Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja, was ist denn das für eine Argumentation?!)

Das Eintreten, der Dialog mit den Krankenkassen und Unternehmen unter Punkt 3 wurde hier schon mehrmals ausgeführt. Der Dialog läuft längst. Es wurde auch schon die Anlaufstelle angesprochen, die insbesondere kleineren Unternehmen helfen soll, ein ganz wichtiger Punkt. Sie haben ja vollkommen recht, wir haben hier zahlreiche Kleinst- und Kleinunternehmen, bei denen es natürlich ganz besonders schwierig ist, weil die auch bis in die Firmenspitze hinein unter einem ganz enormen Druck stehen, und auch die Firmenspitzen ja diejenigen sind, die rund um die Uhr mitarbeiten und sich weniger schonen, als sie das ihrem Personal zumuten. Also diese Unterstützung ist erforderlich und die wird sicherlich auch weiterhin ausgebaut werden.

Punkt 4 – ESF-Förderung. Auch da wurde bereits deutlich gemacht, dass das in der alten Periode genutzt wurde und in der kommenden Periode selbstverständlich weiter genutzt wird.

Punkt 5 – Verstöße und die Bundesagentur für Arbeit. Ich hatte ehrlich gesagt gehofft, ich hätte auf den ersten Blick das so ein bisschen falsch interpretiert. Aber dann haben Sie das noch mal klargestellt, dass Sie das tatsächlich so gemeint haben, wie Herr Schubert das auch reflektiert hat, nämlich dass praktisch durch das Sozialministerium Fälle von ungutem Umgehen mit den Mitarbeitern, was jetzt die gesundheitliche Schädigung angeht, durchgestellt werden sollen an die Arbeitsagentur. Und das ist das, was Herr Schubert ja ansprach, dass das zurzeit die Gesetze so nicht hergeben. Ob man dann natürlich nicht mal das SGB entsprechend ertüchtigen müsste, das ist eine ganz andere Frage.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Stellen Sie doch einfach klar, wo die schwarzen Schafe sind!)

Die Ministerin hat natürlich auch vollkommen zu Recht gesagt, dass die Arbeitsagentur selbstverständlich, wenn ihr solche Fälle gemeldet werden, darauf entsprechend reagiert.

Und als letzter Punkt die Antistressverordnung – Frau Gajek, daraus ist leider kein Antistressgesetz geworden, wie Sie das gesagt haben.

(Heiterkeit bei Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nee, Entschuldigung!)

Aber die Entwicklung ist da nicht stehen geblieben. Die Ministerin hat das auch schon ausgeführt.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem Zusammenhang ist das Konzept, was letztendlich ja auch in das Programm „Psyche“, das Ende 2014/

Anfang 2015 laufen soll, vielleicht sogar weitergehender als das, was so eine Antistressverordnung in diesem Zusammenhang leisten kann.

Aber auf einen Punkt möchte ich gar nicht weiter eingehen, nur mal dazu bemerken, Herr Foerster: In Ihren Ausführungen ist mir doch aufgefallen, dass Sie eine grundsätzliche, eigentlich schlechte Meinung von unseren Unternehmen, was ihre Eigenverantwortung angeht, hier zum Ausdruck gebracht haben.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das haben Sie falsch verstanden.)

Das teilen wir ganz und gar nicht. Wir denken, unsere Unternehmen sind da sehr wohl sensibilisiert, weil das ja auch letztendlich in ihrem eigenen Interesse ist, dass ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesund bleiben, damit sie auch einsatzfähig bleiben. Und gerade bei kleinen Unternehmen ist das ganz wichtig, weil die nämlich ganz schlecht Ersatz beschaffen können, wenn da wirklich jemand ausfällt.

Also ein sehr wichtiges Thema, dem wir uns selbstverständlich auch in Zukunft stellen werden. Ihren Antrag brauchen wir dazu nicht. Wir lehnen ihn ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat nun für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gehört auch ein Thema, das DIE LINKE wohl genauso wenig wahrhaben will wie die leeren Geschäfte in der DDR, als sie noch SED hieß – Stichwort „Multilinguale Baustellen“.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das ist jetzt aber auch schon lange fällig.)

An vielen Baustellen ist der Anteil ausländischer Bauarbeiter sehr hoch,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ah ja!)

die – Europa tut gut und der Rest der Welt noch mehr – aus aller Herren Länder stammen. Die meisten sprechen nur ihre eigene Sprache, Verständigung geht mit Händen und Füßen und das ist natürlich ein Sicherheitsrisiko.

(Thomas Krüger, SPD: Ganz viel Angst vor Ausländern haben Sie.)

In Vorpommern etwa sieht man auch auf vielen Baustellen Fahrzeuge aus allen möglichen Ländern, nur nicht aus Deutschland. Wenn der eine Bauarbeiter dem anderen etwas auf Bulgarisch zuruft, der aber nur türkisch kann, während der Vorarbeiter nur polnisch spricht, ergeben sich natürlich Missverständnisse, gefährliche Missverständnisse, die tatsächlich auch zu Unfällen führen.

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnlich geht es übrigens auch in vielen Krankenhäusern zu, was der Gesundheit der Patienten auch nicht gerade zuträglich ist.

(Thomas Krüger, SPD: Genau, die bösen Ausländer, ne?)

Um das Ganze etwas zu illustrieren, ein Zitat aus „DiePresse.com“ vom 07.08.2012: „,Auf der Baustelle, wo ich gerade arbeite, sind 95 Prozent Ausländer‘, sagt Karol Jurczak (Name geändert). Der polnische Arbeiter erzählt, dass auf den Baustellen zunehmend ausländische Subunternehmer für die großen … Baufirmen tätig sind. ,Und es wird kaum Deutsch gesprochen, dafür aber sehr viel gedolmetscht.‘“

(Regine Lück, DIE LINKE: Das schafft wenigstens Arbeitsplätze.)

In diesem Zusammenhang gibt es ein neues Wort, das ich Ihnen vorstellen will, das heißt „Armutsmehrsprachigkeit“. Es sind ja Armutsflüchtlinge, die häufig auch aus Bulgarien, Rumänien kommend auf den Baustellen arbeiten, häufig im Abbruch, und die sind mehrsprachig. Deswegen gibt es „Armutsmehrsprachigkeit“. Und um zu dolmetschen, braucht man jetzt multilinguale Bauarbeiter, weil eben manche dieser Arbeiter Armutszuwanderer sind.

(Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Sie können ja als Dolmetscher arbeiten für Polnisch.)

Hinzu kommt das Problem der Schwarzarbeit. Auf den Gesundheits- und Arbeitsschutz der Schwarzarbeiter achten ausbeuterische Unternehmer natürlich gar nicht. Die werden für die dreckigsten und gefährlichsten Arbeiten eingesetzt. Wird einer krank oder erleidet einen Unfall, dann wirft man ihn einfach raus. Es wurden schon Leichen gefunden, abgelegt an der Autobahn oder in Wäldern, die man zuerst für Mordopfer gehalten hat. Nach ausgiebigen Untersuchungen stellte man fest, die waren auf ihrer Baustelle vom Gerüst gefallen und wurden von den kriminellen Ausbeutersubunternehmern einfach irgendwohin verbracht und sozusagen entsorgt.

Die Ausbeuter selber sind übrigens überwiegend ethnische Türken und ethnische Deutsche. So haben wir also eine wunderbare bunte Willkommenskultur, was Sie immer so großartig finden. Sie sollten sich mal überlegen, warum der Kapitalismus Multikulti und die Willkommenskultur so mag – sicherlich nicht, weil all das so sozial ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass wir mal darüber geredet haben.

Frau Tegtmeier, ich will noch mal betonen: Dass die EU mit ihren Arbeitsschutzrichtlinien hohe Maßstäbe setzt und Deutschland diese auch über das Arbeitsschutzgesetz und zahlreiche Verordnungen formal umgesetzt hat, ist unstrittig.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Aber ich frage Sie: Was nützt all dies, wenn das Personal der Arbeitsschutzbehörden über Jahre zusammenge- strichen wird? Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung bedenklich und der Trend geht ja ganz offenbar auch weiter in diese Richtung, denn in der Märzausgabe des „DBB-Regionalmagazins“ konnte man von einem Treffen des Bundes technischer Beamter mit dem Leiter der Abteilung 5, Arbeitsschutz und technische Sicherheit, im LAGuS lesen. Und darin wurde beklagt, dass über die gesamte Behörde weitere 36 Stellen gestrichen werden sollen.

Auch im Bereich des Arbeitsschutzes will man offenbar erneut auf die Suche nach weiterem Einsparpotenzial gehen. Und da will ich mal die Frage stellen: Wen trifft denn das am Ende des Tages? Natürlich auf der einen Seite eine große Zahl von Beschäftigten, aber eben auch diejenigen Unternehmer, die sich bemühen, die hohen Standards beim Schutz der Beschäftigten vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen einzuhalten.

Ich habe es vorhin schon mal als Erwiderung auf einen Zwischenruf gesagt: Arbeitsschutz kostet nun mal Geld. Und trotz verbesserter Arbeitsmarktlage ertragen nach wie vor viele Beschäftigte gesetzwidrige Arbeitszeiten, unsichere Arbeitsmittel, Lärm- oder Gefahrstoffbelastungen, weil sie gerade hierzulande auf ihren Job angewiesen sind. Ihnen kann nur geholfen werden, wenn die Unternehmen erkennen oder eben von einer Kontroll- instanz gezwungen werden, dass man in die Gesund- erhaltung der Arbeitnehmer investieren muss. Und wissen Sie eigentlich, wie oft in Deutschland ein Betrieb durchschnittlich kontrolliert wird? Ich sage es Ihnen: Die letzte Zahl, die ich dazu gelesen habe – alle 20 Jahre!

Da mir klar war, wie die Abstimmung zu diesem Antrag ausgeht, möchte ich Ihnen, Frau Ministerin, einige Beispiele für zumindest aus gewerkschaftlicher Sicht problematische Fälle nennen, und bitte Sie auch ausdrücklich, diese Sachverhalte einmal prüfen zu lassen.

Einen Schwerpunkt des sozialen Arbeitsschutzes bildet die Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Ich sprach jüngst mit einer Vertreterin einer großen Einzelgewerkschaft und die wies mich in diesem Gespräch darauf hin, dass in den Rettungsdiensten unseres Landes flächendeckend in 12-Stunden-Diensten gearbeitet wird.

Nun könnte man ja sagen, das ist wenig überraschend und im Übrigen auch im Arbeitszeitgesetz geregelt. Allerdings soll es in diesem Bereich keinen gültigen Tarifvertrag und auch keine gültige Betriebsvereinbarung geben, die sich auf einen solchen bezieht. Und wenn das stimmt, dann wäre das rechtswidrig, weil es gegen das Arbeitszeitgesetz verstößt, denn von Paragraf 3 Arbeitszeitgesetz, der den 8-Stunden-Tag regelt, kann nur dann abgewichen werden, wenn im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten der Durchschnitt von acht Stunden nicht überschritten wird, und auch nur dann, wenn es einen Tarifvertrag oder eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung gibt, die das regelt. Die gibt es im Bereich der Rettungsdienste offensichtlich wenigstens mal flächendeckend nicht. Ich kenne nur wenige Ausnahmen, so beim DRK Ludwigslust. Allerdings ist das ein Tarifvertrag mit einer christlichen Gewerkschaft.

Ein weiteres Beispiel aus dem gleichen Themenkreis: Im DRK-Krankenhaus Grevesmühlen soll im Anschluss an

einen Regeldienst ein bis zu 16-stündiger Bereitschaftsdienst bei den Beschäftigten der Anästhesie angehängt werden. Und hier sieht man gewerkschaftsseitig kritisch, dass damit de facto nicht nur 24-Stunden-Dienste absolviert werden, sondern die Beschäftigten neben der Sicherung der OP-Versorgung offenbar auch noch Rettungsdienste fahren sollen.

Schließlich noch ein Problem aus dem Themenkreis der genehmigungspflichtigen Sonn- und Feiertagsarbeit. Gemäß Paragraf 10 Arbeitszeitgesetz können Genehmigungen ja nicht nur für Rettungsdienste, Gaststätten, Pflegeheime, Fremdenverkehrs- oder Verkehrsbetriebe, sondern unter anderem auch für Callcenter oder im produzierenden Gewerbe erteilt werden. Sie haben es vielleicht gelesen: Die Sonn- und Feiertagsarbeit nimmt bundesweit zu. Heute arbeiten 3,8 Millionen Menschen mehr regelmäßig an Wochenenden und Feiertagen als noch 1995. Und auch hierzulande steigt die Zahl der Anträge aus den Unternehmen seit Jahren an auf zuletzt 557 Anträge im Jahr 2012.

Gewerkschaftsseitig ist man der Auffassung, dass diese Genehmigungen viel zu wenig hinterfragt werden und auch der Wille der Beschäftigten, deren Interessenvertretungen sich ja dazu äußern müssen, in der Bewertung viel zu selten Berücksichtigung findet. Mir hat man beispielsweise gesagt, Betriebe wie Hüttemann könnten ihre Produktion problemlos unterbrechen, kriegen aber trotzdem eine Genehmigung für Sonn- und Feiertagsarbeit. So weit zu den Beispielen.

Ich hätte gern auch noch mehr über Schlagworte wie „risikoorientierte Aufsichtsstrategie“ erfahren, die das anlassbezogene Handeln laut Tätigkeitsbericht ergänzt. Neben den Hinweisen oder konkreten Anzeigen zu Gesetzesverstößen will sich das LAGuS ja bei Kontrollen auf Risikobereiche konzentrieren. Da sage ich, das klingt natürlich unverfänglich, ist aber streng genommen nichts anderes als eine Folgewirkung verlorengegangener personeller Ressourcen. Und ich bin da skeptisch, ob das aufgehen kann, unter anderem deshalb, weil auf unserer Betriebs- und Personalrätekonferenz angesprochen wurde, dass die Möglichkeiten, den Kontrolldruck aufrechtzuerhalten, auch an zu knapp bemessenen Budgets, beispielsweise für Benzin, scheitern könnten. Ich konnte mir das ehrlich gesagt gar nicht vorstellen. Die Aussage ging dann in die Richtung: Stellen Sie sich vor, wenn sie das Budget für Benzin sozusagen erfüllt haben, dann können wir nicht mehr rausfahren, um vor Ort überhaupt eine Besichtigung durchzuführen. Vielleicht können Sie das auch noch mal klären.

Kritisch zu hinterfragen bleibt auch, ob die Ahndung festgestellter Verstöße tatsächlich ausreichend ist, denn bei den 12.974 Kontrollen im Jahre 2012 wurden 9.552 Beanstandungen festgestellt, von denen jedoch nur 1.623 geahndet und in 275 Fällen Zwangsmaßnahmen eingeleitet wurden.