Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Sehr geehrte Damen und Herren, sowohl im Rahmen der Anhörung als auch in der weiteren Beratung des Ausschusses wurde die Frage, ob das richtige Verfahren gewählt worden sei, intensiv diskutiert. Seitens der Anzuhörenden wurde einerseits darauf verwiesen, dass das von der Landesregierung gewählte Referenzwertverfahren für das geeignetste Verfahren gehalten wird und insoweit auch das Steuertrendverfahren möglich gewesen wäre. Andererseits haben die Sachverständigen das gewählte Verfahren aber auch nicht abgelehnt.

Zur Erläuterung: Beim Referenzwertverfahren wird die Normallage am durchschnittlichen Niveau der Steuereinnahmen in mehreren vergangenen Jahren festge

macht. In Mecklenburg-Vorpommern ist geplant, bei der Bildung des Referenzwertes die vergangenen Werte mit den Inflationsraten fortzuschreiben, sodass sich der Referenzwert auf die aktuelle Preisbasis bezieht. Beim alternativen Steuertrendverfahren werden hingegen Steuereinnahmen bei Normallage mit der trendmäßigen Wachstumsrate der Steuereinnahmen fortgeschrieben. Sofern die tatsächlichen Steuereinnahmen darunterliegen sollten, wäre eine konjunkturbedingte Verschuldung zulässig.

Seitens der Landesregierung wurde das Referenzwertverfahren insbesondere mit dem Argument verteidigt, dass es transparenter und nachvollziehbarer als die anderen denkbaren Verfahren sei, weil man auf allgemein zugängliche Datenquellen zurückgreifen könne.

Ein weiterer wesentlicher Diskussionspunkt im Ausschuss war die Frage, ob der im Gesetzentwurf vorgesehene Regelbestand des neu zu errichtenden Sondervermögens noch angemessen ist. Einige Sachverständige haben ausdrücklich betont, dass der im Gesetzentwurf vorgesehene Höchstbetrag mit 500 Millionen Euro sehr üppig bemessen sei. Ein Sachverständiger hat insoweit einen Betrag zwischen 300 und 350 Millionen Euro als ausreichend bezeichnet. Der Bund der Steuerzahler hat betont, dass der vorgesehene Regelbestand als absolutes Maximum der vertretbaren Rücklagenpolitik erscheine. Insoweit wurde zu bedenken gegeben, dass jeder Euro, der ins Sondervermögen fließt, letztlich nicht zur Schuldentilgung zur Verfügung stehe.

Zudem wurde seitens einzelner Sachverständiger darauf aufmerksam gemacht, dass die Errichtung dieses Sondervermögens auch Auswirkungen auf die aktuell laufenden Verhandlungen zur Neugestaltung der Bund-LänderFinanzierung haben könnte. Insoweit könnte seitens der Geberländer gefordert werden, diesen Betrag von den Bedarfen der jeweiligen Länder abzuziehen.

In Bezug auf mögliche Auswirkungen des Gesetzentwurfes auf die Kommunen hat der Vertreter des Städte- und Gemeindetages einerseits das Ziel des Gesetzes, für konjunkturell bedingte Einnahmeschwankungen Vorsorge zu treffen, ausdrücklich begrüßt, andererseits hat er angemahnt, dass dies nicht zulasten der Kommunen gehen dürfe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Mittel, die in das Sondervermögen fließen, für wichtige Investitionsentscheidungen in die Infrastruktur, beispielsweise in die Breitbandversorgung, fehlen würden. Darüber hinaus hat der Städte- und Gemeindetag angeregt, eine Regelung aufzunehmen, wonach die Kommunen bei Entnahmen aus dem Sondervermögen beziehungsweise bei dessen Auflösung an den finanziellen Mitteln nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz des Finanzausgleichgesetzes beteiligt würden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben im Ergebnis der Beratungen beantragt, im Artikel 2 den Paragrafen 4 Absatz 2 zur Klarstellung neu zu fassen. Diesen Antrag hat der Finanzausschuss einvernehmlich angenommen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte ebenfalls eine Änderung beantragt. Es sollte eine neue Regelung aufgenommen werden, wonach die Höhe der Kredite in der Regel die im Haushalt veranschlagten eigenfinanzierten Investitionen nicht überschreiten sollte. Ferner sollte eine Berichtspflicht für die Landesregierung aufgenommen werden. Diese Änderungsbegehren wurden vom Ausschuss mehrheitlich abgelehnt.

Darüber hinaus hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Verabschiedung einer Entschließung beantragt, wonach der Landtag unter anderem bekräftigen sollte, dass der vorliegende Gesetzentwurf keine Auswirkungen auf die anstehende Novellierung des kommunalen Finanzausgleichs haben werde. Dieser Entschließungsantrag wurde im Finanzausschuss ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.

Die Fraktion DIE LINKE hat ebenfalls die Annahme einer Entschließung beantragt. Danach sollte der Landtag unter anderem feststellen, dass die Schuldenbremse den ohnehin schon geringen Spielraum auf der Einnahmenseite des Landes noch weiter reduzieren würde. Zudem sollte dokumentiert werden, dass verschiedene Regelungen des Gesetzentwurfs aus Sicht des Landtages bedenklich seien, da sie diesen geringen Spielraum sogar noch über die Schuldenbremse hinaus weiter einschränkten. Auch diesen Entschließungsantrag hat der Finanzausschuss mehrheitlich abgelehnt.

Die Koalitionsfraktionen haben beantragt, die Ihnen nunmehr vorliegende Entschließung zu verabschieden. Danach soll der Landtag unter anderem feststellen, dass der Gesetzentwurf den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Umsetzung der Schuldenbremse genügt. Ferner sei das gewählte Referenzwertverfahren geeignet, um die konjunkturelle Normallage zu ermitteln. Darüber hinaus sei die Höhe des Mindest- und Regelbestandes, wie sie im Gesetzentwurf vorgesehen sei, angemessen und entspreche letztlich dem Prinzip der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung. Diesen Antrag hat der Finanzausschuss einvernehmlich angenommen.

Der Beschlussempfehlung insgesamt hat der Finanzausschuss in Abwesenheit der Fraktion der NPD und bei Enthaltung seitens der Fraktion DIE LINKE mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einvernehmlich zugestimmt. Insofern möchte ich Sie nunmehr um Ihr Votum zur vorliegenden Beschlussempfehlung bitten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Tilo Gundlack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor uns liegt das Ausführungsgesetz des Landes für das im Grundgesetz und in unserer Landesverfassung verankerte Neuverschuldungsverbot ab 2020.

Das Sondervermögen hat drei Funktionen:

1. Einnahmeschwankungen außerhalb der konjunkturel

len Normallage abzufedern, um eine Neuverschuldung zu verhindern oder wenigstens zeitlich zu verzögern,

2. Vorsorge zum Ausgleich von Einnahmeschwankun

gen innerhalb der konjunkturellen Normallage zu treffen und

3. Mindereinnahmen aus Steuerrechtsänderungen aus

zugleichen.

Mit der gesetzlichen Einrichtung eines Sondervermögens wird für den Landtag als Haushaltsgesetzgeber immer über die Anlage zum Haushaltsplan sichtbar sein, in welcher Höhe das Sondervermögen ausgestattet wird und wie viel Geld planmäßig abfließen soll. Damit wird im Gegensatz zu der jetzigen Konjunkturausgleichsrücklage ein sehr viel transparenteres Instrument geschaffen. Der Finanzausschuss hat eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf durchgeführt. Der Kollege Koplin äu…,

(Udo Pastörs, NPD: Na, was hat man Ihnen da zusammengeschrieben?)

hat darauf hingewiesen.

Nee, das hat man mir nicht hingeschrieben, etwas anderes, deswegen …

(Udo Pastörs, NPD: Nee? Waren Sie selbst?)

(Udo Pastörs, NPD: Na, das ist ja toll.)

(Udo Pastörs, NPD: Dann lesen Sie es doch vor!)

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Meine Damen und Herren, alle Sachverständigen haben ohne Ausnahme bestätigt,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der NPD)

dass der Gesetzentwurf der im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankerten Anforderung

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Ist das eine Vorstellung!)

an eine in definierten Ausnahmefällen zugelassene Neuverschuldung genügt. Damit sind eventuelle verfassungsrechtliche Bedenken ganz klar ausgeräumt.

Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt der Beratungen im Finanzausschuss drehte sich um die Frage, wie die konjunkturelle Normallage ermittelt werden soll, um bei den im Gesetzentwurf geregelten Abweichungen auf das Sondervermögen zurückgreifen zu können. Die Landesregierung hat das sogenannte Referenzwertmodell ausgewählt, ähnlich wie die Kolleginnen und Kollegen in Thüringen oder, ich glaube, auch in fast allen ostdeutschen Bundesländern. Andere Bundesländer im westlichen Teil haben entweder das Steuertrendverfahren oder das sogenannte Quotierungsverfahren gewählt.

Nach ausgiebiger Beratung und einem Vergleich der Modelle unterstützten wir als Koalition das gewählte Referenzwertmodell, denn es hat den besonderen Vorteil der Transparenz und der leichten Nachvollziehbarkeit. Diese beiden Vorteile sind für die Abgeordneten des Landtags wichtig, die als Haushaltsgesetzgeber über eventuelle Neuverschuldungen zu entscheiden haben. Transparenz erhöht ebenfalls die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Berechnung erfolgt mit für jedermann zugänglichen öffentlichen Daten. Das sind die Einnahmen aus Steuern, dem Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen.

Alle Daten finden Sie in Haushaltsplänen und in öffentlichen Statistiken. Um diesen Referenzwert wird ein Korridor von plus drei bis minus drei Prozent angelegt, der als konjunkturelle Normallage gilt. Die Obergrenze bestimmt, ab wann Abführungen aus dem Haushalt an das Sondervermögen zu erfolgen haben beziehungsweise ab wann bei einer Neuverschuldung zu tilgen ist. Die Kritik am Referenzwertmodell, dass es im eigentlichen Sinn nicht die Konjunktur abbildet, sondern nur Zeitreihen glättet, erkennen wir an, doch halten wir es für das geeignete Modell. Es bleibt dem Landtag selbstverständlich die Möglichkeit, nach einer mehrjährigen Probephase eine Evaluierung vorzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sondervermögen „Konjunkturausgleichsrücklage des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ soll mit einem Mindestbestand von 200 Millionen Euro in einem Regelbestand von 500 Millionen Euro ausgestattet werden. Der Mindestbestand soll als Reserve zum Ausgleich von Einnahmeschwankungen außerhalb der konjunkturellen Normallage eingesetzt werden, sozusagen die letzte Reserve, bevor es zu einer Neuverschuldung kommen könnte. Mit dem Bestand oberhalb von 200 Millionen Euro sollen die Konjunkturschwankungen innerhalb der konjunkturellen Normallage und Mindereinnahmen aus Steuerrechtsänderungen abgefangen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir halten diese Ausstattung für angemessen, sie entspricht dem Prinzip der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung und unterstützt unseren bisherigen Kurs der Haushaltskonsolidierung.

Im Finanzausschuss haben wir auch darüber debattiert, ob eine Bindung des Sondervermögens an eine Investitionsquote sinnvoll wäre, der Kollege Saalfeld äußerte sich schon dazu.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war der Kollege Koplin. Das kommt noch, ich weiß.

(Udo Pastörs, NPD: Ach so!)

Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass eine Bindung nicht zweckmäßig ist. Wir benötigen das Sondervermögen ja gerade dann, wenn die Einnahmen zurückgehen. Dann ist es doch nötig, dass zum Beispiel alle gesetzlichen Leistungen weiterhin ausfinanziert werden müssen. Da wäre eine Investitionsquote hinderlich. Schließlich soll das Sondervermögen eine Kreditaufnahme zur Erfüllung egal welcher Zahlungsverpflichtungen möglichst lange verhindern.