Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Als ich vorletzte Woche die Überschrift Ihres Antrages, sehr verehrte Kollegin Dr. Karlowski, gelesen habe, hoffte ich, dass ich darin wirkliche Alternativen für notwendige Veränderungen in der Milchwirtschaft – und Milchwirtschaft heißt für mich, die Milcherzeugung, also die Milchviehhaltung und die -verarbeitung, das gehört alles zur Milchwirtschaft mit dazu – finden würde. Dem ist leider nicht so.

Eines wird sicher hier im Raum von keinem bestritten: Die Milchwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Deutschland ist wieder einmal in einer schwierigen Situation, aber insgesamt sind wir dabei gut aufgestellt, das hat der Minister schon zum Ausdruck gebracht. Jedenfalls habe ich weder von Ihnen, verehrte Kolleginnen

und Kollegen der GRÜNEN-Fraktion, noch von Regierungsseite etwas Gegenteiliges vernommen, als dass wir in einer schwierigen Situation sind.

Aus meiner Sicht hat die Milchwirtschaft zurzeit mit mehreren Problemen zu kämpfen. Ich beginne gleich mal mit der – in Anführungsstrichen – großen Politik. Seit dem Ukraine- konflikt und den sich anschließenden gegenseitigen Wirtschaftssanktionen ist auch ein Teil des bisherigen Absatzmarktes für die Milchwirtschaft in unserem Lande weggebrochen. Das kann man überall nachlesen. Dazu kommen noch die geringeren Importe für Milchprodukte in China, denn China ist sehr bemüht, eine eigene Produktions- und Veredlungskapazität aufzubauen. Das führt zu einem höheren Angebot an Milch und Milchprodukten auf dem europäischen und unserem einheimischen Markt, und da wir nicht in einem Land der Glückseligen leben, sondern in der Marktwirtschaft, erzeugt das erheblichen Druck auf die Preise und damit auf die Erlöse für Milch.

Die Molkereien in ihrer gegenwärtigen Konzentration haben eine andere Marktmacht als der einzelne Milchbauer. Das kann man beklagen, aber das ist eine absolute Tatsache. Wer etwas anderes will, muss grundlegende Änderungen an dem System der Marktwirtschaft vornehmen. Den Willen dazu kann ich nicht entdecken. Erzeugerzusammenschlüsse, auch das habe ich an dieser Stelle schon öfter einmal zum Ausdruck gebracht, können da sicher hilfreich sein, um die Marktmacht der Erzeuger gegenüber den Molkereien zu stärken.

Einen ebenso gravierenden Einfluss auf die Situation, vielleicht sogar den größten hat aus meiner Sicht der Einzelhandel. Hier konzentriert sich die Macht insbesondere bei den wenigen großen Vier bis Fünf. Ich glaube, die Namen muss ich an dieser Stelle nicht nennen, Sie kennen sie alle. Diese liefern sich im Kampf um die Kunden einen Preiskampf, der mit einem Preisdiktat über die Molkereien direkt an die Milchbauern weitergegeben wird. Auch das ist Kapitalismus und das ist Marktwirtschaft pur. Wenn es zukünftig nicht gelingt, die Macht des Einzelhandels zu beschränken, wird es sehr schwer, etwas zu ändern. Allerdings konstatiere ich, dass der Konzentrationsprozess, sprich die Entstehung von immer größeren Konzernen, weitergeht. Ich denke da nur an die kürzlich vor dem Bundeskartellamt gescheiterten Übernahmepläne von Kaiser‘s Tengelmann durch EDEKA.

Um nun auf Ihren Antrag zurückzukommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN: Da spielt der Wegfall der Milchquote natürlich auch eine Rolle. Das Ende der seit 1984 geltenden Milchquotenregelung habe ich vor Kurzem deutlich kritisiert. Eine Korrektur der Milchquotenregelung wäre aus meiner Sicht bei Weitem sinnvoller gewesen, aber es ist nun so und damit müssen wir fertigwerden. Der Wegfall setzt auf weltweiten Milchexport der europäischen Länder – das zu Dumpingpreisen – und ruiniert möglicherweise die Märkte in solchen Ländern, die dringend auf den Aufbau einer eigenen Versorgung angewiesen sind.

Die Milcherzeugerbetriebe benötigen ein System der Erzeugung, der Verarbeitung und der Vermarktung in der eigenen Region. Auch eine stärkere Veredelung trägt immer zu mehr regionaler Wertschöpfung und regionalem Absatz bei.

Meine Fraktion setzt sich dafür ein, dass auch künftig in Mecklenburg – und das sage ich jetzt ganz deutlich –

eine flächendeckende Milchproduktion möglich ist. Wir brauchen diese flächendeckende Milchproduktion, dafür sind die natürlichen Bedingungen hier sehr gut. Wer einmal die Wanderung der Milchproduktion in Deutschland beobachtet hat, der wird sehen, dass in den alten Bundesländern die Wanderung aus dem Süden in Richtung Niedersachsen und Schleswig-Holstein erfolgt. Auch in den ostdeutschen Bundesländern haben wir eine Wanderung aus Sachsen und Thüringen in Richtung Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zu verzeichnen, und das ist richtig so. Damit werden die natürlichen Bedingungen, die wir haben, auch am besten genutzt. Die Milchproduktion gehört in dieses Land.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Till Backhaus, SPD: Das verstehen die GRÜNEN aber nicht.)

Sicherlich wird das Quotenende nicht dazu führen, dass sich die produzierte Milchmenge von jetzt auf gleich um ein Vielfaches erhöht. Vieles wurde bereits vorweggenommen, indem vor dem Auslaufen der Mengenbeschränkung durch einzelne Betriebe Quote zugekauft wurde, und – das hat der Minister schon gesagt und ich will es noch einmal unterstreichen – es wurde in Größenordnungen investiert, sodass wir von der technischen Seite her außerordentlich gut aufgestellt sind.

Trotzdem ist eine Verschärfung des Verdrängungswettbewerbs in Deutschland, aber auch innerhalb der Europäischen Union zu befürchten. Das bedroht vorrangig nachhaltig produzierende kleine und mittlere Betriebe. Der Trend zu immer größeren Betrieben und immer höheren Leistungen kann auf Kosten der Einkommen der Bauern, auf Kosten einer höheren Arbeitsbelastung und auch auf Kosten des Tierwohls gehen. Das ist gerade vor dem Hintergrund der Bemühungen um ein Mehr an Tierwohl in der Landwirtschaft inakzeptabel.

Die Haltung meiner Fraktion werden wir nicht zuletzt in unserem Antrag zu den Bestandsobergrenzen für Tierhaltungsanlagen auf wissenschaftlicher Grundlage, so lautet ja der Titel, am morgigen Donnerstag klar zum Ausdruck bringen. Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, auch meine Fraktion macht sich sehr grundsätzliche Gedanken zu einem Weg hin zu mehr Tierwohl und zu einer weiteren Ökologisierung der Landwirtschaft. Doch jetzt ist es eben die Milchwirtschaft als ein Teil der öffentlichen Diskussion, um die es sich hier dreht. Und da, liebe Kollegin Dr. Karlowski, reicht es unserer Meinung nach nicht aus, eine Beratung der Milcherzeuger durchzuführen, die Alternativen zur Hochleistungsmilchkuhhaltung, wie Sie es nennen, aufzeigt und die bei der Direktvermarktung der Milch helfen soll.

Die Beratungsangebote des Landes sind sicher an manchen Stellen noch ausbaufähig, aber für die landwirtschaftliche Beratung trifft das aus meiner Sicht überhaupt nicht zu. Wenn man bedenkt, dass es eine freiwillige Aufgabe des Landes ist, finde ich sie im Vergleich zu vielen anderen Branchen sogar sehr gut aufgestellt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: In welche Richtung geht sie denn, Herr Tack?)

Die von Ihnen angesprochenen Robustrassen sind meines Wissens für die Fleischproduktion geeignet. Eine Rückbesinnung – und das würde ja bedeuten, eine

Rückkreuzung auf ein Mehrnutzungsrind, wie wir es hatten – nähme sehr lange Zeit in Anspruch. Wir konnten uns in der Landesforschungsanstalt davon überzeugen, dass es zudem Forschungsaufgaben gibt, die Zuchtziele „Fitness“ und „Lebensleistung“ zu erhöhen. Aber jeder Züchter weiß auch, dass gerade diese beiden Merkmale mit einer sehr geringen Vererbung verbunden sind. Das ist das Problem dabei. Die Lebensleistung steht also im Vordergrund, um hier zu einer besseren Positionierung am Markt zu kommen. Ich sehe also überhaupt keine Mängel bei der Beratung, auch nicht hinsichtlich der Direktvermarktung. Außerdem ist es für mich nicht darstellbar, dass alle Milcherzeuger in diesem dünn besiedelten Land ihre Milch direkt vermarkten oder selber veredeln.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin sehr für Betriebe, wo das funktioniert, aber für das ganze Land ist das keine Lösung.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig.)

Das ist allenfalls eine Perspektive für einen geringen Prozentsatz der Milcherzeuger

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, das steht im Antrag. Genau.)

und nur für kleine und mittlere Unternehmen, vielleicht in Tourismusregionen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Dort kann man das machen,

(Vincent Kokert, CDU: Ja.)

aber flächendeckend geht das überhaupt nicht.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch die Frage: Wer beliefert dann die Molkereien mit Milch, egal ob kleine oder große? Oder wollen wir diesen Zweig der Lebensmittelindustrie dann auch nicht mehr? Wir als Fraktion wollen ihn auf jeden Fall.

(Thomas Krüger, SPD: Wir auch.)

Wie Sie sehen, können wir leider nicht Ihrem Antrag folgen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Tack.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Thomas Krüger für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns alle eint die Besorgnis darüber, dass der Milchpreis am Ende die Produktions

kosten nicht deckt. Die Landwirtinnen und Landwirte leisten hier 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr gute und engagierte Arbeit und diese gute und engagierte Arbeit zahlt sich eben nicht immer durch eine entsprechende Kostendeckung am Markt aus. Insofern, meine Damen und Herren, wenn ich mir den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vornehme, ist der erste Teil, der da lautet, „Der Landtag stellt fest“, etwas, wo wir Übereinstimmung haben. Ausnehmen aus der Übereinstimmung muss ich allerdings den letzten Satz.

Den vorletzten Satz will ich zitieren, da steht: „Nach dem Wegfall der Milchquote am 31. März 2015 ist zu erwarten, dass die produzierte Milchmenge deutlich steigen wird.“ Ich glaube, alle, die sich mit dem Milchmarkt beschäftigen, werden mir zustimmen, es ist davon auszugehen, dass es zumindest eine Steigerung geben wird, ob es eine deutliche Steigerung sein wird, das werden wir sehen. Dann heißt es im Antrag aber weiter: „Durch den damit einhergehenden weiteren Preisverfall wird die wirtschaftlich prekäre Lage der Milchviehbetriebe weiter verschärft.“ Meine Damen und Herren, an dieser Stelle müssen wir einfach in die Debatte einsteigen!

Ich stelle mir gerade die Frage, wo Sie Ihre Glaskugel herhaben, Frau Dr. Karlowski.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist eine fair gehandelte Glaskugel.)

Woher wissen Sie, dass am Ende die Preise weiter verfallen werden? Woher wissen Sie das?

Um sich mit dem Milchpreis zu beschäftigen, muss man sich die Mühe machen, einmal genauer nachzugucken, wie der Milchpreis entsteht. Dazu ein Beispiel: Im Sommer 2004 hatten wir wirklich exzellente Preise. Der Milchpreis war auf 45 Cent gestiegen, ein wirklich guter Preis,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das liegt an der Quote, Herr Krüger, und das wissen Sie auch.)

ein Preis, mit dem die Betriebe sehr gut auskommen können. Das war nicht so, weil wir hier in Europa die Milchmenge, die Produktion der Milchmenge beschränkt haben, das war nicht so, weil wir hier eine Quote haben, sondern das lag an anderen Ursachen.

Es gab in Nordamerika eine verbreitete Dürre. Die Dürre hat am Ende die Maisernte ruiniert und der amerikanische Milchmarkt ging massiv zurück. Die Exporte aus Amerika gingen massiv zurück und der Weltmarkt hat einfach bei steigender Nachfrage auf ein Angebotsdefizit reagiert. Welche Auswirkungen eine mangelnde Produktion und eine entsprechend höhere Nachfrage auf den Preis haben, das kann man schon bei Karl Marx nachlesen. Vielleicht haben wir Ostdeutschen hier ja einen Wissensvorsprung.

(Udo Pastörs, NPD: Ha!)

Ich habe mir den Milchmarktindex einmal angesehen. Im Januar, noch mit der Quote, vermeldete das Institut für Ernährungswirtschaft Kiel einen Milchpreis von 25,2 Cent Rohstoffwert für Milch bei 4 Prozent Fett. Heute, ohne Quote, liegt er bei 30,1 Cent je Kilogramm, also deutlich höher,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und das, obwohl wir wissen, dass die Märkte ja auch psychologisch reagieren, also wussten, dass die Quote ausläuft.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Unterhalb der Wirtschaftlichkeitsschwelle.)

Das Nachrichtenportal „agrarheute“ hat gerade vermeldet, ich zitiere: „Der Kieler Rohstoffwert für Milch ist … das dritte Mal in Folge gestiegen und konnte erstmals seit einem halben Jahr … die 30-Cent-Marke überwinden.“ Auch Landwirte haben mir gerade noch in den letzten Tagen bestätigt, dass der Milchpreis wieder leicht gestiegen ist.