Protokoll der Sitzung vom 24.10.2018

Die im Rahmen der Verbandsanhörung in diesem Themenfeld zahlreich vorgetragenen Anregungen, maßgeblich der zur Erhöhung der auf die Heimbewohner umlagefähigen Beträge per Gesetz, wurden nicht aufgegriffen. Vielmehr sollen die im Gesetz enthaltenen Verordnungsermächtigungen genutzt werden, um zeitnah in diesem Rahmen Anpassungsbedarfe zu prüfen. Hintergrund sind hier insbesondere nicht unerhebliche Steigerungen der Baukosten in der zurückliegenden Zeit. Diese Entwicklung hat uns bewogen, bei den Regelungen zur Pauschalförderung von teilstationären Pflegeeinrichtungen eine Verordnungsermächtigung zur Anpassung der Fördersätze aufzunehmen. Damit kann auf veränderte Situationen viel flexibler reagiert werden.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsverfahrens werden schließlich auch die Regelungen zur gesonderten Berechnung und der Verteilung nicht geförderter Aufwendungen aktualisiert, präzisiert und teilweise erweitert. Dem hier seitens der Verbände ergangenen Vorschlag zur Anpassung des Kriteriums der Mindestauslastungsquote in solitären Kurzzeitpflegeeinrichtungen von 85 : 80 Prozent wurde nicht gefolgt. Die derzeitige Auslastungsquote wurde mit den Verbänden der Leistungserbringer in der Pflegesatzkommission geeint und stellt die Basis für die derzeitigen Vergütungsverhandlungen dar. Allerdings haben wir uns im Landespflegeausschuss darauf verständigt, in einer Arbeitsgruppe die Situation in der Kurzzeitpflege näher zu beleuchten und Möglichkeiten zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu prüfen. – Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer

von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Es hat für die Fraktion der AfD jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Jess.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und Gäste! Wir debattieren heute in Erster Lesung über einen Gesetzentwurf, der sich aus dem Dritten Pflegestärkungsgesetz des Bundes herleitet. In dem Zusammenhang sollen erforderliche Anpassungen im Landesrecht und gleichzeitig redaktionelle Korrekturen vorgenommen werden. Leider müssen wir wiederum feststellen, dass das zuständige Ministerium wieder nicht in der Lage war, den Abgeordneten eine Synopse zur Verfügung zu stellen.

(Ministerin Stefanie Drese: Nicht willens.)

Bevor ich mich aber zum vorliegenden Gesetzentwurf äußere, möchte ich gern auf die Vielfältigkeit der Herausforderungen im Pflegebereich eingehen, auch wenn mir bewusst ist, dass sie damit immer noch nicht erschöpfend beschrieben sein wird. Was meinen wir, wenn wir von Pflege oder von Pflegebedürftigen im Sinne des SGB XI sprechen? Jeder zivilisierte Mensch weiß, dass die eigenverantwortliche Pflege des eigenen Körpers dem Zusammenleben mit anderen und der eigenen Gesundheit dienlich ist. Menschen, die sich nicht pflegen, obwohl sie es könnten, werden als verwahrlost bezeichnet. Die Ursachen und Gründe dafür sind vielfältig, aber heute nicht Gegenstand der Debatte.

Auf die umfängliche Beschreibung, was laut Deutschem Berufsverband für Pflegeberufe unter Pflege zu verstehen ist, verzichte ich hier erst mal. Doch was ist, wenn gerade die eigenverantwortliche Pflege des eigenen Körpers selbst a) noch nicht oder b) nicht mehr erbracht werden kann? Der erste Fall trifft bei Kleinkindern zu. Hier gehen wir davon aus, dass deren Pflege selbstverständlich in den Aufgabenbereich der liebenden Eltern gehört. Dass dies leider auch nicht immer wunschgemäß funktioniert, zeigen immer wieder aufsehenerregende Fälle von Kindesmisshandlung.

Doch heute interessiert uns vor allem der zweite Teil, nämlich, wenn ein Pflegebedürftiger sich nicht mehr eigenverantwortlich pflegen, das heißt, versorgen kann. Pflegebedürftigkeit definiert der Gesetzgeber in Paragraf 14 SGB XI. Danach handelt es sich um Personen, „die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können“. Zudem gibt der Gesetzgeber eine Dauer der Bedürftigkeit von mindestens sechs Monaten vor und einen definierten Schweregrad. Die Bedürftigkeit ergibt sich aus folgenden Kriterien:

„Mobilität“,

„kognitive und kommunikative Fähigkeiten“, zum

Beispiel das „Erkennen von Personen“ oder Orientierungsmöglichkeiten,

„Verhaltensweisen“, insbesondere psychisches Ver

halten,

die Selbstversorgungsfähigkeit, zum Beispiel „Wa

schen“, „Körperpflege“, Kleiden und Ähnlichem,

der „Umgang mit krankheits- und therapiebedingten

Anforderungen“

und die Fähigkeit, am „Alltagsleben“ teilzunehmen

und „soziale Kontakte“ zu pflegen.

Wenn nun ein Pflegebedürftiger Anspruch auf Unterstützung laut SGB XI erheben möchte, dann durchläuft er ein Begutachtungsverfahren, an dessen Ende die Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit steht, woraus sich die Unterstützung der Solidargemeinschaft bemisst.

Laut SGB XI Paragraf 3 hat die häusliche Pflege Vorrang. Wir haben schon von der Ministerin gehört, dass es auch ethische Gründe gibt.

70 Prozent der dauerhaft Pflegebedürftigen werden zu Hause von Familienangehörigen gepflegt, dabei zu 66 Prozent von Ehefrauen und Töchtern. Ich selbst möchte von einem Ehemann in den besten Jahren berichten, der seine schwer an MS, also Multipler Sklerose, erkrankte Frau mit zunehmendem Schweregrad inzwischen wohl circa 20 Jahre pflegt, wohlgemerkt, bei beruflicher Vollbeschäftigung, lange Zeit jeden Tag rund um die Uhr bis zur eigenen völligen Erschöpfung und Erkrankung.

Meine Damen und Herren, vor diesem Menschen kann man nur Hochachtung haben. Diese Pflegebedürftigen und Pflegenden brauchen die Unterstützung der Solidargemeinschaft, wenn wir nicht die innere Auflösung häuslicher Pflege und Pflegebereitschaft riskieren wollen. Das ist sowohl ein ethisches als auch ein wirtschaftliches Problem. Wünschenswert wäre, wenn sowohl unsere Gesellschaft als auch die Wünsche der Betroffenen eine für beide Seiten gut tragbare Lösung finden könnten.

Wenn man derartig Betroffene, sowohl Pflegebedürftige als auch Pflegende, fragt, wie kann euch geholfen werden, damit ihr diese Dauerbelastung aushalten könnt, dann werden folgende Punkte immer wieder erwähnt:

1. häusliche Fachberatung und Hilfe beim Antragswe

sen, wenn ein Pflegefall auftritt – und dies passiert oft von heute auf morgen –,

2. Facheinweisung der Pflegenden, denn das sind meis

tens Laien,

3. die unbürokratische Unterstützung und Förderung

erforderlicher baulicher Maßnahmen im häuslichen Bereich,

4. die unbürokratische Anpassung der Pflegegradeinstu

fung an die Krankheitsentwicklung,

5. die dynamische Anpassung der Pflegegradvergütun

gen an die Pflegekostenentwicklung,

6. die Flexibilisierung des Einsatzes der bereitgestellten

finanziellen Mittel und

7. die ambulante Pflegeunterstützung und Kurzzeitpfle

ge durch institutionelle Anbieter, damit Pflegende auch einmal selbst Urlaub machen können von der Pflege.

Ja, ich bestätige, vieles davon ist mit den letzten drei Pflegestärkungsgesetzen bereits auf den Weg gebracht

worden. Politik und Solidargemeinschaft haben in den letzten 20 Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Doch wie heißt es so schön? Es bleibt viel zu tun.

Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Punkten des heute vorliegenden Gesetzentwurfes kommen.

Das Gesetz soll die strukturelle Situation in der Pflege weiter verbessern, insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Beratungsleistungen. Dies soll erreicht werden, indem der kommunale Spielraum bei der Planung und Koordination der Pflege ausgeweitet wird. Der Gesetzentwurf sieht drei Maßnahmen vor:

a) eine optionale Einrichtung regionaler Pflegeaus

schüsse durch die Kommunen,

b) ein Initiativrecht von Kommunen zur Errichtung von

Pflegestützpunkten und

c) die optionale Beteiligung an einem bundesweit aufge

setzten Modellvorhaben Pflege.