Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

(Jochen Schulte, SPD: Und wie sieht das aus?)

Gutachten, die uns beweisen sollen, dass Investitionen in die Bahn viel Geld kosten und deshalb nicht möglich sind, helfen uns jedenfalls nicht weiter.

Allen Beteuerungen der Landesregierung, mehr Menschen in Bus und Bahn bekommen zu wollen, kann ich einfach nicht mehr Glauben schenken. Ich habe es schon gesagt, die tatsächliche Politik spricht eine andere Sprache. Und so wird Sie sicherlich auch nicht verwundern, dass wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Suhr, ich bin Ihnen ja vom Grundsatz her dankbar, dass Sie den Antrag heute hier eingebracht haben, nicht, weil ich jetzt in der Sache die Auffassung teile oder die Problembeschreibung sogar noch, aber die vielleicht doch etwas dünnen Lösungsansätze nicht richtig nachvollziehen konnte. Vom Grundsatz her finde ich es deswegen schon gut, weil wir haben in diesem Landtag dreimal über den Erhalt der Südbahn diskutiert. Wenn es nach den Oppositionsfraktionen gegangen wäre, dann hätten wir dreimal das Geld hier im Land, jedes Mal um die 10 Millionen, dafür ausgegeben, dass wir diese Südbahnstrecke erhalten. Und heute …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Einmal hätte gereicht, einmal hätte gereicht.)

Das war jetzt ironisch gemeint, Herr Kollege Ritter. Also das ist mir schon klar, dass einmal reicht.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der Punkt ist, das Interessante an der Sache ist, das gleiche Geld, das Sie im Grunde für die Südbahn ausgeben wollten, wollen Sie jetzt auf der anderen Seite für die Verbindung Rostock–Berlin ausgeben.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Woraus entnehmen Sie das denn?)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen ja damals schon gesagt – Herr Minister Pegel hat es eben noch mal in seiner Rede deutlich gemacht –, dass wir in einer Situation sind, in der wir uns im Grunde der Frage stellen müssen, wie wir den Bestand vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel auch in der Zukunft überhaupt erhalten können, und bedauerlicherweise nicht in der Situation sind, wie wir möglicherweise bestimmte Angebote einfach ohne, dass wir wissen, woher wir das Geld nehmen, dann entsprechend erweitern können.

Frau Kollegin Schwenke, das Geplänkel eben zwischen Ihnen und mir ist ja nicht bös gemeint, wir kennen uns ja auch, aber eins muss man ganz offen sagen: Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir möchten eine Verbesserung des Verkehrsangebotes,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann ist das legitim.)

dann müssen Sie auch sagen, wo Sie das Geld hernehmen. Weil wenn wir die 242,7 Millionen, wenn ich das richtig im Kopf habe, nehmen, dann ist hier in Mecklenburg-Vorpommern die Situation anders als in vielen anderen Bundesländern so, dass fast ausschließlich diese Gelder tatsächlich für den SPNV verwandt werden. Wir haben, was zum Beispiel die Managementkosten angeht, hier in Mecklenburg-Vorpommern einen der niedrigsten Sätze innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bei den verschiedenen Ländern. Da gibt es Länder, zum Beispiel Hessen, die geben ungefähr 10 Prozent ihrer Regionalisierungsmittel für die Managementkosten allein aus. Hier sind es, glaube ich, irgendwo bei 1,5 Prozent, wenn ich die Zahl jetzt richtig im Kopf habe.

Das heißt, wir gehen schon verantwortungsbewusst mit dem Geld um, aber trotzdem ist der Fakt, auch das muss man ganz einfach sehen, einfach der, dass vor dem Hintergrund des Bedarfes – und da habe ich ja gar keine andere Auffassung als Sie, Herr Kollege Suhr, oder Sie, Frau Kollegin Schwenke – das zur Verfügung stehende Geld nicht reicht. Dann kann man sich natürlich hinstellen – das kritisiere ich hier auch ganz deutlich – und sagen, ich möchte trotzdem mehr haben. Aber dann muss man auch sagen, wo das Geld herkommen soll.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann lassen Sie uns jetzt mal auf diesen Punkt kommen – ich will jetzt nicht auf die 800 Millionen eingehen, die tatsächlich für den Ausbau der Strecke ausgegeben worden sind, da ist nämlich tatsächlich ein Großteil dieser Gelder deswegen aufgewandt worden, weil es nicht um den Personenverkehr ging, sondern um den Güterverkehr, den lassen wir mal einfach außen vor –, sprechen wir einfach über die Strecke Rostock–Berlin. Wir könnten auch Hamburg– Berlin nehmen. Wir könnten auch Stralsund über Neu- strelitz nach Berlin nehmen, es ist völlig egal.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das nehmen wir nicht.)

Doch, es ist in einem Punkt egal.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Neubrandenburg ist aber eine einzige Katastrophe.)

Herr Ritter, es ist in einem einzigen Punkt egal, alle diese Strecken sind vom Grundsatz her keine Nahverkehrsstrecken. Das muss man einfach mal so sehen. Wenn Sie die entsprechenden gesetzlichen Gegebenheiten durchgehen, dann ist das eine ganz einfache Definition: Alles, was über 100 Kilometer Entfernung geht, alles, was mehr als eine Stunde Fahrtdauer hat, ist nach der gesetzlichen Definition Fernverkehr. Und da brauchen wir jetzt gar nicht darüber zu diskutieren, ob wir 2 Stunden 20 oder 1 Stunde 50 fahren. Wenn Sie von Hamburg nach Berlin fahren, dann sind Sie über eine Stunde unterwegs, selbst mit dem ICE. Also sind das vom Grundsatz her Fernverkehrsstrecken. Nur das Problem ist, der Bund hat 1992 eine Grundsatzentscheidung getroffen. Er hat gesagt, es interessiert uns alles nicht mehr, was in den Ländern stattfindet, wir privatisieren die Deutsche Bahn.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das war die falsche Entscheidung.)

Herr Kollege Ritter, darüber müssen wir jetzt in diesem Moment … Lassen Sie mich das zu Ende bringen!

Wir haben die Entscheidung getroffen, die Bahn wird privatisiert und die Länder sind für den Nahverkehr zuständig.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, schönen Dank auch!)

Im Nachhinein – das ist die unternehmerische Entscheidung der DB gewesen und dafür kann man nicht mal die DB als Unternehmen kritisieren, weil die am Ende des Geschäftsjahres einfach nach der Bilanz gucken – haben wir die Fernverkehrsstrecken, die es bis dahin noch gegeben hat, zum Beispiel Rostock–Berlin, da hat sich die DB hingestellt und gesagt, die rechnen sich für uns nicht und weil sie sich für uns nicht rechnen, fahren wir sie nicht mehr.

Das Land hat jetzt im Grunde eine Alternative gehabt und hat gesagt, fahren wir da überhaupt keinen Verkehr mehr, dann bleiben die Leute halt hier im Land beziehungsweise sie können nicht in dieses Land reinkommen mit der Bahn. Oder wollen wir das mit Nahverkehrsmitteln? Im Grunde wollen wir das dann entgegen der eigentlichen ursprünglichen Konzeption entsprechend mit den Regionalisierungsmitteln finanzieren. Und da taucht einfach das Problem auf, dass über die Jahre die Finanzierungsmittel für die Länder – und das ist nicht nur ein Problem in Mecklenburg-Vorpommern – immer knapper geworden sind. Das wird auch in den kommenden Jahren so sein. Es ist im Endeffekt völlig egal, ob wir auf den Königsteiner Schlüssel, ich habe das in der letzten Landtagsdebatte …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Und das nehmen wir so widerstandslos hin oder hauen wir auf den Tisch und sagen, so gehts nicht weiter?)

Lassen Sie mich doch zum Ende kommen, Herr Ritter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ich höre ja zu. Ich höre ja zu bei meinem Kollegen.)

Das ist ja nett von Ihnen.

Ich habe das auch in der letzten Landtagsdebatte gesagt, das kommt gar nicht darauf an, ob wir auf den Königsteiner Schlüssel zurückfallen, da fehlen uns 90 Millionen. Es kann auch sein, dass wir eine andere Schlüsselverteilung haben, da fehlen uns vielleicht 40 oder 50 Millionen. Wenn es sehr gut läuft und die entsprechenden Mittel aufgestockt werden, bleiben wir vielleicht sogar da, wo wir es haben. Es wird trotzdem in der Zukunft nicht reichen, um die Verkehre in der Istsituation aufrechtzuerhalten. Das muss man ganz deutlich sagen.

Es gibt eine einzige Möglichkeit, Herr Kollege Ritter, um aus diesem Dilemma für dieses Bundesland heraus- zukommen. Und es ist nicht nur ein Dilemma für Mecklenburg-Vorpommern, es ist sogar ein Dilemma für die bevölkerungsstarken Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg. Wir müssen dahin kommen, dass wir den Bund dazu bringen, so, wie es vor 1992 gewesen ist, dass wir sagen, es gibt ein Minimum an Fernverkehrsangeboten, das als Daseinsvorsorge des Bundes gewährleistet wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na ja.)

Lassen Sie mich, lassen Sie mich zum Ende …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann machen wir doch mal einen gemeinsamen Antrag für die nächste Landtagssitzung.)

Ich möchte dazu noch was sagen, weil nur unter dieser Voraussetzung, Herr Kollege Ritter,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

nur unter dieser Voraussetzung werden wir dann dazu kommen, was Herr Minister Pegel auch gesagt hat, dass wir die Regionalisierungsmittel dieses Landes tatsächlich für den Nahverkehr in diesem Land aufwenden können.

Ich will jetzt Herrn Kollegen Eifler nicht zu nahe treten mit seinen Rechenbeispielen über die Fahrgeschwindigkeit von Regional-Expressen und ICE. Die fahren alle auf der Strecke nur 160, weil sie auf der Strecke nicht schneller fahren dürfen. Deswegen ist die Fahrzeit auch nicht unterschiedlich. Das Problem sind die Halte, und zwar nicht hier im Land, sondern im Raum Berlin/Brandenburg. Das macht es so unattraktiv. Und das wird sich nur ändern, wenn es Fernverkehr ist.

Aber um das noch mal ganz deutlich zu sagen, Herr Kollege Ritter, auch auf den Hinweis, den Sie eben gegeben haben, das ist ja nun kein Thema, das wir jetzt dankenswerterweise nur wegen dieses Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diskutieren, sondern ich habe persönlich das schon mit Kollegen aus den anderen Landtagen, gerade letzten Monat, im April in Hannover diskutiert, und ich kann das an dieser Stelle auch sagen: Meine Fraktion beabsichtigt, gemeinsam mit anderen Landtagsfraktionen – und ich hoffe, dass das klappen wird, gemeinsam mit der Eisenbahnergewerkschaft, EVG, weil die haben nämlich auch ein Arbeitnehmerproblem, das dahintersteht, weil je mehr Nahverkehr reduziert wird, umso größer ist natürlich auch die Gefährdung von Arbeitsplätzen im Gesamtkonzern DB – in der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit der EVG eine Initiative zu starten, dass tatsächlich hier der Bund sich in die Pflicht nimmt, Daseinsvorsorge im Fernverkehr wieder umzusetzen. Das ist die einzige Chance, die dazu beitragen kann, dass wir hier zu einer Entspannung der Situation kommen werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, deswegen nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Kollege Suhr, gegen die Problembeschreibung, die Sie gemacht haben, will ich ja gar nichts sagen, aber der Lösungsansatz kann nicht sein, dass wir uns hier im Landtag hinstellen und sagen, wir wünschen uns einfach eine bessere Leistung, weil da muss man auch ganz offen sagen, diese bessere Leistung lässt sich momentan nicht durch das Land finanzieren. Und wenn Sie nicht, wie das vielleicht früher in einzelnen Gegenden der Welt üblich war, einfach zusätzliches Geld drucken, dann werden Sie in Mecklenburg-Vorpommern nicht die Chance haben, tatsächlich hier entsprechend mehr Finanzen einzusetzen.

Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Antrag, die Problembeschreibung, dagegen will ich gar nichts sagen, aber es reicht nicht, ein Problem zu beschreiben, Herr Kollege Suhr. Man muss dann zumindest ansatzweise eine Lösung formulieren, und das fehlt mir sowohl bei Ihren Ausführungen als auch bei den Ausführungen der Frau Kollegin Schwenke. Meine Fraktion wird

vor diesem Hintergrund diesen Antrag hier heute ablehnen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Petereit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schön, dass Sie von den GRÜNEN noch gemerkt haben, dass die Bahnverbindung nach Berlin und nicht nach Schwerin geht. Dass Sie den Antrag dennoch mit falschem Kurs abgegeben haben, zeigt deutlich, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern dass es Ihnen allein darum geht, sich auf Kosten des SPNV zu profilieren. Denn wenn es nach Ihnen ginge, das haben wir ja alles schon gehört, dann hätte angeblich jedes Dorf seinen Bahnhof, der mehrmals am Tag angefahren wird. Dort ständen überall E-Bikes, die man sich kostenlos ausleihen kann, und im Zug gibt es auch noch kostenloses WLAN.

Sie wollen darüber hinaus in Ihrem Antrag mal wieder jede Menge feststellen, und vielleicht werde ich das hier auch noch erleben, dass irgendwann dieser Feststellungswahn mal ein Ende hat, denn entweder soll das Offenkundige festgestellt werden oder es soll irgendeine subjektive, parteipolitisch gefärbte Meinung zur Tatsache erhoben werden. Das können Sie ja alles in den Antrag schreiben, aber dann in die Begründung, denn da gehört es auch hin. Das Feststellen ist ja wohl der fruchtloseste Beschluss, den der Landtag überhaupt fassen kann. Politische Signale können Sie durch Begrüßen oder Verurteilen setzen, aber nicht durch Feststellen. Mit einer Feststellung sind keinerlei Handlungsmaßnahmen verbunden, das ist nur übliches Blabla, also eine der Ursachen, warum Politik so furchtbar spannend von den Menschen im Land verfolgt wird.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dann gehen Sie doch nach Hause!)

Dass Ihr Antrag inhaltlich nichts an Substanz zu bieten hat, das sollte Ihnen spätestens nach der Antwort des Ministers klar geworden sein. Insofern kann ich mir den ganzen Rest hier sparen.