Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass eine Bindung nicht zweckmäßig ist. Wir benötigen das Sondervermögen ja gerade dann, wenn die Einnahmen zurückgehen. Dann ist es doch nötig, dass zum Beispiel alle gesetzlichen Leistungen weiterhin ausfinanziert werden müssen. Da wäre eine Investitionsquote hinderlich. Schließlich soll das Sondervermögen eine Kreditaufnahme zur Erfüllung egal welcher Zahlungsverpflichtungen möglichst lange verhindern.

Nun möchte ich noch zu einem Punkt kommen, der besonders vom Städte- und Gemeindetag in der Anhörung

betont wurde. Es bestünden Bedenken, dass die Zuführung von Haushaltsüberschüssen an das Sondervermögen dem kommunalen Finanzausgleich entzogen würde. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Sorge ist völlig unbegründet.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Das Land wird auch zukünftig zuerst seine Finanzausgleichsverpflichtungen gegenüber der kommunalen Ebene erfüllen, bevor der Haushalt mit etwaigen Überschüssen abgeschlossen wird. Die Zuführung zum Sondervermögen erfolgt ausschließlich aus Landesmitteln. Insofern werden bei Entnahmen aus dem Sondervermögen reine Landesmittel freigesetzt, die nicht der kommunalen Ebene zustehen.

Ich erinnere an dieser Stelle noch einmal daran, dass das Land den Kommunen ein Sondervermögen „Kommunaler Ausgleichsfonds Mecklenburg-Vorpommern“ eingerichtet hat. Übrigens musste der Fonds gerade in der Finanzkrise 2012 eingerichtet werden. Das Land hatte den Fonds mit 100 Millionen bestückt und sogar die Zinslasten getragen. Dieser Fonds soll künftige Konjunkturschwankungen auf kommunaler Ebene ausgleichen. Die Kommunen sollten in guten Jahren daran denken, den Fonds wieder auszustatten. Auch hier würde nur kommunales Geld hineingegeben werden und nur kommunales Geld wieder herausgenommen werden. Das Land hat keinen Anspruch darauf.

Also, meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein gutes Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse ab 2020 vorliegt. Die Änderungsanträge der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen wir ab. Ich bitte im Namen der SPD-Landtagsfraktion darum, der Beschlussvorlage des Finanzausschusses zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Rösler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf erfüllt die Landesregierung ihren verfassungsrechtlichen Auftrag. Die Vorgaben des Grundgesetzes und der Landesverfassung sind näher auszugestalten. Erwartungsgemäß sind die Koalitionäre voll des Lobes und haben an den gefundenen Regelungen natürlich nichts auszusetzen.

(Egbert Liskow, CDU: Sie wissen doch gar nicht, was ich sagen will.)

Dass meine Fraktion das Instrument der Schuldenbremse generell kritisch sieht, dürfte hinlänglich bekannt sein.

(Heinz Müller, SPD: Das stimmt. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ungebremst sind die Schulden, das ist richtig.)

Denn durch die Einführung der Schuldenbremse in das Grundgesetz wird der ohnehin geringe Spielraum des Landes, Einnahmen zu erzielen, noch weiter begrenzt. Im Gegensatz zum Bund besteht bei Inkrafttreten der Schuldenbremse für das Land überhaupt kein Spielraum mehr für eine strukturelle Verschuldung. Mit dieser Kritik,

meine Damen und Herren, stehen wir nicht allein, auch die Gewerkschaften und Teile der Wissenschaft teilen unsere Auffassung. Aber Fakt ist, die Schuldenbremse gilt so oder so.

Nun geht es darum, die für unser Land bestmögliche Lösung bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Schuldenbremse zu finden. Wir meinen, dies ist mit dem vorliegenden Entwurf nicht gelungen. Meine Fraktion hat ihre Auffassung zum vorliegenden Gesetzentwurf in Auswertung der öffentlichen Anhörung in einer Entschließung zum Ausdruck gebracht. Diese liegt Ihnen heute nochmals als Änderungsantrag vor. Ich möchte erneut kurz begründen, warum wir der vorliegenden Beschlussempfehlung nicht zustimmen können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst voranstellen, dass DIE LINKE ungeachtet unserer grundsätzlichen Kritik an der Schuldenbremse eine nachhaltige und vorsorgende Haushaltspolitik ohne neue Schulden unterstützt.

(Egbert Liskow, CDU: Aha!)

Politik gestalten und Konsolidieren – beides ist möglich, wenn denn die Rahmenbedingungen stimmen. Im Übrigen ist eine gerechte Steuerpolitik im Bund die beste Schuldenbremse.

Dass unter rot-roten Zeiten die Haushaltskonsolidierung eingeleitet und Schritt für Schritt erfolgreich vollzogen wurde, bescheinigt uns auch die heutige Landesregierung gar schriftlich.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Der Kollege Ringguth nicht.)

Das können Sie alles im Detail in der Antwort auf unsere Große Anfrage zur Verfassung nachlesen. Spätestens jetzt kommt von der CDU meistens wieder die alte Leier, DIE LINKE könnte nicht mit Geld umgehen.

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU – Udo Pastörs, NPD: Da sagen Sie Leier? Das ist eine Feststellung. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Lassen Sie mich deshalb einen besonderen Kronzeugen anführen, der die Tatsachen ins richtige Licht rückt. Bei diesem Kronzeugen handelt es sich um Mathias Brodkorb.

(Peter Ritter, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD: Ooh!)

Als Bildungsminister hatten und haben wir so einiges mit ihm auszufechten. Und ja, wegen seiner Bildungspolitik ist er für uns stark versetzungsgefährdet.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Egbert Liskow, CDU: Oh!)

Ob er auf seinem Platz sitzen bleibt, das wird sich im nächsten Jahr zeigen.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

In Sachen „Haushalt, Finanzen und DIE LINKE“ hat er aber ein paar kluge Sätze gesagt,

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU – Heinz Müller, SPD: In anderen Bereichen auch. – Heiterkeit und Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

die ich Ihnen gern in Erinnerung rufen möchte. Er sagte im Juli 2010 hier im Landtag – und ich gehe davon aus, dies gilt bis heute –, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, hören Sie gut zu, Zitat: „Bei aller Freude über die zuletzt verabschiedete und nunmehr im August in Kraft tretende KiföG-Novelle sollte nicht vergessen werden, dass viele finanzpolitische Spielräume der heutigen Zeit erst durch den strikten Konsolidierungskurs von Rot-Rot eröffnet worden sind.“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hört, hört!)

„Die Rolle der LINKEN bei der Haushaltskonsolidierung zwischen 1998 und 2006 ist unbestritten.“

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

„Mit dem neuen KiföG und seiner deutlich verbesserten finanziellen Ausstattung zum Wohle der Kinder erntet Rot-Schwarz heute auch die Früchte von acht Jahren Rot-Rot. Man muss die LINKE in ihrer Rolle als Oppositionspartei nicht lieben, Respekt vor ihrer damaligen Leistung im Bündnis mit den Sozialdemokraten wäre aber durchaus ein Signal von Souveränität im Umgang mit den Tatsachen!“ Zitatende.

Meine Damen und Herren, so genau nimmt es die CDU mit den Tatsachen dann nicht, denn der Kollege Liskow verstieg sich in die These, dass die CDU maßgeblich zur ersten Schuldentilgung im Jahr 2007 beigetragen hätte. Mit diesen fremden Federn schmückt die CDU noch heute ihr Haupt. Liebe SPD, herzlichen Glückwunsch zu diesem Koalitionspartner!

(Tilo Gundlack, SPD: Danke! – Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD: Wollen Sie anregen, dass wir den wechseln?)

Aber nun zum Gesetzentwurf im Einzelnen. Wir sind erstens der Auffassung, dass der Gesetzentwurf nicht geeignet ist, die verfassungsrechtliche Vorgabe den Bedarfen entsprechend umzusetzen. Der geringe Spielraum für Einnahmen wird durch dieses Ausführungsgesetz noch weiter eingeengt. Das zeigt sich an folgenden Regelungen, die auch von mehreren Sachverständigen in der Anhörung kritisiert wurden.

So sieht das Gesetz vor, in Notsituationen erst in den Sparstrumpf zu greifen und nur, wenn das nicht mehr geht, Kredite aufzunehmen. Das mag in vielen Fällen durchaus sinnvoll sein. Aber ist es das tatsächlich in jedem Fall? Wir meinen, das Land verzichtet ohne Grund auf eine gleichrangige Wahlmöglichkeit. Das Korsett wird also enger.

Zweitens sieht das Gesetz vor, Kredite nur dann aufnehmen zu können, wenn es um mehr als 50 Millionen Euro geht. Auch das mag wiederum in vielen Fällen sinnvoll sein. Aber es gibt durchaus auch Konstellationen und Situationen, bei denen dies fragwürdig erscheint. Und dann fragen wir uns, warum gerade 50 Millionen und nicht 100 oder 20 Millionen beispielsweise. Das überzeugt uns nicht und wiederum schränken wir uns zusätzlich ein. Das Korsett wird enger.

(Stefanie Drese, SPD: Das hatten wir schon.)

Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, dass finanzielle Auswirkungen von Steuerrechtsänderungen bei der Frage einer konjunkturellen Krise gar nicht berücksichtigt werden. Das hat einige Sachverständige in der Anhörung zu Recht verwundert, so auch uns. Denn erstens gibt es keine gesicherte Methode, um feststellen zu können, wie hoch die Mindereinnahmen aufgrund von Steuerrechtsänderungen tatsächlich sind, und zweitens stellt sich die Frage, warum wir uns das Leben an dieser Stelle wieder grundlos noch schwerer machen. Steuerrechtssenkungen können durchaus richtig ins Kontor schlagen und wie eine Notsituation wirken. Wir haben das erlebt. Das Korsett wird erneut enger geschnürt.

Meine Damen und Herren, schließlich haben viele Sachverständige kritisiert, dass das Regelvolumen des Sondervermögens mit einer halben Milliarde Euro zu hoch angesetzt ist. Der Grundsatz „Spare, wenn du kannst, dann hast du, wenn du brauchst“ ist keineswegs falsch.

(Michael Andrejewski, NPD: Wenn der Geldautomat noch etwas ausspuckt. – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Allerdings: Wir brauchen heute schon. Deshalb fordern wir, die Rücklagen etwas abzuspecken und im Hier und Heute klug und nachhaltig zu investieren. Dies zahlt sich auf jeden Fall später aus. Etwa 300 Millionen sind unserer Auffassung nach ein angemessenes Volumen für die Rücklage. Und vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht den zweiten Sparstrumpf, den die Landesregierung offenbar behalten will, die sogenannte Ausgleichsrücklage.

(Egbert Liskow, CDU: Daraus wird es doch bezahlt.)

Dort liegen ausweislich der Haushaltsrechnung für das Jahr 2013 über 900 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, selbst Dagobert Duck wäre bei solchen Rücklagen neidisch. Wir wollen daher, dass spätestens im Rahmen der Beratung zum neuen Haushalt hier im Landtag Klarheit darüber herrscht, zu welchem Zweck die Ausgleichsrücklage zukünftig neben der Konjunkturausgleichsrücklage bestehen soll und wie hoch sie insgesamt sein soll. Die Frage ist doch, ob wir sie weiterhin brauchen. Nach jetzigem Stand hätte die Landesregierung streng genommen sogar zwei Notreserven, also das neue Sondervermögen und die Ausgleichsrücklage.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zu den Kommunen sagen. Uns ist es wichtig klarzustellen, dass der Gesetzentwurf nicht zulasten der Kommunen gehen darf. Auch das war eine Befürchtung in der Anhörung, die wir aber bislang, im Gegensatz zum Kollegen Gundlack, nicht ausgeräumt sehen.

(Tilo Gundlack, SPD: Wir schon. – Heinz Müller, SPD: Na, dann erläutern Sie doch mal!)