Protokoll der Sitzung vom 02.02.2012

Sie haben uns nun in den letzten Wochen und Monaten, also mit Beginn dieser Legislaturperiode, aufgefordert mitzuarbeiten. Und auch das haben Sie vom Prinzip her hier wieder zum Ausdruck gebracht: Sie wollen eigentlich die Mitarbeit der Opposition überhaupt nicht. Die wollen Sie gar nicht. Sie haben hier eine Darstellung gemacht so nach dem Motto, ich tue alles oder die Landesregierung tut alles und ihre Anträge brauchen wir sowieso nicht, wobei wir ja ernsthaft gesagt haben, dass wir nach dem Bericht hier gemeinsam auch gucken wollen, wie ist denn die Situation, was machen wir denn gemeinsam, und das auch mit unterstützen wollen. Menschenrechte sind für uns da kein parteipolitisches Gerangel in irgendeiner Weise. Dafür sind sie uns zu kostbar. Und ich denke, darüber sollten wir uns auch gegenseitig einig sein.

Warum wir jetzt den Antrag gestellt haben? Immerhin wissen Sie, Herr Texter, im vergangenen Jahr war Wahlkampf, die konstituierenden Sitzungen haben begonnen, und unabhängig jetzt mal davon, ob das im Bundestag abgelehnt worden ist oder nicht, dieser Antrag, ich denke, auch im Landtag Mecklenburg-Vorpommern sollte man mal thematisieren, dass es in Deutschland Menschenrechtsverletzungen gibt, und nicht einfach so die Augen davor verschließen, dies oder das andere spielt hier keine Rolle, und immer nur punktuell gucken. Auch der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr hat darauf aufmerksam gemacht, dass eben Menschenrechte unteilbar sind, und ich habe zum Abschluss meiner Rede darauf hingewiesen, dass wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern, als Gesetzgeber ja auch gucken müssen, wenn wir Gesetze ändern, welche Einschnitte von Menschenrechtsverletzungen oder welche Einschnitte von Rechten von Menschen denn da vorgenommen werden.

Was ich aber insgesamt ganz und gar vermisst habe, ist die Erkenntnis darüber, seit wann sich denn die Menschenrechtsverletzungen in der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise auch in unserem Land weiter verschärft haben. Dazu wurde hier nicht ein Wort gesagt. Die Armutsgrenze, Altersarmut ist mit Hartz IV und Agenda 2010 gekommen. Das ist nachweislich und das kann man auch in unterschiedlichen Studien lesen. Dazu gibt es überhaupt kein Wort von Ihnen. Sie stellen sich jetzt hier hin und sagen, wir werden alles wieder heilen. Sie haben etwas auf den Weg gebracht, das, was als Ergebnis dabei herausgekommen ist, das sehen wir, und jetzt mit einem Mal fangen Sie wieder an, sozusagen „Heilprogramme“ zu erstellen. Und ich denke, das ist unredlich. Dann sagen Sie doch einfach, Agenda 2010, Hartz IV waren falsch.

(Egbert Liskow, CDU: War aber nicht falsch, war aber nicht falsch.)

Das habe ich leider vermisst.

Und da können wir uns bei Altersarmut angucken, alles das, was da festgeschrieben wurde, immer wieder mehr Privatisierung, die Eigenverantwortung der Menschen erhöhen, staatliche Verantwortung zurückziehen und so weiter und so fort, das spiegelt sich in dem Gesund

heitswesen wider, das spiegelt sich in der Arbeitslosenversicherung wider, im Umgang mit Arbeitslosen und, und, und. Und natürlich wissen wir auch, dass wir nicht alles im Land Mecklenburg-Vorpommern allein machen können. Genau deshalb haben wir ja gesagt, müssen wir sehen, wo ist unsere Verantwortung und wo können wir auch im Land Mecklenburg-Vorpommern hier etwas tun.

Schauen wir uns doch an, Sie haben jetzt was gesagt zur Arbeitsmarktpolitik. Ich bin ja gespannt, ob die Landesregierung ihre Einstellung in Bezug auf eigene Instrumente für die Arbeitsmarktpolitik aufgrund der Situation in unserem Land verändern wird. Die Instrumente gibt es leider nicht mehr. Die eigenständige Arbeitsmarktpolitik im Land Mecklenburg-Vorpommern ist so gut wie auf null, in allen Bereichen.

(allgemeine Unruhe – Egbert Liskow, CDU: Sie erzählen doch nur Märchen. – Regine Lück, DIE LINKE: Das stimmt aber. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und das muss man sich schon mal genau angucken. Sie verlassen sich darauf, Sie verlassen sich genau darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Sozialagentur ein bisschen was machen, aber eigenständig wird nichts mehr gemacht. Das sagen Sie ganz eindeutig und wenn wir mit unserem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor kommen, sagen Sie, brauchen wir nicht, weil im Grunde genommen über die Arbeitsmarktpolitik alles abgefangen wird und wir ja in der Wirtschaft immer mehr Arbeitsplätze schaffen. Also nur allein damit sich jetzt rauszuhalten und zu sagen, alles im Fluss und wir kümmern uns schon, glaube ich, da machen Sie sich das ein bisschen zu einfach.

Dann gucken wir uns mal die Lage der Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Mecklenburg-Vorpommern an. Wie ist denn die Abschiebepraxis? Ist sie verändert worden?

(Udo Pastörs, NPD: Leider nicht konsequent.)

Aus meiner Sicht nicht. Die Abschiebepraxis in Mecklenburg-Vorpommern ist genauso wie in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland härter geworden. Haben wir dazu eine andere Einstellung? Ich habe sie nicht gefunden.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist gesetzlich geregelt.)

Sie haben hier gesagt,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Sie haben hier gesagt, dass mit dem Flüchtlingsrat die Gespräche geführt worden sind bezüglich der Konzeption. Und nach Rückfrage mit meinem Kollegen wissen wir, der Flüchtlingsrat wurde nicht einbezogen. Also ganz vorsichtig diesbezüglich, denke ich, sollten wir da gemeinsam Fragen stellen.

Und inwieweit das bei uns im Kopf auch nicht drin ist oder bei einigen Abgeordneten, das hat uns ja gestern die Debatte zum Mindestlohn gezeigt, wenn Herr Renz hier die Frage stellt,

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

was eigentlich der Unterschied ist, ob ich denn nun Lohn- und Transferleistungen bekomme

(Torsten Renz, CDU: Ach, Sie gehören auch zu denen, die meine Frage wieder verdrehen jetzt, ne?)

oder ich selbst einen niedrigen Lohn bekomme ohne Transferleistungen.

(Torsten Renz, CDU: Das hab ich doch gar nicht gesagt! Verdrehen Sie doch nicht die Tatsachen!)

Wir gucken noch mal im Protokoll nach und dann werden wir noch mal nachfragen.

(Torsten Renz, CDU: Da sind Sie in guter Gesellschaft mit Herrn Foerster, aber bleiben Sie mal bei der Wahrheit!)

Sie haben überhaupt nicht mitbekommen, dass es natürlich ein Unterschied ist, ob ein Mensch, der arbeiten geht und noch zusätzlich zum Sozialamt gehen muss

(Torsten Renz, CDU: Also da sollten Sie mal im Protokoll nachlesen, bevor Sie weiter so einen Schwachsinn hier verbreiten!)

und dort alles offenlegen muss, inwieweit das auch menschenverachtend ist. Sie können es ja mal durchprobieren, wenn Sie alles Mögliche offenlegen müssen, wenn Sie Ihr gesamtes Leben dort ausbreiten müssen. Versuchen Sie es mal! Es ist schon diskriminierend und aus meiner Sicht auch eine Menschenrechtsverletzung.

(Udo Pastörs, NPD: Wie hätten Sie es denn gerne? Jeder klopft an und wird reingelassen?)

Und in Bezug auf Zwangsarbeit können wir uns auch mal genau angucken, inwieweit da die Haltung insgesamt geändert wurde.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sie haben, Frau Ministerin, in der letzten Woche in einer Pressemitteilung getitelt „Kinderarmut in MecklenburgVorpommern ist gesunken“. Na ja, kann man sagen, je- des bisschen, was an Kinderarmut weniger wird im Land Mecklenburg-Vorpommern, sollten wir begrüßen.

(Heinz Müller, SPD: Sollten wir oder tun wir?)

Wenn Sie dann aber sagen, der Rückgang ist auch das Ergebnis einer wirkungsvollen Sozialpolitik der vergangenen Jahre, und Sie beziehen sich dann auf den Bericht der Bundesagentur, da kann ich Ihnen nur sagen, das tut mir leid, Frau Ministerin. Womit begründen Sie Ihre Aussage in Ihrer Pressemitteilung Nummer 9, wonach die Kinderarmut in Mecklenburg-Vorpommern zurückgegangen sei allein deshalb, weil die Anzahl der Kinder, die in Hartz-IV-Familien leben, zurückgegangen ist? Das, glaube ich, kann man so nicht sagen. Und wie oft kommt dieses Wort „Kinderarmut“ denn in dem Bericht der Bundesagentur, in der Studie vor? Zweimal! So oft kommt es in dem Bericht vor. Also woraus schließen Sie denn diese gesamte Situation?

Alles in allem, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich Ihnen nur ans Herz legen, vielleicht sollten wir den Antrag meiner Fraktion in die unterschiedlichen Fachausschüsse überweisen, gemeinsam gucken, wie ist die Situation bei uns in Mecklenburg-Vorpommern und welche Schlussfolgerungen sollten wir da ziehen, um nicht zu sagen „Haltet den Dieb!“, sondern auch in der Frage weiterzukommen, inwieweit wir in den nächsten Jahren hier gemeinsam konzeptionell etwas tun können. Das wäre, glaube ich, das richtige Signal hier aus diesem Landtag heraus und nicht in Richtung ablehnen, weil wir machen alles, und vom Prinzip her damit auch nach außen zur Kenntnis zu geben, Menschenrechtsverletzungen in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern gibt es nicht. Ich denke, das wäre ein falsches Signal. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Rede von Frau Borchardt veranlasst mich, doch noch mal ans Mikrofon zu gehen.

(Torsten Renz, CDU: Das war ja auch hanebüchen.)

Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand hier in diesem Saal gesagt hat, es ist alles gut. Natürlich ist nicht alles gut. Das weiß jeder hier und jeder, der sich hinstellt und sagt, es ist alles gut, da weiß man auch, der sagt nicht die Wahrheit. Aber was Sie hier gemacht haben, das lässt sich gar nicht richtig einordnen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Für Sie.)

Also Sie kommen über Hartz IV und dann über Kindertages- betreuung und sonst was für Dinge werden aufgegriffen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich will mal nur ein paar Dinge herausgreifen.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Also Hartz IV ist ein Thema gewesen. Der Vorläufer von Hartz IV ist Hilfe zum Lebensunterhalt im Bundessozialhilfegesetz gewesen und Arbeitslosenhilfe im Bereich der Leistungen des damaligen Arbeitsamtes. Und bei beiden Leistungen war man in der Situation, dass man Angaben zur Person und zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen machen musste. Wo ist da mit Hartz IV eine Verschärfung reingebracht worden? Was ist daran verändert? Und ich kenne eigentlich auch keinen ernstzunehmenden Sozialpolitiker, der das Prinzip der Subsidiarität infrage stellt. Subsidiarität heißt ja nichts anderes, als dass jeder erst mal verpflichtet ist, sich selbst zu helfen.

(Torsten Renz, CDU: Sehr richtig.)

Im Sozialrecht heißt das, aus eigenem Einkommen und Vermögen sich selbst zu helfen, und jemand, der sich nicht selbst helfen kann, da sagt die Gesellschaft, dafür treten wir ein.

(Torsten Renz, CDU: Das ist unser Sozialprinzip.)

Wir stützen denjenigen, der schwach ist und der sich nicht selbst helfen kann, und da ist es doch legitim, wenn man von jemandem verlangt, dass er dann auch nachweist, dass er nicht dazu imstande ist, sich selbst zu helfen, dass er entsprechende Erklärungen abgibt und entsprechende Belege vorlegt. Ist das dann schon ein Verstoß gegen die Menschenwürde? Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrer Fraktion wirklich alle dieser Meinung sind.

Und wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass solche Dinge nicht geregelt werden können, da ist ja die Frage: Wie macht man es dann? Kommt jeder vorbei und sagt, ich hätte auch gern was, machen Sie mal das Portemonnaie voll und Erklärungen zu meiner Person gebe ich nicht ab?