Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

vielleicht auch mehr?! Das ist doch überhaupt nicht der Punkt, darüber müssen wir nicht diskutieren. Da gebe ich dem Kollegen Renz recht – ich glaube, er war es, der das gesagt hat –, am Anfang hat es Umsetzungsprobleme gegeben. Ich habe das selbst erlebt, aber ich habe viele Gespräche in diesem Land geführt und die Arbeitgeber haben klipp und klar gesagt, wir haben an sich vom Grundsatz her kein Bürokratieproblem bei der ganzen Sache.

Es ist ein anderer Punkt, darauf ist auch hingewiesen worden: Es gibt offensichtlich aus Verbandssicht heute immer noch Nachkämpfe bei denen, die sich immer noch nicht damit zufrieden gegeben haben, dass dieses Gesetz gekommen ist. Dieses Gesetz ist gut so, da gibt es an der einen oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf, den wird man sehen, wie sich das ergibt, da wird es evaluiert. Aber das Gesetz ist gut und die Kontrollen sind vom Grunde her gut, weil es wird keinen wirksamen Mindestlohn in Deutschland geben, wenn wir uns von vornherein hinstellen und sagen, wir wollen es gar nicht kontrollieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Schulte.

Ich schließe die Aussprache.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss eine Korrektur vornehmen, da es in Bezug auf die geplante Aussprache zum Thema „Humanitäres Leid darf nicht Normalität sein – für ein entschlossenes europäisches Handeln in der Flüchtlingspolitik“ vor der Plenarsitzung eine entsprechende Vereinbarung im Ältestenrat gegeben hat, dies in die vorläufige Tagesordnung aufzunehmen. Es ist nicht notwendig, das generell notwendige Verfahren für die Aufsetzung von Dringlichkeitsanträgen durchzuführen. Deshalb stelle ich nur der Form halber noch einmal die Frage, ob die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes, so, wie im Ältestenrat besprochen, nach Tagesordnungspunkt 16 vorgesehen wird.

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsstrukturgesetzes, auf Drucksache 6/3616. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auf Drucksache 6/3938 vor.

Gesetzentwurf der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsstrukturgesetzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/3616 –

Änderungsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – Drucksache 6/3938 –

In der 86. Sitzung des Landtages am 28. Januar 2015 ist die Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse abgelehnt worden. Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Landtages wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben im Januar auf Drucksache 6/3616 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsstrukturgesetzes in den Landtag eingebracht. Nach dem Gesetzentwurf sollte die in dem Gerichtsstrukturneuordnungsgesetz vorgesehene Aufhebung der bis dahin noch nicht aufgehobenen Amtsgerichte Neustrelitz, Hagenow – das war der damalige Stand im Januar –, Bad Doberan, Parchim, Grevesmühlen, Wolgast, Demmin, Bergen auf Rügen und Ribnitz-Damgarten sowie der Umzug des Landessozialgerichtes von Neubrandenburg nach Neustrelitz um zwei Jahre verschoben werden. Sie haben sich seinerzeit mehrheitlich nicht dafür entscheiden können, das in die Ausschüsse zu verweisen. Das bedauere ich ausdrücklich und deshalb haben wir heute die Zweite Lesung.

Ziel dieses Gesetzes war, die Schaffung vollendeter Tatsachen vor der Durchführung des Volksentscheides über die Gerichtsstrukturreform weitestgehend zu vermeiden. Ich fand sehr aufschlussreich, dass bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes uns von der SPD-Fraktion vorgeworfen wurde, dieses Ansinnen mache nicht nur keinen Sinn, sondern komme einer, Zitat, „Aufforderung zum Rechtsbruch durch die Landesregierung“, Zitatende, nahe.

In der Tat, sehr geehrte Damen und Herren, ich halte das für ein überaus fragwürdiges Argument. Der Landtag ist das Gremium, welches Gesetzgebungsgewalt hat, und kann natürlich auch eigene Gesetze verändern, wenn er das für erforderlich hält. Und ich habe diese Debatte im Januar in der Tat für eine Scheindebatte gehalten, weil sie davon abgelenkt hat, dass es im Kern um eine ganz andere Frage geht. Es geht im Kern um die Frage, wie

ernst nimmt man mehr als 120.000 inzwischen als gültig erklärte Unterschriften gegen ein Gesetzesvorhaben der Landesregierung oder wie wenig ernst nimmt man dies, indem man auf der anderen Seite einfach so tut, als sei nichts geschehen, und weiterhin Gerichtsstandorte schließt. Genau das haben Sie getan. In der Zwischenzeit ist der Standort Hagenow geschlossen worden, das Landessozialgericht in Neustrelitz ist umgezogen und die nächsten Schließungen von Amtsgerichten stehen an.

Für mich passt das in die Reihe von Verhaltensmustern, die ich wahrgenommen habe bei Angehörigen der Koalitionsfraktionen und die mich in dem Zusammenhang schon enttäuscht haben. Es wurde, als das Gesetzgebungsverfahren seinerzeit initiiert wurde, das wissen Sie alle, vor Ort intensiv diskutiert. Es gab zahlreiche Versammlungen, Einladungen von Bürgermeistern, Initiativen, Richterbund, „Pro Justiz“ und so weiter. Und ich habe im Zuge der Debatte um dieses Gesetz Abgeordnete erlebt, die vor Ort beispielsweise in ihren Kommunalvertretungen sich noch gegen den Gesetzentwurf gewandt haben, zumindest wenn es um die Schließung des Gerichtsstandortes ging, der in ihrer Gemeinde betroffen war. Und ich habe erlebt, wie Sie sich hier Entscheidungen entzogen haben, indem Sie an der entsprechenden Entscheidung nicht teilgenommen haben.

Das, was ich in der Tat seinerzeit nicht für möglich gehalten habe, ist, dass in dem Fall zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein Volksentscheid die erforderlichen 120.000 Unterschriften, ein riesiges Quorum erreicht, ein Quorum, Frau Drese, erreicht,

(Stefanie Drese, SPD: Ich hab doch gar nichts gesagt.)

dass Sie nicht in der Lage sind, dieses zumindest so weit ernst zu nehmen, dass Sie das Gesetzesvorhaben aussetzen – nichts anderes will dieser Gesetzentwurf – und den anstehenden Volksentscheid im September abwarten. Dieses wäre ein wahrlich positiver Dienst an der Demokratie gewesen und Sie hätten damit signalisiert, dass Sie direktdemokratische Elemente – nämlich dann, wenn sich Bürgerinnen und Bürger für eine Angelegenheit engagieren, wenn sie mit ihrer Unterschrift dokumentieren, wie wichtig ihnen das ist – ernst nehmen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das tun wir ja.)

Das haben Sie nicht getan, indem Sie schlicht und ergreifend das Gesetz weiter vollziehen.

Ich will aber auch inhaltlich auf einen Punkt eingehen, den ich inzwischen, also in der Zeit zwischen Januar mit der Einbringung unseres Gesetzentwurfes und heute, für ganz interessant halte. Wir haben inzwischen, das wissen Sie, eine Anhörung durchgeführt aufgrund der Tatsache, dass das Volksbegehren in dieses Parlament eingebracht worden ist und jetzt in einer der nächsten Sitzungen angenommen oder abgelehnt werden wird – Sie haben das schon angekündigt – mit der Konsequenz, dass es dann vermutlich im Herbst dieses Jahres zu einem Volksentscheid kommen wird. Und in dieser Anhörung haben Sie unterschiedliche Sachverständige bemüht.

Wir wissen alle, die unterschiedlichen Fraktionen haben Vorschlagsrechte und ich fand eine Anhörung ganz be

sonders bemerkenswert. Das war die Anhörung, die wir vorgezogen haben aus terminlichen Gründen, da wurde nämlich der CDU-Staatssekretär aus seinerzeit der CDUFDP-Landesregierung Hessen bemüht, einmal Stellung dazu zu nehmen, wie sinnvoll das dann hier für Mecklenburg-Vorpommern sei oder nicht, und zwar vor dem Hintergrund, dass Hessen für die Jahre vorher bereits ein entsprechendes Reformvorhaben umgesetzt hatte.

Nun muss man sich vorstellen, Hessen ist ein Bundesland, welches von der Größe her etwa vergleichbar ist mit Mecklenburg-Vorpommern, etwas kleiner. Hessen ist ein Bundesland, was mehr Einwohner hat, knapp 6 Millionen etwa zu 1,6 Millionen in Mecklenburg-Vorpommern, wobei man aber auch wissen muss, dass Hessen genauso wie Mecklenburg-Vorpommern ein ländlich strukturiertes Bundesland ist mit einem großen Ballungsgebiet Rhein-Main und Frankfurt, in dem allein schon 2,2 Millionen Einwohner leben. Also da verbleiben dann knapp 4 Millionen Einwohner in dem eher ländlich strukturierten Nordhessen oder in anderen Bereichen Hessens.

Sie bemühen diesen Staatssekretär als Kronzeugen. Das hat er folglich ganz nett gemacht in der Sitzung und gesagt, ja, es ist notwendig, diese Gerichtsstrukturreform durchzuführen. Und auf die Frage hin, wie sich das denn in Hessen tatsächlich ausgewirkt hat, kommt dann die Antwort, dass von 46 Amtsgerichten 5 geschlossen worden sind und der Status quo noch bei 41 Amtsgerichten liegt. Also wir bemühen jemanden, der von der Anzahl der Amtsgerichte eine Strukturreform gemacht hat, weit entfernt von dem Kahlschlag, den wir hier inzwischen vollzogen haben,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was für ein Kahlschlag denn?!)

dem Kahlschlag, den wir hier inzwischen vollziehen über die sukzessive Schließung von Amtsgerichten.

(Heinz Müller, SPD: Platte Parolen hier! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Plattitüden, Plattitüden!)

Dass Ihnen das nicht passt, Herr Müller, kann ich nachvollziehen, zur Kenntnis nehmen müssen Sie es trotzdem.

(Heinz Müller, SPD: Für mehr Niveau wären wir dankbar.)

Und ich fand in der darauffolgenden Anhörung auch die Beiträge interessant des Amtsgerichtsdirektors im Bereich Anklam/Wolgast, der bereits die Schließung von Amtsgerichten und die Degradierung von Nebenstellen hat umsetzen müssen und der deutlich gemacht hat, sowohl in seinem schriftlichen wie auch in seinem mündlichen Beitrag, wie wenig die Synergien, die von Ihnen gefordert werden, denn tatsächlich greifen, weil die Entfernungen, die Sie mit der Reduzierung oder der Halbierung der bestehenden Amtsgerichte von derzeit 21 weiter auf die Hälfte mit einigen Nebenstellen vornehmen, die Entfernungen, die daraus resultieren, einfach derartig drastisch sind, dass jegliche Synergieeffekte auf der Strecke bleiben. Das ist in diesem Beitrag sehr, sehr deutlich geworden.

Es geht mir aber hier im Kern bei diesem Gesetzentwurf nicht um die Frage, noch mal die Reform zu diskutieren,

sondern es geht mir im Kern um die Frage, wie ernst ein Volksbegehren genommen wird. Ich habe gar keine Illusionen, Sie werden heute auch in der Zweiten Lesung gegen den Entwurf stimmen. Ich halte dies für nicht demokratisch im besten Sinne, weil Sie diejenigen, die sich dafür ausgesprochen haben, abstimmen zu dürfen über eine aus ihrer Sicht relevante Frage,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das stimmt doch nicht.)

nicht ernst nehmen, wie Sie dokumentieren, und weil Sie uns auch, wenn es im September zu einem Volksentscheid kommt, in eine Lage hineinversetzen, aus der heraus der größte Teil der Reform schon längst vollzogen ist, und wir alle wissen, auch das spielte in der Anhörung eine Rolle, dass ein Rückdrehen der Reform nur mit riesigen Aufwendungen möglich ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, so ist das Leben.)

Konsequent wäre es gewesen – wir haben Ihnen ja mehrere Möglichkeiten gegeben, fast in jeder Landtagssitzung, als sich andeutete, das Volksbegehren wird erfolgreich –, frühzeitig zurückzurudern, auszusetzen, den Volksentscheid abzuwarten und in der Folge des Volksentscheides dann Umsetzungen zu betreiben, und zwar auf einer Basis, auf der das auch noch möglich gewesen wäre. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Suhr.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Drese für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Gesetzentwurf, den wir heute wiederholt beraten, sieht vor, die Aufhebung der bislang noch nicht geschlossenen Amtsgerichte sowie die Verlegung des Landessozialgerichtes von Neubrandenburg nach Neustrelitz um zwei Jahre zu verschieben. Dies ist weder geboten noch sinnvoll.

Wir haben bereits in der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes dargelegt, dass und warum wir dem nicht zustimmen. Daran hat sich nichts geändert. Ein Hinausschieben macht keinen Sinn und das, Herr Suhr, ist auch keine Scheindebatte. Es spricht vielmehr alles dafür, die angelaufenen und eingeleiteten Umsetzungsmaßnahmen fortzuführen und zum Abschluss zu bringen. Die Umkehr einer ganzen Reihe von Maßnahmen wäre auch zum jetzigen Zeitpunkt mit einer Reihe wesentlicher Nachteile verbunden. Gerade unter Kostengesichtspunkten, die ja in dem Gesetzentwurf im Mittelpunkt stehen, wäre die vorgeschlagene Verschiebung eben nicht zum Nulltarif zu haben.

Wenn man dem Gesetzentwurf folgt, würde dies zudem zusätzliche Kosten produzieren. Die Justizministerin hat das an dieser Stelle wiederholt auch in der Ersten Lesung dargestellt. Es müssten etwa über einen zusätzlichen Zeitraum weitere Anmietungen vorgenommen werden. Auch müssten laufende Baumaßnahmen unterbrochen werden. Es würden Kosten anfallen für fällig werdende zusätzliche Investitionen in die Sicherheit einzelner Standorte. Dies gilt auch für bereits weitgehend

erfolgte technische Umstellungen im IT-Bereich. Auch müssten Personalmaßnahmen wieder zurückgenommen werden. Zudem ist der aus dem Januar dieses Jahres stammende Gesetzentwurf überholt.

Die Landeswahlleiterin hat im Februar mitgeteilt, dass das Volksbegehren die erforderliche Anzahl an gültigen Unterschriften erreicht hat. Der Landtag hat den Gesetzentwurf des Volksbegehrens im März behandelt und an die zuständigen Ausschüsse überweisen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau.)

Dort ist mit den Beratungen bereits begonnen worden. Der mitberatende Finanzausschuss hat dem federführenden Europa- und Rechtsausschuss seine Stellungnahme schon übermittelt. Der Rechtsausschuss hat erneut eine Anhörung durchgeführt.