Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Dies sollten wir uns alle noch einmal in Erinnerung rufen,

(Vincent Kokert, CDU: Trotzdem muss man die Volkspolizei nicht glorifizieren, Herr Ritter. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.)

bevor wir reflexartig aktuelle Debatten führen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Lorenz Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Lieber Kollege Ritter, eine kurze Vorbemerkung: Sicherlich kann man ja in vielen Positionen bei Ihnen durchaus mitgehen. Aber eins müssen Sie mir erklären – das können Sie nachher in der Pause tun –: inwiefern eine Kennzeichnung der Polizisten dazu führt, dass es in Zukunft weniger Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten gibt. Das ist für mich nicht ganz logisch.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Das hieße im Umkehrschluss, wenn die Chaoten sich beschriften,

(Michael Andrejewski, NPD: Das wär es doch, Namensschilder für Chaoten!)

brauchen wir gar keine Polizei mehr,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wir befürchten das Gegenteil.)

weil dann alles gewaltfrei abläuft. Also den Diskurs führen wir gerne noch mal.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Fragen Sie Ihren Koalitionspartner, da sind Sie näher dran!)

Meine Damen und Herren, Polizisten haben einen sehr fordernden Beruf. Sie sollen topfit und allen Situationen psychisch und physisch gewachsen sein. Macht ein Polizist Fehler, kann es gravierende Auswirkungen haben. Polizisten stehen sehr oft im direkten Bürgerkontakt. Wir erwarten von ihnen zu Recht, dass sie sich verbindlich, dass sie sich höflich, dass sie sich korrekt verhalten, dass sie hilfsbereit sind. Polizisten sind die sichtbarsten Repräsentanten des Staates und vermutlich oder möglicherweise auch die wichtigsten. Sie schützen unser Leben, unsere Freiheit, unsere Familien, sie geben uns Sicherheit vor Verbrechern,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Och, wäre es mal so!)

vor Unruhestiftern, vor Störenfrieden.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Vor Störenfrieden!)

Denken Sie mal darüber nach, Herr Pastörs!

(Udo Pastörs, NPD: Vor Störenfrieden! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vor Neonazis.)

Sie helfen uns, wenn wir in Not sind. Sie sind immer erreichbar, sie sind immer ansprechbar, kurzum: Die Polizisten sind das Rückgrat aller staatlichen Exekutivgewalt.

Weil die Polizisten für uns so wichtig sind, stellen wir hohe Anforderungen an sie.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Das beginnt schon bei dem umfangreichen Auswahlverfahren und der anspruchsvollen Ausbildung. Wer aber so viel Verantwortung trägt, wer so wichtig für unser Gemeinwesen ist, der uns und unsere Rechte mit Leib und Leben schützt und dem wir so viel abverlangen, dem gegenüber müssen wir als Staat mit besonderer Fürsorge aufwarten. Polizisten, meine lieben Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, verdienen nicht nur warme Worte, sondern sie verdienen unsere volle Unterstützung.

(Udo Pastörs, NPD: Sie verdienen es aber auch, dass Sie sie nicht politisch missbrauchen, Herr Caffier!)

Dazu gehört eine angemessene Personalausstattung, dazu gehört eine moderne Ausrüstung und Ausbildung

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wichtig, ganz wichtig!)

und dazu gehört auch politischer Rückhalt. Das ist meine Verpflichtung, das ist die Verpflichtung aller demokratischen Politiker in unserer Republik.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Diese Verpflichtung wird immer und immer wieder auf die Probe gestellt. Und wir, die Politik in Gänze, müssen beweisen, dass wir dieser Anforderung gerecht werden.

Bei dem Thema „Gewalt gegen Polizisten“ wird dies besonders deutlich.

Meine Damen und Herren, ihr ganzes Berufsleben sind Polizisten Bedrohungen unterschiedlicher Art ausgesetzt. Bei alltäglichen Einsätzen, speziellen Situationen und besonderen Lagen, die Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden, ist für Polizisten allgegenwärtig. Es fängt an, wie schon erwähnt, bei Beleidigungen, geht weiter von Schubsen bis Spucken über Tritte und Faustschläge bis hin zum Bewerfen mit Steinen, Flaschen oder Feuerwerkskörpern. Hinzu kommen Angriffe mit Stich-, Hieb- und Schusswaffen. Besonders perfide sind natürlich die Angriffe außerhalb der Dienstzeit. Ein unbeschwertes Privatleben ist dann nicht mehr möglich. Manchmal gesellt sich noch die Angst um die eigene Familie dazu.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Die gegenwärtige Situation ist sehr beunruhigend. Die Entwicklung in den letzten Jahren erfüllt uns alle mit Sorge. Allein im letzten Jahr stieg die Zahl der Delikte bundesweit um fünf Prozent. Die Hemmschwelle, Polizeibeamte tätlich anzugreifen, ist deutlich gesunken. Die Bandbreite der zu beklagenden Verletzungen reicht von Schürfwunden über Prellungen bis hin zu Knochenbrüchen und anderen schweren Verletzungen. Ob bei Demonstrationen, bei Verkehrskontrollen oder bei Fußballspielen, die Polizisten sehen sich oft völlig unvermittelt mit Aggression und mit Gewalt konfrontiert.

(Ministerin Uta-Maria Kuder: Ganz genau.)

Auch wenn es um Familienstreitigkeiten oder Einsätze bei Ruhestörungen geht, müssen sie sich auf alles gefasst machen. Diese Beobachtungen werden durch aktuelle Forschungsergebnisse gestützt.

Natürlich hinterlässt die tägliche Konfrontation mit Respektlosigkeit und Gewaltbereitschaft ihre Spuren. Sie ist mittlerweile eine der Hauptursachen für psychische Belastungen der Polizisten. Doch woher kommt diese Aggression? Woher kommt dieser Hass? Jahr für Jahr wird der Polizei in Umfragen, wie schon erwähnt, ein hohes Ansehen in der Bevölkerung bescheinigt. Das ist auch meine Lebenserfahrung. Es gibt jedoch auch nicht wenige in unserem Staat und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die dieser offen feindselig gegenüberstehen. Ihren Hass lassen sie häufig an den Polizisten aus.

(Udo Pastörs, NPD: Oh Mann, oh Mann, oh Mann!)

Das sind für sie keine Menschen, sondern es sind Vertreter eines Systems, das bekämpft werden muss.

Am späten Sonntagabend, also vor wenigen Tagen, konnten wir alle sehen, was das konkret heißt: Ein oder mehrere Täter, unbekannte Täter, zündeten vor dem Polizeirevier Rostock-Lichtenhagen zwei Fahrzeuge an, davon einen Streifenwagen. Das ist ein geradezu ungeheuerlicher Angriff auf unseren Staat, der durch nichts zu rechtfertigen ist.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Land, Herr Nieszery, fand, wie ich finde, für dieses Verbrechen deutliche Worte. Er forderte, ich zitiere: „Für diese feige und gefährliche Tat darf es keine Toleranz geben.“ Zitatende.

(Udo Pastörs, NPD: Was für eine Feststellung! Das ist eine ganz normale Feststellung.)

Und weiter sprach er von zunehmender Respektlosigkeit gegenüber staatlichen Autoritäten, die einhergeht mit einer starken Verrohung. Das sei eine gefährliche Mischung, der entschlossen entgegengetreten werden müsste.

(Udo Pastörs, NPD: Bla, bla, bla!)

Ja, hier hat er recht. Leider ist es nämlich nach wie vor so: Nicht in allen politischen Kreisen wird der Polizei die Unterstützung zuteil, die sie verdient. Ich sprach eingangs von einer besonderen Verpflichtung der Politik, unsere Polizisten vollumfänglich zu unterstützen. Wie wenig ernst diese besondere Verpflichtung genommen wird, zeigt sich zu meinem Erstaunen nicht nur hier im Landtag, wo ich bizarre Anträge und Äußerungen, die sich gegen die Polizei richten, mittlerweile in trauriger Regelmäßigkeit ertragen muss.

(Udo Pastörs, NPD: Rot-Grün.)

Auch diese Landtagssitzungswoche bleibt ja davon nicht verschont, nein. Wie schon erwähnt, selbst auf der IMK haben wir in der Frage keine gemeinsame Lösung gefunden. In der vergangenen Woche saßen mit wenigen Ausnahmen alle Innenminister der Republik in Mainz zusammen und berieten wichtige Themen.

In der Innenministerkonferenz ist es grundsätzlich so, dass wir alle Beschlüsse nur mit Einstimmigkeit fassen. Deswegen bedauere ich es außerordentlich, dass wir bei der Frage der durchaus klugen Anträge aus dem Saarland beziehungsweise aus Hessen, was die Frage des Paragrafen 113 Strafgesetzbuch – „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ – betrifft, keine einheitliche Meinung gefunden und uns nur auf eine Kenntnisnahme der Beschlusslage geeinigt haben, also keinen wegweisenden Beschluss in diese Richtung fassen konnten. Mehr als einmal habe ich mir auf der Veranstaltung gewünscht, eine klare Kante zu zeigen,

(Udo Pastörs, NPD: Was für eine Formulierung, „klare Kante“!)

so, wie es hier in dem Fall vom Fraktionsvorsitzenden Dr. Nieszery in seiner Pressemitteilung gemacht worden ist. Ich will an dieser Stelle aber nicht verschweigen, auch die Justizministerkonferenz legt uns in dieser Frage immer wieder Steine in den Weg. Während die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten zunimmt, verschließen einige Justizminister die Augen und halten an ihren Positionen von vor 30 Jahren fest. Hier muss man die aktuellen Entwicklungen gerade in der Anzahl der Angriffe gegenüber Rettungskräften und Polizisten einfach zur Kenntnis nehmen und auch die Möglichkeit des vorhandenen Strafrahmens ausschöpfen. Es darf so, wie die Situation jetzt ist, nicht weitergehen.