Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktion Bürger für MecklenburgVorpommern beantragt die unverzügliche Einrichtung und Besetzung eines Landesdrogenbeauftragten. Im Namen meiner Fraktion bitte ich Sie darum, diesen Antrag an den Wirtschaftausschuss zu verweisen. Mitberaten sollten Bildungsausschuss und Sozialausschuss. Dem Änderungsantrag der Linksfraktion können wir selbstverständlich zustimmen, Herr Foerster – also genauso selbstverständlich wie ich eben einmal etwas von Ihnen abgelehnt habe, ist es jetzt anderes herum –: Es kann auch gerne „Sucht- und Drogenbeauftragter“ heißen. Das ist nämlich sogar wichtiger, allerdings auch länger und ein bisschen sperriger, deswegen hatte ich die kürzere Form gewählt, aber darauf kommt es nicht an.
Nun zur Begründung: Am 12. Oktober dieses Jahres fand im Wirtschaftsausschuss eine nicht öffentliche Anhörung zur Situation und zu den künftigen Herausforderungen im Bereich von Gesundheitsförderung, Prävention und Sucht
bekämpfung in unserem Bundesland statt. Beantragt hatte diese Anhörung die Fraktion DIE LINKE unter anderem mit der Begründung, dass unser Bundesland die meisten Alkoholtoten je 100.000 Einwohner hat in ganz Deutschland und dass der Gebrauch illegaler Drogen sehr rasch zunimmt.
Direkt an dieser Stelle möchte ich mich für das Aufgreifen des Themas durch die Fraktion DIE LINKE bedanken und sehe an dieser Stelle eine große sachliche Gemeinsamkeit, wenn es darum geht, die Anstrengungen gegen Suchtkrankeiten zu verbessern und zu verstärken. Aus diesem Grunde haben wir dem Haushaltsänderungsantrag der LINKEN im Finanzausschuss selbstverständlich zugestimmt und unternehmen heute von unserer Seite aus einen weiteren Versuch, eine demokratische Mehrheit für unser Anliegen zu erlangen.
Am 8. Dezember, also am vergangenen Freitag, gingen in Schwerin die bundesweiten Jugendfilmtage zu Ende. Die Filme sollten zeigen, dass das Leben ohne Alkohol, Nikotin und andere Drogen cooler ist. Bundesweit ging die Raucherquote unter Jugendlichen aufgrund der kontinuierlichen Präventionsarbeit auf 7,4 Prozent bei den 12- bis 17-jährigen Jugendlichen zurück. Die Quote der regelmäßig Alkohol trinkenden Jugendlichen beträgt dagegen 10 Prozent und ist erschreckend hoch.
Wie schätzen die Experten und insbesondere die freien Träger selbst die Situation der Gesundheitsförderung, der Prävention und Suchtbekämpfung bei uns im Bundesland ein? Naturgemäß gibt es positive und negative Anmerkungen und die Landesregierung wird voraussichtlich gleich im Anschluss die Erfolge darstellen, die es ja auch gibt. Deshalb möchte ich voranstellen, dass es heute nicht darum gehen darf, die Arbeit der Vergangenheit schlechtzureden oder irgendetwas zu skandalisieren, aber kritische Bemerkungen der Experten sollten nicht folgenlos verhallen, zum Beispiel folgende Äußerungen:
Es gibt keine vollständigen Infomationen über die Zahl der Initiativen und Projekte und keine gesicherten Informationen über Themengestaltung und Bedarfsorientierung in der Suchtprävention. Der öffentliche Gesundheitsdienst, der durch das Öffentliche Gesundheitsdienstgesetz Paragraf 13 verpflichtet ist, gesundheitsfördernd tätig zu sein, kann aufgrund seiner Vielzahl von Aufgaben die Gesundheitsförderung nur in geringem Umfang und nur unsysthematisch vornehmen. Es ist ein Fehlen tragfähiger Strukturen zur Gesundheitsförderung in den Kommunen zu beklagen, Stichwort „ländlicher Raum“. Das Interesse der Landesregierung scheint nach Wahrnehmung vieler Akteure nur gering zu sein – Wahrnehmung der Akteure. Die schlechten Gesundheitsdaten habe ich zum Teil schon erwähnt, unter anderem viele Alkoholtote.
Erwartet wird dagegen ein klares politisches Signal der ernsthaften Wertschätzung und des Schaffens von stabilen Rahmenbedingungen. Die Maßnahmen sind größtenteils nicht miteinander vernetzt, es gibt keine einheitlichen und verbindlichen Ziele. Nicht zuletzt hat man auch jährliche Unsicherheit in der Projektförderung, sodass eine verlässliche und dauerhafte Arbeit dadurch sehr erschwert wird und den bürokratischen Aufwand erhöht. Stattdessen bedarf es einer umfassenden, klein strukturierten Gesundheitsberichterstattung als Basis für die Maßnahmen und Messungen der Wirksamkeit sowie als Grundlage für die Erarbeitung einer Strategie.
Vorbilder in anderen Bundesländern gibt es. Ich nenne hier als Beispiel das bayerische Landesprogramm – jetzt ist er leider nicht da –, das bayerische Landesprogramm „Gesundheitsregionenplus“, welches die Unterstützung der Arbeit vor Ort mit einer zentralen fachlichen Beratung verbindet, dabei die Landesziele klar definiert und damit einen einheitlichen und systhematischen Rahmen definiert. Vielleicht könnte uns der Herr Waldmüller mal einen Kontakt nach Bayern herstellen, denn man muss ja nicht immer alles neu erfinden, man kann von den Besten in der Klasse auch durchaus mal was abgucken und vielleicht das eine oder andere übernehmen.
Ja, es besteht Handlungsbedarf, um eine leistungsfähige ambulante Grundversorgung in den Regionen zu gewährleisten. Die gegenwärtige Praxis, dass die Kommunen die Maßnahmen in der Suchtbekämpfung freiwillig, aus ihren freien Mitteln, finanzieren müssen, ist natürlich auch zu beanstanden, denn damit verstoßen wir gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Denn nur die Kommunen können Maßnahmen durchführen, die auch über entsprechende Mittel verfügen.
Dann wurde noch moniert, dass eine flächendeckende Versorgung derzeit nicht gewährleistet ist. Im Vergleich der Bundesländer wird die Zahl der Suchtberatungsstellen in Bezug auf Fläche und Anzahl der Bewohner gesetzt. Hier belegt Mecklenburg-Vorpommern einen der letzten drei Plätze. Außerdem kann man noch sagen, dass Sucht oft ein immanenter Bestandteil des Bereichs der Stressbewältigung ist, dass Mediensucht immer mehr an Bedeutung gewinnt, dazu präventive Strategien erarbeitet werden müssen und dass die Nachfrage nach Angeboten der Prävention und Suchtbekämpfung nach Aussage der Ersatzkassen in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.
Entscheidend sind also folgende gesellschaftliche Tatsachen: Alkoholmissbrauch und Missbrauch illegaler Drogen bewegen sich in Mecklenburg-Vorpommern auf hohem Niveau und steigen an. Neben neuartigen synthetischen Drogen bedroht auch Mediensucht unsere Kinder, Jugendlichen und insbesondere junge Erwachsene. Drogenmissbrauch resultiert auch aus Stresssituationen in der Arbeitswelt. Drogen- und insbesondere Alkoholmissbrauch resultieren ebenso aus Vereinsamung und Vereinzelung, insbesondere unter Senioren und insbesondere im ländlichen Raum.
Drogen- und Alkoholmissbrauch sind also breite gesellschaftliche Phänomene und keine Randgruppenprobleme mehr. Die Folgen von Drogenmissbrauch sind gesundheitliche, psychische und soziale Schäden mit hohen Folgekosten im Gesundheitswesen und hohen Produktivitätsausfällen in der Erwerbswirtschaft. Kriminalität und organisierte Kriminalität sind ein wichtiger Aspekt in der Drogenbeschaffung. Insgesamt geht es also um nicht weniger als darum, den selbstbestimmten Lebensweg unserer Landeskinder zu ermöglichen und dabei tatsächlich keinen zurückzulassen.
Deshalb wünscht sich die Fraktion Bürger für Mecklenburg-Vorpommern nach altem Erfolgsrezept, dass ein Verantwortlicher den Hut auf hat für alle Maßnahmen und Strukturen, die sich rund um das Themenfeld „Suchtprävention und Suchthilfe“ ranken. Der Drogenbeauftragte ist das politische Symbol dafür, dass die Politik der Suchtprävention und Suchtbekämpfung eine hohe Wertschätzung entgegenbringt. Der Drogenbeauftragte soll
dafür Sorge tragen, dass eine ordentliche und kleinteilige Datenbasis als Grundlage für Strategien und daraus abgeleitete Maßnahmen vorhanden ist. Erfolge der Maßnahmen müssen evaluiert werden und zu Nachsteuerungen und Korrekturen führen. Nicht zuletzt soll eine verlässliche personelle Größe dazu führen, dass alle Einzelmaßnahmen der Träger und der Finanziers sauber miteinander abgestimmt sind und die Zusammenarbeit mit der Bundesdrogenbeauftragten und den Fachleuten in den benachbarten Bundesländern noch besser läuft.
Es geht also um kompetente und fleißige Arbeit, wie sie ohne Zweifel schon heute im Gesundheitsministerium geleistet wird, aber es geht auch um einen politischen Stellenwert, den diese Arbeit in unserer Gesellschaft bekommt. Auf Bundesebene wird diese Aufgabe durch die Bundestagesabgeordnete Marlene Mortler von der CSU wahrgenommen – schon wieder bei der CSU. Auch wenn wir hier im Landtag noch keine CSU vertreten haben, wäre dieses Modell für uns ein gangbarer Weg, der höchste politische Wertschätzung und Aufmerksamkeit verbindet mit einer praktischen und sachorientierten Arbeit. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen beziehungsweise ihn in die Ausschüsse zu verweisen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das aufgeworfene Problem, einen Landesdrogenbeauftragten
sofort zu benennen und dann auch zu bezahlen, ist eine Forderung, die DIE LINKE aber auch die Bürger für Mecklenburg-Vorpommern im letzten Haushalt gebracht haben. Ich will darauf hinweisen, dass es Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern gibt, die sich nicht hinter anderen Strukturen in Deutschland zu verstecken brauchen. Das will ich erst mal voranstellen.
Das Land, die Landkreise und die kreisfreien Städte fördern gemeinsam die Beratungs- und Behandlungsstellen für Sucht- und Drogenkranke in MecklenburgVorpommern. Die sind flächendeckend im Land vertreten, und jeder Betroffene, jeder Angehörige kann jederzeit diese Präventionsangebote nutzen. Entscheidend ist, dass man auch beraten werden will. Man muss also selbst bereit sein, den Weg zu gehen. Und der Weg ist ja schon relativ schwierig, wenn ich über Jahre psychisch abhängig geworden bin. Im Bereich der legalen Drogen sind das klassischerweise Alkohol oder Nikotin. Nikotinabhängigkeit – das haben Sie richtigerweise vorgetragen – ist etwas zurückgegangen. Insgesamt hat sich ja mit dem Rauchverbot in der Gesellschaft nicht der Aufschrei ergeben, den man eigentlich erwartet hatte, sondern mittlerweile ist die Bevölkerung, sowohl Männer als auch Frauen, beim Nikotin eher zurückhaltender geworden – beim Alkohol nicht.
Die andere Geschichte sind die Fragen, die sich mit der Sucht zu Medien darstellen. Auch dort hat das Land vier
Beratungsstellen aufgebaut und finanziert sie mit. Das sind vier Schwerpunktberatungsstellen, die sich in besonderer Weise auch der Glücksspielsucht widmen. Und auch dort ist es wieder so – man muss nach einer Therapie oder nach einer Rehamaßnahme am Ende bereit sein, diese Beratungsstellen anzulaufen, oder vorher: Der erste Schritt ist ja die Frage der Prävention. Wie geht die Gesellschaft insgesamt damit um?
Aufklärung erfolgt schon in den Schulen, Aufklärung erfolgt auch über den Jugendfilmtag hier in Schwerin. Der war, denke ich, sehr wichtig für die Schülerinnen und Schüler der 7., 8., 9. Klassen. Viele waren da, auch Abgeordnete und ich selbst war auch da. Ich denke, das ist ein Angebot, das in besonderer Weise jungen Leuten in einer Zeit, wo man sich gesundheitlich total fit und gut findet, wo man sagt, mir passiert in dieser Frage nichts, ich bin nicht suchtgefährdet, deutlich macht, dass vielleicht der eine oder andere am Ende dann doch suchtgefährdet ist und professionelle Hilfe bekommen muss. Andererseits muss auch eine Nachsorge in Selbsthilfegruppen organisiert werden. Das sind alles Themen, die im Land Mecklenburg-Vorpommern gemacht werden und ausgeführt werden.
Ich will noch darauf hinweisen, dass wir 25 Suchtprä- ventionsfachkräfte seit 2012 jedes Jahr weiterbilden. Das heißt, die Landeskoordinierungsstelle, die ja für die Suchtthemen in Rostock sitzt, macht Fortbildungsangebote und fördert sozusagen das Wissen der hauptamtlich Beschäftigten. Das Land stellt dafür 2,2 Millionen Euro bereit und für den Haushalt 2018 2,3 Millionen, für den Haushalt 2019 2,26 Millionen Euro. Von daher würde ich sagen, die Rahmenbedingungen sind da. Das, was Sie sagen, dass man auch dafür sorgen muss, dass fachgerecht weitergebildet wird, wird sichergestellt.
Ich kann mich nur nicht sofort dazu entscheiden und sagen, wir brauchen jetzt einen Landessuchtbeauftragten oder Drogenbeauftragten. Das muss ein Prozess sein, ob der tatsächlich nötig ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass man dieses Thema in der Landeskoordinierungsstelle ansiedelt und dort dafür sorgt, dass die Außenarbeit, die Bekanntheit der Person, die sich in besonderer Weise mit diesen Suchtthemen befasst, nach außen deutlicher gemacht wird. Ich wehre mich immer ein bisschen dagegen, dass man zwei Beauftragte oder noch einen weiteren Beauftragten ernennt. Das sollten wir fairerweise vielleicht in diesem Jahr diskutieren und überlegen, ob das nötig ist. Insgesamt würde ich dafür werben wollen, dass wir gerade die Fragen noch mal besprechen mit der Landeskoordinierungsstelle und auch mit den Leuten, die das professionell machen.
Sie haben recht, natürlich geht es auch darum – in der ambulanten Versorgung muss es Schwerpunktpraxen geben. Die gibt es für Alkohol- und Drogenkranke. Es muss aber dazu führen, dass in besonderer Weise nach einer Entgiftung auf einer internistischen Station oder einer psychiatrischen Station die Nachsorge und die Angebote für diejenigen, die eben schon mehr als psychische Abhängigkeiten zeigen, bereitstehen. Andererseits muss man denjenigen engmaschig begleiten, um Rückfälle, so weit es geht, zurückzudrängen. Das ist eine schwierige Aufgabe.
In dem Moment, wo einer in besonderer Weise ein Problem hat und nur einen Schnaps trinkt, kann das schon sein, dass er wirklich der Sucht verfällt, dann trinkt er zwei Tage später schon einen Dreiviertel Liter, vielleicht 14 Tage oder drei Wochen durch, und muss wieder entgiftet werden. Das sind die Dinge, die den Einzelfall betreffen und die besonders tragisch sind. Aber wir haben natürlich auch Folgeschäden in der Behandlung und Versorgung festzustellen. Es gibt die Vergrößerungen der Leber, Fettleber und was so alles eine Rolle spielt bei den Medizinern. Es ist ja oftmals zu hören, wenn der Arzt fragt, trinken Sie auch Alkohol, dann kommt die Antwort, ja, zwei Bier. Bier wird nicht als Alkohol wahrgenommen. Der wahre Psychiater oder der Drogenerfahrene, der macht das dann immer mal sechs. Wenn ich zwei Bier angebe, sagt er, nein, das sind zwölf am Tag.
So, meine Damen und Herren, ich will nur sagen, es ist ein schwieriges Thema. Heute kann ich zumindest den Regierungsfraktionen nicht empfehlen, diesen Antrag schon durchzuwinken und einen Beauftragten sozusagen ins Leben zu rufen. Aber ich bin gerne bereit, mit Ihnen im Ausschuss weiter zu diskutieren, mit den Fachleuten und natürlich in besonderer Weise mit der zuständigen Stelle, um die Dinge durchzudeklinieren, auch unter Einbeziehung der Städte und der Landkreise. – Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Frau Präsidentin! Wertes Präsidium! Werte Abgeordnete! Die Fraktion der BMV braucht dringend einen Drogenbeauftragten.
Und DIE LINKE empfängt den Spielball und hat dazu gestern den passenden Änderungsantrag für den neuen Haushalt gestellt, gerade DIE LINKE – DIE LINKE, die sagt, Cannabis gehört zu Deutschland. Und nicht nur das: Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Frank Tempel als drogenpolitischer Sprecher der LINKEN und Martina Bunge, die damalige gesundheitspolitische Sprecherin, wollen auch die harten Drogen freigeben – so geschehen auf ihrem Parteitag.
Eine rationale und humane Drogenpolitik – für die Linkspartei ist dies nur mit der Legalisierung harter Drogen machbar.