Protokoll der Sitzung vom 05.09.2019

Sehr geehrte Damen und Herren, der AfD-Antrag beinhaltet mal wieder ein Babywillkommenspaket. Das hatten wir zuletzt im Januar dieses Jahres. Die Argumente dazu sind ausgetauscht worden. Wir fördern und stärken Familien und junge Eltern auf vielfältige Weise, unter anderem mit unseren Beratungsangeboten, mit gezielten Hilfen, mit Informationsmaterialien, vor allem aber haben wir uns als Landesregierung entschieden, jungen Familien nicht flächendeckend Schnuller zu schenken, sondern Schritt für Schritt die beitragsfreie Kita umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Dietmar Eifler, CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt heute der Antrag der AfD-Fraktion vor, der da lautet: „Babys willkommen heißen, traditionelle Familie stärken“. Als ich ihn das erste Mal gelesen habe, dachte ich, es wäre 1933.

(Thomas Krüger, SPD: Ja, ja!)

Ich musste erst mal auf den Kalender schauen, und ja, es ist tatsächlich schon 2019. Aber genau das kennzeichnet Ihren Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Peter Ritter, DIE LINKE)

Er ist rückwärtsgewandt in seinem sprachlichen Stil, in dem zugrunde liegenden Familienbild und in seinem Ansinnen. Er grenzt Menschen und Familien, die anders sind, aus, und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wir als LINKE haben ein anderes Menschenbild und lehnen natürlich einen derartigen Antrag ab.

Und er kam mir auch bekannt vor. Ich hatte schon zu diesem Thema geredet. Deshalb möchte ich mal aus dem Antragstext, der damals vorlag, zitieren. Darin heißt es: „Alle Maßnahmen, die darauf abzielen, das traditionelle Familienbild und die heterosexuelle Orientierung künftig als Normalfall infrage zu stellen, sind zu unterbleiben.“ Es ist die Drucksache 6/5082, gezeichnet „Udo Pastörs und Faktion“.

(Thomas Krüger, SPD: Ja, ja!)

Meine Herren von der AfD, auch wenn sich Ihr Antrag scheinbar etwas großzügiger liest, das eigentliche Ansinnen ist das gleiche und in diesem Hause nicht neu. Auch das unterstreicht die Rückwärtsgewandtheit und ist einmal mehr ein Indiz für Ihres Geistes Kind.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, aber ich gehe einmal auf Ihren Antrag ein. In Ihrem Antrag geht es um die sogenannte traditionelle Familie. Das steht ja auch schon in der Überschrift. Unter Punkt 1 wollen Sie deshalb festgestellt wissen, dass Familie in Ihren Augen lediglich der Zusammenschluss aus Mutter, Vater, Kindern ist. Und dann machen Sie natürlich klar, in welche Richtung die Reise hier geht. Sie reden von der traditionellen Familie aus Vater, Mutter und zwei Kindern. Sie sagen, nur in der Liebe zwischen Mann und Frau entstandene, auf natürlichem Wege entstandene Kinder sind zu unterstützen.

Wenn Sie die von Vater und Mutter auf natürlichem Wege gezeugten Kinder als Maßstab für Ihr Familienbild machen, was ist dann mit Adoptivfamilien, was ist mit Pflegefamilien, was ist mit zusammenlebenden Geschwistern in einer Wohngemeinschaft, was ist mit stabilen Verhältnissen zwischen Großeltern und Enkeln? Nach Ihrem Feststellungsteil sind das alles keine Familien. Was Sie hier als traditionelle Familie bezeichnen, ist in Wahrheit die Einengung des Familienbegriffs.

(Thomas Krüger, SPD: So ist das.)

Das widerspricht jeglicher moderner Auffassung von Familie und widerspricht auch dem, was im Grundgesetz als Familie betrachtet wird.

Sie merken es schon, ich rede dabei noch gar nicht von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Ähnlichem, wie sie unter den Schutz des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention fallen. Ich rede von dem, was jeder vernünftig denkende Mensch als Familie auffasst. Nein, meine Herren von der AfD, der Kern Ihres Antrags ist nicht, eine bestimmte Gruppe, die traditionelle Familie, wie Sie sie verstehen, zu fördern, sondern alle anderen Gruppen auszuschließen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Der Wortlaut Ihres Antrages strotzt nur so von Ausgrenzung. Darin heißt es: „Nur aus den Familien heraus“, „Nur die traditionelle Familie“, „Nur aus der Partnerschaft und der Liebe zwischen Mann und Frau“ und so weiter. Verstärkt wird das dadurch, dass Sie abgegrenzte Wertegemeinschaften schaffen. Sie reden etwa von dem „Gemeinwesen“, der „Gemeinschaft“, der „Gesellschaft“, der

„Sorgegemeinschaft“ und vom „deutschen Volk“. Sie suchen nicht das Gemeinsame, Sie bauen Barrieren auf. Ihr Antrag ist nicht konstruktiv, er ist destruktiv.

Nein, meine Herren von der AfD, eine Familie sind Menschen, die sich auf Dauer zu einer Lebensgemeinschaft zusammengefunden haben. Wer sich dort mit wem zusammenfindet, ist gleichgültig. Mit diesem Antrag geht es Ihnen nicht darum, Rechte für Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, sondern Rechte für Bürgerinnen und Bürger einzuschränken, und zwar für all diejenigen, die nicht in Ihr Bild passen. Sie sind hier im Landtag die Verbotspartei.

Ich belasse es bei dieser Kritik im Feststellungsteil und komme zu dem Forderungsteil. Sie sagen ja selbst, Herr de Jesus Fernandes, dass Sie konkrete Maßnahmen vorschlagen, und nicht nur so allgemein reden, wie Sie es der Sozialministerin vorwarfen. Nun, dann benennen wir doch mal Ihre Forderungen, die Sie aufstellen. Sie fordern die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was konkret fordern Sie denn dann? Was bedeutet das für Sie? Bedeutet das verkürzte Arbeitszeit für Familien? Bedeutet das eine Kitaversorgung?

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Haben Sie unsere Anträge denn nicht gelesen?)

Ich lese Ihre Anträge, Herr de Jesus Fernandes.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Da steht allgemein die Phrase, es ist die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu fördern. „Die Landesregierung“, heißt es weiter als Forderungsteil, „wird aufgefordert,... den Stellenwert und die Achtung der Familie... zu erhöhen.“ Was bedeutet das denn konkret, Herr de Jesus Fernandes? Das sind Sie hier ebenfalls schuldig geblieben. Ich glaube, wir als Gesellschaft sind alle gefragt, die Familie im modernen Sinne zu achten, und nicht das der Landesregierung aufzuerlegen.

Als weiterer Forderungsteil heißt es, die Landesregierung soll „eine Kampagne für die traditionelle Familie … initiieren“. Erst in dem heutigen Redebeitrag ist überhaupt aufgekommen, was Sie darunter verstehen: Facebook, Instagram und Co, kleine Familienfilmchen, aber das bleiben Sie in Ihrem Antrag eben schuldig. Es sind nur Phrasen, die Sie da reingeschrieben haben, und nichts Konkretes. Deshalb, das hier der Sozialministerin oder uns vorzuwerfen, dass wir unkonkret sind – ich würde sagen, fassen Sie sich bitte an Ihre eigene Nase! Schlagen Sie konkrete Maßnahmen vor! Dann können wir uns auch inhaltlich tiefer gehend damit auseinandersetzen.

Das einzig annähernd Konkrete, was Sie hier vorschlagen, ist das Babywillkommenspaket. Aber Sie sagen auch hier weder, wie groß das sein soll noch für welche Familien. Soll das nur für deutsche Familien gelten, so, wie es ja Ihr Ansinnen ist, oder soll das weitergehen? All das bleiben Sie schuldig, es ist nichts Konkretes hier drin und auch deshalb einfach nur abzulehnen.

Als ich mir die Begründung durchgelesen habe, musste ich doch etwas schmunzeln, und das möchte ich Ihnen noch mal mitgeben. Da heißt es: „Junge Menschen sollen zur Gründung einer traditionellen Familie und zur Zeugung von Kindern ermutigt werden.“

(Heiterkeit bei Nadine Julitz, SPD)

Ich frage Sie,

(Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD)

liebe AfD, wollen Sie einen Werbefilm mit der Landeszentrale für politische Bildung

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

mit der Aufforderung zum Poppen initiieren?

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Nein, liebe AfD, wir sollten konkrete Maßnahmen ergreifen, die wirklich für eine kinderfreundliche Gesellschaft stehen, wo Kinder eben kein Armutsrisiko darstellen,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

wo wir Kinder nicht als Hartz-IV-Bezieher bezeichnen, sondern für eine Kindergrundsicherung streiten, wo wir Eltern es ermöglichen, in Mecklenburg-Vorpommern einen ausreichenden Lohn zu erhalten, damit sie mit ihren Familien in den Urlaub fahren können oder der Kinobesuch ermöglicht werden kann. Das wäre eine Ermutigung für Familien, sich für Kinder zu entscheiden, das sind konkrete Maßnahmen. Diese bleiben Sie in Ihrem Antrag schuldig, und er ist auch deshalb abzulehnen.

Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass es Ihnen mit den Forderungen in Ihrem Antrag wirklich ernst ist. Anfang dieses Jahres stellten Sie eine Große Anfrage zu den Familien und Lebensgemeinschaften in MecklenburgVorpommern. Eine Antwort zu dieser Großen Anfrage gibt es natürlich noch nicht. Gleichwohl fühlen Sie sich jetzt berufen, mit diesem Antrag der Antwort vorzugreifen und ein paar Forderungen aufzumachen. Tut man so etwas, ohne die tatsächlichen Hintergründe zu kennen, geht es in der Regel lediglich um eine politische Botschaft und nicht um den wirklichen Wunsch, etwas zu verändern. Das nennt man in politischen Kreisen einen Schaufensterantrag und ist deshalb abzulehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Einen Moment, Frau Bernhardt!

Zu Ihrem Debattenbeitrag hat die Fraktion der AfD, der Abgeordnete Professor Dr. Weber, eine Kurzintervention angemeldet. Bitte schön, Herr Professor Dr. Weber.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Er macht jetzt den Werbefilm.)

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident!

Werte Kollegen! Liebe Gäste!

Frau Bernhardt, was Sie hier dargestellt haben,...

Ich bin ja froh, dass Sie mich als Frau ansprechen.

... von mir aus können Sie Ihren Werbefilm, den Sie da angekündigt haben, gern drehen,