Protokoll der Sitzung vom 21.11.2018

Lassen Sie mich Ihnen einige Zeilen aus der FAZ vorlesen, die aus meiner Sicht gut dazu passen. Sie stammen aus einem Plädoyer des Rocksängers Bono für Europa aus dem vergangenen August. Ich zitiere mit Einverständnis der Präsidentin: „Europa ist die Bühne für den Konflikt mächtiger und emotionaler Kräfte, dessen Ausgang unsere Zukunft bestimmen wird. Ich spreche von unserer Zukunft, weil es unbestreitbar ist, dass wir alle im selben Boot sitzen – auf stürmischer See, aufgewühlt durch extremes Wetter und extremistische Politik.“ Zitatende.

Diese Status-quo-Beschreibung untermauert, warum dieser Antrag in eine gute und gewinnbringende Richtung weist, warum er Unterstützung verdient, denn ein gelingender europäischer Integrationsprozess fußt nicht zuletzt auf Begegnung. Und Bono schreibt weiter, ich zitiere mit Einverständnis der Präsidentin: „Das Wort Patriotismus wurde uns von Nationalisten und Extremisten gestohlen, die Uniformität fordern. Doch wirkliche Patrioten streben nach Einheit oberhalb von Homogenität. Dies wieder zu bekräftigen, ist für mich das eigentliche Projekt Europa.“ Zitatende.

Die Landesregierung unterstützt die Schulen schon jetzt intensiv dabei, ihren Schülerinnen und Schülern Erfahrungen im Ausland zu ermöglichen, indem wir etwa den Schüleraustausch – Andreas Butzki hat darauf schon Bezug genommen – zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Ost- und Südeuropa sowie Israel fördern und außerdem die Schulen beraten und dabei begleiten, das EUProgramm Erasmus+ zu nutzen. Ebenfalls schon jetzt beraten wir die Schulen initiativ und ausführlich zu den Fördermöglichkeiten, die es gibt, zum Beispiel bei den Schuldienstleiterberatungen, via Ausschreibung, über die Schulämter oder auf Informationsveranstaltungen.

Ich bin aber gerne bereit – und das sage ich hier ausdrücklich –, über zusätzliche Wege nachzudenken, erst recht, wenn sich die Optionen für die Schulen künftig mehren sollten. Aber nicht nur wir sind hier aktiv, sondern vor allem auch die Schulen selber und viele einzelne engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die langjährige Kontakte in bestimmte Länder pflegen, sei es durch eine persönliche Affinität oder motiviert durch die Fremdsprachen, die die jeweiligen Schulen anbieten. Es gibt zahlreiche Schulpartnerschaften im Land, allein im Schulamtsbereich Greifswald sind es 22 mit polnischen Schulen.

Meine Damen und Herren, Jugendwerke wie das Deutsch-Französische oder das Deutsch-Polnische sind gewachsene Institutionen, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben und die ihren Teil zur interkulturellen Verständigung beitragen. Es ist allerdings kein Automatismus, dass diese Existenz eines Jugendwerks die Förderung von Schüleraustausch impliziert. Das DPJW etwa hat lange darum gerungen. Es kommt also darauf an, wie wir neu zu gründende Jugendwerke am Ende ausstatten und ausgestalten. Grundsätzlich ist es aber sicherlich wünschenswert, wenn sich das Netz der Jugendwerke weiter ausdehnt. „Ausdehnen“ ist auch ein gutes Stichwort, wenn es um die Zukunft von Erasmus+ geht. Der Entwurf der Europäischen Kommission für den mehrjäh

rigen Finanzrahmen sieht vor, dass das Programm nahezu verdoppelt wird auf 20 Milliarden Euro. Sollte es so kommen, betont das den Wert der Jugendbildungsarbeit und erweitert die Palette der Schüleraustausche, indem künftig auch ein Gruppenaustausch möglich sein soll.

Wenn wir nun über den Rand dessen schauen wollen, was bislang geht, wenn wir unseren Schülerinnen und Schülern Kontakte und Begegnungen in zusätzliche Staaten in Nord- und Osteuropa zugänglich machen wollen, dann kann ich das nur unterstützen. Solche Erfahrungen sind unersetzlich, nicht nur um ein Gefühl für Europa und seine Werte zu bekommen, sondern auch, um eins für den eigenen Platz in diesem Europa und die eigene Identität zu entwickeln. Ich selbst war Studentin des Erasmus-Programms und habe es als eine sehr, sehr wertvolle Zeit empfunden mit vielen Eindrücken, mit vielen Erfahrungen, vielen Begegnungen mit Menschen aus anderen Ländern. Und ich möchte Ihnen ganz deutlich an dieser Stelle sagen, ich finde die Vielfalt, die uns Europa bietet, gut.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Ich finde diese Vielfalt insofern gut, als dass verschiedene Kulturen zusammenkommen, verschiedene Nationalitäten zusammenkommen, verschiedene Menschen zusammenkommen mit unterschiedlicher Sprache und das dazu dient, dass wir mehr Verständnis füreinander haben und voneinander haben. Ich möchte Ihnen ganz herzlich und dringend raten, stimmen Sie diesem Antrag zu, denn Europa ist ein hohes Gut, um das wir sehr lange gerungen haben, für das wir hoffentlich auch alle stehen sollten! Europa hat Grenzen geöffnet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen – Sie haben es vielleicht auch an meinen letzten Sätzen gehört –, ich bin bekennende Europäerin und ich würde mir wünschen, dass wir alle in diesem Haus dieses Bekenntnis ablegen würden, denn Europa ist für mich ein Gewinn. Europa ist mehr als ein Staatenzusammenschluss. Europa ist für mich ein Gefühl, von dem, wie ich persönlich leben möchte. Ich möchte in Europa leben, weil Europa für mich ein Geist ist, den es auch weiter zu pflegen gilt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Peter Ritter, DIE LINKE)

Gestatten Sie mir, zum Abschluss Joachim Gauck zu zitieren, weil ich finde es sehr treffend, was er gesagt hat. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: „Mehr Europa zu denken, mehr Europa zu gestalten – dazu sind wir gerade heute wieder aufgerufen. Denn nur indem wir Ängste überwinden, werden wir unserer Verantwortung für Europa gerecht.“

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist vielleicht heute ein kleiner Antrag mit Blick auf Europa, aber ich finde, es ist ein wichtiger Antrag für Europa, denn Europa – noch mal, ich sage es ganz deutlich – ist für mich mehr als ein Staatengebilde, es ist etwas, was von Herzen kommt. Und ich wünsche mir für unsere Schülerinnen und Schüler, dass sie diesen europäischen Gedanken vor Ort erleben dürfen, und dazu gehört ein Austausch mit anderen europäischen Ländern. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schneider.

Wertes Präsidium! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste! Liebe Landsleute! Internationale Jugendaustausche in Form von Jugendbegegnungen, Schüleraustauschen, Schulbesuchen im Ausland, Freiwilligendiensten und diverse andere Formen gab es und gibt es bereits in vielfältiger und großartiger Form und Fülle. Das trägt zum gegenseitigen Kennenlernen und Verstehen der Jugendlichen aus unterschiedlichen kulturellen Prägungen und damit letztlich zur Völkerverständigung bei und sollte unbedingt gefördert werden.

Der vorliegende Antrag nimmt nun insbesondere zwei Ländergruppen in den Blick – die nord- und die osteuropäischen. Das ist aufgrund der geografischen Lage unseres Bundeslandes als Ostseeanrainer im Wesentlichen sehr sinnvoll. Mit allen der hier zugehörigen Länder gab es von Deutschland aus bereits Jugendbegegnungen, vor allem in Form von Schüleraustauschen. Letztere sind ein besonderer Gewinn für die Jugendlichen, lernen sie doch dabei hautnah in einer Familie und Schule des Austauschstaates die dortige Kultur und hoffentlich auch ein wenig die Sprache kennen.

Die von unserem Bildungsministerium erlassene Verwaltungsvorschrift – die Ministerin sprach es an –, genauer die Verwaltungsvorschrift zur Förderung von projektorientierten Begegnungen zwischen Schulen in MecklenburgVorpommern und Staaten Mittelosteuropas, Südosteuropas sowie Israel im Rahmen von Schulpartnerschaften vom 16. März 2016 regelt bereits jetzt die Förderung von Gruppenaustauschen von Schülern in alle osteuropäischen, einschließlich der baltischen Länder. Die dafür möglichen Zuwendungen sind freilich durch die vorhandenen Haushaltsmittel beschränkt und stellen daher auch keinen Rechtsanspruch dar. Hier wären sicherlich Nachbesserungen zu prüfen, zumal nicht alle Kosten abgedeckt werden.

Auch der Schüleraustausch mit den nordeuropäischen Ländern müsste noch entsprechend geregelt werden. Ebenso stoßen längere Schulbesuche im Ausland noch oft auf die ungeklärte Frage der Finanzierung und können gelegentlich auch in Enttäuschungen bei gleichzeitigem Verlust eines Schuljahres enden. Deshalb ist auf diesem Gebiet noch viel zu tun. Wir unterstützen den vorliegenden Antrag, gerade auch in Anbetracht der Länder, auf die er sich bezieht.

Mit den skandinavischen Ländern Norwegen, Schweden und Dänemark lernen die Jugendlichen wirtschaftlich prosperierende Staaten kennen, die auch vielfältige Probleme bewältigen, obwohl oder vielleicht gerade weil sie eigene Währungen und nicht den Euro haben. Sie lernen auch Staaten mit anderen Regierungsformen kennen, zum Beispiel der parlamentarischen Monarchie, und beginnen, aus einer neuen Perspektive über unsere parlamentarische Demokratie zu reflektieren. Mit Norwegen und mehreren osteuropäischen Staaten – beispielhaft seien genannt Russland, die Ukraine, Weißrussland und Moldawien – lernen sie außerdem Länder kennen, die nicht zur EU gehören. Sie erfahren – und das ist ein

wesentlicher Punkt der hier in den Debatten auch immer wieder vermengt wird –, dass die EU und Europa eben nicht deckungsgleich sind

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

und man sich durchaus auch außerhalb der EU noch in Europa und seiner abendländischen Kultur befindet.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach was?!)

Die Verfasser des vorliegenden Antrages der SPD und CDU scheinen sich dieses terminologischen Unterschieds nicht bewusst gewesen zu sein oder sie haben ihn absichtlich gewählt, wenn sie in der Antragsbegründung antieuropäische Tendenzen beklagen, damit aber doch wohl nur die Kritik an der EU meinen.

(Marc Reinhardt, CDU: Niemals!)

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Kritik an der EU ist nicht mit einer antieuropäischen Haltung zu verwechseln, Herr Reinhardt! Das sollten Sie langsam verstanden haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Marc Reinhardt, CDU: Niemals! – Zuruf von Horst Förster, AfD)

Insgesamt trägt der Jugendaustausch zu interkultureller Bildung sowie zur Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen bei. Er erweitert ihren Horizont und ihr Verständnis für die Kultur und Denkweisen anderer Völker und führt sie im Austausch mit Jugendlichen anderer Staaten, die auf ihre Nationen stolz sind, auch wieder an die Begriffe und das Wesen von Nationalgefühl und nationaler Identität heran. Sie lernen, bestimmte Modeerscheinungen des Zeitgeistes, wie das Gender-Mainstreaming und die so oft propagierte multikulturelle Gesellschaft, kritisch zu hinterfragen. Hier können die Jugendlichen im Meinungsaustausch zu aktuellen Fragen, wie zum Beispiel der Migrationskrise, zu differenzierteren Einsichten gelangen. Der geförderte interkulturelle Austausch dürfte hier besonders fruchtbar sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Als Beispiel sei die gute Arbeit des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes genannt, das gerade auch zum Abbau von Vorurteilen gegenüber unserem Nachbarland unter seiner nationalkonservativen Regierung beigetragen hat. Vorurteil …

Herr Abgeordneter, einen Moment! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dachner?

Kommt auf die Zwischenfrage an, aber, Herr Dachner, bitte gerne.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Freie Wähler/BMV – Marc Reinhardt, CDU: Das weiß man vorher nicht.)

Meine Frage lautet: Wie kommen Sie zu der Auffassung, dass der Antrag der SPD und CDU sich ausschließlich auf die EU konzentriert? Es steht doch im Antrag, es geht um Nord- und Osteuropa. Damit ist nicht nur die EU gemeint.

Dann haben Sie mir nicht zugehört …

Ich habe sehr deutlich zugehört.

Nee, nee, ich habe nicht davon gesprochen. Es geht darum, dass wir unterscheiden zwischen EU und Europa,

(Andreas Butzki, SPD: Das haben wir auch im Antrag. – Marc Reinhardt, CDU: Haben wir auch.)

dass das für uns eben nicht deckungsgleich ist und dass wir natürlich sagen, wenn es nach Norwegen geht, dass es dann in Länder geht außerhalb der EU. Das ist uns sehr wohl bewusst.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Ja, selbstverständlich! Es bleibt ja auch dabei.

Einen Moment bitte!

(allgemeine Unruhe)

Einen Moment bitte! Ich gehe zunächst davon aus, …

Wars das jetzt?

… dass Herr Dachner eine weitere Frage stellen möchte. Möchten Sie das zulassen?