Wir haben in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene gerade für Flüchtlinge eine Reihe von Verbesserungen erzielt. Dazu gehören ein neues alters- und stichtagsunabhängiges Bleiberecht, eine Ausweitung des Resettlementverfahrens, also des Verfahrens zur dauerhaften Neuansiedlung in einem zur Aufnahme bereiten Drittland, die Fast-Aufhebung der Residenzpflicht durch Ausweitung der Aufenthaltsmöglichkeit auf das jeweilige Land, wobei Vereinbarungen zwischen den Ländern zugunsten genereller landesübergreifender Bewegungsfreiheit unberührt bleiben, die frühzeitige Unterweisung in der deutschen Sprache, die Anhebung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahrensrecht und im Aufenthaltsrecht. Das alles sind wichtige Maßnahmen für Flüchtlinge.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat mit dem Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges für Asylbewerber und geduldete Ausländer ein Gesetz beschlossen, dass auch ein zentrales Anliegen der SPD umsetzt. Die Wartefrist für den Zugang zum Arbeitsmarkt, nach der die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden kann, wird sowohl für Asylbewerberinnen und Asylbewerber als auch für Ausländerinnen und Ausländer, die eine Duldung besitzen, auf drei Monate verkürzt.
Bisher gelten hier Wartefristen von neun Monaten beziehungsweise einem Jahr, bis die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt wird.
Die Betroffenen wären nun künftig früher in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und sich und ihre Familien selbst zu versorgen. Dies ist ein großer Schritt nach vorn, werden die betroffenen Menschen doch nicht mehr vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und in die Passivität geschickt, was nicht selten zu psychischen und körperlichen Beschwerden führte.
Damit wird eine deutliche Verbesserung für die Menschen erreicht. Heute wird im Bundesrat über das bisher durchaus unterschiedlich diskutierte Gesetz beraten. Pressemitteilungen konnten wir, wie schon gehört, entnehmen, dass die grün geführte Landesregierung in Baden-Württemberg plant, diesem Gesetz zuzustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, ist das vielleicht der Grund, warum Sie Ihren Antrag auf unsere gestrige Sitzung vorziehen wollten?
(Heinz Müller, SPD: Ooh! – Vincent Kokert, CDU: Das hätte ja was mit Strategie zu tun. – Zurufe von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es sich bei den Staaten BosnienHerzegowina, Serbien und Mazedonien um sogenannte sichere Staaten im Sinne des Artikels 16a Absatz 3 des Grundgesetzes handelt. Diese Entscheidung ist sowohl politisch als auch menschenrechtlich falsch. Darauf komme ich gleich zurück.
Mit dem Gesetzentwurf wird bezweckt, dass die Asylanträge aller Asylsuchenden aus diesen Ländern in der Zukunft im Schnellverfahren pauschal als unbegründet abgelehnt werden.
In den Balkanländern werden jedoch nach wie vor schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen. Viele Bürgerinnen und Bürger in diesen Ländern
leben am Rande der Gesellschaft, sind unterversorgt und sie sind Opfer von rassistischen Übergriffen. Vor allem für die Minderheit Sinti und Roma herrscht eine massive Diskriminierung in diesen Ländern. Diese Diskriminierung reicht von massiver rechtlicher Benachteiligung, gewalttätigen Übergriffen bis hin zum Ausschluss aus der Gesellschaft. Sie werden sich selbst überlassen und haben teilweise nicht einmal beheizbaren Wohnraum, Strom und sauberes Wasser.
Ich glaube, ich muss an dieser Stelle nicht weiter ausführen, was das eigentlich für Kinder und Frauen bedeutet, liebe Kolleginnen und Kollegen. Laut UNICEF ist die Kindersterblichkeit bei Roma in Serbien viermal so hoch wie im Durchschnitt. Es wird davon ausgegangen, dass in diesen Ländern fast 45.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo leben, die keine Personaldokumente besitzen und damit völlig rechtlos sind. Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, zu angemessenen Wohnräumen und zu Sozialleistungen. Das alles sind Gründe, warum diese Länder eben nicht pauschal als sichere Drittstaaten erklärt werden können, dürfen, sollen.
Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel. Im Mai dieses Jahres gab es in Serbien und Bosnien-Herzegowina eine Überschwemmungskatastrophe. Häuser und ganze Siedlungen wurden dabei zerstört. Zehntausende Menschen sind obdachlos geworden. Die gewährte staatliche Hilfe kommt aber längst nicht bei allen an. Einer Gruppe von 30 Roma wurde der Zugang zu Aufnahmezentren einfach verweigert, weil sie Roma waren. Sie wurden stattdessen in einen Bunker verfrachtet, der durch Rattengift verseucht war, ohne Toilette, ohne sauberes Wasser und ohne Anschluss an das Abwassersystem. Ihnen wurde jegliche Unterstützung verweigert, die andere Bürgerinnen und Bürger in diesen Ländern erhalten haben – das Ganze, weil sie Roma sind. Das ist eine schreckliche Realität, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Neben massiven Diskriminierungen von Sinti und Roma sind Übergriffe auf Andersdenkende und Anderslebende insgesamt an der Tagesordnung. Sie sind auch Ausmaße homophober Gewalt
und immer wieder in den Schlagzeilen zu lesen. Vergangene Woche wurde ein deutscher Teilnehmer einer Schwulenrechtskonferenz in der serbischen Hauptstadt Belgrad so brutal misshandelt, dass er schwer verletzt war.
Die Bundesregierung rechtfertigt ihren Gesetzentwurf auch damit, dass durch die Aufhebung der Visapflicht für Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina von 2009 beziehungsweise 2010 die Zahl der Asylanträge sprunghaft angestiegen ist. Von Januar bis März dieses Jahres war es ein Fünftel, sprich 20 Prozent aller Erstanträge. Dies wurde in den Wintermonaten erfasst, in denen viele Flüchtlinge aufgrund von Hunger und Kälte fliehen. Diese Menschen haben wie gesagt keine angemessenen beheizbaren Wohnräume. Die Entscheidung für eine Flucht liegt eben auf der Hand. Aus dem Grund gibt es regelmäßig Winterabschiebestopps.
Es ist also höchstpopulistisch, mit diesem Zeitrahmen zu argumentieren und zu vergleichen. Nach Berichten des
Amtes für Migration und Flüchtlinge in Mecklenburg-Vor- pommern waren folgende Länder aufgeführt, also im Jah- re 2013: die Russische Föderation mit circa 32 Prozent, Syrien mit 11 Prozent, Serbien mit circa 10 Prozent, also an der dritten Stelle, gefolgt von Eritrea und Ghana. Insgesamt ist der Anteil der Anträge aus Serbien im Jahr 2013 um ein Zehntel zurückgegangen. Im Jahre 2010, in dem die Visafreiheit für Serbien erst mal galt, waren es nämlich noch 14 Prozent aller Asylanträge. Es handelt sich also um einen Rückgang und nicht um einen Anstieg.
Sehr verehrte Damen und Herren, den Flüchtlingen muss ein faires Verfahren ermöglicht werden, gerade in einem Rechtsstaat wie Deutschland muss das sein. Es muss ihnen dann mindestens so lange Asyl und Schutz gewährt werden, bis alle Zweifel einer Bedrohung, Diskriminierung, Verfolgung in diesen Ländern ausgeräumt werden. In jedem Fall muss jeder Einzelfall genau überprüft werden.
Zu den im Antrag geforderten wirksamen Erleichterungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende und Geduldete möchte ich noch hinzufügen, dass allein die Absenkung der Wartezeit auf drei Monate noch keinen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt ausmacht. Es bedarf vielmehr einer umfassenden Förderung, zum Beispiel der Sprache. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass eine Migrantin oder ein Migrant sich nicht einfügen kann im Arbeitsbereich ohne Sprache, also die Sprache vom ersten Tag an und eine Beseitigung von Diskriminierung am Arbeitsmarkt, zum Beispiel Arbeitsverbote und auch, gerade angesprochen, die Vorrangregelung. Hier muss rechtlich nachgesteuert werden. Aus diesem Grund stimmen wir dem Antrag der GRÜNEN zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst zwei Vorbemerkungen.
Vorbemerkung Nummer eins: Der Kollege Heydorn hat vorhin Geradlinigkeit von der CDU gefordert und ich fühle mich fast veranlasst nach der Rede meiner Kollegin Kaselitz, diesen Ball ganz einfach in das Lager der SPD zurückzuspielen. Aber das wäre viel zu einfach. Ich denke, es ist in einer Koalition wie in einer Ehe,
Und, liebe Kollegin Gajek, ich glaube an dieser Stelle, bevor ich zu dem Thema „feige“ komme, dass Sie sich vielleicht mal mit dem Kollegen Heydorn einigen sollten, was wir nun sind, ob wir am Tropf der Kanzlerin hängen oder nicht auf Linie sind.
Und was das Thema Feigheit betrifft: Ich glaube, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg beispielsweise ist nicht feige, wenn er diese Entscheidung der Bundesregierung im Bundesrat unterstützt.