Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3942 abstimmen, der die Einfügung einer neuen Ziffer IV beinhaltet. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Danke. Und die Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3942 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und NPD und keiner Stimmenthaltung.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 30: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Kindertagesför- derung gemeinsam mit den Eltern umsetzen, die Drucksache 6/3891. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksa- che 6/3939 vor.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Kindertagesförderung gemeinsam mit den Eltern umsetzen – Drucksache 6/3891 –
Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Wochen beherrscht die Kita-Landschaft ein Thema, das ist die Vollverpflegung.
Um es gleich vorwegzusagen: Meine Fraktion und ich, wir begrüßen ausdrücklich die Vollverpflegung. Es muss in jeder Kindertageseinrichtung gesichert sein, dass jedes Kind während der Betreuungszeit eine gesunde und vollwertige Nahrung erhält, und das ist bei aller Kritik auch von den Eltern begrüßt worden. Bis zum Jahr 2013 war die Vollverpflegung bereits in 80 bis 85 Prozent der Kitas die Regel, denn schon damals stand im Gesetz: „Die Kindertageseinrichtungen bieten für Kinder bis zum Schuleintritt eine vollwertige und gesunde Verpflegung von Kindern während der gesamten Betreuungszeit an.“
Das heißt, es bestand schon vor dem 01.01.2015 für die Kitas die Verpflichtung, eine Vollverpflegung anzubieten. Neu ist nicht die Vollverpflegung an sich, neu ist unter anderem, dass die Eltern die Vollverpflegung nicht mehr abwählen konnten.
Auch mir waren Fälle bekannt, wo Kinder in Kindertageseinrichtungen kein Essen erhalten haben. Ein mir öfters genannter Grund war, dass Eltern Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt hatten, aber auf die Bescheidung monatelang gewartet haben. Das war mehrfach in den Berichten auch des Bürgerbeauftragten als Kritikpunkt zu lesen. In dieser unsicheren Zeit zahlten die Eltern oftmals kein Geld an den Caterer und dieser
lieferte dann kein Essen. Die Erzieherinnen und Erzieher standen dann vor der Frage: Was mache ich jetzt mit diesem Kind? Lasse ich es hungrig da sitzen oder gebe ich ihm von den anderen etwas ab? Das war unbefriedigend und es war auch dem Einsatz vieler Erzieherinnen und Erzieher zu verdanken, dass es tatsächlich kein Kind in der Kita gab, das hungern musste.
Dann gab es die vierte Änderung des Kindertagesför- derungsgesetzes, wo als integraler Bestandteil die Verpflegung eingeführt wurde. Und was geschah dann? Niemand rührte sich bis Oktober 2014, also 15 Monate nach Veröffentlichung der Gesetzesnovelle. Eltern, vor allem aus dem Bereich Bergen/Rügen, gingen in den Aufstand und schrieben das Ministerium und auch Politiker an. Und seitdem besteht die Unsicherheit bei den Eltern und bei den Trägern. Was ist in dem gesamten Prozess der Umsetzung schiefgelaufen und was können wir daraus lernen?
Zum Ersten macht schon die Darstellung deutlich, dass viel zu lange mit der Vorbereitung der Vollverpflegung gewartet wurde, seitens aller an der Kita-Betreuung Beteiligten, oben angefangen vom Sozialministerium bis über die örtlichen Träger der Jugendhilfe und auch der Träger. Es wäre jedoch an Ihnen gewesen, Frau Ministerin Hesse, als exekutives Organ für die Umsetzung der Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes zu sorgen. Nicht die Städte oder Gemeinden, nicht die Träger waren zuallererst in der Pflicht, nein, es war und ist das Sozialministerium als Teil der Regierung und als Teil der vollziehenden Gewalt. Sie haben für die Ausführung der Gesetze, die wir im Landtag beschließen, zu sorgen und niemand anderes.
Diese Verantwortung auf andere abzuschieben, ist unverantwortlich, und zeigt, wie wenig selbstkritisch mit diesem Prozess umgegangen wird. Erst im Oktober 2014 hat das Ministerium dann ein Schreiben „Hinweise zu den Regelungen zur Verpflegung nach dem Kindertagesförderungsgesetz …“ an die Jugendämter und Träger geschickt. Eltern erhielten danach durch die Broschüre des Sozialministeriums im Oktober 2014 direkte Informationen zur Vollverpflegung. Allerdings auch hier ein Defizit: Wenn Eltern diese Broschüre erhalten, dann bitte auch in Zukunft die Jugendämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten.
Das ist nicht passiert. Eltern riefen in den Jugendämtern an und diese wussten von nichts. Es mangelte also an Kommunikation mit den örtlichen Jugendämtern. Insgesamt war diese Reaktion viel zu spät, damit Träger Eltern in die Umsetzung der Vollverpflegung mit einbeziehen konnten, denn auch diese wussten nicht, was konkret mit dem integralen Bestandteil gemeint war.
Und das hat sich vorletzte Woche auch in der Elternpetition gezeigt. Eltern berichteten, dass sie erst im Dezember 2014, einen Tag vor Weihnachten, die Info erhielten, dass ab dem 01.01.2015 die Vollverpflegung gelte und wie abgerechnet werde. Eine Einbeziehung
der Eltern fehlte oftmals. Aber nicht nur, dass das Sozialministerium sich zu viel Zeit bei der Unterstützung der Umsetzung gelassen hat, ich glaube, das war aufgrund verschiedener Tatsachen, dass sie selbst nicht genau wussten, was eigentlich mit der Vollverpflegung gemeint war. Ich möchte das an zwei Beispielen konkret machen:
Erstens. Ihre Aussagen sind, dass nur das an Verpflegung gezahlt werden muss, was während der regelmäßigen Betreuungszeit ein Kind zu sich nimmt. Das ist ziemlich praxisfern. Im Betreuungsvertrag ist nur enthalten, welche Art des Platzes ein Kind hat – Ganztags-, Halbtags- oder Teilzeitplatz – und die Öffnungszeiten der Kita. Wonach soll sich also die regelmäßige Betreuungszeit richten? Sollen Erzieherinnen und Erzieher Strichlisten machen, wann ein Kind zur Kita kommt?
Zweitens. Noch deutlicher wurden die Widersprüchlichkeiten am Beispiel meiner Kleinen Anfrage vom 22.12.2014, wo ich fragte: „Können die Eltern im Rahmen der Vollverpflegung ab dem 1. Januar 2015 mit den Kindertagesstätten vereinbaren, dass die Eltern ihren Kindern wie bisher Essen mitgeben können?“ Antwort der Landesregierung war: „Bei der Ausgestaltung dieses Bestandteils ihres Leistungsangebots können sich die Träger von Kindertageseinrichtungen beziehungsweise die Kindertageseinrichtungen eines externen Essenversorgungsunternehmens (Caterer) ebenso wie sonstiger Dritter bedienen. Sonstige Dritte in diesem Sinne können auch die Eltern sein.“
Aus der Antwort auf die Frage, ob Eltern wie bisher Essen mitgeben können, konnte man nur schließen, dass die Eltern wie bisher auch dieses Essen mitgeben können. Aber nein, am 9. Januar 2015 ruderte die Ministerin zurück. In einem Interview sagte sie: „Es ist aber nicht gemeint, dass die Eltern weiterhin die Brotdose mitgeben.“ Ja, was denn nun? Wie abwegig sind denn Eltern, die die Funktion von Caterern ausüben?
Daher zwei Bitten: Drücken Sie die Antworten auf die Fragen so eindeutig aus, dass man auch etwas damit anfangen kann und damit arbeiten kann. Bei aller Kritik an Kleinen Anfragen, es gibt auch einen Sozialausschuss, wo eine Information seitens der Landesregierung hätte erfolgen können. Das alles ist nicht geschehen. Diese beiden Beispiele zeigen mir, dass selbst beim Ministerium noch nicht alle Einzelheiten klar waren. Wenn das aber bei Ihnen noch nicht einmal der Fall ist, wie sollte es dann bei den Jugendämtern, bei den Trägern und Eltern der Fall sein?
Und noch ein Drittes: Es wurde die Vollverpflegung, nicht nur eine Verpflichtung für die Eltern, aufgenommen, daneben wurde auch die Praxis geändert. Das war dem Gesetz nicht zu entnehmen. Obwohl für die Kitas bisher die Vollverpflegungspflicht bestand – und ich hatte den Gesetzestext zitiert –, konnten sie vor dem 01.01.2015 sich bei der Absicherung der Eltern bedienen. Das sollte ab dem 01.01.2015 auf einmal nicht mehr der Fall sein. Das ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Und für mich war es ein Grund, warum es derzeit so einen Aufstand gibt. Das gesamte Verfahren ist nicht transparent gelaufen. Was fehlt, ist eine klare Regelung, was gehört zur Verpflegung, was gehört zur Betreuung, im Übrigen auch von den Jugendhilfeausschüssen, Trägern und Eltern vom Sozialministerium gefordert.
Daher müssen Sie klare Standards landesweit festlegen. Zur Behebung der Unsicherheit trägt auch kein Elternbrief bei, sondern eine Klarstellung durch die Landesregierung in Form einer Handreichung. Wenn das nicht genügt, muss im Notfall auch das KiföG nachgebessert werden.
Eine Einführung der Vollverpflegung hat die Schwächen bei der Elternmitwirkung deutlich gemacht. Eltern und Träger kannten zum Teil nicht ihre Rechte und Pflichten und kennen sie bis heute nicht. Eltern wollen mitreden. Und daher müssen Interessenvertretungen in Form von Elternräten gestärkt werden und die Bildung eines Lan- deselternbeirates sollte von der Landesregierung unterstützt werden. Auch das hat die Petition der Eltern letzte Woche deutlich gemacht. Nicht bei gegenteiligen Beteuerungen haltmachen, sondern endlich handeln!
Und wenn ich anfangs darstellte, dass die Probleme unter anderem in der Bewilligung der Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket bestanden, so muss ich leider anführen, dass sich daran nichts geändert hat, so ist meine Rückmeldung.
Diese Schwierigkeiten räumt die Landesregierung selbst in der Kleinen Anfrage ein, wo es heißt: „§ 10 Absatz 1a … bedingt nicht Veränderungen der bisher geübten Verwaltungspraxis auf Ebene der örtlichen Träger der Jugendhilfe und der Träger von Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der Bearbeitungszeiten von Anträgen zur Übernahme der Kosten im Sinne der Fragestellung.“ Damit kann trotz der Verpflichtung zur Vollverpflegung noch immer nicht zu hundert Prozent gewährleistet werden, dass jedes Kind eine Mahlzeit erhält. Im schlimmsten Fall erfolgt dann die Kündigung des Betreuungsvertrages.
Ich würde Sie bitten, Frau Hesse, ehe Sie Ihre Rede wieder mit einem Dank anfangen, uns lieber zu erläutern, was Sie tun, um das Abrechnungsverfahren bei dem Bildungs- und Teilhabepaket gemeinsam mit den Kreisen zu vereinfachen und die Unsicherheiten zu beheben. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sie haben mir sozusagen richtig die Bühne bereitet für das, was ich Ihnen immer noch mal gern erklären wollte. Ich kann verstehen, dass die Sicht auf die Dinge vielleicht aus Ihrer Perspektive eine etwas andere ist als meine, aber ich kann Ihnen sagen – und dazu stehe ich auch –, die Vollverpflegung ist eine gute Sache, die Sie damals beschlossen haben, und die lassen wir uns auch nicht kaputtreden.
Sie berufen sich in Ihrem Antrag auf das Grundgesetz, das die Pflege und Erziehung der Kinder als natürliches Recht der Eltern und die zuvörderst …