Protokoll der Sitzung vom 01.07.2015

(Tilo Gundlack, SPD: Wir schon. – Heinz Müller, SPD: Na, dann erläutern Sie doch mal!)

So geht etwa der Städte- und Gemeindetag zumindest mittelbar von erheblichen Auswirkungen auf die kommunale Ebene aus.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Er stellt die Frage – wie wir meinen, eine berechtigte Frage –, was eine Konjunkturausgleichsrücklage beim Land nutze, wenn in den kommunalen Haushalten das Geld zur Finanzierung selbst von notwendigen Pflichtaufgaben, geschweige denn von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben fehlt.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Meine Damen und Herren, alles in allem werden wir also dem Gesetzentwurf in dieser Form so nicht zustimmen können. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Schuldenbremse ist zunächst einmal eine Zusage gegenüber den kommenden Generationen. Sie sagt aus: Wir stehen für unsere Schulden ein, wir übertragen sie nicht den nächsten Generationen.

(Heiterkeit und Zuruf von Udo Pastörs, NPD – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Sehr witzig!)

Wir verschieben die Verantwortung nicht in die Zukunft zulasten unserer Kinder und Enkelkinder. Darum ist die Schuldenbremse grundsätzlich richtig. Um es deutlich zu sagen: Damit sind längst nicht alle Probleme gelöst.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das nun gewählte Verfahren muss sich in der Zukunft beweisen. Die Schuldenbremse kann nur ein Baustein einer nachhaltigen Finanzpolitik sein, darauf werde ich im Laufe meiner Rede noch eingehen.

Lassen Sie mich Ihnen aber zunächst die Aktualität des Themas vor Augen führen, obwohl es kaum nötig ist. Sie wissen, wie schwierig es gerade um die finanzielle Situation des Staates Griechenland steht, und ich glaube, es ist schon wichtig, dass wir uns heute, gerade am Tag nach dem Auslaufen des zweiten Hilfspaketes,

(Tilo Gundlack, SPD: Die akzeptieren keine Sparauflagen mehr. Das läuft gerade über den Ticker.)

auch hier im Land mit einer Schuldenbremse in dieser Form beschäftigen, damit uns so etwas, eine übermäßige Überschuldung nicht widerfährt und diese Risiken, die damit verbunden sind, nicht auch auf uns zukommen.

Ich möchte aber vorab noch mal feststellen, dass wir auch die Verankerung der Schuldenbremse hier in der Landesverfassung aus diesen Gründen für absolut richtig und wichtig halten. Die logische Konsequenz aus der Verfassungsnorm ist nun die Umsetzung in einem Gesetz. Eine gesetzliche Umsetzung ist notwendig, richtig und wichtig. In der Anhörung wurde durchaus Kritik geäußert, warum sich denn das Land eigentlich über die in der Verfassung bereits bestehenden Einschränkungen hinaus weiter selbst beschränken solle.

Das ist eine Kritik, die auch von der Fraktion DIE LINKE aufgegriffen und vorgetragen wurde. Aber auf eine gesetzliche Umsetzung zu verzichten mit der Begründung, dies würde den Handlungsspielraum des Gesetzgebers weiter einschränken, halten wir GRÜNEN für keine gute Entscheidung. Ich kann die Bedenken zwar grundsätzlich verstehen, doch was wäre denn die Konsequenz, wenn wir auf ein solches Gesetz verzichten würden? Was wäre die Konsequenz? Ohne ein Gesetz würden wir die Entscheidung über eine Kreditaufnahme ab dem Jahr 2020 ausschließlich der Exekutive überlassen, denn dann wäre es die Aufgabe der Landesregierung, die Verfassungsnorm zu interpretieren. Das kann aus Sicht des Parlaments ja nun wirklich nicht wünschenswert sein. Damit wären massive Konflikte vorprogrammiert.

Wir müssen uns also vorher auf klare Regeln verständigen, die wir dann natürlich in ein Gesetz gießen, und genau das liegt Ihnen jetzt vor. Diese Regeln, auf die wir uns verständigen müssen, müssen folgende Punkte klären: Wann haben wir eine konjunkturelle Entwicklung, die von der Normallage abweicht? In welcher Höhe dürfen dann Kredite aufgenommen werden? Wie sollen diese Kredite eigentlich getilgt werden? Und letztens: Was geschieht im Falle von Naturkatastrophen? Darüber müssen wir uns, wie gesagt, verständigen, bevor die Schuldenbremse in Kraft tritt. Insofern halten wir eine gesetzliche Umsetzung für richtig und absolut unentbehrlich.

Meine Damen und Herren, man kann sich jetzt aus verschiedenen und berechtigten Gründen über das beste Verfahren streiten, wie eine von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklung am ehesten bestimmt werden soll. Aber egal ob Trendsteuereinnahmenmodell, EU-Modell oder Referenzwertmodell – alle Verfahren haben ihre eigenen Vor- und Nachteile. Das wurde im Rahmen der Anhörung im Finanzausschuss mehr als deutlich. Es gibt einfach keine perfekte Lösung.

In der Abwägung der verschiedenen Verfahren ist meine Fraktion allerdings zu der Einschätzung gekommen, dass das von der Landesregierung gewählte Referenzwertmodell absolut geeignet ist, insbesondere weil die Berechnung relativ leicht nachvollziehbar ist

(Rainer Albrecht, SPD: Genauso ist es.)

und damit grundsätzlich auch für das Parlament und die Öffentlichkeit am ehesten verständlich erscheint.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Klar ist aber auch, dass sich die Modelle und die wissenschaftliche Diskussion darüber weiterentwickeln werden. Es kann sein, dass wir in fünf Jahren sehr viel klüger dastehen,

(Tilo Gundlack, SPD: Ja, das ist im Leben immer so.)

aber das ist bei jeder Frage so. Es wird daher unbedingt notwendig sein, die nun vereinbarten Regelungen auf ihre Angemessenheit und Funktionalität regelmäßig zu überprüfen. Der Gesetzentwurf ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, das will ich hier noch mal ganz klar sagen, aber es ist sicherlich ein guter Kompromiss.

Meine Damen und Herren, wir GRÜNEN stehen auch aus der Opposition heraus in diesem Parlament für eine

seriöse und nachhaltige Finanz- und Haushaltspolitik. Das haben wir in den letzten Jahren bereits unter Beweis gestellt, und diese Grundsätze gelten für uns auch für den kommenden Doppelhaushalt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf aufmerksam machen, dass eine blinde Sparpolitik nur um ihrer selbst willen gefährlich und nicht zielführend ist. Wir müssen uns immer bewusst machen, dass wir am Ende auch noch wissen, für wen wir das alles eigentlich machen,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

nicht, dass wir am Ende das ganze Land leer gespart haben.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Leer gespart!)

Als GRÜNEN-Fraktion zeigen wir, dass eine andere Politik in diesem Land möglich ist. Wir können trotz Konsolidierungsbedarfen auch andere Schwerpunkte im Landeshaushalt setzen, wenn es denn politisch gewollt ist. Warum betone ich das so? Wenn wir ehrlich sind – und das sollten wir alle natürlich immer sein –, dürfen wir nicht übersehen, dass es weiterhin eine verdeckte Verschuldung gibt, die von der Schuldenbremse auch in Zukunft nicht erfasst wird. Damit meine ich nicht nur die implizierte Verschuldung für die Pensionsverpflichtungen gegenüber den Beamtinnen und Beamten des Landes, nein, ich meine auch unterlassene Investitionen in das öffentliche Eigentum.

Wir erleben deutschlandweit eine Verschiebung der Verschuldung zulasten der öffentlichen Infrastruktur, das heißt, wir erkaufen uns eine schwarze Null im Haushalt zulasten des öffentlichen Eigentums. Die Investitionsrückstände werden bundesweit auf 118 bis 156 Milliarden Euro geschätzt, abhängig von der jeweiligen Erhebung. Öffentliche Infrastruktur wird also auf Verschleiß gefahren. Auch das ist eine Verschuldung der kommenden Generationen. Wenn konjunktive Ausgaben steigen und investive Ausgaben sinken, dann ist das ein sehr problematischer Trend für die öffentlichen Haushalte.

Das ist, wie gesagt, aus unserer Sicht keine nachhaltige Politik. Das ist eine Verschuldung des Staates bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das müssen wir ändern. Deswegen halten wir es für dringend geboten, die Investitionsausgaben zu stärken. Das ist nämlich auch der Grund, warum wir GRÜNEN heute in einem Änderungsantrag eine zusätzliche Bindung der Kreditaufnahmen an die Investitionen im Land gefordert haben, wie sie heute eigentlich auch schon besteht, aber in Zukunft eben wegfallen würde.

Wenn sich, meine sehr geehrten Damen und Herren, die öffentliche Hand schon verschuldet nach den Regeln der Schuldenbremse, dann muss sie diese Gelder zum Nutzen der Allgemeinheit investieren. Auch dieser Verantwortung dürfen wir uns nicht entziehen und bitten daher um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Meine Damen und Herren, wie Sie dem Bericht und der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses entnehmen können, hatten wir GRÜNEN uns noch einige kleinere Änderungen gewünscht, die von SPD und CDU aber leider abgelehnt wurden. Heute besteht die Mög

lichkeit, diese noch in das Gesetz aufzunehmen. Besonders möchte ich herausstellen, dass der Gesetzentwurf bisher kein festgelegtes Verfahren vorsieht, wie über die tatsächliche Höhe der Kreditermächtigung, die aufgenommenen Kredite oder die Tilgung eigentlich berichtet wird. Im Haushaltsplan werden dem Parlament nur Schätzungen vorgelegt. Die zulässige Kredithöhe wird rückwirkend aufgrund der tatsächlich erzielten Einnahmen erst bestimmt. Hierfür wäre aus unserer Sicht ein gesondertes Verfahren notwendig, um eine entsprechende Transparenz und Dokumentation gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit sicherzustellen.

Darüber hinaus hätten wir uns ein klares Bekenntnis zur kommunalen Finanzausstattung gewünscht. Wie Sie wissen, ist für das Jahr 2018 eine grundlegende Überarbeitung des FAG vorgesehen. Hier sollte vom Landtag das klare Bekenntnis ausgehen, dass das vorliegende Gesetz die Lösungsmöglichkeiten zur Neugestaltung der Kommunalfinanzen nicht einschränken wird.

Ich bitte daher um Zustimmung zu unseren entsprechenden Änderungsanträgen, um den Gesetzentwurf, wie gesagt, noch etwas weiterzuqualifizieren. Meine Fraktion wird auch bei Ablehnung unserer Änderungsanträge dem Gesetzentwurf der Landesregierung heute zustimmen, weil wir der Auffassung sind, nachdem wir uns intensiv damit auseinandergesetzt haben, dass das sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss ist, aber ein guter Kompromiss aus Modellen ist, die alle ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen. Wir als Parlament müssen in Zukunft eng begleiten,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

wie sich dieses Gesetz entwickeln wird. Aber eines ist klar: Eine Verschuldung der nächsten Generationen darf nicht weiter vorangetrieben werden.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der NPD: Rote Lampe!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der NPD-Fraktion Herr Pastörs.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist hier schon sehr viel im Detail darüber gesprochen worden, ob und zu welchen Konditionen das uns vorgelegte Gesetzeswerk richtig ist oder nach Nachbesserung ruft.

Aus der Sicht der NPD-Fraktion möchte ich noch ein paar kleine Punkte herausheben, nicht, ohne noch auf die eine oder andere Bemerkung einzugehen von der Frau Ministerin, die hier beim letzten Mal gesprochen hat, und auch auf das eine oder andere, was hier von den Kollegen geäußert wurde.

Zunächst einmal gilt, glaube ich, der alte Spruch „Sparst du in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Und insofern ist das, worüber wir heute hier befinden müssen, etwas Logisches, das vernünftig ist. Es ist immer vernünftig, wenn man in Proporz zu den Einnahmen etwas zurücklegt und nicht alles auf den Kopf haut, wie das in Griechenland über viele Jahre gemacht worden ist.