Protokoll der Sitzung vom 19.06.2019

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Freie Wähler/BMV)

Eigentlich hat sich jetzt meine Stimme an dieser Stelle schon gesenkt, weil ich meine Rede beenden wollte, aber spontan fällt mir dann noch Folgendes ein, wenn es dann um Stasi und Ähnliches geht: Wir leben in einem freiheitlichen Rechtsstaat und dieser Rechtsstaat hält es aus, dass so eine Gruppe mit solchen Texten in der Öffentlichkeit auftritt. Ich will Ihnen sagen, in der Diktatur der DDR wäre das der letzte Text gewesen, dann wären diese Herrschaften von der Bildfläche verschwunden,

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD: Sehr richtig!)

und das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem freiheitlich-demokratischen Deutschland, in dem wir heute leben, und zu der Stasi, die damals regiert hat. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, AfD und Freie Wähler/BMV)

Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal das Wort der Abgeordnete Ritter. Anderthalb Minuten, Herr Ritter!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da der Kollege Renz ein Meister des selektiven Zuhörens ist, möchte ich meinen

ersten Satz noch mal sinngemäß zitieren: Die Vergleiche mit Gestapo und Stasi mit der Novelle des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und der Polizei, die am Sonntag bei der Demo gezogen wurden, teile ich nicht und teilt auch meine Fraktion nicht. Das war mein Eingangssatz, um das noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 7/3694 zur federführenden Beratung an den Innen- und Europaausschuss und zur Mitberatung an den Rechtsausschuss sowie an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer möchte diesem Überweisungsvorschlag zustimmen, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung aller Fraktionen angenommen.

Meine Damen und Herren, zwischenzeitlich ist zwischen den Fraktionen vereinbart worden, den Zusatztagesordnungspunkt 2 am Donnerstag nach dem Tagesordnungspunkt 19 aufzurufen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, auf Drucksache 7/3695.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (Erste Lesung) – Drucksache 7/3695 –

Das Wort zur Einbringung hat die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein weiterer wichtiger Baustein bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes liegt mit dem Ihnen nun vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes vor. Wir halten damit Wort, so wie ich es auf der beeindruckenden Demonstration von Menschen mit Behinderungen, von Werkstätten, Behindertenverbänden und sozialen Trägern Anfang Mai in Schwerin zugesagt habe.

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, das BTHG, entwickelt unter Berücksichtigung der Vorgaben der UNBehindertenrechtskonvention unter anderem die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zu einer modernen personenzentrierten Teilhabeleistung außerhalb des Fürsorgesystems fort. Die Regelungen des BTHG sehen grundlegende qualitative und strukturelle Änderungen des Rechts der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung vor. Diese Regelungen sind stufenweise in Kraft getreten beziehungsweise treten noch in Kraft. Sie machen zwingende Anpassungen landesrechtlicher Vorschriften erforderlich, eröffnen auf Lan

desebene aber auch gesetzgeberische Gestaltungsspielräume.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, oberstes Ziel des BTHG ist es, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu verbessern auf dem Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft nach dem Motto: „Nichts ohne uns über uns!“. Dabei geht es um mehr Teilhabe, mehr Selbstbestimmung, eine Eingliederungshilfe als modernes Teilhaberecht, die Weiterentwicklung des Schwerbehindertenrechts. Mit dem BTHG wird die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herausgeführt. Dadurch soll mehr individuelle Selbstbestimmung ermöglicht werden durch ein modernes Recht auf Teilhabe und die dafür notwendigen Unterstützungen.

Das klingt gut, das ist gut, ist aber auch eine große inhaltliche und zeitliche Herausforderung für alle Beteiligten. Ich darf Ihnen berichten, dass Sitzungen und Termine dazu mit den Betroffenen und Beteiligten im Wochenrhythmus stattfinden. Die ersten landesgesetzlich notwendigen Anpassungen sind in MecklenburgVorpommern durch das Gesetz zur Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB XII und anderer Gesetze vom 27. Januar 2018 bereits umgesetzt worden. Hiermit wurden die formalen Voraussetzungen insbesondere für die Verhandlung eines neuen Landesrahmenvertrages für die neuen Leistungen der Eingliederungshilfe im SGB IX geschaffen.

Mit dem ersten Schritt der Umsetzung wurde unter anderem die Aufgabe für die Gewährleistung von Leistungen der Eingliederungshilfe an die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen und damit an der bewährten Zuständigkeit unter neuem Vorzeichen festgehalten. Der heute noch vorherrschende Blick der Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe richtet sich nun von einer auf die bisherigen Einrichtungen bezogenen Betrachtung auf die Erbringung personenzentrierter Leistungen. Mit diesen wird auf die individuellen Bedarfe eines jeden leistungsberechtigten Bürgers eingegangen. Hierauf haben sich die Landkreise und kreisfreien Städte bereits frühzeitig eingestellt.

Ich begrüße hierbei noch einmal ausdrücklich die unter Beteiligung der Leistungserbringer erfolgte Einführung einer landeseinheitlichen Bedarfsermittlung durch alle sechs Landkreise und die zwei kreisfreien Städte. Binnen eines Jahres gelang die Auswahl und Anpassung des Bedarfsermittlungsinstrumentes „Integrierter Teilhabeplan“, kurz ITP, wobei die Anpassung auf die landesspezifischen Verhältnisse durch Zusammenwirken vonseiten der Sozialverwaltungen und der Leistungserbringer der LIGA und des bpa gelungen ist. Der dadurch entwickelte ITP Mecklenburg-Vorpommern ging zum 01.01.2018 innerhalb der sich aus dem BTHG ergebenden ambitionierten Umsetzungsfristen an den Start.

Es sind nun weitere Anpassungen im Landesrecht notwendig, denn der Großteil der grundlegenden Änderungen des Bundesteilhabegesetzes wird zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Der vorliegende Gesetzentwurf trägt insbesondere der Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Recht der Sozialhilfe im SGB XII und deren Überführung in das Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in das SGB IX Rechnung. Damit verbunden ist die Trennung zwischen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen zur Teilhabe.

Was heißt das nun genau? Bisher werden im Rahmen der stationären Leistungen der Eingliederungshilfe sogenannte Komplexleistungen erbracht. Das heißt, dass zurzeit in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ein Tagessatz für die Versorgung eines Leistungsberechtigten durch den Leistungsträger, also die Landkreise und kreisfreien Städte, bezahlt wird. Darin sind die eigentlichen Fachleistungen der Eingliederungshilfe enthalten, aber eben auch die existenzsichernden Leistungen wie zum Beispiel Wohnen, Heizen, Nahrungsmittel und deren Zubereitung oder das Wäschewaschen.

Mit den Regelungen des Bundesteilhabegesetzes werden die Fachleistungen und die existenzsichernden Leistungen im derzeitig stationären Bereich getrennt und damit dem jetzigen ambulanten Bereich gleichgestellt. Die ist die konsequente Umsetzung des dem Bundesteilhabegesetz zugrunde liegenden Grundsatzes der Personenzentrierung. Die Trennung hat insbesondere auch für die Leistungserbringer eine erhebliche Bedeutung, da sie ihre Angebote differenzierter aufstellen müssen. Ich bin hierbei froh, dass durchaus auch mit maßgeblicher Unterstützung aus meinem Haus der Bund auf notwendige vorzunehmende Maßnahmen hingewiesen wurde und diese erarbeitet werden konnten.

Die angesprochene Herausnahme der Fachleistungen aus dem SGB XII und die Einbindung in das SGB IX finden in dem vorgelegten Gesetzentwurf eine Umsetzung in dem mit Artikel 1 vorgesehenen eigenständigen Landesausführungsgesetz SGB IX. Entsprechend den Vorgaben des Bundesteilhabegesetzes wird außerdem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Soziales auf Landesebene eingerichtet, deren Ziel zum Beispiel die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe ist, und eine Kooperationspflicht zwischen allen Beteiligten verankert. Mit eingebunden werden die Themen des aktuellen Landesbeirates Sozialhilfe.

Weiterhin hat auch die Möglichkeit anlassunabhängiger Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die Träger der Eingliederungshilfe Aufnahme in Artikel 1 des Gesetzentwurfes gefunden. Zudem werden die bisher extra geregelten Bestimmungen der Landkreise und kreisfreien Städte als Eingliederungshilfeträger und des Integrationsförderrates als Vertretung der Menschen mit Behinderung gemäß Paragraf 131 Absatz 2 des SGB IX in das Landesausführungsgesetz SGB IX integriert.

Die weiteren Artikel des Gesetzentwurfes passen bestehende Landesgesetze an die Änderungen durch das BTHG an. Dies gilt für das Landesausführungsgesetz zum SGB XII, das Einrichtungenqualitätsgesetz und seine Verordnungen, das Kommunalsozialverbandsgesetz, das Landesblindengesetz und das Flüchtlingsaufnahmegesetz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, wir drehen hier ein sehr großes Rad. Das gilt auch für die Konnexitätsverhandlungen. Das Land ist mit den Landkreisen und kreisfreien Städten darin einig, dass ihre Bestimmung als zuständige Eingliederungshilfeträger eine Aufgabenübertragung darstellt und damit der Anwendungsbereich des Konnexitätsprinzips nach Artikel 72 Absatz 3 der Verfassung unseres Landes eröffnet ist. Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich, die sich hieraus ergebenden Konnexitätsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, denn mit dem Bundesteilhabegesetz wird in vielerlei Hinsicht Neuland betreten. Der Weg zu

einer künftig tragfähigen und vermittelbaren Grundlage ist unter diesen Voraussetzungen für alle Beteiligten mit Überzeugungsbildung und Überzeugungsarbeit verbunden und muss nun kurzfristig gefunden werden. Die Ergebnisse werden dem Landtag natürlich unmittelbar weitergegeben.

Die mit diesem Gesetzentwurf umzusetzenden Neuregelungen treten dann zum 01.01.2020 in Kraft, sodass das Umsetzungsgesetz zuvor beschlossen sein muss. Ich bitte daher den Landtag um eine zeitnahe Befassung mit der Beratung in den Ausschüssen und danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Widerspruch kann ich weder sehen noch hören, dann ist das so beschlossen und wir verfahren so.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete de Jesus Fernandes.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Gäste! Teilhabe und Selbstbestimmung sind uns sehr wichtige Themen. Wir sind uns hier alle einig, dass alle und wirklich alle in unserer Gesellschaft mitgenommen werden müssen. Eine Ausgrenzung von körperlich Beeinträchtigten darf es nicht geben.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Daher begrüßt unsere Fraktion diesen Gesetzentwurf im Prinzip. Es ist wichtig, dass Handlungsvorgaben, finanzielle Abwicklung und Hilfeleistung in Art und Umfang gesetzlich festgeschrieben sind. Es ist wichtig, dass die Interessen derer vertreten werden. Eine Aufsicht, das Entgegennehmen und Weiterleiten von Anträgen ist ebenfalls gesetzlich festgeschrieben. Dieses finden wir gut. Gute Rahmenbedingungen erleichtern für alle Akteure die spätere Praxis. Teilhabe und Integration von Menschen mit Beeinträchtigung sind uns sehr wichtig.

Jedoch wenn wir jetzt die Sichtweise der SPD und der LINKEN oder die Auslegung der UN-Behindertenrechtskonvention durch diese beiden Parteien sehen, dann sehen wir das als AfD in diesen Punkten grundsätzlich etwas anders als Sie.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das erklären Sie mal!)

Speziell bei der Eingliederung in den Schulunterricht sind wir der Meinung, dass eben diesen besonderen Schülern mit besonderem pädagogischen Geschick geholfen werden muss und sie auch besonders gefördert werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dies geht am besten mit Lehrkräften und Schulen, die speziell für diese Schüler geschult und geeignet sind.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir als AfD wollen die Förderschulen fördern und stärken. Und genauso steht das auch in der UN-Behindertenrechtskonvention, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Die Förderung aller Menschen mit Behinderung, so, wie SPD und LINKE sie in allen Schulen fordern, gefährdet bei dem derzeitigen Lehrermangel – und das können Sie auch nicht abstreiten – das Lernziel aller anderen Schüler und darf so nicht sein

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Das ist Quatsch, was Sie da gerade erzählen. Das ist Mumpitz!)

und es geht auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention so gar nicht hervor.

(Thomas Krüger, SPD: Das wird auch von uns nicht so gefordert.)