Protokoll der Sitzung vom 24.10.2018

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin hat begründet, warum der Gesetzentwurf heute eingebracht werden muss. Unter anderem hat sie dargestellt, dass die Neuordnung des Amtes ein Grund für die Gesetzesänderung ist. Ich habe durch meinen Zwischenruf schon deutlich gemacht, dass ich mich freue, dass die Landesregierung es nach nunmehr zwei Jahren der Neuordnung geschafft hat, hier einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, denn ein Organisationserlass ersetzt noch lange keine Gesetzgebung in diesem Land.

Insofern bin ich also froh, dass es heute diesen Gesetzentwurf gibt. Ich bin auch froh, dass mit dem Ge

setzentwurf die Bezeichnung der oder des Landesbeauftragten geändert wird, auch wenn ich mit der vorgeschlagenen Lösung nicht einverstanden bin. Ich bin deshalb froh, weil die Landesbeauftragte in ihren letzten Jahresberichten immer wieder diese Forderung erhoben hat, man möge die Bezeichnung ihrer Dienststelle endlich ändern, weil das Aufgabenspektrum erweitert worden ist. Auch hier hat es ziemlich lange gedauert, bis sich die Koalition bewegt, aber es liegt jetzt ein Vorschlag auf dem Tisch.

Was ich nachhaltig unterstreiche als gleichstellungspolitischer Sprecher meiner Fraktion, sind die Anpassungen zur sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Zur Klarstellung: Es sind redaktionelle Änderungen.

Wo ich aber stutzig geworden bin, Frau Ministerin und liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dann doch der Gesetzestext selbst. Da heißt es: „Dieses Gesetz regelt Stellung und Aufgaben der oder des Landesbeauftragten“.

Sie haben eben noch einmal die Aufgaben, die neu hinzugekommen Aufgaben beschrieben, die wir fast immer per Landtagsbeschluss der Landesbeauftragten übertragen haben – Stichwort „Dopingopferhilfe“, Stichwort „Heimkinder“.

(Hinter dem Präsidium fällt lautstark

eine Tischverblendung zu Boden. –

So schlecht war doch die Rede jetzt auch nicht, Herr Kollege. –

Unruhe auf der Regierungsbank –

Das war

eine harte Rede, Herr Ritter.)

Ich weiß nicht, was sozusagen in Zukunft noch an der einen oder anderen Stelle an notwendigen Aufgaben der Landesbeauftragten übertragen werden sollen. Ich finde aber von diesen neuen Aufgaben in diesem Gesetzestext kein Wort, es wird so nebulös davon gesprochen. Neue Aufgaben – das ist mir noch zu ungenau, weil das führt dann genau dazu, dass wir der Landesbeauftragten immer wieder neue Aufgaben übertragen, aber wenn es darum geht, sie sachlich und materiell auszustatten, wir immer lange Zeit brauchen, bis wir die notwendigen Dinge gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Also wäre es hier, glaube ich, sinnvoller – auch wenn wir im Zuge der Ausschussberatungen vielleicht noch einmal überlegen, wie wir den Punkt „Aufgaben“ anders, exakter formulieren können –, wenn wir sozusagen noch einmal eine Öffnungsklausel einbauen, denn es kann ja durchaus sein, dass uns neue Themen begegnen, die wir der Behörde übertragen wollen, und das ist dann mit dem Gesetz wieder nicht abgedeckt und wir müssen das über Haushaltsberatungen oder Ähnliches nachholen. Das also zum Paragrafen 1.

Beim Paragrafen 2 habe ich wirklich lange überlegt, warum das hier so steht. „Die oder der Landesbeauftragte berät und unterstützt Menschen, die unter der kommunistischen oder der SED-Diktatur … Leid und Unrecht erfahren haben“. Da hätte ich ganz gern mal eine Definition dafür, was die kommunistische Diktatur ist. Wie lange hat die kommunistische Diktatur gewirkt? Also wenn man schreibt, kommunistische oder SED-Diktatur, könnte man ja sagen, bis zum 22. April 1946, als die SED gegründet wurde, hatten wir die kommunistische Diktatur und dann die SED. Das erschließt sich mir nicht.

(Manfred Dachner, SPD: Wieso nicht? – Minister Harry Glawe: Diktatur des Proletariats, so haben Sie das doch genannt.)

Da war sozusagen der Wunsch Vater des Gedankens, dass das Wort „Kommunismus“ irgendwie auftauchen muss, denn die ursprüngliche Überlegung war ja, die Landebeauftragte dahin umzubenennen. Auch hier, denke ich, sollten wir noch einmal gemeinsam darüber nachdenken.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Wenn wir uns ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetzen, schlage ich vor, dass man darüber nachdenkt, in den Text reinzuschreiben: „Die oder der Landesbeauftragte berät und unterstützt Menschen, die Opfer von stalinistischer Verfolgung wurden.“ Das schließt die Zeiten des NKWD und des Hotels Lux genauso ein wie die Opfer in Fünfeichen, das schließt die Zeit der sowjetischen Besatzungszone genauso ein wie die Zeit der DDR. Vielleicht ist das so eine Brücke, über die wir gehen könnten. Und ich kann als Mitglied meiner Fraktion das in vollster Überzeugung hier so vorschlagen, weil der Bruch mit dem Stalinismus ein Gründungskonsens meiner Partei ist.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

Lassen Sie uns also darüber nachdenken, wie wir dieses Hilfskonstrukt …

(Manfred Dachner, SPD: Jaja, jaja!)

Herr Dachner, so als ehemaliges SED-Mitglied weiß ich nicht, ob es sinnvoll ist, hier mit einem Zwischenruf zu agieren.

Vielleicht bietet uns das die Chance, über neue Bezeichnungen dann das Aufgabenspektrum weiter zu fassen und auch Menschen in diesem Diskussionsprozess mitzunehmen.

Letzter Punkt, den ich sagen möchte: Wir haben mit unserem ersten Vorschlag, die Behörde „zur Aufarbeitung von DDR-Geschichte“ zu benennen, ja keine Zustimmung erfahren. Ich habe in der letzten Debatte zum Bericht der Landesbeauftragten dargestellt, warum ich das gern so hätte oder wir das gern so hätten, weil es aus unserer Sicht schon notwendig wäre, nicht nur die SED-Diktatur oder die in der Verfassung festgeschriebene Diktatur des Proletariats zu hinterfragen, sondern eben auch das Wirken von Blockparteien und Massenorganisationen. Das hat keine Zustimmung gefunden, das muss ich akzeptieren.

Ich sehe aber dann im Gesetzestext doch ein bisschen Licht am Horizont, wenn es dort nämlich heißt, wer Landesbeauftragter werden kann und wer nicht. Da heißt es in Paragraf 4 in Punkt 3, „wer … herausgehobene Funktionen in der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ – hier müsste man redaktionell noch mal arbeiten, denn „sozialistischen“ wird an der Stelle großgeschrieben, aber das nur nebenbei – „oder einer der Blockparteien, sonstigen Massenorganisationen oder gesellschaftlichen Organisationen oder im System der ehemaligen DDR ausgeübt hat“. Das wird sozusagen für mich Anlass sein zu hinterfragen, was herausgehobene Funktionen auch in den Massenorganisationen und Blockparteien sind.

Wer zum Beispiel Agitationssekretär in der FDJ war, kann möglicherweise für so eine Funktion nicht zur Verfügung stehen. Das finde ich interessant, das bietet für mich den Ausgangspunkt, sozusagen gemeinsam an der Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu arbeiten, die nach meiner festen Überzeugung eben mehr war als SEDDiktatur. Insofern freue ich mich auf die Auseinandersetzung zu diesem Gesetzentwurf im Rechtsausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich begrüße auf der Besuchertribüne eine Besuchergruppe aus Usedom. Herzlich willkommen!

Ich rufe auf für die Fraktion der CDU den Abgeordneten Herrn Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt schon mehrfach gehört, worum es in diesem Gesetz geht, eine, wie Herr Ritter sagt, längst fällige Änderung des Namens der Landesbeauftragten. Das ist in der Tat so. Und dann, wir alle wissen das – darauf sind auch Herr Friedriszik und die Ministerin schon sehr ausführlich eingegangen –, dass wir den Landesbeauftragten oder jetzt die Landesbeauftragte in den letzten Jahrzehnten, kann man ja schon bald sagen, immer mit neuen Aufgaben betraut haben. Zwei sind ganz virulent zurzeit, die Dopingopfer und auch die Heimkinder. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir das Gesetz an der Stelle ändern, das hier auch abbilden und somit das Tun und Machen der Landesbeauftragten zukunftsfest machen.

Und dann ist es natürlich – darauf muss ich jetzt eingehen, Herr Ritter – immer der Streit um den Namen. Wir finden und unterstützen es auch so, wie es dort steht. Das ist ja quasi auch im Konsens mit der Landesbeauftragten besprochen worden. Es ist sicherlich immer ein weites Feld und ein weites Wirken. Ich weiß, Herr Ritter, dass Sie das mit der SED-Diktatur gern auch immer auf die Massenorganisationen und auf die Blockparteien mit gesehen haben wollen. Für mich wäre das immer ein Stück weit Relativierung, weil am Ende ging alles von der SED-Diktatur aus.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Das war so und das kann auch kein anderer sagen. Deshalb gehören natürlich die Massenorganisationen dazu und deshalb kann das ja trotzdem mit beleuchtet werden. Wovor wir uns als CDU-Fraktion aber schützen und wovor wir auch die Opfer schützen wollen, ist, dass das in irgendeiner Form hier relativiert wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist nicht meine Absicht, das ist nicht meine Absicht. – Dr. Ralph Weber, AfD: Die wollen sich selbst schützen.)

Deshalb finden wir es gut, dass das hier so klar benannt wird, und wir werden das auch weiterhin unterstützen und dabei bleiben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die BMVFraktion wird der Überweisung des Gesetzentwurfes in die Ausschüsse zustimmen. Die Aufarbeitung der DDRVergangenheit hat sich seit der Wende gewandelt. Mit dem neuen Gesetz und einem neuen Namen für die zuständige Behörde wird darauf reagiert. Die Landesbeauftragte verwaltet keine Stasiunterlagen, wie es der alte Titel suggerieren mag. Ihr Auftrag ist es, DDR-Unrecht aufzuarbeiten. Und das tut sie in beachtlichem Umfang, das wissen wir aus jährlichen Unterrichtungen, aus den Anhörungen in den Ausschüssen und wenn wir die Angebote, Veröffentlichungen und Veranstaltungen der Behörde sehen. Im Gesetzentwurf wird ausgeführt, der Tätigkeitsschwerpunkt der Landesbeauftragten sei die, Zitat, „Beratung der Betroffenen“, Zitatende.

Über die Notwendigkeit dieser Arbeit dürfte heute Konsens herrschen. Das war vor 25 Jahren, als das Gesetz erstmals erlassen wurde, noch anders. Damals ging es vorrangig um Material, darum, Unrecht in Akten zu bewahren und zu verwalten, auch um Schuldfragen zu klären. So kann man es im Plenarprotokoll der Debatte in diesem Hause vom 11. November 1992 nachlesen.

Nun sind die Opfer im Fokus. Die Zahl ihrer Anfragen ist weiterhin hoch. Im vergangenen Jahr wurden wieder über 1.000 Anfragen an die Behörde gerichtet. Die Beratung von Opfern ist zumeist eine stille Arbeit. Das heißt, die Öffentlichkeit und auch wir bekommen davon nicht so viel mit. Sie ist aber für die einzelnen Opfer wichtig. Und individuelle Opferbiografien können nicht im Akkord auf- und abgearbeitet werden. Deshalb wünsche ich mir, dass wir uns nicht nur über ein Gesetz auf dem Papier kümmern, wo wir die vielfältigen Aufgaben ausdifferenziert ausführen und die Beratungsfunktion und Stärke hervorheben, wir müssen die Behörde vor allem personell so ausstatten, dass sie ihrem Beratungsauftrag vollumfänglich nachkommen kann. Und hier fehlt nach wie vor eine Stelle, eine volle Beraterstelle, das möchte ich noch einmal hervorheben. Wir hatten bereits hierfür in den letzten Haushaltsberatungen einen Antrag eingebracht.

Die Behörde der Landesbeauftragten ist de facto also eine Anlauf- und Beratungsstelle. Hier wird dieses direkte Beratungsangebot, insbesondere für die Opfer, im Titel der Behörde nicht deutlich genug. Aber hier siegt wohl der Pragmatismus. Der Titel ist lang genug und andere Länder haben längst vorgelegt und weitestgehend die Bezeichnung „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ eingeführt. Wenn wir der Behörde große zusätzliche Aufgaben übertragen, wie die Beratung der DDR-Doping-Opfer oder die Mitwirkung am Konzept für den Gedenkort für die friedliche Revolution, dann müssen wir laut Gesetz die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung stellen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Drei Punkte möchte ich aber ansprechen, die bisher nicht angesprochen wurden. Was ich in den Ausschüssen noch hinterfragen möchte: Ist zum Beispiel die Amtszeitbegrenzung der Leiterin der Behörde und vor allem die einmalige Wiederwahl möglich? Ich konnte auch in den Gesetzesmaterialien für diese beiden Punkte keine Begründung finden und möchte das noch einmal hinterfragen. Ich sehe hier keinen Grund, warum die Landesbe

auftragte nicht länger als zwei Amtszeiten eine Behörde leiten sollte, wenn, wie gesagt, wie wir dies hier schon einmal in der Landtagsdebatte hatten, sogar die Ministerpräsidentin theoretisch endlos Ministerpräsidentin sein könnte, es also keine Amtszeitbegrenzung gibt. Außerdem ist mir nicht klar, was auch geregelt in dem Gesetz ist, dass der Behördenleiter oder die Behördenleiterin in unserem Fall ihren ständigen Wohnsitz vor 1989 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gehabt haben sollte.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ein bisschen Ortskenntnis wäre schon nicht schlecht.)

Auch dafür konnte ich bislang in den Gesetzesmaterialien keine objektiven Gründe finden. Darauf würde ich gern im Ausschuss noch mal näher eingehen, sodass ich mich auf die Ausschussberatungen freue. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Professor Dr. Weber.

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste, nicht nur von der Insel Usedom, sondern aus Wolgast, Lubmin und Greifswald, und vor allem liebe Freunde von der Bürgerinitiative für das Krankenhaus in Wolgast!

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Schon allein deswegen hat er sich noch mal gemeldet.)