in denen Sie als Landwirtschaftsminister tätig sind – es sind insgesamt nun schon 16 Jahre –, nur eine locker gedruckte DIN-A4-Seite vorlegen konnten, die noch dazu etliche Punkte enthält, die gar keine konkreten Fortschritte im Tierschutz markieren. Haben Sie denn zu diesem Thema nichts anderes vorzuweisen, als wiederholt am Begriff „Massentierhaltung“ herumzumäkeln, der ja, wie Sie immer wieder betonen, angeblich nicht definiert ist, was im Übrigen nicht der Tatsache entspricht?
Ich habe von Ihnen anlässlich der MeLa erwartet, und erwarte das auch heute von Ihnen, dass Sie berichten, was Sie nun endlich tun wollen, um nicht ständig den Initiativen anderer Bundesländer in puncto Tierschutz, insbesondere Nutztierhaltung, hinterherzuhinken – Initiativen, die sich beispielsweise um mehr Bewegungsfreiheit von Schweinen kümmern, die wir Bündnisgrüne gefordert
Bedauerlicherweise finde ich in diesem Zusammenhang auf Ihrem Zettel nicht das, was Sie jüngst erfreulicherweise verkündet haben, nämlich dass Sie auf dem Deutschen Tierschutzbund auf Landesebene ein Klagerecht in Sachen Tierschutz einräumen wollen. Ich hoffe, dass Sie zu diesem Thema von Ihrem kleinen Koalitionspartner CDU nicht dauerhaft einen Maulkorb verpasst bekommen oder sich verpassen lassen und zumindest in diesem Punkt nennenswerte Fortschritte er- zielen.
Ich kann bis jetzt nicht erkennen, inwieweit Sie in Ihrer Einbringungsrede diesen Antrag begründen. Der heißt nach meinem Verständnis „‚Erlass zum Umgang mit Saugferkeln‘ korrigieren“. Wenn Sie jetzt bitte zum Thema kommen würden?!
Wenn es um nennenswerte Fortschritte im Tierschutz geht, bin ich auch schon direkt beim Thema, denn den „Erlass zum Umgang mit Saugferkeln“ in der Tierproduktion können wir leider nicht als „nennenswerten Fortschritt“ in einer wichtigen Frage des Tierschutzes bezeichnen. Er ist nichts weiter als eine Beruhigungspille, die nichts weiter sagt, als: Hallo Leute hier in der Öffentlichkeit, wir tun etwas!
Zum Werdegang: Bereits Ende vergangenen Jahres hatte der Druck von brutalen Bildern aus Nutztierställen die Landesregierung veranlasst, den Umgang mit Saugferkeln in einem Erlass zu regeln. Doch weitere Bilder und Berichte folgten, nun auch klar ersichtlich aus einer der größten Anlage in Mecklenburg-Vorpommern, der Gut Losten GmbH bei Wismar. Unsere Fraktion stellte daraufhin am 28. Juli 2014 an die Landesregierung eine Kleine Anfrage zum rechtswidrigen Töten von Ferkeln in Schweinezuchtanlagen. Bis heute, also sieben Wochen später, ist sie nur zu Teilen beantwortet.
In jener Zeit arbeitete das Ministerium nicht an der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage, sondern – wie sich dann herausstellte – an einem erweiterten Ferkelerlass, den es am 19. August im Gegensatz zum Vorgängererlass veröffentlichte und mit dem es Aktivität vorweisen wollte. Nun ist zunächst einmal zu begrüßen, dass Sie sich bemühen, in einer nicht ganz einfachen Frage des Umgangs mit Nutztieren nachvollziehbare Regeln zu finden und diese Regeln auch transparent machen zu wollen, zumal diese Regeln durch Richtlinien, Gesetze und Verordnungen nicht exakt genug vorgegeben sind. Aber dort, wo es genaue Vorgaben gibt, sollte man sie auch entsprechend umsetzen, statt nach eigenem Gutdünken neue Interpretationen des Gesetzes in die Welt zu setzen.
So ist einer unserer Kritikpunkte, dass Sie im Erlass eine neue Unterkategorie „Saugferkel bis 2 kg“ schaffen, die so in der maßgeblichen Tierschutz-Schlachtverordnung schlicht und ergreifend nicht existiert. Dort gelten die Regelungen für die Anwendung der Betäubung, also dem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf generell für Ferkel bis fünf Kilogramm. Saugferkel bis zwei Kilogramm können also nach Ihrer Meinung weiterhin an den Läufen gegriffen und mit dem Kopf gegen – so, wie es im Erlass beschönigend heißt – nicht federnde Flächen geschlagen werden, und das, obwohl uns die Bilder aus den Ställen vor Augen führten, dass genau dies ein Verfahren ist, das die Tiere nicht betäubt, sondern in vielen Fällen schwer verletzt oder auch gleich tötet.
Doktor Guntram Wagner, Leiter des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, bezeichnet in einem Zeitungsinterview das Erschlagen der Ferkel als Verfahren, bei dem die Tiere gleichzeitig betäubt und getötet werden. Diese widersinnige Formulierung ist ein Beispiel dafür, wie sich all jene, die die gezeigte Praxis durchführen und sie tolerieren, bemühen, eine rechtswidrige Praxis mit dem
Hinweis, man hätte es doch schon immer so gemacht oder das sei für das Tier das Beste, zu legitimieren.
Bei all diesen verbalen Verrenkungen wird doch eines unterschlagen, was jeder Schweinehalter im Zwiegespräch bestätigt: Ferkel werden so, wie auf den Video- bildern zu sehen, Tag für Tag erschlagen, und das landesweit in großer Zahl und nicht im Einzelfall.
Dies wird als übliches Verfahren auch von Behörden akzeptiert. Da geht es erst mal gar nicht um die Frage, ob das in großen oder kleinen Ställen passiert, in ökologischen oder konventionell geführten, ob es sich um überlebensfähige oder nicht überlebensfähige Ferkel handelt,
da geht es erst mal um die Frage, ob es dem gesetzlich fixierten Tierschutzgedanken entspricht, Tiere auf eine Weise zu töten oder töten zu wollen, die nicht sicher zum Tode führt. Die Tierschutz-Schlachtverordnung sagt dazu ganz klar: Nein. Tiere dürfen nicht auf diese Art und Weise, sondern erst nach Betäubung durch einen gezielten Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf eine bestimmte Region des Tierkopfes getötet werden.
So ist unser Hauptkritikpunkt, dass der neue Erlass den Schlag gegen die Wände als geeignete Betäubungsmethode zulässt, obwohl das von der Tierschutz-Schlacht- verordnung ausgeschlossen wird. Laut Tierschutz muss der betäubende Schlag auf den Kopf erfolgen und nicht umgekehrt. Das aus gutem Grund. Nur durch den Schlag mit einem Rundholz auf den Kopf kann die richtige Kopfregion getroffen werden, um so eine wirkungsvolle Betäubung und damit Schmerzausschaltung zu garantieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Landwirtschaft müssen wir endlich den Trend stoppen, der dahin geht, Tiere wie empfindungslose Gegenstände zu behandeln. Respekt vor dem Leben und die Einhaltung ethischer Grundsätze sind nicht verhandelbar und dürfen nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten abgewogen werden.
In einem industriellen Agrarsystem wird mit immer größeren Anlagen, mit schlecht bezahlten Arbeitsplätzen, dem Druck nach weiterer Rationalisierung bei starker Nachfrage von billigem Fleisch weitere Verrohung hingenommen. Wir brauchen offenbar wieder klare Regelungen im Umgang mit den Tieren. Nichts ist dort mehr selbstverständlich. Nur ein korrekt und unmissverständlich formulierter Ferkelerlass taugt dabei als Richtschnur für die Tierhalter. Allerdings werden Anlagen mit 2.000 und mehr Schweinen, wie sie in Mecklenburg-Vorpommern üblich sind, auch in Zukunft die größten Schwierigkeiten haben, diesen Erlass umzusetzen.
Wenn wir zueinander ehrlich sind, dann wissen wir, dass billiges Fleisch unter anderem auch nur dann möglich
ist, wenn es eben keine aufwendigen Tötungsmethoden gibt, die aber tierschutzgemäß wären. Jede Regel mehr, die dem Tierwohl dient, wird uns als Verbraucher fordern, denn sie muss mit einem höheren Preis für das Produkt gegenfinanziert werden. Deshalb ist nicht allein aus Tierschutzgründen die beste Investition, gerechte und an- gemessene Preise für Fleisch und Fleischprodukte aus tiergemäßer Haltung zu zahlen. Weil dies trotz immer neuer Ungeheuerlichkeiten, die wir aus der industriellen Tierhaltung erfahren, noch viel zu wenig geschieht, haben es all jene Landwirte schwer, die sich bewusst gegen dieses System der intensiven Nutztierhaltung entscheiden.
Wir dringen mit unserem heutigen Antrag darauf, dass am Anfang dieser Kette an notwendigen Schritten für mehr Tierschutz erst einmal die gesetzlichen Regeln des Tierschutzes korrekt eingehalten und dargelegt werden. In diesem Sinne bitte ich Sie um Unterstützung unseres Antrages. – Vielen Dank.
Die Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN hat eine Auszeit von 15 Minuten beantragt. Ich unterbreche die Sitzung bis 10.45 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Wir befinden uns im Tagesordnungspunkt 19. Die Begründung für den vorliegenden Antrag ist gegeben worden.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst der zuständige Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Till Backhaus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Pause auch genutzt, um uns angeregt mit den Besuchern zu unterhalten. Deswegen möchte ich Ihnen, Frau Gerkan, noch mal Folgendes an die Hand geben und vielleicht auch die Hand reichen.
Eines ist für uns alle in diesem Hohen Haus klar – ich hoffe das jedenfalls –: Tierwohl ist nicht allein eine Frage der Haltungssysteme, sondern Tierwohl ist immer eine Frage der Achtung vor der Schöpfung. Wer mit dem Geschöpf nicht richtig umgeht, der hat ein Problem in Mecklenburg-Vorpommern.
Tierwohl ist natürlich auch eine Frage des Umgangs mit Lebensmitteln. Wer nicht vernünftig mit Lebensmitteln umgeht, der trägt die volle Verantwortung, wenn wir im
mer wieder mit solchen Problemen konfrontiert werden. Sehr wohl ist Tierwohl auch eine Frage der Haltungssysteme, und daran arbeite ich wirklich seit Jahrzehnten, und zwar auch damals in der Oppositionsrolle. Deswegen macht es mich manchmal ein bisschen traurig, wenn ich dann angegriffen werde, so nach dem Motto: Was hat denn der hier in den letzten 15 Jahren geleistet?
Meine Damen und Herren, ich will mich jetzt auf das konzentrieren, was den Antrag ausmacht. Ich bin im Übrigen, Frau Gerkan, manchmal auch etwas verwundert: Einmal reden Sie zum Thema Landwirtschaft, dann Frau Dr. Karlowski.
Das ist eine interne Aufgabe bei Ihnen, aber mein Wunsch wäre schon, dass man versucht, das irgendwo in einer Hand zu bündeln.