Protokoll der Sitzung vom 10.12.2014

(Torsten Renz, CDU: Also werden wir zurückgeworfen, ne?)

Damit beziehe ich mich nicht auf die unsägliche Privatschulverordnung aus dem Jahr 2013, die der Minister im Alleingang erlassen hat und die in Teilen eben nicht verfassungskonform war, sondern ich beziehe mich auf die Schulgesetznovelle und auf das Schulgesetz in der alten Version. Schulgesetznovelle bedeutet immer, es kommt etwas Neues, und diese Schulgesetznovelle barg die große Chance, dass die Landesregierung ihre Beziehung zu den Schulen in freier Trägerschaft neu definieren kann.

Die Schulgesetzänderung ist aus unserer Sicht lei- der immer noch ungerecht. Längst nicht alle Fehler, die die Änderung der Privatschulverordnung aufgetan hat, wurden durch die Landesregierung ausgebügelt. Ich möchte dabei die Kappungsbeträge nennen. 41 Schulen in freier Trägerschaft wurden im vergangenen Schuljahr die Finanzhilfen gekappt, gekürzt. Insgesamt hatte das einen Umfang von 2,4 Millionen. Das ergab eine Kleine Anfrage von uns an das Bildungsministerium. Ledig- lich den Förderschulen, so sieht es der Gesetzentwurf vor, lediglich den Förderschulen sollen diese Kappungen nun zurückerstattet werden. Das sind 7 Schulen, alle anderen 34 Schulen sollen auf den Kürzungen sitzenbleiben.

Das ist für uns eine unzulässige Benachteiligung aller Schulen. Das ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und nach wie vor sind mehr als 30 Klagen von Schulen in freier Trägerschaft in dieser Sache anhängig. Das ist im Übrigen auch der Grund, Herr Butzki, warum wir dem Artikel 2 der Schulgesetznovelle eben nicht zugestimmt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Rechtsfrieden sieht wahrlich anders aus als mehr als 30 Klagen vor Gerichten in MecklenburgVorpommern. Die Schulgesetzänderung ist außerdem ungerecht, was die Berechnung der Finanzhilfen anbelangt, und da tun Sie eine neue Ungerechtigkeit auf, die es vorher im Schulgesetz nicht gab. Das wird deutlich, wenn wir mal einen Blick in die Historie werfen.

Bisher war es so, dass ausschlaggebend für die Finanzierung, für die Finanzhilfen von Schulen in freier Trägerschaft die Personalkosten an staatlichen Schulen sein sollten. Davon ausgehend sollten allgemeinbildende Schulen 85 Prozent der Schülerkostensätze bekommen, Förderschulen 100 Prozent, bei den beruflichen Schulen variierte es zwischen 50 und 65 Prozent. Veränderte sich jetzt der Schülerkostensatz an den staatlichen Schulen, gab es im Folgejahr eine Anpassung für die Finanzsätze bei Schulen in freier Trägerschaft. Wir sehen, die Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft war sehr eng gekoppelt mit der Finanzierung des staatlichen Schulsystems.

Neu ist nun jedoch, dass diese Veränderung, diese Anpassung erst alle fünf Jahre, und zum ersten Mal zum Schuljahr 2019/2020 erfolgen soll. Die Basis für diesen Schülerkostensatz ist aber, und jetzt wird es spannend, der Wert oder das Geld, was die staatlichen Schulen im Jahr 2013 bekommen haben.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Es wird deshalb spannend, weil nämlich im Jahr 2014 bedeutende finanzielle Änderungen im staatlichen Schulsystem eingetreten sind. Das 50-Millionen-Euro-Paket wurde angesprochen. Damit wird die Besserstellung oder die Höherstufung von Regionalschullehrern von der Entgeltstufe 11 auf die Entgeltstufe 13 finanziert. Darin sind enthalten Abminderungsstunden für ältere Lehrkräfte, Abminderungsstunden für Lehrkräfte, die überwiegend in der Sekundarstufe II beschäftigt sind. Ich unterstelle mal den Schulen in freier Trägerschaft, dass alle, ausnahmslos alle Schulen in freier Trägerschaft diese Vorteile auch gerne ihren eigenen Lehrkräften zugutekommen lassen würden.

Andere Schulen, beispielsweise die kirchlicher Träger, sind sogar verpflichtet, ihre Lehrer in Angleichung an das staatliche Schulsystem, an den öffentlichen Dienst zu bezahlen. Aber woher sollen jetzt die Träger von Schulen in freier Trägerschaft das zusätzliche Geld nehmen, um die Lehrer genauso zu bezahlen, wie es der öffentliche Dienst auch tut?

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist für mich ungerecht. Es ist völlig legitim, und diese Forderung erheben wir auch, zu sagen, Lehrkräfte an Schulen in freier Trägerschaft sollen gleichwertig bezahlt werden. Der Unterricht an Schulen in freier Trägerschaft soll gleichwertig sein – aber was dann fehlt, ist die gleichwertige Finanzierung.

Eine weitere Chance haben Sie vertan, als es darum ging, ich habe es vorhin gesagt: Allgemeinbildende Schulen in freien Trägerschaft sollten nach dem Schulgesetz 85 Prozent der Personalkosten an staatlichen Schulen bekommen, aber eben nur „sollten“. Denn leider werden nicht alle Kosten, die im staatlichen Schulsystem anfallen, auch einberechnet bei der Finanzierung für das Privatschulsystem.

Unberücksichtigt bleiben beispielsweise die Kosten, die im staatlichen Schulsystem anfallen für die Fortbildung, für die Stellenausschreibung. Zur Erinnerung: Die letzte Stellenausschreibung hat das Land ungefähr 1 Million Euro gekostet. Die Schulen in freier Trägerschaft partizipieren davon nicht. Es fließen auch die Abfindungs- und Übergangsgelder, die das staatliche Schulsystem fordert,

nicht ein. Ebenso werden Gelder für Klassenfahrten beziehungsweise Kosten für die innere Schulverwaltung nicht einbezogen, die aber natürlich ein Träger einer freien Schule genauso hat, wie sie auch an der staatlichen Schule anfallen. Und von diesen ganzen Kosten bekommen die allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft ohnehin maximal 85 Prozent. An den Förderschulen bekommen sie 100 Prozent, aber, wie gesagt, ganz viele Kosten werden nicht einberechnet und trotzdem wollen sie die Schulgeldfreiheit – wir im Übrigen auch – für Förderschulen. Das passt eben nicht zusammen und das ist für uns auch ungerecht.

Zugegebenermaßen ist an Ihrer Schulgesetznovelle nicht alles schlecht, aber eben auch nicht alles gut. Ich habe es am Anfang angedeutet. Sie verfolgen mit dieser Schulgesetzänderung eine Politik der halben Schritte. Warum halbe Schritte? Schauen wir uns beispielsweise die beruflichen Schulen an.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Hier haben wir die Bildungsgänge Gesundheits- und Krankenpflege, Heilerziehungspflege, Kinderpflege, Altenpflege und Altenpflege- beziehungsweise Krankenpflegehelfer, die zukünftig mit einem Finanzhilfesatz von 80 Prozent bedacht werden sollen, vorher waren es 50 bis 65 Prozent. Die Mehrheit aller anderen Bundesländer hat in diesen Bereichen schon jetzt Schulgeldfreiheit erreicht, indem sie diese Bildungsgänge zu 100 Prozent finanziert. Ich frage jetzt Sie: Warum, wenn wir schon nach allen anderen loslaufen, warum gehen wir dann nicht den ganzen Schritt, sondern nur den halben?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Überholen ohne einzuholen.)

Nächster halber Schritt:

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Ich habe gerade gesagt, für einige Gesundheitsberufe gab es eine Anhebung, auch weil diese Ausbildung sehr relevant für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist, weil wir hier nämlich einen Fachkräftemangel haben. Diesen Fachkräftemangel gibt es aber auch in anderen Ausbildungsberufen, beispielsweise in den Ausbildungsberufen Physiotherapie, Logopädie oder auch Ergotherapie. Diese Ausbildungsberufe werden aber auch zukünftig nur mit 65 Prozent Finanzhilfesatz bedacht. Die Kriterien für die Festlegung der Finanzhilfesätze sind nach wie vor intransparent und unlogisch.

Der nächste halbe Schritt, den ich hier noch erwähnen möchte oder auf den ich Bezug nehmen möchte, ist der Zeitpunkt für die erste Angemessenheitsüberprüfung. Der ursprüngliche Schulgesetzentwurf sah vor, dass dies das erste Mal im Jahr 2022 passieren wird. Inzwischen sind Sie mit Ihren Änderungsanträgen etwas zurückgerudert auf das Jahr 2019. Aber auch bis zum Jahr 2019 vergehen fünf Jahre,

(Heinz Müller, SPD: Oooh!)

wo die Schulen in freier Trägerschaft in jedem Jahr auf Geld warten, das ihnen nicht angerechnet wird, beispielsweise das 50-Millionen-Euro-Paket. Dazu gehört aber auch die Förderung aus dem Europäischen Sozialfonds und, wie ich hoffe, auch das eine oder andere Geld, was

im Zuge der Umsetzung der Inklusion für das staatliche Schulsystem einberechnet wird, von dem die Schulen in freier Trägerschaft aber nicht partizipieren können.

Außerdem ist der Gesetzentwurf an der Stelle sehr schwammig. Er sieht für das Schuljahr 2019/2020 lediglich eine Überprüfung der Angemessenheit vor. Aber was, bitte schön, bedeutet „Angemessenheit“? Welche Kriterien werden da zugrunde gelegt und erfolgt nach dieser Prüfung der Angemessenheit auch eine Anpassung der Beträge? An dieser Stelle bleibt das Gesetz, wie gesagt, schwammig.

Ich habe jetzt viele kleine Schritte und auch den Rückschritt aufgezählt. Leider ergeben diese ganzen halben Schritte auch zusammen keinen ganzen Schritt nach vorn. Ich möchte Sie einladen, gehen Sie mit uns gemeinsam zielgerichtet vorwärts und folgen Sie unseren Änderungsanträgen! Mit den Änderungsanträgen fordern wir die Rückerstattung der Kappungsbeträge für alle Schulen in freier Trägerschaft. Wir fordern, dass die Grundlage für die Berechnung der Finanzhilfe alle tatsächlichen Personalkosten im staatlichen Schulsystem sind und dass die Schülerkostensätze alle zwei Jahre neu festgesetzt werden nach der Entwicklung im staatlichen Schulsystem.

Wir haben noch einen Änderungsantrag, der weicht etwas ab, weil er nur bedingt etwas mit Schulen in freier Trägerschaft zu tun hat. Das ist eine Aufgabe, die sich der Minister bereits vor ungefähr anderthalb Jahren in sein eigenes Stammbuch geschrieben hat, der er aber bisher nicht nachgekommen ist. Es geht um eine verfassungskonforme schulgesetzliche Regelung zur Schülerbeförderung, denn die jetzige Regelung ist leider nicht verfassungskonform, weil sie eine Benachteiligung für Schülerinnen und Schüler in den kreisfreien Städten Rostock und Schwerin bedeutet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so, das ist schon festgestellt, oder? Verfassungskonformität?)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wir haben einen achtjährigen Jungen, der wohnt auf Rügen, er geht in die 3. Klasse. Sein Schulweg beträgt 3,5 Kilometer. Selbstverständlich kann er jeden Morgen in den Bus steigen und die Kosten, die anfallen, werden übernommen. Ein achtjähriger Junge in Rostock, auch er geht in die 3. Klasse, auch sein Weg ist 3,5 Kilometer lang, kann zwar in den Bus steigen, aber die Kosten für den Weg zur Schule und zurück für diese Beförderung werden leider nicht übernommen. Auch das finden wir ungerecht und meinen, dass es egal ist, ob ein Weg durch Häuserschluchten oder über Landstraßen, mehr oder weniger viel befahren, führt. 3,5 Kilometer sind immer gleich lang. Gerecht wäre, würden Sie unserem Änderungsantrag folgen, dem Entschließungsantrag, und hier eine verfassungskonforme Regelung schaffen, die diese Ungleichbehandlung abschafft.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Berger.

Das Wort hat jetzt der Minister des Landes MecklenburgVorpommern für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrte Frau Berger, ich bin über einen Satz sehr glücklich in Ihrer Rede.

(Heinz Müller, SPD: Einen? Einen? – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Das kam mir fast weihnachtlich vor. Der lautete, an diesem Gesetzentwurf sei, Zitat, „nicht alles schlecht“. Bitte haben Sie Verständnis dafür, ich bin geneigt, das so zu interpretieren, dass das das höchstmögliche Lob ist, das man bei Schulgesetzänderungen von der Opposition bekommen kann.

(Torsten Renz, CDU: Deswegen gibt es ja auch gar keine Pressemitteilung. – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und insofern ist das alles nicht so schlecht, wie Sie sagen.

Zunächst zum Thema Schülerbeförderung. Frau Berger, manchmal sind eben 3,5 Kilometer doch nicht 3,5 Kilometer. Wenn Sie hier solche Reden halten, dann weisen Sie bitte auch darauf hin, dass es auf Rügen die Situation gibt, dass diesem Schüler eine örtlich zuständige Schule zugewiesen ist, er keine freie Schulwahl hat, und dass das in Rostock eben anders ist. Und das ist genau der Unterschied.

Wir haben Ihnen schon mehrfach angekündigt, dass wir bereit sind, die Regelungen in Schwerin und Rostock zu überprüfen, wenn die beiden Städte bereit sind, die Daten zu liefern, die nötig sind, um die Überprüfung einzuleiten. Die Hansestadt Rostock hat uns gegenüber erklärt, dass sie im Moment genau ein solches Verfahren einleitet, nämlich örtlich zuständige Schulen fiktiv zu bestimmen, um zu schauen, welches Kind hat denn wirklich zwingend einen Schulweg, der länger ist als 2 Kilometer. Dann werden wir uns auf dieser Grundlage miteinander verständigen.

Allein in Schwerin war es bisher sehr schwierig, die Bereitschaft zu wecken, dass sie eine solche Arbeit auch machen. Aber ohne diese Arbeit können wir nicht darüber sprechen, wie viel Geld es kostet. Das ist immer noch der alte Sachstand, mehrfach im Ausschuss vorgetragen.

Zurückweisen möchte ich Ihre Behauptung,

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zurückweisen möchte ich Ihre Behauptung, dass das Bildungsministerium im Alleingang die Privatschulverordnung geändert hätte. Ich erlaube mir den Hinweis auf das Schulgesetz. Das Parlament hat uns ermächtigt – dazu gibt es Verordnungsermächtigungen –, Verordnungen zu erlassen. Von dieser Ermächtigung haben wir Gebrauch gemacht. Vom Alleingang kann auch nicht die Rede sein, erstens, weil es die Billigung des Parlamentes findet, zweitens, weil es selbstverständlich in einem rechtsstaatlichen Anhörungsverfahren geschehen ist, und insofern nicht im Alleingang.

Dann hätte ich die Anregung, dass Sie aus Respekt gegenüber der Judikative hier nicht feststellen, was ver

fassungskonform sei oder nicht. Ich glaube, das steht weder der Legislative noch der Exekutive, sondern der Judikative allein zu im Rahmen von Urteilen.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stimmt, deswegen haben wir ja auch ein Rechts- gutachten zur Prüfung in Auftrag gegeben.)

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir...

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Berger, ich gebe auch den Hinweis, dass ein Rechtsgutachter noch kein Richter ist. – Ich lasse da eine kleine Kunstpause, damit sich diese Erkenntnis vielleicht verankert.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Hoffen darf man ja immer. – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber das dürfte ein wichtiger Hinweis sein.)