Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich beim Ausschusssekretariat für die höchst professionelle Vorbereitung unserer Ausschusssitzungen bedanken. Sie sind immer ansprechbar und uns gegenüber sehr hilfsbereit, das weiß ich durchaus zu schätzen.
Ich kann an dieser Stelle nicht ganz vermeiden zu sagen, dass es für mich durchaus schwierig ist, dass der Vorsitzende des Ausschusses, toleriert durch die Regierungskoalition, nicht immer objektiv in der Sache entscheidet
Nun weiter zu den inhaltlichen Angelegenheiten des Petitionsausschusses. Ich möchte zur Thematik der öffentlichen Petition kommen. Ich bin genauso wie Frau Borchardt durchaus erstaunt, dass Herr Lindner so vorprescht nach anderthalb bis zwei Jahren,
nachdem Sie offensichtlich hinter verschlossenen Türen getagt haben und wir mehrfach angefragt haben, wie Sie zum Thema „öffentliche Petition“ stehen. Dass Sie jetzt plötzlich diese klare Position haben, erstaunt mich sehr. Dennoch lassen Sie mich einige Worte zur Thematik „öffentliche Petition“ sagen, weil ich das Thema für sehr wichtig erachte.
Ganz klar ist ja – das weiß jeder und jede, der oder die im Land unterwegs und im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ist –, die Bürger wollen sich beteiligen. Gerade in den Petitionen, die uns erreichen, geht es doch um die Themen, die nicht lediglich von individueller, sondern von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind. Da geht es um Themen, die viele Bürgerinnen und Bürger gemeinsam betreffen. Im Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses auf Seite 6 ist das sehr anschaulich formuliert. Es sind gerade diese Mehrfachpetitionen, zu denen neben den Massen- die Sammelpetitionen gezählt werden, die dem Petitionsausschuss in seiner Bedeutung als Seismograf für die Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger auf neue gesetzliche Regelungen oder als soziales Frühwarnsystem gelten sollten. Das Petitionswesen bietet hierbei die Möglichkeit, auf Unzulänglichkeiten hinzuweisen und Änderungsvorschläge zu unterbreiten und lädt die Bürger und Bürgerinnen hierdurch zur aktiven Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess ein. Insofern verstehe ich nicht, dass man das mit einer einzigen Studie beiseitewischen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, von dieser Erkenntnis aus ist es nur noch ein kleiner Schritt bis hin zur Erprobung der öffentlichen Petition. Die Petition als niedrigschwelliges Instrument der Bürgerbeteiligung hat mit
der Einführung der Onlinepetition vor einigen Jahren schon deutlich gewonnen. Nun ist es nur konsequent, auch den nächsten Schritt zu gehen. Worum geht es bei der öffentlichen Petition? Wie funktioniert sie und welche Möglichkeiten bietet sie?
Ich möchte das noch einmal erläutern, auch in Anlehnung an die Praxis des Bundestages und anderer Bundesländer. Das ist ja wahrlich kein Neuland, schließlich existiert die öffentliche Petition im Bundestag schon seit etlichen Jahren, und auch in Bremen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz wird sie erfolgreich als Instrument angeboten. Vom Verfahren her ist es so, dass mit der öffentlichen Petition die Möglichkeit besteht, solche Petitionen, die für eine Veröffentlichung geeignet sind – also es gilt nicht für alle – und deren Verfasser/-innen einer Veröffentlichung zugestimmt haben, auf den Seiten des Landtages beziehungsweise des Petitionsausschusses öffentlich einzustellen.
Einmal ganz praktisch: Frau Musterfrau oder Herr Mustermann wenden sich mit ihrer Petition an das Ausschusssekretariat. Die dortigen Mitarbeiter/-innen erkennen die Relevanz der Petition und fragen bei den Petenten an, ob sie einer entsprechenden Veröffentlichung zustimmen. Wenn sie das tun, wird die Petition durch das Sekretariat für eine zu vereinbarende Zeitdauer im Internet entsprechend eingestellt. Es kann dann für interessierte Bürgerinnen und Bürger, die auf die Seiten des Petitionsausschusses schauen, die Möglichkeit einer Mitzeichnung eröffnet werden. Das entspricht vom Verfahren her der Vorgehensweise bei Massen- und Sammelpetitionen. Eine weitergehende Partizipationsmöglichkeit für interessierte Bürgerinnen und Bürger entsteht, wenn Diskussionsbeiträge über Foren eingestellt werden können. In Bremen und Rheinland-Pfalz wird selbst das gehandhabt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die öffentliche Petition ermöglicht es, Themen von allgemeinem Interesse einem erweiterten Kreis von Menschen zur Kenntnis zu geben und auf diese Weise auch Informations- und Meinungsbildungsarbeit zu leisten. Dies kann, wie eben gezeigt, in unterschiedlicher Intensität geschehen. Die Bandbreite reicht von der Mitzeichnung bis hin zur inhaltlichen Diskussion. Wir müssen das nicht gleich machen, wir können es schrittweise machen, je nachdem, wie es auch arbeitstechnisch zu leisten ist.
Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die Einführung eines solchen Verfahrens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausschusssekretariat zunächst vor höhere Anforderungen stellt. Die Petitionen müssen entsprechend gesichtet, ins Netz gestellt, betreut und ausgewertet werden. Natürlich braucht es dazu entsprechende Vorarbeiten und Abstimmungsprozesse. So müssen technische und datenschutzrechtliche Fragen geklärt und verbindliche Leitlinien vereinbart werden. Mit der Einführung der öffentlichen Petition ist für viele Beteiligte eine Menge Arbeit verbunden. Das ist die eine Seite der Waagschale. Dem gegenüber steht aber ein deutlicher Zugewinn an Transparenz und an aktiver Bürgerbeteiligung. Meine Fraktion ist der Überzeugung, das ist der Mühe wert.
Gerade jetzt erscheint der Zeitpunkt für die Erprobung der öffentlichen Petition als durchaus geeignet. Die Zahl
der Petitionen ist, wie aus dem Jahresbericht hervorgeht, aktuell rückläufig. Damit stehen durchaus Kapazitäten frei, um sich der neuen, herausfordernden Aufgabe der öffentlichen Petition zu widmen. Auch wenn jetzt einige Petitionen entsprechend zusammengefasst worden sind, sind dennoch durchaus Kapazitäten frei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir es mit der eingangs zitierten Seismografenfunktion des Petitionsausschusses ernst meinen, dann ist die Einführung und Erprobung der öffentlichen Petition hier bei uns im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern nur folgerichtig.
Im April 2013 habe ich eine entsprechende Selbstbefassung mit dem Thema im Petitionsausschuss beantragt. Das ist also rund zwei Jahre her. Ein erstes Gespräch dazu hat in der Tat stattgefunden, seitdem herrschte aber Stillstand, bis auf die Information jetzt von Herrn Lindner. Damit wollen wir Bündnisgrünen uns nicht einfach zufriedengeben. Wir nehmen den Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung sehr ernst. Das Petitionsrecht ist ein fester Bestandteil der europäischen Rechtskultur, entsprechend sollte es genutzt und unserer Meinung nach auch weiterentwickelt werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Jahr 2014 liegt bereits hinter uns – Zeit, die geleistete Arbeit des Petitionsausschusses im Tätigkeitsbericht auf den Prüfstand zu stellen.
Mit 420 Eingaben im Jahr 2014 sanken die Bitten und Beschwerden der Bürger im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren dramatisch ab. Bei 28 der vorgenannten 420 Petitionen handelt es sich um Sammelpetitionen, mit denen insgesamt 3.005 Bürger ihr Petitionsrecht in Anspruch nahmen.
Dennoch lässt die rückläufige Kritikbereitschaft bei den Bürgern aufhorchen. Trauen sich etwa weniger Bürger, Kritik zu äußern und gleichzeitig mit ihrem Namen dafür geradezustehen?
An einem aktuellen Beispiel lässt sich das Problem gut darstellen: Vor knapp zwei Wochen überreichten besorgte Eltern eine Petition an den Petitionsausschuss, die sich gegen die Umsetzung der Kita-Vollverpflegung richtete. Eine Sprecherin der Initiative erörterte, dass viele Personen – und hier insbesondere Mütter – die Absichten der Initiative zur Verbesserung der Rechte der Eltern bei der Kita-Vollverpflegung begrüßten und den Initiatoren ihren Zuspruch erteilten. Doch in einigen Fällen erfolgte das anonym, weil die besorgten Mütter nicht Gefahr laufen wollten, durch ihre Kritik gesellschaftliche Ächtung und Nachteile zu erfahren.
Meine Damen und Herren, selbst bei so einem scheinbar sachlichen Thema schwingt bereits bei ganz gewöhnli
chen Bürgern die Angst mit. Sie müssen sich also die Frage gefallen lassen, wie es so weit kommen konnte, dass Bürger dieses Landes Angst haben, öffentlich Kritik zu äußern. Am Beispiel der Asylpolitik – vielmehr der Kritik daran – zeigt sich schnell, dass die Bürger ein viel größeres Unbehagen und Unwohlsein haben, als es ohnehin schon in der Öffentlichkeit vorherrscht. Und wenn Petenten ihre Kritik äußern, wie etwa zur Unterbringung der Asylanten in Torgelow-Drögeheide, ist es ihnen nicht zu verdenken,
dass sie aufgrund von Bürokratiemonstern und unfähigen Politikern, die sie mit ihren Problemen alleinlassen, am Ende resignieren.
Normalerweise müssen Bitten und Beschwerden in erster Linie die Lösung von Problemen zum Ziel haben. Doch selbst wenn die Kritik kontinuierlich vorgetragen wird, sitzen die entscheidenden Stellen das Problem einfach aus. Auch Petitionen zum Rundfunkstaatsvertrag belegen das im aktuellen Tätigkeitsbericht.
Meine Damen und Herren, immer mehr Bürger gewinnen den Eindruck, dass ihre Probleme lediglich verwaltet werden. Eventueller Jubel über die gesunkene Zahl von Eingaben ist deshalb fehl am Platze. – Vielen Dank.
Herr Müller, wir verzichten in diesen Räumen auf das Wort, was Sie vorhin gebraucht haben. Und es ist heute Morgen thematisiert worden.
Ich möchte noch einmal auf den Beitrag von Frau Borchardt eingehen: Ich hatte so den Eindruck in den letzten drei Jahren, dass wir im Ausschuss trotz verschiedener Auffassungen immer einen gemeinsamen Weg gesucht haben im Interesse der Petenten. In den letzten Monaten wurde mehr und mehr versucht durch diese oder jene – ich will hier gar keinen Namen ansprechen –,
ein eigenes Süppchen zu kochen, parteipolitisches Süppchen, und dann auch versucht, seine Entscheidung zu treffen, um nämlich parteilich die Regierung vorzuführen.
Und wenn hier von parteilich gesprochen wird, dann muss ich mal eben sagen: Es tut mir wirklich, Frau Gerkan, sehr leid, weil Sie ja sonst eine angenehme Kollegin sind. Aber das, was Sie wiederholt gegen den Petitionsausschuss sagen, das macht gerade kein gutes Bild. Wenn Sie glauben, Sie können mit Ihren Anträgen den Landwirtschaftsminister oder wen auch immer vorführen, dann müssen Sie doch wissen, dass Sie nicht mal das Schwarze unter dem Daumen als Gegenleistung oder als fachliche Befähigung bringen können.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was war denn das für ein Beispiel?! – Zurufe von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, und Udo Pastörs, NPD)