Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Ich rufe auf den Geschäftsbereich des Ministers für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung. Die Justizministerin wird in Vertretung die Frage beantworten und ich bitte den Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Frage 19 zu stellen.

Danke schön. Guten Morgen, Frau Ministerin!

19. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung

über den Umfang der Abregelung der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien durch die Netzbetreiber in Mecklenburg-Vorpom- mern im Jahr 2014 vor und welche Strommengen aus erneuerbaren Energien sind dadurch verloren gegangen?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien können vom Netzbetreiber in netzkritischen Situationen zum einen nach dem Paragrafen 13 Absätze 1 und 2 EnWG sowie nach Paragraf 14 EEG heruntergeregelt werden. Da die Energiewende ein deutschlandweites Projekt ist und mangelnde Netzkapazitäten nicht in den Bundesländern zu verorten sein müssen, in denen eine Abregelung jeweils vorgenommen wird, führt das EM keine eigene Statistik dazu. Der Übertragungsnetzbetreiber bereitet die Daten ebenfalls nicht bundesländerscharf auf.

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lehramtsausbildung und Unterrichtsfach „Deutsche Gebärdensprache“ auf den Weg bringen – aktivere Teilhabe von Gehörlosen und Hörgeschädigten ermöglichen, auf Drucksache 6/3907.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lehramtsausbildung und Unterrichtsfach „Deutsche Gebärdensprache“ auf den Weg bringen – aktivere Teilhabe von Gehörlosen und Hörgeschädigten ermöglichen – Drucksache 6/3907 –

Zwischen den Fraktionen bestand Einvernehmen, diesen Tagesordnungspunkt durch Gebärdendolmetscher begleiten zu lassen. Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Wir müssen einen Moment warten. Es ist jetzt aus dem Publikum signalisiert worden, dass man sich gern zu Wort melden möchte. Ich muss leider unsere Gäste darüber informieren, dass das die Geschäftsordnung des Landtages nicht vorsieht, dass es also nicht möglich ist, hier Fragen zu stellen oder sich zu Wort zu melden.

(Die Gebärdendolmetscherin wendet sich an die Präsidentin.)

Alles klar. Gut, dann war das jetzt ein erneutes Verständigungsproblem bei uns. Jetzt müssen wir mal gucken, ob wir das irgendwie anders machen können. Ist es möglich, dass Sie ein Stück nach vorn gehen, um die Gebärdensprache auszuüben?

(Gebärdendolmetscherin: Von uns aus ist das kein Problem. Sie müssen das wissen wegen der Videoaufzeichnung.)

Das müsste trotzdem zu sehen sein durch die Kamera. Wir probieren das. Wir müssten mal von der Technik ein Signal bekommen, wie weit die Kollegin vorgehen kann, damit das gut zu sehen ist. Ich würde Sie einfach mal bitten, ein Stück in Richtung Publikum zu gehen, und wir testen das aus. Ich kann das jetzt ja hier nicht sehen, ob der Bildschirm das hergibt.

Kann die Technik uns ein Signal geben, ob das …

(Minister Lorenz Caffier: Ja, geht.)

Gut. So geht das. Ich bitte die Gäste, sich vielleicht in die vorderste Reihe der Besucherplätze zu setzen, und dann, glaube ich, kriegen wir das hin.

(Gebärdendolmetscherin: Hätte ich noch einen Moment Zeit, nach vorn zu meiner Kollegin zu gehen, damit wir dann schneller tauschen können?)

Ja, natürlich, da warten wir jetzt noch, kein Problem.

Vielleicht können wir noch einen Stuhl organisieren? Die Zeit ist nun auch noch da und dann werden wir beginnen.

Kann ich jetzt davon ausgehen, dass wir starten kön- nen? – Wunderbar, ich sehe Signale, dass das okay ist. Dann freue ich mich und es kann losgehen.

Frau Berger, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sehen, das mit der Verständigung in einer inklusiven Gesellschaft ist nicht immer ganz einfach, und die Debatte hier heute im Landtag ist für mich etwas Besonderes, weil es meine erste Rede ist, die auch von Gebärdendolmetschern begleitet wird. Es ist seit mehr als drei Jahren überhaupt die zweite Debatte hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, die von Gebärdendolmetschern übersetzt wird.

(Tilo Gundlack, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE: Die dritte.)

Die dritte, höre ich gerade.

In Deutschland leben insgesamt laut der Deutschen Gesellschaft für Hörgeschädigte 300.000 Menschen mit schwerer Hörschädigung und 80.000 Gehörlose. Die Zahlen sind nicht ganz einfach zu recherchieren, andere Verbände gehen auch von höheren Zahlen aus, weil neben den Menschen, die mit Hörschädigung geboren werden, können sich auch im Laufe des Lebens Änderungen ergeben, beispielsweise durch Unfall, Krankheiten, aber auch einfach durch das Älterwerden. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und CDU darauf geeinigt, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu unterstützen, und haben im September 2013 einen Maßnahmenplan vorgelegt, bei dem die Debatte ebenfalls von Gebärdendolmetschern begleitet wurde.

Der Maßnahmenplan sieht vier große Maßnahmen vor, einmal die Bewusstseinsbildung für die inklusive Gesellschaft, zum Zweiten die Förderung der aktiven und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, die Partizipation von Menschen mit Behinderung und als Viertes den Abbau von Barrieren in allen Lebensbereichen. Und genau diese vier Punkte im Maßnahmenplan der Landesregierung wollen wir mit unserem heutigen Antrag mit Leben füllen. Genauer betrachtet geht es darum, Gehörlosen und Hörgeschädigten mehr Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Hierzu haben wir im Vorfeld unseren Antrag sehr intensiv diskutiert mit dem Elternverband hörgeschädigter Kinder, mit dem Dolmetscherverband Mecklenburg-Vorpommern und selbstverständlich mit dem Gehörlosenverband Mecklenburg-Vorpom- mern.

Der Antrag zielt darauf ab, dass in einem Nordländerverbund geprüft wird, ob es möglich ist, den Studiengang „Deutsche Gebärdensprache“ einzurichten und zu finanzieren. Es ist ein Problem nicht nur für MecklenburgVorpommern, sondern bundesweit, dass es keine Lehramtsausbildung „Deutsche Gebärdensprache“ gibt und dass das aber natürlich die Grundvoraussetzung dafür ist, dass diese an Schulen unterrichtet werden kann. Der Bildungsausschuss war in der Vergangenheit zu Besuch im Landesförderzentrum Hören und Sprache, hat sich informiert über die Begebenheiten und wir haben gesehen, wie liebevoll und engagiert die Lehrkräfte dort unterrichten. Aber auch in diesem Landesförderzentrum gibt es keine Lehrkraft mit der Ausbildung „Deutsche Gebärdensprache“.

Das Landesförderzentrum Hören hat aber auch noch andere Probleme. In der Vergangenheit hat die Landesregierung die Anrechnungsstunden für Zusatzqualifikationen im Bereich Hörgeschädigtenpädagogik beziehungsweise Gehörlosenpädagogik stark beschnitten, sodass diese Zusatzqualifikationen nicht mehr so stark nachgefragt werden. Wir haben dazu vor mehr als fünf Wochen eine Kleine Anfrage gestellt, wir haben eine Fristverlängerung genehmigt, aber auch diese Fristverlängerung ist leider abgelaufen, sodass ich Ihnen die genauen Zahlen dieses Rückgangs leider heute nicht mitteilen kann.

Die Lehrkräfte – das ist ein zweiter Punkt in unserem Antrag, dass die Lehrkräfte, die diese Qualifikation in der Vergangenheit erworben haben, also besondere Qualifikationen im Bereich Hörgeschädigte beziehungsweise Gehörlosenpädagogik zu ihrem normalen Lehramtsstudium Mathe, Deutsch, Geschichte, Englisch erworben haben – sollten aus unserer Sicht einen Vorrang bei der Stellenbesetzung in diesem Landesförderzentrum haben.

Im Moment ist es leider so, dass Abordnungen aus anderen Schulen den Vorrang haben. Die Bundesländer Berlin, Brandenburg, aber auch Hamburg verfügen über einen Rahmenlehrplan „Deutsche Gebärdensprache“ – das wünschen wir uns auch für Mecklenburg-Vorpommern. Und es ist gar nicht so schwierig, wenn wir einfach nur mal den Blick über die Ländergrenze wagen.

Wir möchten nämlich, und es ist auch der Wunsch der Eltern und vieler hörgeschädigter beziehungsweise gehörloser Kinder, dass sie die deutsche Gebärdensprache zunächst am Landesförderzentrum Hören lernen, aber, und das ist auch unser Wunsch, dass es sich nicht nur auf dieses beschränkt, sondern normal hörende Kinder ebenfalls die Möglichkeit haben, an ihrer normalen Schule im Rahmen von Ganztagsschulunterricht beispielsweise oder im Rahmen von Wahlpflichtunterricht die deutsche Gebärdensprache zu erlernen, damit wir keine Einbahnstraße in der Kommunikation haben, sondern Kommunikation einfacher ermöglichen können.

Der letzte wichtige Punkt in unserem Antrag geht über das „Landesförderzentrum Hören“ hinaus. Wir wollen, dass die Landesregierung gemeinsam mit dem Gehörlosenverband Mecklenburg-Vorpommern und den anderen Verbänden Maßnahmen zur soziokulturellen Teilhabe ergreift, also ausmacht und ergreift.

Zwar haben nach dem Behindertengleichstellungsgesetz und auch nach den Sozialgesetzbüchern gehörlose Menschen beziehungsweise stark hörgeschädigte Menschen einen Anspruch auf Dolmetscher, Gebärdendolmetscher bei offiziellen Anlässen, wie beispielsweise bei Gerichtsterminen, aber es fängt schon an, schwierig zu werden, wenn diese Menschen beispielsweise Arztbesuche vornehmen oder auch Therapien besuchen wollen. Da müssen Hörgeschädigte einen Dolmetscher selbst mitbringen, hinterher einen Antrag auf Finanzierung stellen und hoffen, dass die Finanzierung auch übernommen wird. Noch schwieriger wird es beispielsweise bei der Beantragung eines Parkausweises oder auch bei Bankterminen, also alles, was für uns selbstverständlich ist. Es sind doch deutliche Barrieren da, die wir gern abgebaut wissen wollen.

Ich möchte ein paar Beispiele nennen, wie man das aus meiner Sicht sehr schön regeln kann. Beispielsweise gibt es in der Stadt München an jedem ersten Dienstag im Monat die Möglichkeit, dass dort einfach Gebärdendolmetscher in den Behörden Ansprechpartner sind und die Kommunikation zwischen gehörlosen sowie hörgeschädigten Menschen und den Verwaltungsmitarbeitern regeln.

Und ein anderes Beispiel aus unserem Bundesland möchte ich nennen. Dort haben nämlich gerade in der Hansestadt Greifswald neun Mitarbeiter der Stadtverwaltung einen 30-stündigen Kurs Gebärdensprache absolviert. Das reicht natürlich nicht aus, um intensive Gespräche zu führen, aber es ermöglicht doch zunächst einmal einen Erstkontakt von Verwaltungsmitarbeitern mit gehörlosen Menschen. Und auch so relativ einfache Sachen im Verwaltungswesen, wie beispielsweise das Beantragen eines Parkausweises oder eines Personaldokumentes, werden darüber ermöglicht, also unkompliziert und barrierefrei ermöglicht. Das wünschen wir uns aber nicht nur, wenn es eine engagierte Stadtverwaltung gibt, sondern das wünschen wir uns flächendeckend für das ganze Land.

Insofern bin ich jetzt gespannt auf diese Debatte und werde mich im Laufe der Debatte noch einmal zu Wort melden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Berger.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Mathias Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Liebe Frau Berger, das ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema im Rahmen der Inklusionsdebatte. Deswegen hätte es mich auch gefreut, wenn Sie diesen Punkt eingebracht hätten in unsere gemeinsamen Gespräche zur Inklusion, um es dann gegebenenfalls anschließend noch mal öffentlich zu diskutieren. Aber man kann natürlich auch den umgekehrten Weg wählen.

Frau Berger hat bereits darauf hingewiesen, dass wir in diesem Bereich eine Situation haben, dass es unsere gesellschaftliche Aufgabe ist, Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft zu erleichtern, die eine sehr, sehr kleine Gruppe sind. Sie haben selbst darauf hingewiesen: Es gibt etwa 0,01 Prozent der Bevölkerung, die ausschließlich auf die Gebärdensprache angewiesen sind. Selbst wenn diese Zahl nicht ganz korrekt sein sollte, wobei da eigentlich alle eingeschlossen sind, ist es doch ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung, was aus meiner Sicht gerade im Schulwesen besondere pädagogische Bedingungen verlangt.

Deswegen haben wir auch lange diskutiert über die Frage, ob man beispielsweise die Landesförderzentren für Sehen und Hören – die sind in besonderer Weise betroffen – im Rahmen einer Inklusion auflösen kann oder nicht. Und es waren vor allem Eltern hörgeschädigter Kinder, die – jedenfalls mir gegenüber – dringend darauf hingewiesen haben, dass ein solcher Weg nicht gegangen werden sollte, dass es zwar wünschenswert ist, dass möglichst viele Kinder im gemeinsamen Unterricht beschult werden, soweit dies möglich ist, dass Eltern aber auch die Wahlfreiheit haben müssen zu entscheiden, welchen Weg sie für ihr Kind für am besten und am förderlichsten halten.

Und das, glaube ich, kann sich jeder von uns vorstellen, zu welcher sozialen Isolation es auch führen kann, wenn ein Kind, das beispielsweise taubstumm ist, im gemeinsamen Unterricht beschult wird, aber sich mit den anderen Kindern gar nicht verständigen kann. Insofern muss man, glaube ich, bei dem Thema Inklusion auch immer die Frage berücksichtigen, ob es nicht für manche Situation sehr wichtig sein kann, eine bestimmte Bezugsgruppe zu haben, in der dann die Kommunikation stattfinden kann. Also wir müssen dort, glaube ich, sehr behutsam sein. Und an diesem Beispiel lässt sich ganz gut zeigen, dass aus meiner Sicht ein wesentliches Grundprinzip der Inklusion eben Wahlfreiheit sein sollte für die Eltern. Wir

sollten uns als Politikerinnen und Politiker nicht anmaßen, Eltern vorzuschreiben, was sie für ihr Kind für am besten zu halten haben. Ich glaube, das ist auch eine ethische Frage, um die es dabei geht.

Was nun den Antrag angeht, liebe Frau Berger, finde ich manche Dinge sehr bedenkenswert und andere nicht. Und ich würde gern die ersten fünf Punkte, so, wie Sie sie kurz vorgestellt haben, auch erörtern.

Zunächst weisen Sie darauf hin, dass es in ganz Deutschland keine Lehramtsausbildung in diesem Bereich Gebärdensprache gibt, sondern dies Bestandteil der Ausbildung im Bereich der Hörgeschädigtenpädagogik ist. Und es könnte auch einen guten fachlichen Grund haben, warum es in ganz Deutschland einen solchen Studiengang nicht gibt. Ich habe bisher jedenfalls in den fachlichen Kontakten, die ich zu den Universitäten oder zu entsprechenden Fachleuten aus der Sonderpädagogik hatte, entsprechende Hinweise erhalten, weil der Bereich, um den es hier heute geht, ein Teilbereich der Hörgeschädigtenpädagogik ist und wir insofern dann in diesem Bereich sogar mehrere Lehrämter bräuchten, einmal für die Gebärdensprache und dann für alle anderen Kinder mit Hörschädigungen. Und deswegen habe ich größte Zweifel, dass das der richtige Weg ist.

Wir haben in Hamburg und Berlin die Möglichkeit, relativ nah an Mecklenburg-Vorpommern unsere Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung zu bringen. Das ist auch in der Vergangenheit geschehen. Ich glaube eher, dass man diesen Weg fortsetzen sollte. Dabei kann man auch diskutieren und sich noch mal von Experten anschauen lassen, ob die Angebote in Berlin und Hamburg kurrikular ausreichend sind, aber ich glaube, das ist der bessere Weg.