Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

(Sebastian Ehlers, CDU, und Wolfgang Waldmüller, CDU: Das macht ja keiner!)

dann verstoßen Sie gegen das Gebot, sich für das Wohl der Bürger einzusetzen.

Ich möchte mal die Gesichter von Ihnen, Ihren Frauen oder Ihren Töchtern sehen, wenn Sie abends ein krankes Kind zu Hause haben, wenn sie Schwangerschaftsprobleme – Ihre Töchter, wer auch immer in Ihrem Umfeld – haben,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

vielleicht kein Pkw greifbar ist und Sie werden auf eine Tagesreise verwiesen, um vom nördlichen Teil der Insel Usedom bis zum Klinikum Greifswald in diesen Notsituationen zu kommen.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

So etwas ist nicht zumutbar. Eine Regierung, die ihrer Bevölkerung solche Zustände zumutet, zieht sich nicht zu Unrecht den Vorwurf zu, dass sie einen ganzen Landesteil, nämlich Vorpommern, abhängt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das haben Sie als Vorwurf häufig im Wahlkampf gehört, das haben die Wahlergebnisse gezeigt. Gerade die Damen und Herren Abgeordneten von der CDU, die aus Vorpommern kommen, sollten sich gut überlegen, wie sie sich in dieser Frage positionieren. Gestern ist es dankenswerterweise von anderer Seite schon vorgebracht worden.

Wir werden für diese Abstimmung namentliche Abstimmung beantragen. Sie können sich ganz sicher sein, dass wir in Vorpommern verbreiten werden, wer sein Herz für Vorpommern und die Bevölkerung hat und wer es verdeckt und einem Fraktionszwang unterstellt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wenn Sie irgendwo in Ihren Hinterköpfen noch die Hoffnung haben, Vorpommern als ehemaliges Strukturkerngebiet der CDU zurückzugewinnen, dann sollten Sie unserem Antrag zustimmen und für die Wiedereinrichtung der Kinderheilkunde und der Frauenheilkunde stimmen.

(Jochen Schulte, SPD: Es ist schon schlimm, wenn man keine Argumente hat, um zu versuchen, den Leuten auf diese Art und Weise zu drohen.)

In der Sache haben …

(Jochen Schulte, SPD: Ja, es ist schon traurig, Herr Professor Weber. – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Ihr Gebrabbel interessiert mich im Moment nicht. Sie können sich hier zu Wort melden.

(Zuruf aus dem Plenum: Danke, gleichfalls!)

In der Sache haben Vergleichsgespräche stattgefunden zwischen der Bürgerinitiative und der Landesregierung, dem Ministerpräsidenten, den man zum Sprechen tragen musste, und dem eher gesprächsbereiten Wirtschaftsminister. Da hat sich für die Kinderheilkunde ein Weg offenbart, der mit dem Stichwort „Portalklinik“ umschrieben wurde. Gemeint ist damit eine Notfallbehandlung, die sichergestellt werden soll, überwiegend durch Konsiliarärzte, also niedergelassene Kinderärzte aus Wolgast, eventuell – so haben Sie sich im Wirtschaftsausschuss geäußert –, eventuell mit einem in Wolgast angestellten Kinderarzt.

Das ist keine brauchbare Alternative, meine Damen und Herren. Wolgast braucht eine neue selbstständige Abteilung für Kinderheilkunde, die allerdings in der Bettenzahl nicht den alten Umfang erreichen muss. Zwölf Betten für die Kinderheilkunde in Wolgast mit einem Oberarzt und zwei angestellten Stationsärzten sind auch eine betriebswirtschaftlich rechenbare Größe, mit der das Klinikum Wolgast leben könnte, dann aber wirklich mit dieser eigenen Abteilung. Die Belegungszahlen in der Kinderabteilung in Wolgast würden, wenn man diese zwölf Betten zugrunde legt, auf 78 Prozent steigen. Ich möchte daran erinnern, dass die pädiatrischen Abteilungen im Bundesdurchschnitt Belegungszahlen von unter 60 Prozent aufweisen. Damit wäre die Kinderabteilung des Kreiskrankenhauses Wolgast also eine betriebswirtschaftlich vorbildlich gewordene Kinderklinik.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Übrigen sind die Zahlen und Fakten, die für die Entscheidung damals genannt worden sind, teilweise widerlegt oder jedenfalls angreifbar. Widerlegt ist etwa die Aussage, dass die Insel Usedom auch von Anklam aus gleich gut oder sogar besser versorgt werden könnte als von Wolgast aus. Das mag für den südlichen Teil von Usedom zutreffen, das betrifft aber nur etwa ein Drittel der Bewohner Usedoms. Für den nördlichen Teil ist es eine deutliche Verschlechterung.

Die hohe Zahl der Betten in der Kinderabteilung ist auch darauf zurückzuführen, dass der Krankenhausbedarfsplan dieses Landes, der von der eigenen Regierung gemacht wurde, vorsieht, dass das Klinikum Wolgast auch den Tourismusmehrbedarf abdecken soll. Deswegen war die Zahl der Kinderbetten, die für die Kinderabteilung in Wolgast eingeplant war, zu hoch berechnet. Wenn man die Tourismuszahlen rausrechnet und sagt, es reicht die Abteilung Kinderheilkunde und für Notfälle eine Weiterverweisung nach Greifswald, dann käme man mit den zwölf Kinderbetten in der Abteilung für Kinderheilkunde gut zurecht. Wie gesagt, 78 Prozent Belegungsquote sprechen für sich und bilden ein überdurchschnittliches Ergebnis.

Was die Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe angeht, sind die Zahlen etwas geringer. Die Geburtenzahl liegt zwar über 300, aber unter 400. Da wird immer so ein Schlüssel von 400 genannt: 400 Geburten im Jahr sollte eine geburtshilfliche Abteilung aufweisen. Deswegen könnte man sich einen Vorschlag als Kompromiss vorstellen, der sagt, zusammen mit der Chirurgie die

Frauenheilkunde wiederaufzubauen. Alles in allem jedenfalls haben es das Kreiskrankenhaus Wolgast und die betroffene Bevölkerung verdient, dass sie diesen Kompromissweg mit uns gehen und die Regierung damit festlegt, dass Mindestzahlen für den Kompromiss festgeschrieben sind. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Zunächst hat ums Wort gebeten der Minister für Gesundheit Herr Glawe. Herr Glawe, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, wie es am Kreiskrankenhaus Wolgast weitergehen soll, beschäftigt schon seit geraumer Zeit den Landtag. Die Schließungsbescheide sind am 22. Dezember 2015 erteilt worden, von daher ist eine Debatte natürlich immer wieder hilfreich.

Herr Professor Weber, Sie haben indirekt unterstellt, dass man das Kreiskrankenhaus Wolgast schließen will. Ich erkläre es hier noch mal und für jeden hörbar: Wir haben im Land nicht die Absicht, ein Krankenhaus zu schließen, und schon gar nicht in Wolgast.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Dr. Ralph Weber, AfD)

Warum sage ich das? Weil die flächendeckende Versorgung für das Land Mecklenburg-Vorpommern geregelt ist. Wir wollen in einem Umkreis von etwa 50 Kilometern Grund- und Regelversorgung sicherstellen. Dazu gehören dann natürlich auch die Maximalversorger.

Die entscheidende Frage, die zu beantworten ist und die auch immer wieder diskutiert wird, ist, der Landeskrankenhausplan wird fast jährlich einer Überprüfung zugeführt und die Planungsbeteiligten entscheiden auf Antrag eines Trägers, ob eine Station umgewidmet wird, ob Betten umgewidmet werden oder ob die eine oder andere Abteilung neu strukturiert werden muss. In den letzten Jahren war es so, dass auch auf Anregung der Krankenhausgesellschaft in Diskussionen um das Jahr 2012 herum festgestellt worden ist, dass geriatrische Stationen im Land Mecklenburg-Vorpommern in den Krankenhäusern fehlen. Darauf wurde reagiert: Mittlerweile haben wir 14 Stationen in Mecklenburg-Vorpommern, also in 14 Krankenhäusern wurde in besonderer Weise dieser Aufgabe nachgegangen. Es geht um Multimorbidität, es werden also mehrere Krankheiten dort behandelt und oftmals wird eine Besserung erreicht, sodass die Bürgerinnen und Bürger dann auch wieder in die Häuslichkeit zurückkehren können.

Ich will noch mal darauf verweisen, dass in der Region Vorpommern-Greifswald insgesamt acht Krankenhäuser am Netz sind und die stationäre Versorgung der Bevölkerung eigentlich alle Felder in der Humanmedizin abdeckt. Das will ich noch mal klipp und klar sagen. Dazu gehört natürlich auch der Maximalversorger, die Universitätsmedizin Greifswald, die bis zu 70 Prozent Grundversorgung, aber eben auch Maximalversorgung anbietet. Wir haben mit Wolgast, mit Karlsburg, mit Anklam, mit Pasewalk

und auch mit dem Krankenhaus Bethanien in Greifswald gute stationäre Einrichtungen, die die Bevölkerungsversorgung sicherstellen. Andererseits ist es so – und das ist das Wichtige, darauf will ich noch mal hinweisen –, dass die Versorgung, das Rückgrat der medizinischen Versorgung, durch niedergelassene Ärzte sichergestellt wird. Im Land sind es immerhin rund 2.700, die im hausärztlichen Bereich oder im fachärztlichen Bereich tätig sind und Beispielhaftes leisten.

Jetzt komme ich noch mal zu den Zahlen der ambulanten Versorgung bei den Kinderärzten und -ärztinnen. In der Region Vorpommern-Greifswald sind immerhin 30 Kinderärztinnen und Kinderärzte tätig, davon 3 in Wolgast. Das heißt, es ist eine Versorgung da. Wir haben auch auf der Insel Angebote. Meine Vorgängerin hat dafür gesorgt, dass eine Rehaeinrichtung jetzt Notfallsprechstunden auf der Insel Usedom anbietet.

Meine Damen und Herren, wir haben weitere sieben Tageskliniken: in Anklam, Greifswald, Pasewalk, Ueckermünde und in Wolgast. Es wäre gut, wenn die Presse, der „Nordkurier“, das auch mal aufschreiben würde. Die Kollegin sitzt ja dahinten. Ich will Sie extra begrüßen, weil Sie den weiten Weg hierher gefunden haben, sonst komme ich immer zu Ihnen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Torsten Koplin, DIE LINKE: Jetzt gibt es keine Einladung mehr, das haben Sie sich jetzt verscherzt.)

Ja, meine Damen und Herren, auch im Bereich der Frauenheilkunde sind 26 ambulant praktizierende Ärztinnen und Ärzte im Landkreis tätig, davon 2 in Wolgast. Von einer Unterversorgung der Bevölkerung kann keine Rede sein. Es geht hier allerdings um die Frage der gefühlten Unterversorgung in Wolgast durch die Bevölkerung. Das wird durch die Bürgerinitiative seit langer Zeit immer wieder angemahnt und diskutiert. Uns geht es darum, eine moderne medizinische Versorgung nach der Schließung der Gyn./Geb. und der Kinderstation sicherzustellen. Wir wollen einen modernen Ansatz und dieser moderne Ansatz heißt sektorenübergreifende Versorgung am Krankenhaus in Wolgast, um in besonderer Weise den Interessen der Mütter und Väter der Insel Usedom, aber auch der Region um Wolgast zu entsprechen.

Ein relativ hohes verkehrliches Problem ist festzustellen: In Spitzenzeiten, in Saisonzeiten, wenn die Insel voll ist, muss man einen Anlaufpunkt schaffen, der eingefahren und anerkannt ist, den die Leute auch annehmen. Das ist für den nördlichen Teil der Insel Usedom das Kreiskrankenhaus Wolgast, für den südlichen Teil – darauf hat Herr Weber schon hingewiesen – ist es Anklam. In Anklam wird also eine Kindermedizin und eine Gynäkologie vorgehalten. Für Wolgast wollen wir die sektorenübergreifende Lösung dergestalt angehen, dass wir dort bis zu acht Betten aufstellen werden, um eine Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen. Mit Unterstützung der Universität Greifswald, mit der wir gesprochen haben, wird ein Pädiater in Wolgast tätig sein.

Wir haben ernste Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung geführt, die uns signalisiert hat, dass sie sich durchaus vorstellen kann, auch am Krankenhaus die Versorgung durch einen niedergelassenen Arzt oder zwei Ärzte mit abzusichern. Und ich habe es gestern schon

gesagt, zu den Aufgaben eines Arztes gehört es auch, dort, wo die Fachabteilungen nicht konsequent vorhanden sind, konsiliarisch tätig zu werden. Ich denke, dass man das auch von jedem niedergelassenen Arzt, der auf Ethik und Hilfe in besonderer Weise festgelegt ist, erwarten kann. Dazu macht man Verträge in Krankenhäusern. Das läuft in anderen Krankenhäusern geräuschlos. Warum soll das nicht auch in Wolgast wieder gelingen?

Dazu gehört, dass man Vertrauen aufbaut, dass man sich einerseits die Interessen der einen Seite anhört, Abwägungsprozesse auf den Weg bringt, aber andererseits brauchen wir natürlich auch die Planungsbeteiligten, wir brauchen die Zustimmung der Planungsbeteiligten. Dazu gehören die Krankenhausgesellschaft, die Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer. Wir haben mit allen gesprochen und ich bin sehr dankbar, dass die Krankenkassen gesagt haben, sie wollen bis Anfang/Mitte Januar aus ihrer Sicht einen Vertragsentwurf vorlegen, mit dem wir die moderne medizinische Versorgung auf den Weg bringen können.

Was wir natürlich weiter wollen, ist, dass die Telemedizin in dieser Modellregion eine entscheidende Rolle spielen soll, das heißt, telemedizinische Anbindung des Kreiskrankenhauses Wolgast: einerseits die Vernetzung mit den niedergelassenen Ärzten in Wolgast und Umgebung – da kann man sich auch Kölpinsee vorstellen, dass die miteingebunden werden –, andererseits die Vernetzung mit der Kinderklinik in Greifswald, um auch einen Oberarzt, der im Hintergrund immer Dienst hat, mit seiner Zweitmeinung sofort mit einzuschalten. Dazu gehört ein Labor, das leistungsfähig …

Herr Minister, darf ich Sie unterbrechen? Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weber?

Ja, gerne.

Herr Minister, nur kurz die Frage: Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Ministererlaubnis, die damals erteilt wurde, damit an der Krankenhausgesellschaft die Uniklinik Greifswald mit 95 Prozent beteiligt wurde entgegen kartellrechtlichen Bedenken, die damals geäußert wurden, falsch war?

Das kann ich nicht bewerten. Der Minister – ich glaube, Herr Glos – hat damals entschieden, die kartellrechtlichen Bedenken hintenanzustellen und er hat sich im Interesse der Universität und der Zusammenarbeit mit dem Kreiskrankenhaus Wolgast dafür entschieden, die Genehmigung zu erteilen.

Meine Damen und Herren, telemedizinische Anbindung muss natürlich auch mit der Kinderklinik in Greifswald gewährleistet sein. Wir wollen damit erreichen, dass der Arzt, der vor Ort ist – das kann der Notfallarzt sein, das kann der Kinderarzt sein –, mit der Kinderklinik kommuniziert, den Fall vorstellt, die Empfehlungen bekommt, diese oder jene therapeutischen Maßnahmen sind notwendig, Diagnosesicherung ist die und die, wie schwer krank ist das Kind. All das wird eingeschätzt und entweder kommt es dann zu einer Verlegung nach Greifswald oder es kommt zur Aufnahme ins Krankenhaus Wolgast. Entscheidend ist, und darauf will ich hinweisen, die meisten Kinder sind nur zwei bis vier Tage in stationärer Versorgung. Das heißt, wenn man Kinder weitestgehend behandelt oder sie zum Arzt gehen, kommen 80 Prozent aller Kinder wieder

mit nach Hause, 20 Prozent kommen zur Beobachtung oder eben für einen Tag oder zwei bis vier Tage ins Krankenhaus. Das ist natürlich eine Durchschnittszahl, das muss man immer am individuellen Fall betrachten.

Meine Damen und Herren, bei der Gynäkologie ist es aus meiner Sicht schwierig, die Dinge wieder so einzurichten, wie sie sich vor einem Jahr noch dargestellt haben. Warum sage ich das? Die meisten Frauen entscheiden schon sehr früh, in welcher Einrichtung sie ihr Kind bekommen wollen, ob es der Standort in Greifswald ist, der Standort Anklam, Neubrandenburg, Demmin oder ob es eine Hausgeburt sein soll. Es gibt viele Dinge, die bei der einzelnen Frau und bei den Männern, die bei der Wahl ein bisschen beteiligt sind, bei der Entscheidung, wo sie entbinden, eine Rolle spielen. Das Entscheidende ist, dass die Notfallversorgung abgesichert werden muss, den Fall wird es immer wieder geben. Da sind aber meiner Meinung nach die Wege nach Anklam oder nach Greifswald akzeptabel.