Meine Damen und Herren, wenn wir nicht aufhören, die Vergangenheit an einer ohnehin fragwürdigen Messlatte der Political Correctness zu messen und aufgrund dieser Messlatte dann Verdammungsurteile auszusprechen, werden wir nicht in der Lage sein, die Vergangenheit ordnungsgemäß zu begreifen. Das ist politischer Aktionismus. Der Herr schütze uns vor einer solchen unhistorischen Arroganz der Nachgeborenen!
Was zu kurz kommt, ist das positive Wirken von Ernst Moritz Arndt als Vorkämpfer persönlicher Freiheiten, der sich vor allem gegen Fronarbeit und Leibeigenschaft energisch eingesetzt und damit bei der persönlichen Freiheit in Vorpommern sehr wirkmächtig mitgeholfen hat, diese umzusetzen.
„Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ war die tiefgründigste und zugleich mutigste Darstellung gegen Leibeigenschaft in seiner Zeit. Sie ist nahezu wörtlich in das schwedische – weil damals Vorpommern eben noch schwedisch regiert war – Dekret zur Aufhebung der Leibeigenschaft in Vorpommern im Jahr 1806 eingegangen, hat also eins zu eins dazu beigetragen, Fronarbeit und Leibeigenschaft in Vorpommern den Garaus zu machen. Daneben hat er sich für Pressefreiheit eingesetzt, forderte eine unabhängige Justiz und hielt die allgemeine Schulbildung für unverzichtbar – alles wichtige Attribute, die uns heute als zentrale Marksteine unserer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich erscheinen, die wir aber ohne Vorkämpfer wie Ernst Moritz Arndt nicht hätten verwirklichen können.
Ich fordere also Gerechtigkeit für Ernst Moritz Arndt und Beibehaltung des Namensbestandteils für die Universität Greifswald. Die Debatte hat kein Ende gefunden mit der Zwischenentscheidung im Bildungsministerium, sondern geht in eine neue Etappe. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort hat zunächst gebeten die Ministerin für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Frau Hesse, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag komme, eine kurze Anmerkung in Richtung von Herrn Professor Weber: Die von mir vorgenommene Prüfung bedarf keiner Wertung oder Respektbezeugung Ihrerseits, denn sie ist schlicht ein Handeln im Rahmen der Rechtsaufsicht. In Paragraf 13 Absatz 2 des Landeshochschulgesetzes steht nämlich, dass die Grundordnung der Genehmigung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur bedarf. Insofern war das die Grundlage meines Handelns.
Ganz kurz zum Inhalt der Entscheidung: Wir haben die Genehmigung der Grundordnung insofern aus formellen Gründen versagt und dieser formelle Grund war, dass der engere Senat hätte hier einen entsprechenden Vorlagebeschluss an den erweiterten Senat hätte machen müssen. Das haben wir formell beanstandet, insofern haben wir auch der Änderung der Grundordnung nicht zugestimmt.
Ich möchte aber etwas Grundsätzliches noch einmal sagen: Vom Grundsatz her ist es so – und auch das ist im Landeshochschulgesetz normiert und der Blick in das Gesetz erleichtert oftmals die Rechtsfindung, die Juristen unter uns kennen diesen Spruch
und dort steht es ganz klar definiert –, dass die Universität, sprich die Gremien der Universität sich einen Namen geben können, den Namen ihrer Universität, und dort ist lediglich festgelegt, dass im Namen die Stadt enthalten sein muss. Also Universität Greifswald wäre durchaus ein Name, der vom materiellen Recht her legitim wäre, und das finden Sie nachzulesen im Paragrafen 1 Absatz 3 des Landeshochschulgesetzes.
Ganz kurz vielleicht noch zur Zeitschiene, wieso jetzt diese Entscheidung getroffen worden ist mit gestrigem Tage.
Lieber Herr Kolbe, Sie haben bemängelt, wir hätten uns so lange Zeit genommen. Ich möchte Ihnen da nur sagen, Genauigkeit geht hier vor Schnelligkeit,
und im Übrigen hatten wir die letzte Eingabe zu diesem Sachverhalt am 01.03. Insofern, denke ich, ist es nur
legitim, dass wir sehr sorgfältig geprüft haben, zu welchem Ergebnis wir letztendlich kommen. Ich denke, das kann einem niemand verwehren und sollte eher dazu führen, dass es als richtiges Verfahren, als richtige Handhabung genommen wird, statt hier Kritik zu üben. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin stolzer Absolvent der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Ich denke, dies entspricht auch dem Willen der breiten Mehrheit der Greifswalder Bevölkerung. Dieser Name hat mich als gebürtigen Greifswalder genauso wie viele andere Einwohner Greifswalds und Vorpommerns seit meiner frühesten Kindheit geprägt. Für mich und viele andere Menschen der Region gehört er einfach dazu.
Arndt ist ein Kind der Region und hat selbst an der Universität in Greifswald gelehrt. Ernst Moritz Arndt ist 90 Jahre alt geworden, für seine Zeit ein sehr stolzes Alter. Die Aussage, er hat lange gelebt und deshalb viel gesagt, trifft es, denke ich, sehr genau. Ich warne davor, heute jedes seiner Worte auf die Goldwaage zu legen. Es müssen auch immer die Zeit und die Hintergründe der Aussagen berücksichtigt werden, aber hier im Landtag ist keine Entscheidung für oder gegen die Eignung der Person Ernst Moritz Arndt als Namenspatron der Universität zu treffen. Einzig die Genehmigung der Grundordnung kann Gegenstand der rechtlichen Prüfung des Bildungsministeriums sein.
Das Bildungsministerium übt die Rechtsaufsicht gegenüber Entscheidungen der Universitäten aus, also prüft, ob auf dem Weg zu einer Entscheidung oder durch die Entscheidung selbst gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird. Und genau so ein Verstoß ist bei den Prüfungen des Bildungsministeriums nunmehr festgestellt worden.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich insbesondere bei der Ministerin für ihre sorgfältigen Prüfungen und das bewiesene Fingerspitzengefühl ausdrücklich zu bedanken.
Auf Initiative der CDU-Fraktion wurde bereits am 22. Februar durch das Ministerium im Bildungsausschuss erläutert, wie umfassend und gründlich der Antrag auf Ände
rung der Grundordnung geprüft wird. Danach war klar, dass aufgrund der Menge der erhobenen Einwendungen und der konkreten Hinweise auf formale Fehler eine umfassende rechtsaufsichtliche Prüfung erfolgen wird. Ein Zeitrahmen für den Abschluss der Prüfung konnte damals nicht benannt werden. Ich freue mich sehr, dass wir heute das Ergebnis der Prüfung kennen, und begrüße den Mut des Bildungsministeriums, die Genehmigung nicht zu erteilen.
Liebe Kollegen der AfD-Fraktion, Ihr ursprünglicher Antrag hatte selbstverständlich weder Einfluss auf die Prüfung noch deren Ergebnis. Er forderte ohne Einschränkung die Landesregierung auf, der geänderten Grundordnung nicht zuzustimmen. Soweit Sie in Ihrer Pressemitteilung gestern darauf hingewiesen haben, dass die Entscheidung des Bildungsministeriums sich mit Ihrer Rechtsauffassung deckt, finde ich diese Aussage schon ein wenig abenteuerlich. Ihr gesamter Antrag bestand nämlich nur aus einer nicht begründeten Aufforderung an die Landesregierung, die Genehmigung der Grundordnung zu versagen, sowie zwei Bitten an die Mitglieder des akademischen Senats und an die Rektorin. Wo sich dort eine Rechtsauffassung verstecken soll, konnte ich selbst nach langem Suchen nicht erkennen.
Von den Verantwortlichen der Universität wünsche ich mir jetzt ein besonderes Vorgehen. Die nächsten Schritte sollten gut abgewogen sein und mit Bedacht gewählt werden, um die entstandenen Gräben zwischen der Uni und der Stadt wieder zu schließen. Leider lässt das aktuelle Handeln des akademischen Senats dieses Fingerspitzengefühl komplett vermissen. Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Ministeriums wurde gestern bereits zu einer weiteren Abstimmung am 15.03. eingeladen. Wie so eine Mitnahme der Bevölkerung aussehen soll, erschließt sich mir nicht. Ich kann mir nur wünschen, dass der Senat noch einmal in Ruhe die Situation analysiert und von einer überstürzten erneuten Beschlussfassung absieht.
Ihr neuer Antrag, werte Fraktion der AfD, ist aus Sicht der CDU nicht zustimmungsfähig. Ihr erster Punkt entzieht sich jeglicher Grundlage. Der Name Ernst-Moritz-ArndtUniversität steht mit Stand von heute in der Grundordnung der Universität festgeschrieben und das ist auch gut so. Da bedarf es keiner weiteren Abstimmung.
Zum zweiten Punkt kann man sich nur wünschen, dass der Senat noch mal einen Moment innehalten und doch keine erneute Abstimmung vornehmen wird. Ich habe auch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass der Senat den Willen der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert, aber dies ist keine Entscheidung des Landtages. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gibt Universitäten mit dem Namen der Gründer, es gibt Universitäten mit dem Namen ihrer berühmtesten Absolventen und Professoren und es gibt Universitäten ohne Namen, denn eine Ortsbezeichnung kann wohl kaum als Name gewertet werden.
Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität hatte unbestritten den Namen eines ihrer berühmtesten Absolventen und Professoren, eben den Namen des pommerschen Ernst Moritz Arndt. Seine Berühmtheit sowohl in der pommerschen als auch deutschen Geschichte ergibt sich aus seinen Aktivitäten, wie bereits von Herrn Professor Weber dargestellt, in einer Epoche des Umbruchs. Arndt lebte in der Zeit der Herausbildung des deutschen Nationalstaates und des deutschen Patriotismus, wesentlich befeuert durch die napoleonische Eroberungspolitik, Besatzung und Unterdrückung. In diesem Kontext sind Arndts Schriften über die Franzosen als Feinde und Unterdrücker den historisch Denkenden verständlich und erklärlich. Ich bin aber überzeugt, dass die derzeitige Auseinandersetzung um den Namen der Ernst-MoritzArndt-Universität eigentlich ein sogenannter Stellvertreterkrieg ist, wie man so schön sagt. Es geht eigentlich nicht primär um Arndt. Sein Name und seine Überzeugungen sind einmal mehr Projektionsfläche aktueller politischer Auseinandersetzungen. Es geht vielmehr um die Deutungshoheit über ideelle Werte wie Patriotismus sowie regionale und nationale Identität.