Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Lassen Sie uns selbst diesen Aufforderungen zu bestimmten Verträgen folgen und die Bürgerinnen und Bürger beim Projekt Europa mitnehmen! Wir sind als Parlament zuständig, deshalb müssen wir selbst uns auch über die Mitwirkungsrechte anderer Landtage informieren. Der Änderungsantrag geht daher aus meiner Sicht, gerichtet an die Landesregierung, fehl. Wir werden ihn ablehnen – ohne Genetik, Herr Dr. Brie –, ich möchte Ihnen aber zusagen, dass unser Ausschuss sich selbst mit dieser Informationsbeschaffung und der Abwägung der Argumente dafür befassen sollte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3784 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3784 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/3743 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/3743 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und LINKE, bei Ablehnung der Fraktion der NPD und Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Einführung des Mindestlohns in Mecklenburg-Vorpommern konstruktiv begleiten – landeseigenes Mindestlohn-Monitoring etablieren, Drucksache 6/3737.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Einführung des Mindestlohns in Mecklenburg- Vorpommern konstruktiv begleiten – landes- eigenes Mindestlohn-Monitoring etablieren – Drucksache 6/3737 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre hieß es, Deutschland braucht den gesetzlichen Mindestlohn. DIE LINKE und die Gewerkschaften NGG und ver.di waren die Ersten, die ihn auf der Straße und in den Parlamenten eingefordert haben. Seit dem 1. Januar 2015 heißt es nun, Deutschland hat den Mindestlohn, und das ist auch gut so.

Dass wir das Gesetz mit Blick auf die Lohnhöhe, die Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose, Praktikanten, Saisonarbeiter und Zeitungszusteller sowie die Übergangsfristen für bestimmte Tarifverträge für entwicklungsbedürftig halten, ist Ihnen bekannt.

(Zuruf aus dem Plenum: Ja.)

Dennoch, allein 72.500 Vollzeitbeschäftigte hierzulande werden nun von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns profitieren. Dies ist gut. Aber es ist auch Ausdruck der Deregulierung während der 2000er-Jahre, die nicht nur zum Anwachsen der Beschäftigung bei Minijobbern, Teilzeitbeschäftigten und Leiharbeitern, sondern vielfach auch zu Lohndumping und Armut trotz Arbeit geführt hat. Kein Wunder also, dass viele Beschäftigte im Lohnkeller der Republik den gesetzlichen Mindestlohn regelrecht herbeigesehnt haben. Viele von ihnen sind nun enttäuscht. Arbeitszeiten oder Arbeitsvolumen werden ausgeweitet, vor- und nachbereitende Tätigkeiten, wie das Vorbereiten des Verkaufsraumes oder die Reinigung des Arbeitsplatzes, werden plötzlich nicht mehr als Arbeitszeit behandelt, Beschäftigte erhalten Zusatzvereinbarungen zu ihren Arbeitsverträgen, in denen Feiertags-, Nacht- und Schichtzuschläge verändert oder Gratifikationen gestrichen werden.

Hoffen wir, dass möglichst viele Beschäftigte den Mut der Berlinerin haben, deren Arbeitgeber ihr kündigte und statt 6,44 Euro pro Stunde plus Zulagen und Urlaubsgeld nun 8,50 Euro ohne Zulagen und Urlaubsgelt zahlen wollte. Das ist nicht rechtens, weil der Mindestlohn unmittelbar die Arbeitsleistung entgelten soll, sagte das Berliner Arbeitsgericht, und das ist auch gut so, denn ein Umgehen der mit dem Mindestlohn erhofften Erhöhung des Entgeltes durch derartige Tricks war sicher nicht der Sinn des Gesetzes.

Wurde der Mindestlohn von vielen Beschäftigten freudig erwartet, so sahen die Unternehmen dessen Einführung mit gemischten Gefühlen. Nach Jahren mit einem Überangebot an Arbeitskräften und einer auch politisch gewollten Niedriglohnstrategie standen sie zweifelsohne auch vor großen Herausforderungen. Beklagt wird vor allem die Bürokratie bei der Erfassung von Arbeitszeiten, zum Beispiel bei den Minijobbern.

(Torsten Renz, CDU: Teilen Sie die Auffassung?)

Die teile ich nicht und ich werde auch erklären, warum.

Der Musterstundenzettel – dieses vermeintlich bürokratische Monstrum – ist für jedermann im Internet abrufbar und besteht aus ganzen vier Spalten, nämlich Datum, Beginn, Ende und Arbeitszeit abzüglich der Pausen, und dient als Nachweis, damit die sich rechnerisch bei 450 Euro und 8,50 Euro Stundenlohn ergebenden 53 Stunden pro Monat nicht überschritten werden.

Ich frage Sie: Wo ist das Problem? Sie kennen doch aus früheren Debatten die Situation von vielen Minijobbern und wissen, dass die Abschaffung der Höchstarbeitszeit im Jahre 2003 eine Hauptursache für deren Ausbeutung und Löhne von 2,00 bis 3,50 Euro pro Stunde war. Wenn Sie also tatsächlich etwas für die Entlastung der Unternehmen tun wollen, führen Sie die Höchstarbeitszeit wieder ein, dann können Sie sich die Zettelwirtschaft in Zukunft sparen!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Schon kniffliger wird es bei der Frage der Überstunden. Hier müssen die Arbeitgeber tatsächlich aufpassen, denn geleistete Überstunden müssen im Erbringungsmonat abgerechnet werden, womit die Gefahr verbunden ist, dass die 450-Euro-Grenze überschritten wird, wenn zu viele Überstunden geleistet werden, oder die 450-EuroGrenze bereits mit der regulären Arbeitszeit ausgeschöpft ist.

Bei einem sogenannten verstetigten Lohn, also der monatlich gleichen Auszahlung von zum Beispiel 340 Euro, kann dieses Prinzip dazu führen, dass der Mindestlohn unterschritten wird, und dies führt dann natürlich zu einer entsprechenden Nacherhebung, bezogen auf die Differenz zum Mindestlohn in der Sozialversicherung.

Generell jedoch die Dokumentationspflichten zu verteufeln, halte ich für falsch. Eine saubere Dokumentation ist die Grundvoraussetzung für die Nachvollziehbarkeit der geleisteten Arbeitszeiten. Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft stellt fest, dass nicht die Aufzeichnungspflichten, sondern die vielen Ausnahmen den Aufwand für die Überwachung und Kontrolle des Mindestlohns erhöhen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist der Punkt. Genau, Henning.)

Herr Waldmüller hat in seiner Funktion als Vorsitzender des regionalen Unternehmerverbandes im Lokalfernsehen beklagt, dass aus den Dokumentationspflichten ein tiefes Misstrauen gegenüber den Unternehmen spreche. Deshalb möchte ich insbesondere ihn daran erinnern, dass diese eigentlich gar nichts Neues sind:

Erstens schreibt das Arbeitszeitgesetz die Dokumentation von werktäglichen Arbeitszeiten über die erlaubten acht Stunden vor, sodass eine funktionierende Arbeitszeiterfassung eigentlich alltägliche Praxis sein müsste. Logisch ist, dass, wenn Mehrarbeit anfällt, zunächst die regulär anfallende Arbeitszeit erfasst werden muss.

(Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Zweitens will ich darauf hinweisen, dass es die generelle Aufzeichnungspflicht für die Branchen mit einem allgemeinverbindlichen Mindestlohn nach Entsendegesetz, also Bauhaupt- und -nebengewerbe, Gebäudereinigung, Briefdienstleistungen und so weiter, schon lange gibt.

Drittens besteht die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit nach Mindestlohngesetz nunmehr auch nur für die Minijobber und für die neun nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz besonders missbrauchsanfälligen Branchen. Dazu zählen unter anderem die Bau- und Fleischwirtschaft sowie das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe.

Viertens hat die ASMK deshalb Ende November 2014 – übrigens einstimmig, also auch mit Zustimmung der unionsgeführten Länder – einen Beschluss gefasst, dass es erforderlich sei, die Arbeitgeber wieder zur generellen Aufzeichnung der Arbeitszeiten zu verpflichten, um die problemlose Verschleierung vorgeschriebener Arbeitszeiten zu erschweren, und die Bundesregierung aufgefordert, gesetzgeberische Schritte einzuleiten.

(Torsten Renz, CDU: Wobei es nur einen CDU-Arbeitsminister gibt.)

Fünftens, Herr Renz, könnte ich Ihnen als Gewerkschafter auch einiges erzählen über das beklagenswert tiefe Misstrauen gegenüber Beschäftigten, das sich unter anderem in der zunehmenden technischen Überwachung ihrer Tätigkeiten und ihres Arbeitsplatzes bis hin zur Länge und Häufigkeit ihrer Pinkelpausen ausdrückt.

Natürlich gibt es wie immer bei der Einführung eines ganz neuen Gesetzes viele Fragen, die einer Klärung bedürfen, und es gibt Unsicherheiten bezüglich seiner konkreten Auslegung. Auch mich erreichten zahlreiche Anfragen, zum Beispiel zum Umgang mit Honorarkräften an privaten Musikschulen ebenso wie zur Aufwandsentschädigung im Fußballverein. Die herbeigeführte Klärung zu den 250-Euro-Kontrakten begrüße ich übrigens ausdrücklich.

(Torsten Renz, CDU: Ist das denn schon geklärt abschließend?)

Ganz egal, wie man die Entwicklung seit der Einführung des Mindestlohns bewertet, ob nun eher aus der Perspektive der Beschäftigten wie ich oder eher aus der Perspektive der Unternehmen, Einigkeit dürfte darin bestehen, sie sind Realität. Wir stehen auch hier im Land vor der Aufgabe, uns damit auseinanderzusetzen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, ein landeseigenes Monitoring im Zusammenwirken mit allen Betroffenen, also Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Kammern, sowie unter Hinzuziehung wissenschaftlicher Kompetenz auf den Weg zu bringen, das die Umsetzung des Mindestlohngesetzes begleitet.

Wenn Sie sich dabei nicht auf DIE LINKE beziehen wollen, dann nehmen Sie doch gegebenenfalls Anleihe bei der Großen Koalition aus CDU und SPD in Sachsen, die das Mindestlohn-Monitoring sogar in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat.

(Martina Tegtmeier, SPD: Hat das der Landtag beschlossen? Ich glaube, nicht.)

Wir verbinden damit nicht allein die Erwartungen an einen weiteren Stapel Papier. Wir wollen erstens, dass sich die Landesregierung nicht allein auf den Bund und die Zollverwaltung verlässt, sondern überlegt, inwieweit sie der Kreativität bei der Umgehung des Mindestlohns eigene Möglichkeiten entgegenstellen kann, um beispielsweise die Prüfdichte zu erhöhen, denn ein beschlossener

Mindestlohn, der nicht konsequent umgesetzt wird, schadet auch wirtschaftspolitisch. Unternehmer, die sich an das Gesetz halten und aus der Verantwortung für ihre Mitarbeiter heraus Mindestlohn zahlen, sollen nicht die Dummen sein, weil sich schwarze Schafe unter Umgehung der Regeln Wettbewerbsvorteile erschleichen können.

Wir wollen zweitens, dass die landesspezifische und branchenkonkrete Analyse der Situation dazu genutzt wird, die Zukunft des Landesvergabegesetzes zu diskutieren. Was kann und muss zwischen bundes- und landesgesetzlichen Regelungen möglicherweise synchronisiert werden und wo wollen wir eigentlich mit unserem Landesmindestlohn hin?

(Torsten Renz, CDU: Landesmindestlohn?)

Läuft er mit der Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns mit oder sind wir Vorbild und etablieren einen höheren Landesmindestlohn bei öffentlichen Vergaben, wie beispielsweise in Schleswig-Holstein oder auch in Nordrhein-Westfalen?

Wir wollen drittens auch darüber diskutieren, ob und wie wir vor allem Klein- und Kleinstunternehmen bei der Umsetzung des Gesetzes unterstützen können, denn der Bedarf an Beratungs- und Unterstützungsleistungen, das sehen wir auch, ist offensichtlich groß.

Und wir wollen viertens wissen, welche Auswirkungen der Mindestlohn bei den Kommunen nach sich zieht und wie die Landesregierung damit umgehen will, denn wenn jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte im Land von der Einführung des Mindestlohns profitiert, stehen möglichen Mehreinnahmen beim 15-prozentigen Anteil an der Lohnsteuer verringerte Gewinnerwartung und damit möglicherweise Auswirkungen auf die Gewerbesteuereinnahmen entgegen.

Sie sehen also, ein Monitoring ist in jedem Fall sinnvoll. Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Es hat mich, Herr Foerster, gefreut zu lesen, dass die Fraktion DIE LINKE die Einführung des Mindestlohns für längst überfällig und dringend notwendig hält.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir haben sie ja auch immer gefordert. – Regine Lück, DIE LINKE: Also wissen Sie! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)