Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist nicht ganz richtig. Ein Teil hat dagegen gestimmt.)

Okay, dann bitte ich um Entschuldigung.

(Peter Ritter, DIE LINKE:

Tohuwabohu bei der AfD! –

Das ist

Demokratie und Ablehnung von

Fraktionszwang. Das lernen Sie nie. –

Ruhig, Brauner, ruhig! –

Heiterkeit vonseiten der Fraktionen

der SPD und CDU)

Ich bitte Sie, wir sind in der Abstimmung.

Ich korrigiere mich wie folgt: Der Punkt II.3 ist bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, teilweise Stimmenthaltungen der Fraktion der AfD, Gegenstimmen aller anderen Fraktionen und Teilen der Fraktion der AfD und des fraktionslosen Abgeordneten Arppe abgelehnt.

Wir kommen zum Punkt II.4. Wer dem Punkt zuzustimmen wünscht, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Punkt II.4 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und ansonsten Gegenstimmen aller anderen Fraktionen und des fraktionslosen Abgeordneten Arppe abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der AfD – Für eine angemessene Verzinsung von Steuernachzahlungen, auf Drucksache 7/1201.

Antrag der Fraktion der AfD Für eine angemessene Verzinsung von Steuernachzahlungen – Drucksache 7/1201 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Hersel für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrtes Präsidium! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Vorgestern stellte sich Herr Finanzminister Brodkorb freundlicherweise in der Fraktion vor. Er erläuterte uns dort seine Pläne zur Neuordnung der Finanzämterstruktur. Auch wenn es sicherlich hier und da noch einigen politischen Klärungsbedarf gibt, bedanke ich mich an dieser Stelle noch einmal für die ungefilterte Bewerbung seiner Pläne.

Gemein mit uns ist die Verbesserung und Entschlackung der Verwaltungsabläufe. Für die AfD ist darüber hinaus auch wichtig, dass die geltenden Steuervorschriften vereinfacht und an der Praxis orientiert werden. Das soll aber heute nicht Thema sein und ist auch nicht unsere Aufgabe hier, da schauen wir einfach gebannt nach Berlin, welchen Weg die potenziellen Koalitionäre künftig einschlagen werden. Was wir aber beginnen können, ist, ein Zeichen zu setzen, um diesen Reformprozess schon mal in Gang zu bringen.

Der vorliegende Antrag behandelt die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuerrückforderungen. Die alte Praxis ist ein Relikt aus alten Bonner Tagen. Zurzeit zahlen beide Seiten – Staat und Bürger – einen festen Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr, runtergerechnet monatlich 0,5 Prozent, und dies unverändert seit 1961. Der Gesetzgeber hatte diesen einheitlich für alle Zinsarten geltenden Zinssatz ohne weitere Begründung auf 0,5 Prozent

pro Monat festgelegt und sich bei dessen Einführung richtigerweise auf eine Verwaltungsvereinfachung berufen.

Bei der Einführung der Abgabenordnung 1977 bezog sich die Regierungsbegründung auf die ursprüngliche Begründung, äußerte sich aber nicht weiter zur Höhe des Zinssatzes. Zu dieser Zeit lag der Geldmarktzins für übliche Geldanlagen in Form von Monatsgeldern zwischen 4,5 und 5 Prozent.

Dann bei der Einführung der Vollverzinsung in Paragraf 233a Abgabenordnung mit dem Steuerreformgesetz von 1990 führte der Gesetzgeber in der Begründung lediglich aus, dass aus Gründen der Praktikabilität am festen Zinssatz festzuhalten sei. Diese Argumentation kann einer heutigen Prüfung nicht mehr standhalten, gerade in Zeiten der computergestützten Steuerverwaltung. Zu diesem Punkt haben wir ja später noch einen Antrag, der spielt da eigentlich ganz gut mit rein.

Wir schlagen daher vor, den steuerrechtlichen Zinssatz am zivilrechtlichen Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuches zu orientieren. Dort ist geregelt, dass die Bezugsgröße für den Basiszinssatz der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahres ist.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Das steht auch so im Gesetz.

Das wäre eine geeignete Ausgangsgröße für einen marktgerechten Zinssatz. Selbstverständlich ist auch ein sachgerechter Aufschlag für die Bemessung sinnvoll. In Zeiten der fortwährenden EZB-Niedrigzinspolitik ist es den Bürgern im digitalisierten Zeitalter schlichtweg nicht mehr zu vermitteln, an einem derart marktfernen Zinssatz von sechs Prozent festzuhalten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

In der Zeit von Niedrig- und Negativzinsen ist der Zinssatz auf Nachzahlung und Erstattung von Steuerzahlungen de facto auf der Entwicklungsstufe der EDV-losen Finanzverwaltung der späten Nachkriegszeit.

(Thomas Krüger, SPD: Na ja, es gibt ja auch Abgeordnete bei Ihnen, die Steuerschulden haben.)

Wir fordern darum die Landesregierung auf, sich auf der Bundesebene für eine Anpassung der Verzinsungsregelung im Paragrafen 238 Abgabenordnung einzusetzen.

(Thomas Krüger, SPD: Was hat denn das damit zu tun?)

Ich bitte hier um Ihre Unterstützung für diesen Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat ums Wort gebeten der Finanzminister Mecklenburg-Vorpommerns. Herr Brodkorb, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder haben in der Vergangenheit wiederholt darüber beraten, wie sie mit der Verzinsung von Steuerrückerstattungen und – das sollte man an dieser Stelle immer mitbedenken – auch Nachforderungen umgehen sollen. Die aktuelle Rechtslage, das ist eben schon ausgeführt worden, sieht in beiden Fällen eine Verzinsung von 0,5 Prozentpunkten je Basismonat vor und hat sich seit langer Zeit bewährt.

Die in dem Antrag geäußerte Kritik ist mir daher auch zu holzschnittartig und vermag mich in einer Gesamtschau trotz der aktuellen Niedrigzinsphase nicht zu überzeugen. So relativieren sich bei genauerer Betrachtung die scheinbar deutlichen Ungleichgewichte bei der Verzinsung im steuerlichen und realwirtschaftlichen Bereich. Es reicht nicht, die Zinssätze am Kapitalmarkt zu vergleichen. Das wird der Besonderheiten der Verzinsung nach der Abgabenordnung nicht gerecht. Da der Zinssatz gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen wirkt, reicht es nicht, nur den Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen.

Mit Blick auf die Verzinsung von Steuernachforderungen wäre das nämlich viel passender, auf den deutlich höheren Zins für ungesicherte Dispositions- und Festkredite zu schauen. Diese betrugen nach Recherchen der Stiftung Warentest Mitte 2017 bei den sogenannten Dispozinsen durchschnittlich 9,87 Prozent pro Jahr. Zudem setzt der Zinslauf nach der Abgabenordnung frühestens nach Ablauf einer 15-monatigen Karenzzeit ein und kennt keine Zinseszinsen. Der effektive abgabenrechtliche Zinssatz liegt daher deutlich unter 6 Prozent pro Jahr.

Insbesondere der Vorschlag mit variablen Zinssätzen – darauf läuft es ja hinaus, wenn wir uns am Basiszinssatz orientieren – bereitet mir Magengrummeln. Schauen Sie sich allein die Zinsentwicklung in den Jahren 2008 und 2009 an! In diesem Zeitraum hatten wir vier unterschiedliche Zinssätze von 3,32 Prozent bis 0,12 Prozent. Ich denke, jeder hier kann sich vorstellen, mit welchem Verwaltungsaufwand eine monatsgenaue Berechnung jedes einzelnen Falles verbunden wäre und auch mit welchen Problemen, dies den Bürgerinnen und Bürgern gegebenenfalls zu erklären, dass sie, je nachdem, wie die Bescheide erstellt werden, mit ganz unterschiedlichen Zinssätzen konfrontiert werden. Das möchte ich weder den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, im Übrigen nicht nur des Landes, sondern auch auf kommunaler Ebene, noch den Bürgerinnen und Bürgern zumuten. Es geht mir folglich weniger um die finanziellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt, die wären nämlich zu verkraften, sondern um die weitere Verkomplizierung des Steuerrechts und damit ein Ausufern der Bürokratie.

(Zuruf von Sandro Hersel, AfD)

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, komme ich in der Gesamtschau zum Ergebnis, dass an dem seit vielen Jahren geübten Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland nichts geändert werden sollte.

Und, Herr Hersel, es ist im Übrigen auch so, dass dies die Mehrheit der Finanzminister Deutschlands so sieht.

Ich nehme an, das wird seinen Grund haben. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Minister.

Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD legt hier einen Antrag vor, der von ihr bereits in anderen Landtagen gestellt wurde und da schon durchgefallen ist, im Juni in Brandenburg und bereits im April in Thüringen. Auch hier ist kein anderes Ergebnis zu erwarten. Wir werden dem Antrag nicht zustimmen. Die Steuer- und Abgabenpflichtigen sind mit der jetzigen Regelung nicht so schlecht dran. Es wurde bereits viel dazu gesagt, ich will mich daher auch kurzfassen:

Erstens. Der Zinssatz gilt seit 1961 und über die Jahrzehnte gab es eine Menge Zinsaufschläge nach oben und unten. Trotzdem muss man konstatieren, das Verfahren und die Höhe des Zinssatzes haben sich bewährt.

Zweitens. Die AfD fordert eine Dynamisierung des Zinssatzes. Würde man den Zinssatz der Abgabenordnung an den Leit- und Basiszins der Bundesbank koppeln, hätte man – der Minister sagte es – ein Bürokratiemonster. Bei Steuerverfahren, die lange andauern, müssten dann rückwirkend ehemals geltende unterschiedliche Zinssätze berücksichtigt werden. Höchst komplizierte Berechnungen und ich denke, auch ein noch größerer Zeitverzug wären dann die Folge. Damit wäre keinem Steuerpflichtigen geholfen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzämter wären zusätzlich belastet.

Drittens. Meine Damen und Herren, so, wie die AfD es darstellt, dass die in der Abgabenordnung benannten 6 Prozent weit ab von jeglicher Realität wären, ist es auch nicht. Vergleichen müsste man diese Art der Verzinsung am ehesten mit dem marktüblichen Zinssatz für ungesicherte Konsumentenkredite und dort liegt der aktuelle Zinssatz – man höre und staune – bei etwa 6,7 Prozent.

Ich beziehe mich hier auf die Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank für neu verhandelte Konsumentenkredite. Der Zins wird bei den Regelungen der Abgabenordnung die Steuerschuld, die ein Steuerpflichtiger beim Staat hat oder der Staat bei einem Bürger. Diese Schulden sind um ein Vielfaches geringer verzinst als beispielsweise Schulden bei einer Bank aufgrund eines Überziehungskredites. Hier müsste politisch etwas getan werden, aber das Problem der Dispozinsen ist ein anderes Thema, und wir haben erst kürzlich darüber hier im Landtag debattiert.