Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber nur den Deutschen!)

Die Daseinsfürsorge in der Hand der heutigen Regierung hätte sicher zunächst das Wohl der Herrscher und ihrer Vasallen abzusichern.

Gleichwohl wollen wir die herbeigeführte Situation nicht ignorieren. Die Potenziale erneuerbarer Energien ermöglichen eine umfangreiche Energiewende und bieten Möglichkeiten zur Entwicklung des ländlichen Raums. Dies hätte wiederum positive Auswirkungen auf die bisher negativ verlaufene Bevölkerungsentwicklung, welche nicht nur dem Geburtenschwund geschuldet, sondern auch dem Strukturabbau zuzurechnen ist.

Wir unterstützen den Antrag, obgleich wir davon überzeugt sind, dass er wirkungslos bleiben wird. Dennoch ist er inhaltlich richtig. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, eine schöne Pirouette!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Gäste! Grundsätzlich, glaube ich, ist allen klar, die Energiewende ist für unser Land Mecklenburg-Vorpommern eine Riesenchance für mehr Wertschöpfung, für mehr Arbeitsplätze. Dies gilt natürlich insbesondere auch für die Kommunen, die die große Chance haben, insbesondere ihre finanzielle Situation zu verbessern.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Da gibt es vielfältige Möglichkeiten. Bevor wir zur Gewerbesteuer kommen, möchte ich einfach noch mal klarstellen, der eigentliche Königsweg bleibt natürlich die eigene wirtschaftliche Betätigung in der Kommune in dem Bereich.

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

Das ist der eigentliche Königsweg, selbst zu erzeugen und damit selbst natürlich auch die Gewinne zu erzielen, und deshalb ja auch unser vorbereitetes Kommunal- und Bürgerbeteiligungsgesetz.

Aber man sollte auch nicht die Pachteinnahmen unterschätzen, die man erzielen kann, wenn die Kommunen über die entsprechenden Flächen verfügen. Man sollte nicht unterschätzen die Möglichkeiten, Ausgleichsmaß

nahmen finanziert zu bekommen. Heute wird ein Windpark in Öttelin eingeweiht – Ausgleichsmaßnahmen insgesamt im Wert von über 300.000 Euro für zwei Gemeinden.

Oder da sind Gestaltungs- und Entschädigungszahlungen für die Nutzung kommunaler Infrastruktur. Wenn das vertraglich gut gesichert wird, und davon gehe ich aus, dass die Kommunen dazu in der Lage sind, sind das zum Teil erhebliche Beträge.

Und da sind natürlich Steuereinnahmen, die Teilhabe an Steuereinnahmen, die insbesondere natürlich die Gewerbesteuereinnahmen betreffen, aber zum geringfügigen Teil natürlich auch Lohnsteuereinnahmen.

Heute ist das Hauptthema Gewerbesteuer im Zusammenhang mit der Erzeugung von erneuerbaren Energien. Und ich sage an der Stelle gleich, „Erzeugung“ von erneuerbaren Energien. Aber dieser Streit ist eigentlich völlig überflüssig, weil man erzeugt mit diesen Anlagen Energie, aber man nutzt natürlich selbstverständlich auch erneuerbare Energien. Insofern, glaube ich, ist beides möglich. Ich glaube auch nicht, dass das heute hier das Hauptthema sein muss.

Entscheidend ist das, was Kollege Jaeger gesagt hat, dass wir uns im Energieausschuss – insofern bin ich ja auch den Finanzpolitikern sehr dankbar, dass sie dieses Thema aufgegriffen haben mit dem heutigen Antrag –, dass wir uns schon seit geraumer Zeit mit dem Thema beschäftigen. Zuletzt am 18. Juli, kurz vor der Sommerpause haben wir auch insbesondere über die Bedeutung der Gewerbesteuer für Onshorewindkraftanlagen diskutiert und haben dabei zum einen festgestellt, dass es leider eine sehr schlechte Datenlage gibt. Es ist ganz schwierig, überhaupt konkret zu erfassen, wie hoch ist der Anteil der Gewerbesteuereinnahmen durch Windkraftanlagen im Land beziehungsweise bezogen auch auf einzelne Gemeinden.

Und zum Zweiten haben wir festgestellt zumindest eine gefühlte, aber im konkreten Fall auch reale, begründete Unzufriedenheit der Gemeinden bezüglich der Erwartungen an Gewerbesteuereinnahmen. Interessant in dem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ist sicherlich eine Prognos-Studie, die ausgehend von Angaben im Jahre 2010, im Jahre 2011 untersucht hat, welche Gewerbesteuerpotenziale gäbe es möglicherweise in Mecklenburg-Vorpommern. Das sind auch die einzigen Zahlen, die es in dem Zusammenhang momentan leider gibt, wohlgemerkt eine Studie mit entsprechenden Prognosen.

2010 wurde dort praktisch unterstellt, dass man bei 1.300 Windkraftanlagen zum damaligen Zeitpunkt etwa 13 Millionen Euro insgesamt Gewerbesteuereinnahmen durch diese Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern erzielt hat, immerhin ein Anteil von vier Prozent an den damaligen 317 Millionen Gewerbesteuereinnahmen ins- gesamt.

Auf 2013 bezogen, also aktuell, würde das konkret bedeuten, bei inzwischen über 1.600 Anlagen, wenn man diese vier Prozent mal unterstellt, dass wir bei insgesamt über 400 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen sind, immerhin eine Größenordnung von 16 Millionen.

Mit Blick auf 2020 eröffnen sich dann noch ganz andere Perspektiven, weil wir natürlich davon ausgehen, dass

wir zukünftig Windkraftanlagen haben in einer Anzahl zwischen 2.400 und 2.500. Zumindest in der Prognose würden wir dann deutlich über 30 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen liegen. Das heißt, wir reden hier auch über bedeutende Beträge.

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Meine Damen und Herren, worin besteht unser politisches Ziel? Es freut mich sehr, dass es hier ganz offensichtlich doch einen großen Konsens in dieser Frage gibt. Wir müssen wirklich alles unternehmen, alles versuchen, dass die Standortgemeinden für Onshorewindkraftanlagen – das gilt auch für Solarparks –, dass die stärker als bisher partizipieren und profitieren von der Steuerentwicklung und vor allen Dingen natürlich zielgenauer insbesondere die Standortgemeinden.

Welche Lösungen gibt es? Und das ist nicht nur die Frage „Zerlegungsmechanismus verändern“.

Meine Damen und Herren, wir müssen als Erstes vorschlagen, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass wir insgesamt mehr Windkraftanlagen im Land haben, weil das ist die Grundlage, dass wir dann damit natürlich auch mehr Gewerbesteuereinnahmen erzielen können.

Zweitens, und das wäre für mich der eigentliche Königsweg: Wir müssen es schaffen, zukünftig viel mehr auf den Zerlegungsmechanismus zu verzichten. Wie meine ich das? Wenn Sitz der Betreibergesellschaft und Standortgemeinde identisch ist, verbleibt die Gewerbesteuer zu 100 Prozent in der Standortgemeinde. Das ist der eigentliche Königsweg. Das wird nicht immer funktionieren.

Insofern ist es vollkommen richtig, drittens, den Zerlegungsmechanismus so, wie schon diskutiert, zu verändern und praktisch damit die Chancen, zumindest für die Standortgemeinde, deutlich zu verbessern.

Wir haben mit dem Antrag die Landesregierung aufgefordert, im Bundesrat tätig zu werden, diese bundesgesetzlichen Regelungen zur Zerlegung zu verändern. Der konkrete Vorschlag wurde von meinen Vorrednern schon hier beschrieben. Ich möchte noch mal unterstreichen, dass es ganz entscheidend ist, wenn die 70 Prozent Sachanlagevermögen als Zerlegungsgrundlage ersetzt werden durch installierte Leistung, dass das entscheidend durchschlägt erst ab dem 16. Betriebsjahr. Dann, wenn nämlich die Abschreibung greift und normalerweise das Sachanlagevermögen abgeschrieben wird, hat die Standortgemeinde null Anteile noch an den Gewerbesteuereinnahmen. Wenn das ersetzt wird durch die installierte Leistung, wird es praktisch ab 2017 für die Standortgemeinde richtig lukrativ. Entsprechende Rechenmodelle haben das auch schon belegt. Insofern ist das absolut der richtige Ansatz.

Ich bin aber auch der Meinung, dass der vom Kollegen Jaeger, aber auch teilweise von den LINKEN immer wieder gebrachte Vorschlag, den Verteilungsschlüssel selbst, nämlich 30 : 70, noch mal kritisch zu hinterfragen, dass diese Diskussion natürlich auch nicht beendet ist, zumal – wir haben es gehört – wir im Bundesrat eine schwierige Gemengelage haben werden und noch gar nicht abzusehen ist, unter welchen Voraussetzungen wir überhaupt die Mehrheit bekommen für eine Veränderung an einer Sonderregelung. Die Ministerin hat es gesagt:

Finanzpolitiker sind in der Regel nicht besonders begeistert, wenn Sonderregelungen noch mal durch eine neue Sonderregelung verändert werden.

(Heinz Müller, SPD: Wat mut, dat mut.)

Dort wird es sicherlich Widerstände geben und insofern ist es richtig, eine breite Balance zu organisieren, eine konzertierte Aktion. Ich glaube, dass die Energiepolitiker in allen Ländern, die ja vor der Aufgabe stehen, mehr oder weniger die Energiewende voranzutreiben, dass die sich insbesondere in ihren Landesregierungen für diese Änderungen im Steuerrecht einsetzen werden und müssen, um zukünftig die Akzeptanz bei Gemeinden, in denen Windkraftanlagen entstehen sollen, entsprechend zu verbessern.

Zu den Anträgen selbst, die hier gestellt wurden, ist Folgendes zu sagen:

Zum einen, geschätzter Kollege Johann-Georg Jaeger, würde ich doch vorschlagen, dieses wichtige Thema nicht zu überlagern, zu überfrachten mit einer FAGDebatte. Das wird uns an der Stelle im Moment nicht weiterbringen. Wir sollten uns wirklich auf den Kern konzentrieren. Ich war selbst 13 Jahre Finanzpolitiker und weiß, wie schwierig das Thema FAG ist.

(Heinz Müller, SPD: Ist wohl wahr.)

Wir würden zumindest taktisch, aber, ich glaube, auch inhaltlich einen Fehler machen, wenn wir beides versuchen in guter Absicht miteinander zu verbinden. Ich befürchte, das wird nicht funktionieren.

Zu dem Änderungsantrag …

Ach so, bevor ich zu dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch was sage: Liebe Mignon, vielleicht gibt es die Möglichkeit, über diese Brücke zu gehen. Ich habe es versucht zu erklären. Ich glaube, beides kann man inhaltlich verwenden.

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Erzeugung und Nutzung von erneuerbaren Energien, also diesen Streit würde ich an dieser Stelle hier auch nicht führen wollen.

Aber noch mal zu dem Änderungsantrag von BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Der hat ja eine richtige inhaltliche Zielsetzung. Aber ich glaube, Johann-Georg, wenn das so ist, dass wir dort praktisch keinen Gemeindeanteil haben, es auch in der Praxis schwer ist, dort eine gerechte praktische Zerlegung im Sinne von betroffenen Standortgemeinden an der Ostseeküste hinzubekommen, ich glaube, dann ist es sachgerecht, diesen Änderungsantrag heute so in dieser Form abzulehnen. Deinen Vorschlag, deinen Antrag zu überweisen, dem ich als Energieausschussvorsitzender immer so grundsätzlich positiv gegenüberstehe, möchte ich sachlich begründet auch ablehnen, nicht nur weil wir ein Zeitproblem haben, wir müssen schnellstmöglich diese Bundesratsinitiative organisieren. Wir haben hier wirklich einen Zeit- und Handlungsdruck. Aber es gibt noch etwas anderes:

Guckt euch bitte noch mal unseren Antrag an! Da mag die eine oder andere Formulierung sicherlich verbesserungswürdig sein, aber er ist so formuliert, da steht „ziel

genau“. Da steht nicht exakt drin, ob wir jetzt praktisch bei 70 Prozent ansetzen mit installierter Leistung. Das ist der Vorschlag so, wie wir ihn heute auch gemeinsam hier vorgetragen haben, aber im Antrag steht er so dezidiert nicht. Ich halte das – im Moment zumindest – nicht für einen Nachteil, sondern eher für einen Vorteil. Insofern ist nach meiner Meinung eine Überweisung nicht notwendig. Der Antrag ist gut, der Antrag ist zielgerichtet. Ich wünsche uns gemeinsam, dass wir im Bundesrat mit anderen Ländern gemeinsam Erfolg haben im Interesse der Energiewende in Mecklenburg-Vorpommern, aber nicht nur bei uns, sondern wir brauchen diese Änderung im Steuerrecht auch für die Energiewende in Deutschland insgesamt. Insofern bin ich ganz optimistisch, dass wir mit dieser Initiative auch Erfolg haben werden. – Vielen Dank, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/3246 zur federführenden Beratung an den Energieausschuss sowie zur Mitberatung an den Finanzausschuss und an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Kann ich davon ausgehen, dass wir den mündlich vorgetragenen Änderungsantrag, in Ziffer 1 das Wort „Nutzung“ durch das Wort „Erzeugung“ zu ersetzen, sowie den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3302 ebenfalls an diese Ausschüsse über- weisen? – Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, also stimmen wir über den Überweisungsvorschlag ab. Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Ich lasse nun zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3302 abstimmen, weil in dem Antrag das Wort „Erzeugung“ lediglich in der Überschrift steht und es der weitergehende Antrag ist. Wer also dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3302 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/3302 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Im Rahmen der Debatte ist seitens der Fraktion DIE LINKE folgender mündlicher Änderungsantrag gestellt worden: In Ziffer 1 des Antrages auf Drucksache 6/3246 ist das Wort „Nutzung“ durch das Wort „Erzeugung“ zu ersetzen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der mündlich vorgetragene Änderungsantrag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, NPD und Teilen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und einer Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wer dem Antrag der SPD und CDU auf Drucksa- che 6/3246 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um

ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/3246 einstimmig angenommen.