und Demokraten werden mit Helmut Schmidt auch darauf verweisen, dass diese Krisen, die aktuell Millionen Menschen – ganz besonders junge Menschen – in Griechenland, Spanien, Portugal oder Frankreich unsozial treffen, nicht vorrangig und abstrakt die Folgen einer falschen Politik der Europäischen Union sind. Sie werden sehr konkret von den nationalen Regierungen – nicht zuletzt der deutschen Bundesregierung – verursacht.

Für mich möchte ich betonen, dass zumindest ein Europa guttut, das nicht lediglich eine Freihandelszone ist. Europa muss und kann mehr sein! Europa muss sich für

die Menschen einsetzen! Es muss sozial sein! Davon sind wir sicherlich noch ein Stück entfernt.

Es ist richtig, dass diese Aktuelle Stunde, das haben der Ministerpräsident und auch Frau Drese gemacht, genutzt wird, um Menschen zur Europawahl zu initiieren. Es ist wichtig, dass sie verstehen, dass sie mit ihrer Stimme bei der Europawahl etwas bewegen können.

(Udo Pastörs, NPD: Ha!)

Der Europäische Rat ist sicherlich immer noch das Machtzentrum der Europäischen Union, aber das Parlament spielt eine viel größere Rolle als in der Vergangenheit. Umso unverständlicher ist mir, dass SPD und CDU im Landtag die Transparenz, die wir für das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union gefordert haben, abgelehnt haben.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Bisher war die Rede gut. – Helmut Holter, DIE LINKE: Was Gabriel übrigens jetzt gefordert hat. – Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt hätten Sie klatschen müssen.)

Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass ein Freihandelsabkommen mit den USA große Chancen bedeutet, doch ohne die richtigen Inhalte, Voraussetzungen und Transparenz werde ich es nur ablehnen können. Solange ich keine Inhalte kenne, war ich auch noch nicht bereit, mich der Forderung nach einem Stopp der Verhandlungen anzuschließen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich gebe aber Maritta Strasser von der Kampagne Campact recht, die sagte: „Angesichts eines so breiten Themenspektrums und einem so mächtigen Potenzials in so viele Bereiche unseres Lebens einzugreifen, muss die Zivilgesellschaft an diesen Verhandlungen beteiligt werden. Die muss erfahren, was auf dem Tisch liegt.“ Ich ergänze, dass auch die Wirtschaft, die Kommunen und Verbraucherinnen und Verbraucher in Mecklenburg-Vor- pommern einbezogen werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Herr Ministerpräsident, Sie haben gerade gefordert: Teilhabe vor Ort für Europa! Das muss auch für diese Verhandlungen gelten. Ich hoffe daher, dass der SPD-Vor- sitzende und Bundeswirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, der unlängst in der „Tagesschau“ gesagt hat, es müssen so viel Öffentlichkeit wie möglich und Garantie der europäischen Standards durchgesetzt werden, auf die SPD von Mecklenburg-Vorpommern Einfluss hat, sich dort durchsetzt und sie überzeugen kann, sich für die Transparenz auch bei diesen Verhandlungen endlich einzusetzen.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Wenn wir, Frau Drese, dafür werben, dass möglichst viele Menschen an diesen Wahlen teilnehmen, übrigens auch an den Kommunalwahlen, dann halte ich das angesichts dessen, was ich erlebe und an Umfragen lese, für ziemlich utopisch. Wir werden leider erleben, dass noch weit weniger Menschen als in der Vergangenheit teilnehmen werden.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Sind Sie Hellseher?)

Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Medien, Sie sollten dann nicht sagen, das ist Desinteresse an Europa. Nach meiner Überzeugung ist es Desinteresse von Menschen an einer Politik über ihre Köpfe hinweg, ob bei Europa-, Kommunal- oder Landtagswahlen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unabhängig davon möchte auch ich wiederholen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre eigene Verantwortung haben. Mit dem Wegfall der 3-Prozent-Sperrklausel nimmt ihre Verantwortung weiter zu. Dieser Gewinn für Demokratie schafft eben auch diese Verantwortung. Ob die Europäische Union eine friedliche, soziale, menschliche und tolerante Union bleibt und ist, entscheiden auch die Wählerinnen und Wähler. Letztlich kann man festhalten: Ja, Europa tut gut, aber Europa könnte noch besser tun.

An der HERKULESKEULE in Dresden gab es in den 1980er-Jahren ein Programm mit dem Titel „Auf Dich kommt es an, nicht auf alle“. Diese Haltung wünschte ich mir am 25. Mai bei sehr vielen Wählerinnen und Wählern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rudolf Borchert, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr ge- ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste hier heute im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern! Europa zu kritisieren, scheint derzeit irgendwo dem Zeitgeist zu entsprechen. Seit 60 Jahren, seitdem es in dieser Form jedenfalls die Europäische Union gibt,

(Udo Pastörs, NPD: Gibts nicht seit 60 Jahren.)

schlägt ihr auch viel Ablehnung entgegen. Zu träge, zu teuer, zu mächtig, lauten viele Urteile, die leider auch zum Teil von ernst zu nehmenden Politikerinnen und Politikern immer wieder hervorgebracht werden. Da übersehen die Kritiker geflissentlich, dass die Europäische Union ein Erfolgsmodell ist, das weltweit seinesgleichen sucht.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ist das eigentlich zu erklären, dass wir immer noch mehr Staaten haben, die von außen in die Europäische Union wollen, als wir tatsächlich aufnehmen können? Kann das dann wahr sein, was uns sowohl von ganz links als auch von ganz rechts immer wieder deutlich gemacht wird,

(Stefan Köster, NPD: Die kriegen halt ziemlich viel Geld dafür.)

dass die Europäische Union eigentlich Teufelszeug ist, dass es uns viel besser gehen würde, wenn Deutschland

als alleiniger Nationalstaat in Europa stehen würde, wenn es die D-Mark noch geben würde?

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wissen Sie eigentlich, meine Damen und Herren, dass der Euro viel währungsstabiler ist, als es die D-Mark jemals gewesen ist?

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Hören Sie auf, immer wieder zu versuchen, uns Sand in die Augen zu streuen und zu sagen, wir führen die D-Mark wieder ein, damit wird alles besser. Deutschland ist der größte Profiteur von der Europäischen Union und von dem Euro.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf aus dem Plenum: So ist es.)

Herr Pastörs, das sollten auch Sie endlich mal begreifen und aufhören, hier so ein Zeug zu erzählen!

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europäische Union ist vielfach zu kopieren versucht worden, auf der ganzen Welt. Schauen Sie nach Südamerika, da nannte man das Mercosur. Und obwohl die Staaten untereinander eine große Barriere nicht haben, nämlich die Sprachbarriere, weil außer Brasilien alle spanisch sprechen, war es kein Erfolgsmodell, weil man eigene Egoismen nicht zurückgestellt hat. Es ist doch klar, wenn man sich in einem Staatenverbund befindet, dann gibt mal der eine etwas und der andere steckt zurück.