Protokoll der Sitzung vom 01.02.2012

Und jetzt mal die entscheidende Frage: Reicht das, um nach 45 Beitragsjahren – und das ist ja auch nicht so leicht zu erreichen, will ich bei der Gelegenheit mal sagen –

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

eine Altersrente zu bekommen, die auf Fürsorgeniveau, also in etwa auf der Höhe von 670 Euro festgeschrieben werden kann? Da lautet eben die eindeutige Antwort, dass das nicht möglich ist.

(Udo Pastörs, NPD: Genau.)

Wie hoch die individuelle Altersrente nämlich tatsächlich ausfällt, hängt von den Entgeltpunkten und dem jeweils aktuellen Rentenwert ab. Ganz grob kann man sagen, ein Jahr Beitragszahlung auf Basis des Durchschnittsentgeltes macht einen Entgeltpunkt aus.

(Heinz Müller, SPD: Das stimmt.)

2011 hat dieses Durchschnittsentgelt in der Bundesrepublik 2.522 Euro brutto monatlich betragen und der aktuelle Rentenwert lag nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung bei 24,61 Euro. Da das eine Studie aus Bremen ist, ist das der Westwert. Um eine Nettorente von 670 Euro zu erreichen, müsste ein Arbeitnehmer genau 27,22 Entgeltpunkte erarbeiten. Wenn man von einer Erwerbsbiografie in der Bundesrepublik ausgeht, also von 45 Beitragsjahren, dann ergibt sich rechnerisch, dass sie etwa 60 Prozent des Durchschnittsentgeltes verdienen müssen, was einem monatlichen Bruttoentgelt von dann bereits 1.513 Euro entspricht. Damit wären wir dann bereits bei einem Mindestlohn von 9,28 Euro bei Vollzeitbeschäftigung und 45 Beitragsjahren, der erforderlich ist, um eine Altersrente auf Fürsorgeniveau zu erreichen.

Und wenn man jetzt noch die Prognosen der Bundesregierung, also nicht unsere, zur Entwicklung der Durchschnittsentgelte und des aktuellen Rentenwertes bis zum Jahre 2025 heranzieht, stellt man fest, wenn man HartzIV-Berechtigung während der Arbeitsphase vermeiden will, müsste der Mindestlohn steigen und dann reichen die 9,28 Euro eben auch nicht mehr aus. Zur Deckung des Grundsicherungsbedarfes ist nach der Prognose des Institutes dann nämlich eine durchschnittliche Lohnhöhe von 65 Prozent des Durchschnittsentgeltes nötig und wir landen bei 9,98 Euro, also ziemlich dicht an dem Wert, den wir Ihnen heute mit diesem Antrag vorschlagen.

Und diese Berechnungen sind eben kein Hexenwerk, sie sind auch frei zugänglich und jederzeit überprüfbar. Hier finden Sie die nüchterne Erklärung dafür, dass DIE LINKE im Landtag und mit der Volksinitiative auf den Straßen des Landes einen Mindestlohn von 10 Euro fordert. Beschäftigen Sie sich also lieber mit den vorliegenden Daten, anstatt uns in einem reflexartigen Anflug immer von Neuem Populismus zu unterstellen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Noch einige Sätze zur geplanten Novelle des Vergabegesetzes: Die Lohnhöhe spielt natürlich auch für den vergabespezifischen Mindestlohn im Land eine entscheidende Rolle. Die zunehmende Gefahr von Altersarmut hatte ich bereits bei der Einbringung erwähnt.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Die letzte Studie geht von einem dramatischen Anstieg der Altersarmut bis 2020 aus. Die Zahl der auf Grundsicherung im Alter angewiesenen Rentnerinnen und Rentner in Mecklenburg-Vorpommern wird sich nach den Prognosen der Wissenschaftler vervierfachen. Unser Land wird dann nahezu flächendeckend die höchste Armutsstufe 5 erreicht haben. Ursächlich für eben diese Entwicklung sind vor allen Dingen zwei Dinge: gebroche

ne Erwerbsbiografien durch Lebensphasen mit langer Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung und damit einhergehend die oftmals viel zu niedrige Entlohnung. Aus diesem Grund muss eben ein Mindestlohn immer auch darauf abzielen, die Entwicklung einzudämmen und perspektivisch zu beenden.

Ich darf nochmals den Ministerpräsidenten Erwin Sellering zitieren, der bereits 2008 zutreffend festgestellt hat, als er ausführte, Zitat: dass „die Gefahr droht, Menschen, die ihr ganzes Berufsleben gearbeitet und Kinder erzogen haben, im Alter in eine Rente auf Sozialhilfeniveau zu entlassen. Der Osten sei davon überproportional stark betroffen, mit weitreichenden Folgen für die regionale Entwicklung. Daher muss Politik die Pflicht übernehmen, das Thema Altersarmut aufzugreifen und ein Bündel von Maßnahmen einzuleiten, um zu Verbesserungen für diese Problemgruppen zu kommen.“ Zitatende. Ich kann nur sagen, vollkommen richtig, und die zentrale Maßnahme dabei ist eben ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. Dieser kann nur die untere Haltelinie im System darstellen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Deswegen heißt er ja Mindestlohn.)

Daher geht es auch darum, in ein novelliertes Vergabegesetz Tariftreueregelungen aufzunehmen.

Einige Branchenmindestlöhne nach dem Entsendegesetz liegen heute auch schon auf dem oder über dem von der Koalition vorgesehenen Wert von 8,50 Euro, manche sogar auf beziehungsweise über dem von meiner Fraktion geforderten Niveau von 10 Euro. Beispiele sind: Maler- und Lackiergewerbe 9,75 Euro, Baugewerbe 10 Euro oder Dachdeckerhandwerk 11 Euro. Wir wollen, dass Unternehmen, die Landesaufträge erhalten, sich dazu verpflichten, ihren Angestellten tatsächlich die Branchenmindestlöhne zu zahlen, und zwar immer dann, wenn sie über dem Niveau des vergabespezifischen Mindestlohnes liegen. Denn Mindestlöhne sollen Tarifverträge eben nicht, wie häufig unterstellt, per se aushebeln, sondern sie sollen lediglich die untere Haltelinie im System sein.

Und, meine Damen und Herren, um dem Fachkräfteproblem, das ist auch angerissen worden, Herr zu werden, muss es auch das Bestreben der Tarifparteien sein, das Niveau in ihrem jeweiligen Einflussbereich anzuheben. Das wird allerdings schwierig, das ist auch schon ausgeführt worden, wenn lediglich 50 Prozent aller Unternehmen im Land überhaupt noch tarifgebunden sind. Also muss die Landesregierung ihre Bemühungen fortsetzen, um einen Sinneswandel auch bei den Unternehmen herbeizuführen. Denn die Zeiten, da man mit dem Image eines Niedriglohnlandes punkten konnte, das ist ja nun allgemeine Erkenntnis,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Außer bei Herrn Renz, außer bei Herrn Renz.)

sind ein für alle Mal vorbei, außer beim Kollegen Renz, der das ja hier etwas anders formuliert hat.

DIE LINKE will auch aufgrund der von der Bundesregierung unterstellten Durchschnittslohnentwicklung in den kommenden Jahren eine Kommission auf Landesebene, die sich aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaftlern zusammensetzt und den Entgeltsatz regelmä

ßig überprüft. Dieser soll an die Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. Das ist eine wesentliche Geschichte.

Abschließend noch ein Wort zum Fachkräftebündnis. Herr Ministerpräsident Sellering hat im Rahmen seines Neujahrsempfanges vollkommen richtig darauf verwiesen, dass die gemeinsame Verpflichtung von Unternehmen, Gewerkschaften, Kammern und Politik zu einer Stärkung der Tarifbindung und zu Flächentarifverträgen ein wesentlicher Beitrag im Wettbewerb um junge, gut ausgebildete Fachkräfte, erfahrene Rückkehrer und Zuwanderer aus anderen Bundesländern ist. Wenn man sich mal vergegenwärtigt, dass derzeit in ganz Deutschland nur noch 1,5 Prozent aller Tarifverträge überhaupt nach Tarifvertragsgesetz für allgemein verbindlich erklärt worden sind, vor allem bedingt durch die restriktive Haltung der Arbeitgeber, die regelmäßig von ihrem Vetorecht im entsprechenden Ausschuss Gebrauch machen, dann wird noch mal deutlich, wie wichtig das ist. Hier braucht es natürlich, das ist uns auch bewusst, Initiativen im Bund, die auf eine Erleichterung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen oder auf die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen zielen. Die konkreten Ergebnisse des Fachkräftebündnisses, das habe ich angekündigt, werden wir demnächst hinterfragen, und zwar auch, um gegebenenfalls Vorschläge für alternative Handlungsansätze zu unterbreiten. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Foerster.

Ums Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Renz für die Fraktion der CDU gebeten.

(Heinz Müller, SPD: Warum? – Marc Reinhardt, CDU: Weil er das so möchte.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum melde ich mich noch mal zu Wort? Die Frage ist relativ einfach zu beantworten: Weil ich nicht möchte, dass hier Unwahrheiten im Raum stehen bleiben.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

So einfach ist die Welt.

Wenn mir hier, ich gehe jetzt mal davon aus, unbewusst eine falsche Fragestellung unterstellt wird und dann darauf geantwortet wird, weil das einfach die Fragestellung ist, die Ihnen politisch vielleicht besser passt, dann mag das ja ein Verfahren sein, was Sie hier an den Tag legen, für mich ist es aber nicht akzeptabel und deswegen will ich noch mal meinen Beitrag zur Aufklärung hier leisten.

Es ist doch wohl, denke ich mal, außerhalb jeglicher Diskussion, dass es ein erstrebenswertes Ziel ist, jemandem durch Aufstockung hier darzulegen, dass das ein guter Zustand ist. Jeder von uns wird doch wohl unterschreiben, dass es besser ist, wenn er so viel verdient, dass er diese Aufstockung nicht in Anspruch nehmen muss.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genauso ist das.)

Mir so was hier zu unterstellen, das ist einfach nur schwach!

Und ich habe eindeutig gefragt, ob sich das Einkommen, das zur Verfügung stehende Einkommen für jemanden ändert,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kein Auskommen mit dem Einkommen.)

wenn wir dieses System hier verändern, wenn wir also einen Mindestlohn einführen und der Teil, der dann vorher durch Aufstockung erfolgte, der dann also ausgeglichen wird durch Ihren Mindestlohn, den Sie anstreben, ob das mehr Einkommen von der Sache her bringt. Das war meine Frage, die ich hier zur Diskussion gestellt habe, und nicht einfach: Was ist besser, schwarz oder weiß? Das bringt uns in dem Sinne nicht weiter.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Er hats immer noch nicht kapiert!)

Was ich jetzt noch feststellen musste, jetzt haben Sie die Debatte genutzt, hier eine Rentenpolitik- oder Rentendebatte aufzumachen. Auch da will ich Ihnen …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie haben doch nur über die Krankenversicherung gesprochen. Was wollen Sie überhaupt?)

Das war ein bildhafter Vergleich, Herr Ritter.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das müssten Sie doch wohl verstehen und wenn Sie gut zugehört haben, hat Ihr Kollege hier minutenlang zur Rentenproblematik gesprochen. Da habe ich mich gefragt, ob wir noch beim richtigen Antrag sind.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber natürlich, Erwerbsarbeit steht in diesem Zusammenhang. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Also dazu will ich nur sagen, stellen Sie beim nächsten Mal einen Antrag dazu,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie reden minutenlang dran vorbei!)

dass wir uns inhaltlich dann auch ausreichend damit auseinandersetzen können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Schuster, bleib bei deinen Leisten! – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Ich will Ihnen sagen, an diesem Thema arbeitet Frau Ursula von der Leyen.

Es ist doch allgemein bekannt, dass es aufgrund der demografischen Entwicklung eine Riesenherausforderung ist für alle, egal wer in politischer Verantwortung ist, weil keiner losmarschieren will, der politische Verantwortung hat, und einer Rentnergeneration schlechte Botschaften mitteilen will,