Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

wo die Erzieherinnen und Erzieher Wertschätzung erfuhren und Anerkennung.

(Der Abgeordnete Peter Ritter pfeift.)

Unsere Erzieherinnen und Erzieher geben wirklich alles, um unsere Wünsche umzusetzen – jeden Tag. Dafür haben Sie die Anerkennung und Hochachtung meiner Fraktion. Deshalb macht es mich traurig, dass wir ihnen seit Jahren immer mehr aufbürden, immer mehr in den Rucksack legen, aber auch an der anderen Stelle nicht die ausreichende Zeit geben und ihnen, im Gegenteil, noch Zeit genommen wird, dass sie scheinbar allein und im Stich gelassen werden, weil die dringend notwendigen Verbesserungen nicht durchgeführt werden.

Warum? Die Begründung ist, dass wir nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher haben, um die Qualitätsstandards zu erhöhen, sprich, Gruppen zu verkleinern. Es wurde trotz entsprechender Anträge, unter anderem von der Linksfraktion, verpasst, frühestmöglich umzusteuern und mehr Ausbildungsplätze an den Fachschulen und den Hochschulen einzurichten, denn die Bewerber sind da.

Was machen wir stattdessen? KiföG-Novelle für KiföGNovelle werden immer neue Berufsgruppen als Fachkräfte definiert, um sagen zu können, wir haben eine Fach

kräftequote von über 90 Prozent. Verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch, nichts gegen Kinderpfleger, Hebammen oder Musikpädagogen, aber sie haben ihren Beruf gelernt und sind eben nicht staatlich anerkannte Erzieherin und Erzieher.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das ist wie mit den Seiteneinsteigern.)

Um der Fachkraftquote gerecht zu werden, werden immer neue Berufsfelder als Fachkräfte definiert. Wir finden, das ist der falsche Weg. Wenn wir Fachkräfte haben wollen, dann müssen wir sie auch ausbilden. Das ist ganz einfach.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber nein, infolge des sich abzeichnenden Fachkräftemangels wurden nicht etwa mehr Ausbildungsplätze an den Fachschulen eingerichtet, sondern die Antwort von SPD und CDU war die Einführung einer Ausbildung, die auch noch den Erzieherinnen und Erziehern übergehalst wird und deren Situation weiter verschlimmert wird. Seit zwei Jahren gibt es die Ausbildung für die Erzieher von null bis zehn Jahren. Dass wir immer mehr von der akademischen Ausbildung für Fachkräfte abrücken, lasse ich jetzt mal außen vor, aber wir lassen die Erzieherinnen und Erzieher auch hier wieder mit dieser Ausbildung alleine.

Die Auszubildenden, die eben keine Fachkräfte sind, werden zu 40 Prozent auf den Fachkräfteschlüssel angerechnet. Sie werden als Fachkräfte einer Kita behandelt. Es wird so getan, als wären sie schon längst die Fachkräfte, obwohl sie sich noch in der Ausbildung befinden. Und zu all dieser Dreistigkeit haben die ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher diese Auszubildenden noch neben ihrem ohnehin schon vollen Arbeitstag weiter auszubilden und anzuleiten. Zumindest hier sieht der Gesetzentwurf eine kleine Verbesserung vor, dass die Ausbilder jetzt dafür eine Anerkennung in Form von 150 Euro pro Monat für den ersten Auszubildenden bekommen und für jeden weiteren 50 Euro. Deshalb sagen wir, wir müssen schnellstmöglich eine Qualitätsoffensive starten. Wir dürfen auf den Fachkräftemangel nicht durch immer weitere Senkung der Standards reagieren.

In vielen europäischen Ländern ist der Erzieherberuf ein akademischer Beruf mit Universitätsausbildung. Auch wir haben Ausbildungen an Hochschulen, Fachschulen und Berufsschulen. Wir haben da einen ganz bunten Mix an Ausbildung.

Ich habe am Samstag auf dem Kindergartentag Stimmen vernommen, die meinten, als es noch genug Erzieherinnen und Erzieher gab, haben wir die Ansprüche höher und höher gesetzt. Jetzt, wo wir sehen, dass wir zu wenig Erzieherinnen haben, müssen wir halt die scheinbar zu hoch gesetzten Standards senken, heißt, die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher umgestalten, Kinderpfleger et cetera als Fachkräfte zulassen. Das finde ich ganz ehrlich gesagt die falsche Debatte.

Ja, wir haben den Fachkräftemangel, aber er kam nicht plötzlich über uns, sondern er zeichnete sich seit Langem ab. Bereits 2011 haben wir als Linksfraktion auf den auf uns zurollenden Fachkräftemangel hier im Parlament aufmerksam gemacht. Wir haben es wieder getan 2013, 2015, immer wieder. Sie, sehr geehrte Damen und Her

ren von SPD und CDU, haben es ignoriert, unsere Aufforderung zur Aufstellung einer realitätsnahen Ausbildungsplatzplanung ignorant abgelehnt.

Ich erinnere mich an die Debatte mit dem damaligen Bildungsminister, Herrn Brodkorb, der mich 2015, also vor vier Jahren, fragte, was wir denn nun machen sollten, wenn man das Problem des Fachkräftemangels anerkenne.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wusste er das nicht alleine?!)

Nun, Herr Brodkorb, hätten wir damals die Weichen für mehr Ausbildungsplätze gelegt, hätten wir heute schon die ersten zusätzlichen Erzieherinnen und Erzieher und würden uns nicht fragen, wo wir sie herbekommen.

(Torsten Renz, CDU: Wer war gegen die neue Erzieherausbildung, Frau Bernhardt, die man vor zwei Jahren eingeführt hat?)

Deshalb lehnen Sie nicht ignorant alle Anträge von uns ab, sondern nehmen Sie die Probleme an und lassen Sie uns gemeinsam um die beste Lösung streiten!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Vehement haben Sie gegen die neue Erzieherverordnung gekämpft!)

Ja, ich komme zu Ihnen, Herr Renz, ich komme zu Ihnen! Ich komme dazu.

Zweitens. Dazu müssen wir die Frage aufmachen: Was macht eine Fachkraft aus und wie sollte diese ausgebildet werden? Frau Drese schilt regelmäßig die Kritiker der Ausbildung der Erzieher von null bis zehn Jahre. Aber ich frage Sie: Genügt diese Ausbildung wirklich unseren Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher?

Die Kultusministerkonferenz hat 2010 beschlossen: „DIE JFMK und die Kultusministerkonferenz begrüßen und unterstützen den quantitativen Ausbau der Studiengänge im Bereich ,Bildung und Erziehung in der Kindheit‘ auch als wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Zahl akademisch ausgebildeter Fachkräfte in Tageseinrichtungen für Kinder.“ Hier ist die Rede von „akademisch ausgebildeten“ Erzieherinnen und Erziehern.

Uns ist bewusst, dass die Ausbildung der Erzieher von null bis zehn Jahre nur ein Übergang sein kann, um dem Fachkräftemangel kurzfristig zu begegnen,

(Torsten Renz, CDU: Das ist wegweisend in Deutschland!)

weil Sie es verpasst haben, rechtzeitig die Weichen zu stellen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Aber wir müssen spätestens jetzt anfangen, umzusteuern und die Ausbildungsplätze zum staatlich anerkannten Erzieher zu erhöhen. Wir müssen definieren, wo wir hinwollen, was die Qualität, das heißt, die Gruppengröße in unseren Einrichtungen betrifft. Nur wenn ich einen Stufenplan habe und sage, wo ich in drei Jahren, in fünf Jahren mit dem Betreuungsschlüssel im Hort, im Kindergarten, in der Krippe hinwill, kann ich jetzt wissen, wie

viele Ausbildungsplätze ich zusätzlich brauche. Diesen Stufenplan fordern auch wir hier im Landtag seit Langem. Doch Sie laufen der Zeit nur hinterher. Das finde ich, sehr geehrte Damen und Herren, einfach nur verantwortungslos.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Deshalb muss in das jetzige Gesetzgebungsverfahren dringend die Frage nach Qualitätsverbesserungen aufgenommen werden, damit ich nicht mehr zu Landesfachtagen fahren muss, wo die Überschrift heißt: „Sind unsere Kinder Kinder zweiter Klasse?“ und ich mich angesichts des schlechten Betreuungsschlüssels frage, ob da nicht doch etwas dran ist.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Andreas Butzki, SPD: Die können nicht 2. Klasse sein, sie sind noch im Kindergarten! – Glocke der Vizepräsidentin)

Sehr geehrte Damen und Herren, positiv ist, dass die Frage nach der Qualifikation in dem Gesetzentwurf bei den Tagespflegepersonen geregelt wird. Oftmals arbeiten Tagespflegepersonen 50/60 Stunden. Sie erledigen ihre Arbeit mit Herzblut. Die Qualitätsfrage bei den Erziehern, die ich gerade gestellt habe, muss insgesamt für den frühkindlichen Bereich gestellt werden. Bei den Tagespflegepersonen wird sie beantwortet mit einer Grundqualifikation, und das ist gut.

Gut an dem Gesetzentwurf ist ebenfalls, dass die Hortbetreuung in den Ferien geregelt wird und die Stärkung der Elternrechte, die auch wir als Linksfraktion seit Jahren gefordert haben, hier jetzt eingeführt werden soll. Eltern geben ihre Kinder bis zu zehn Stunden am Tag in fremde Hände, also ist es nur folgerichtig, wenn sie in gewissem Umfang und in gewissen Entscheidungen auch mitreden dürfen.

Was wir uns im Gesetzgebungsverfahren mit den Expertinnen und Experten genauer betrachten müssen, ist die Frage der Umstellung des Finanzierungssystems. Es ist erst mal ein gutes Ziel, das entbürokratisiert werden soll. Ob damit aber die Kindertagesbetreuung auskömmlich finanziert sein wird, werden wir hören.

Und natürlich, Frau Friemann-Jennert, stimmen wir der Überweisung dieses Gesetzentwurfes, wie wir es immer tun, zu. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Jetzt hat für die Landesregierung ums Wort gebeten die Sozialministerin. Frau Drese, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr, dass wir heute einen der wichtigsten Gesetzentwürfe der Landesregierung in dieser Legislaturperiode in den Landtag einbringen und beraten können. Wir kommen heute mit dem Start der parlamentarischen Beratung unserem großen Ziel, der kompletten und umfassenden Elternbeitragsfreiheit, ganz nah. Wir sind in die Zielgerade eingebogen. Wir haben in den vergangenen Jahren hart an der Verwirklichung unserer Vision gearbeitet und wir sind dabei immer mit Augen

maß vorgegangen, bei der 50-Euro-Entlastung, bei der Geschwisterkindbefreiung, bei der zusätzlichen 20-EuroBefreiung, denn das zeichnet uns aus: Wir finanzieren unsere Vorhaben solide und nachhaltig.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Wir versprechen nicht mehr, als wir halten können. Im Gegenteil, entgegen den Äußerungen – auch heute hier wieder in der Debatte – gehen wir weit über unsere Zusagen in der Koalitionsvereinbarung hinaus. Nach Nummer 308 der Koalitionsvereinbarung für die 7. Wahlperiode wird die beitragsfreie Kindertagesförderung langfristig angestrebt. Wörtlich steht dort: „Langfristig streben die Koalitionspartner die beitragsfreie Kindertagesförderung an. Künftige finanzielle Spielräume im Landeshaushalt infolge einer soliden Finanzpolitik … werden überwiegend zur Stabilisierung oder weiteren Absenkung der Elternbeiträge eingesetzt.“

Das nenne ich norddeutsches Understatement, meine Damen und Herren.

Jetzt machen wir diesen entscheidenden Schritt. Unsere Vision einer kostenlosen Bildung von Anfang an, unsere Vision einer historisch einmaligen Entlastung für junge Familien ist kurz davor, Wirklichkeit in unserem wunderschönen Bundesland zu werden. Das, meine Damen und Herren, macht mich sehr stolz.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Mecklenburg-Vorpommern ist damit erneut Vorreiter in der Kindertagesförderung. Wir sind bei Verabschiedung des Gesetzes das erste Bundesland, das die Elternbeitragsfreiheit für alle Förderarten, Krippe, Kindergarten, Hort und Tagespflege, und bis zum maximalen Förderumfang von zehn Stunden in der Kindertagesförderung einführt. Wir gewährleisten den beitragsfreien Zugang zur frühkindlichen Bildung, Erziehung und zur Betreuung für alle Kinder in Mecklenburg-Vorpommern und leisten damit einen wichtigen Beitrag für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit. Das ist eine wertvolle Investition in die Zukunft unseres Landes.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das ist auch eine große familienpolitische Leistung, meine Damen und Herren, und das ist für die Landesregierung, das ist für mich als Sozialministerin dieser Landesregierung ein enorm wichtiges sozialpolitisches Anliegen. Wir entlasten massiv junge Familien mit Kindern. Sie sind es, die von dem Gesetz am meisten profitieren, und das ist auch gut so. Die Beitragsfreiheit für Eltern ist die größte sozialpolitische Errungenschaft in Mecklenburg-Vorpommern.

Wir haben uns als Landesregierung ganz bewusst dafür entschieden, in dieser Legislaturperiode einen Schwerpunkt darin zu setzen, Familien mit Kindern zu entlasten. Das ist unsere Vision in der angeblich politisch doch so visionslosen Zeit. Zu dieser Vision steht die Landesregierung. Zu dieser Vision stehe ich.