Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

(Henning Foerster, DIE LINKE: Die müssten natürlich angehoben werden.)

Konsequenterweise müssten wir dann auch andere Dinge beachten.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Dann sind Sie aber bitte auch so konsequent und fordern, dass am besten doch gleich alle Löhne staatlich festgelegt werden und die Löhne und die Preise zusammenhängen! Das könnte auch nach den jeweiligen Preisen erfolgen, die Sie erfolgreich zu DDR-Zeiten festgelegt haben und die am Ende die Pleite des Sozialismus und des Staates DDR mit begünstigt haben. Diese Erfahrung wollen wir nicht. Wir wollen weiterhin die soziale Marktwirtschaft, wir wollen dann auch Freiheit und wir wollen die Festlegung der Dinge so gestalten, dass wir Arbeitnehmer und Arbeitgeber an der Entscheidung mitwirken lassen und die Tarifparteien.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur empfehlen, diesen Antrag in diesem Hause nicht anzunehmen und dafür zu sorgen, dass der Mindestlohn weiterhin nach den Grundsätzen, die der Deutsche Bundestag festgelegt hat, verkündet wird – mit einer Empfehlung der Mindestlohnkommission an das Ministerium für Arbeit und Soziales der Bundesregierung. Dieser Mindestlohn gilt dann. Er steigt jedes Jahr. Aber 12 Euro, das ist auch, glaube ich, mit den Kollegen von der SPD nicht zu machen, zumal die Zuständigkeit beim Bund liegt und nicht beim Land Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Lerche.

Sehr geehrte Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürger im Lande! Gäste sind keine mehr. Ja, nach der Rede des Ministers könnte ich jetzt eigentlich meine Rede wegpacken.

(Zurufe vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE: Sehr gut!)

Ich versuche es trotzdem, so kurz wie möglich zu machen.

Liebe Linksfraktion, die politischen Maximalforderungen an die Landesregierung im letzten Plenum scheinen bei Ihrer Wählerbasis gut angekommen zu sein. Nun wollen Sie natürlich eine Schippe drauflegen und im Sinne der zweckrationalen Wahlentscheidungskomponente Ihrer Wähler hohe Forderungen an die Wirtschaft stellen. Der Antrag gehört formaljuristisch eigentlich in den Bundestag und die Debatte um die Höhe der Mindestlöhne in die Wirtschaftsinstitute.

Allerdings kann ich Sie verstehen. Das Thema wurde auf der Bundesebene von den Sozis weggeschnappt, die wieder einmal kurz geblinkt haben. Und Wirtschaftsinstitute scheinen LINKE lieber zu meiden wie der Teufel das Weihwasser. Von daher nehme ich es Ihnen nicht übel, wenn Sie hier im Landtag bundesweite Forderungen ohne schriftlichen Begründungstext liefern. Ein Satz hätte allerdings eigentlich gereicht: Wir wollen 12 Euro Stundenlohn für alle ohne Ausnahmen und mehr Kontrollen.

Da Sie keine schriftliche Begründung hinterlassen haben, ging ich bei der Ausarbeitung der Rede davon aus, dass Sie wieder mal nur die Arbeitnehmerperspektive im Sinn haben. Die Arbeitgeberfinanzen oder die Verbrauchersicht werden beim Kampf um höhere Löhne selten berücksichtigt. Darauf fußen wohl auch einige der populärsten Wirtschaftsirrtümer, die man bei der Analyse der Auswirkungen des Mindestlohns findet.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Zu den Irrtümern in Sachen Mindestlohn sage ich noch was in der Debatte.)

Es ist zum Beispiel immer wieder beachtlich, wenn das Streben eines Betriebes, Personal zu schonen und Kosten zu senken, als Ausbeutung im marxistischen Sinne dargestellt wird, die es zu verhindern gelte. Durch einen Mindestlohn entstehen nämlich nicht nur die sichtbaren finanziellen Vorteile für einen Arbeitnehmer und Nachteile für einen Arbeitgeber, es gibt eine Unzahl an anderen Auswirkungen, und das erkläre ich Ihnen jetzt noch mal.

Rein nominal steigen die Löhne für einen Arbeitnehmer. Dies scheint auf den ersten Blick besser. Ein Unternehmen wird aber in verschiedenen Weisen darauf reagieren. Sowohl auf der betriebswirtschaftlichen als auch auf der volkswirtschaftlichen Ebene wird es zu verschiedenen Veränderungen kommen. Die erste Option wäre die Erhöhung der Arbeitsintensität. Selbst Karl Marx – ich denke, dieser umstrittene Philosoph dürfte der LINKEN bekannt sein – sah die rein monetäre Entlohnung nicht

als entscheidend an. Er definierte Arbeitskraft als, ich zitiere, körperliche und geistige „Fähigkeiten, die in der Leiblichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgendeiner Art produziert“. Zitatende.

Ein Unternehmen, welches gezwungen wird, mehr Lohn zu zahlen, kann die entsprechenden Forderungen auf die Arbeitskräfte umlegen. Das soll heißen, dass die körperlichen und geistigen Fähigkeiten stärker in Bewegung gesetzt werden. Ein Arbeitnehmer wird angehalten, mehr Leistung zu zeigen. In einem kleinen Nagelstudio zum Beispiel wird die Zahl der zu bearbeitenden Kunden erhöht werden.

(Heiterkeit bei Christian Brade, SPD: Da kennen Sie sich ja aus, ne?!)

Statt acht Kunden zu bedienen, wird die Studiobesitzerin ihrem Angestellten sagen, dass er fortan neun Kunden täglich verschönern soll. Das wäre eine naheliegende, mitarbeiterorientierte Option.

Mehr Geld, dafür mehr Leistung abverlangen, klingt fair. Volkswirtschaftlich könnte dieses Vorgehen ein Nullsummenspiel bilden. Unter der hypothetischen Annahme, dass alle Unternehmer mehr Geld gegen mehr gleichbleibend motivierte Leistung eintauschen und die Nachfrage im gleichen Maße anwächst, wären wir hier alle glücklich. Leider befinden wir uns nicht in Venezuela, wo das gerade so wunderbar funktioniert. Dort hat Präsident Nicolás Maduro eine Erhöhung des Mindestlohns seit dem 20. August um das 60-fache durchgesetzt. Kann man machen.

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

Die zweite Option wären die Stundenkürzung, die Personalfreisetzung oder eine Nichteinstellung. Setzt man fest, dass beispielsweise nun 12 statt 10 Euro gezahlt werden müssen, dann klingt das erst einmal wenig. 2 Euro mehr pro Stunde sind aber eine mathematische Relativierung. Hochgerechnet auf einen 60-Stunden-Monat sind das 360 Euro mehr Gehalt. Klingt schon einmal nach mehr. Hinzu kommen die Arbeitgeberanteile für Sozialabgaben. Aus den 310 Euro Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben werden plötzlich 372 Euro im Monat. Ich spreche hier jetzt noch nicht einmal von Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. Die jährliche Gesamtbelastung des Arbeitgebers für eine einzige Angestellte steigt in dem Beispiel insgesamt von 22.920 auf 27.504 Euro. Das sind fast 4.600 Euro mehr Personalkosten im Jahr bei einer Angestellten.

Wenn man sich anschaut, was nach Steuern bei einem Kleinunternehmer bleibt, dann ist das schon happig. Da müssen Sie gar nicht groß recherchieren. Schauen Sie zum Beispiel mal in der Stichprobe bei www.gehalt.de nach! Etwa 50 Prozent der Unternehmer aus Mecklenburg-Vorpommern haben ein Einkommen zwischen circa 36.000 und 62.000 Euro im Jahr, 25 Prozent der Selbstständigen verdienen weniger als 36.000 Euro jährlich. Und jetzt erklären Sie einem kleinen Kioskeigentümer, der 30.000 Euro im Jahr verdient, dass er für seine Angestellte 4.600 Euro im Jahr mehr blechen soll! Da verdient seine Angestellte bald mehr als er. Er wird ihre Stunden kürzen, sie in die Kündigung drängen oder sie entlassen und die Familienmitglieder werden dort mithelfen.

(Zuruf von Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Aber cui bono? Richtig, wem nützt es? Der Kioskkette, die sich der Steuer entzieht, ihren Hauptsitz gerade immer dorthin verlegt, wo die geringsten Steuern anfallen,

(Andreas Butzki, SPD: So ist es in Schwerin.)

da die so lange aushalten kann, bis der Kleinkiosk dichtmacht, um dann seinen Kundenstamm zu übernehmen. Wäre ich Kioskketteneigentümer oder Aktionär, ich würde 15 Euro Mindestlohn fordern.

Lassen Sie uns von der betrieblichen auf die volkwirtschaftliche Ebene kommen. Dass ein staatlicher Zwang zur Erhöhung der Löhne einzig und allein die Gewinne der Eigentümer betrifft und keine Auswirkungen auf die Beschäftigung hat, ist, kurz gesagt, unwahrscheinlich. Es ist wahrlich eine romantische Schwärmerei von ewig kindlichen Sozialisten.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Es dürfte doch jedem klar sein, dass ein Mindestlohn ab einer gewissen Höhe Arbeitslosigkeit verursachen wird. Ob dieser Lohn nun bei 8 Euro, 9,19 oder 12 oder 13 Euro liegt, darüber lässt sich streiten, aber ein Mindestlohn von, sagen wir einmal, 30 Euro wird ganz sicher zu Arbeitslosigkeit führen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Na, wer fordert denn den? Was ist das denn für ein Unsinn?! – Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Lerche fordert den.)

Ich hoffe, dass mir die zuhörenden Sozialisten hier zustimmen. An die unterschiedliche Kaufkraft, Nachfrage und verfügbare Geldmenge in den einzelnen Bundesländern beziehungsweise Regionen denke ich da gar nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, bei Lerche klappt das immer.)

Ich hoffe, dass Sie mir folgen können, wenn ich Ihnen sage, dass auch ein Mindestlohn von 10 Euro für manch eine Unternehmerin in Putgarten zu hoch ist. Fragen Sie doch zum Beispiel mal Ihre Parteikollegin Kerstin Kassner, die Bundestagsabgeordnete, die laut „Ostsee-Zeitung“ zu wenig Einnahmen hatte, um ihren drei Angestellten einen 10-Euro-Mindestlohn zu zahlen!

(Patrick Dahlemann, SPD: Das ist doch ein ganz alter Hut. Lang, lang ist es her.)

Anders sieht das im Süden der Republik aus.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Schon verkauft. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Dort ist wahrscheinlich ein betriebsinterner Mindestlohn von 15 Euro in der Automobilindustrie selbstverständlich, ohne jegliches Bundesgesetz.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Die müssen jetzt ja auch sparen.)

Warum soll man also einen so hohen bundeseinheitlichen Mindestlohn festlegen? Vielen kleinen Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern bringt das jedenfalls viel Ärger.

Darüber hinaus hängt die Entlohnung natürlich noch von der Branche ab. In zahlreichen wichtigen Branchen gibt es ohnehin höhere Tariflöhne. Angebot und Nachfrage regeln dort die Löhne. Wie soll man einem Handwerker – und da werde ich konkret, „Medienspiegel“, 450 Maler und Lackierer in der Region bekommen mehr Geld, das ist hier in der Mecklenburger Seenplatte, „Ein Malergeselle“ bekommt im nächsten Jahr „15,87 Euro“ pro Stunde, die freuen sich –, wie soll man diesem Handwerker, der nun 15,87 Euro Tariflohn erhält, erklären, dass der Praktikant, der Azubi, der Ferienhelfer nun fast genauso viel erhält wie er?

Und wie sieht es aus bei typischen nicht tariflichen Branchen? Diese sind meist sehr wettbewerbsintensiv. In stark wettbewerbsabhängigen Branchen wird ein Mindestlohn allerdings die Arbeit nicht besser machen. Zum Beispiel bei Pizzalieferdiensten kann der Unternehmer die Mehrkosten nicht einfach auf die Pizza umschlagen.

(Thomas Krüger, SPD: Warum nicht? Wenn alle das machen müssen?!)

Er würde sofort Kunden verlieren. Das ist doch logisch.

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

Ein weiterer Punkt ist die Abwanderung.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Meist volkswirtschaftlich gar nicht erfasst sind die Abwanderungen von Betrieben oder die gar nicht erst eingestellten Arbeitnehmer.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)