Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

Meine Damen und Herren, dass wir zu wenige Fachkräfte in Mecklenburg-Vorpommern in der Kindertagesförderung haben, ist bereits seit Längerem bekannt. Die Bertelsmann Stiftung kam in ihrem Ländermonitoring zur frühkindlichen Bildung im September letzten Jahres zu dem Ergebnis, dass in Mecklenburg-Vorpommern 6.800 Erzieherinnen und Erzieher fehlen. Dazu kämen etwa noch mal 3.000 Erzieherinnen und Erzieher, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Im Landkreis Ludwigslust-Parchim beispielsweise gehen in den nächsten zehn Jahren über die Hälfte der Erzieherinnen und Erzieher der 750 in den Ruhestand. Es rollt ein riesiger Fachkräfte…,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Können Sie mal ruhig sein?

… Fachkräftebedarf auf uns zu. Das sind die nackten Zahlen. Und genau das wurde uns auch so gespiegelt, wenn wir in den Einrichtungen vor Ort waren, schon seit Jahren.

(Glocke der Präsidentin)

Einen Moment bitte, Frau Bernhardt!

An die Herren der Fraktion der AfD: Ich bitte, davon abzusehen, jetzt Gespräche über die Bänke hinweg zu führen. Das stört die Rednerin und ich möchte ihr gerne zuhören.

Frau Bernhardt, Sie haben weiterhin das Wort.

Die Erzieher und Erzieherinnen in den Einrichtungen fühlen sich alleingelassen. Sie kämpfen zu Recht für weitere Verbesserungen, denn auch die Aufgaben in der Kindertagesförderung sind in den letzten Jahren mit jeder KiföG-Novelle immer mehr geworden. Es kam das Zähneputzen zuerst hinzu, dann kam die Hausaufgabenkontrolle hinzu. Was sich aber nie verbessert hat, war der Betreuungsschlüssel. Mittlerweile sind die Aufgaben mit der vorhandenen Personalstärke längst nicht mehr zu bewältigen. Die Erzieherinnen und Erzieher fordern landauf, landab Verbesserungen in Petitionen oder in Demonstrationen, wie im letzten Jahr geschehen, und das zu Recht.

Wir haben einen zu niedrigen Betreuungsschlüssel und einen noch niedrigeren Personalschlüssel. Diesen kann man aber nur verbessern, wenn genug Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet werden. Und genau da liegt das Problem in Mecklenburg-Vorpommern. Ich höre gerade hier im Landtag immer, dass, wenn wir die Verbesserung des Betreuungsschlüssels fordern, wir keine Erzieherinnen und Erzieher haben. Also ist das Problem bekannt bei allen hier im Landtag, allein die Lösung wird aus unserer Sicht noch nicht angegangen.

Aber auf der anderen Seite werden alle unsere Anträge seit Jahren von Ihnen zur Erneuerung der Ausbildungsplatzplanung, die nun mal die Voraussetzung der Ausbildungsplätze ist, abgelehnt. Ich möchte hier nicht alle Anträge meiner Fraktion aufzählen, die hier in den letzten Jahren zu diesem Thema debattiert und letztendlich auch abgelehnt wurden, aber ich erinnere mich noch sehr gut an den Antrag aus Anfang 2018. Ich zitiere an dieser Stelle mal die Aussage von Frau Drese aus diesen Sitzungen. Zitat: „Eine Fachkräfteanalyse für Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern ist in Planung. Und das haben wir Ihnen, sehr geehrte Frau Bernhardt, auch vor wenigen Wochen als Antwort auf Ihre Kleine Anfrage mitgeteilt. Jetzt suchen Sie die öffentliche Bühne und machen einen Landtagsantrag daraus.“

Sehr geehrte Frau Ministerin Drese, mehr als zwei Jahre sind seitdem leider vergangen,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

und wir haben weder eine Fachkräfteanalyse noch eine Ausbildungsplatzplanung. Ich hoffe, Sie sehen es mir nach, dass ich wieder die öffentliche Bühne suche, denn genau hier gehört es her, wenn wir gemeinsam im Parlament um Mehrheiten kämpfen, um genau diese Ausbildungsplatzplanung einzufordern. Sehen Sie es mir nach, wenn ich das auch weiterhin tun werde. Wenn ich in den Kitas vor Ort bin und die Erzieherinnen und Erzieher sehe, dann lässt mich das einfach nicht los. Ich werde alles tun, damit wir hier endlich zu einer Ausbildungsplatzplanung kommen.

Wie gesagt, seit Jahren wurde es angekündigt, wo ich skeptisch bin, dass sie demnächst irgendwann vorliegen wird, weil die Ankündigungen schon seit Jahren erfolgen, aber allein die Taten fehlten bis jetzt. Insofern würde

ich jetzt gern noch mal die Problemlage erörtern. Schaut man sich die Personalprobleme in der hiesigen Kindertagesförderung an, stellt man ein wesentliches Problem immer wieder fest in der Ausbildungsplatzplanung, dass sie dem aktuellen Bedarf überhaupt nicht mehr entspricht. Die Bedarfsanalyse legt die Zahlen des Jahres 2012 und die 4. überarbeitete Bevölkerungsprognose aus dem Jahr 2011 zugrunde.

Bereits seit letztem Jahr gibt es eine 5. Bevölkerungsprognose und die fällt ja etwas optimistischer aus. Sie geht von einem geringeren Rückgang der Bevölkerung aus. Insgesamt wird bei der Standortvariante von 70.000 Personen ausgegangen, wo kein Bevölkerungsrückgang erfolgen wird. Das ist erfreulich. Deshalb muss man natürlich auch von mehr Kindern als noch in der 4. Bevölkerungsprognose ausgehen. Und ich denke, dass auch die große Corona-Krise erfreuliche Auswirkungen auf die Geburtenzahlen haben wird.

Zudem gab es seit 2012 verschiedene Entwicklungen, die längst eine Überarbeitung erfordert hätten. So haben wir den Betreuungsschlüssel 2015 im Kindergarten von 1 : 18 auf 1 : 15 gesenkt. Das war richtig und das war überfällig, und wir müssen auch hieran noch weiterarbeiten. Aber es zog natürlich unbestreitbar einen erhöhten Personalbedarf nach sich, der sich in der Ausbildungsplatzplanung leider nicht widerspiegelte. Deshalb schätzte die Landesregierung bereits Anfang 2017 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage ein, dass ein wachsender Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern aufgrund erhöhter Altersabgänge, einer erhöhten Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertagesförderung und der zurückliegenden Erhöhung der Qualitätsstandards mit der Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation zu verzeichnen sein wird. Passiert ist aber, abgesehen von dieser Ankündigung, leider nichts.

Mit Beginn dieses Jahres wurde die elternbeitragsfreie Kita eingeführt. Absolut richtig und auch seit Jahren überfällig, aber viele Eltern, die vorher keine Betreuung für ihr Kind in Anspruch genommen haben, werden dies jetzt tun. Es war auch in den Anhörungen zu dieser Novelle des Kindertagesfördergesetzes hier von den Sachverständigen zu hören, dass sie davon ausgehen, dass auch so mehr Kinder die Kitas besuchen werden. Auch das zieht zweifellos einen erhöhten Bedarf an Erzieherinnen und Erzieher nach sich.

Meine Damen und Herren, die Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern steht vor dem Kollaps. Wir müssen jetzt reagieren, schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Erzieherinnen und Erzieher, die wir jetzt anfangen auszubilden, uns erst in drei bis fünf Jahren zur Verfügung stehen. Jedes Jahr, das wir vertrödeln, fällt uns später auf die Füße.

Sehr geehrte Damen und Herren, und nicht nur in der Kindertagespflege herrscht ein Fachkräftemangel. Auch in der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im Bereich der Hilfen zur Erziehung, verzeichnen wir immer mehr, dass der Fachkräftemangel vor Ort angekommen ist. Gruppen werden geschlossen, für die Kinder und Jugendlichen muss notfalls auch außerhalb der näheren Umgebung ein Angebot gesucht werden. Das ist nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern so der Fall, sondern es ist insgesamt deutschlandweit ein Problem. Verschiedene Berufsverbände fordern hier deshalb zusammen vom Bund, vom Land und von den Landkreisen eine gemein

same Anstrengung, um diesem Fachkräftemangel zu begegnen.

Auch hier, so finden wir, können wir nicht einfach zuschauen. Auch wenn es nicht wie in der Kindertagesförderung eine gesetzliche Verpflichtung für die Erstellung einer Ausbildungsplatzplanung für die Kinder- und Jugendhilfe gibt, aber so gibt es doch nach Paragraf 85 Absatz 2 des SGB VIII die Aufgabe der Länder, auf einen gleichmäßigen Aufbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken. Dieser Ausbau kann aber nicht mehr erfolgen, wenn die Fachkräfte vor Ort dafür fehlen. Deshalb beantragen wir, dass die Ausbildungsplatzplanung um den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ergänzt würde. Es würde uns gut zu Gesicht stehen, wenn wir uns dieses Problems annehmen würden und insgesamt für den Kinder- und Jugendhilfebereich eine Ausbildungsplatzplanung erstellen und uns so auch diesen Problemen insgesamt widmen. Lassen Sie uns jetzt die Weichen für die Zukunft stellen! Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Und wir hatten ja vorhin bei den Ingenieuren gehört, dass dort die Bedarfe in der Ausbildung gesehen wurden. Herr Waldmüller hatte das ja anschaulich dargestellt. Wenn man jetzt den Bereich der Erzieherinnen und Erzieher der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt betrachtet, sind die Probleme nicht weniger wichtig und sollten deshalb mit genau derselben Intensität angegangen werden, wie wir es im Bereich der Ingenieure haben. Und ich hoffe, dass die Landesregierung diesen Antrag ebenso stark findet, wie der vorletzte Tagesordnungspunkt dies erfahren hat, und deshalb hoffe ich auf Zustimmung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Bernhardt!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung Frau Drese.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Schön saubermachen! Die linken Bazillen sind besonders widerstandsfähig.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag soll dem Fachkräftemangel von Erzieherinnen und Erziehern entgegengewirkt werden. In den letzten Jahren wurde eine Reihe ähnlicher Anträge von Ihnen vorgelegt, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion. Das ist völlig in Ordnung und das Anliegen teile ich vollständig. Das sehen die komplette Landesregierung inklusive der Koalitionsfraktionen genauso.

Wir haben deshalb gehandelt und die multiprofessionellen Teams in den Kitas gestärkt. Und wir haben vor allem als eines der ersten Bundesländer sehr zügig eine neue praxisorientierte und vergütete Ausbildung an den Start gebracht. Diese Idee greifen immer mehr andere Bundesländer auf, dabei haben Sie das unsägliche Wort von der „Schmalspurausbildung“ verwendet, sehr geehrte Frau Kollegin Bernhardt. Dagegen habe ich mich damals verwahrt und mache dies auch heute. Ich bin froh über

jede einzelne Frau und jeden einzelnen Mann, der den wunderschönen Beruf der Erzieherin beziehungsweise des Erziehers ergreifen will und sich auf den Kitabereich spezialisiert. Diese vornehmlich jungen Menschen haben Unterstützung verdient, und die bekommen sie von der Landesregierung, von den Berufsschulen und von ihren Trägerbetrieben, ich hoffe, auch endlich von Ihnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im aktuellen Antrag fordern Sie eine Fachkräfteoffensive für Kindertageseinrichtungen in M-V. Da sind wir beziehungsweise das beauftragte Beratungsunternehmen längst dabei. Erste quantifizierte Ergebnisse liegen in wenigen Wochen vor. Übrigens, die aktuelle Ausbildungsplatzplanung für pädagogische Fachkräfte des Bildungsministeriums hat eine Laufzeit von 2014 bis 2023. Erst seit diesem Jahr ist die Zuständigkeit für die Ausbildungsplatzplanung auf das Sozialministerium übergegangen.

Heute fordern Sie die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes und wollen den Bereich „Hilfen zur Erziehung“ einbeziehen. Ich halte es für vernünftiger, nicht ständig die Thematik zu verändern, sondern einen Schritt nach dem anderen zu tun. Und genau das tun wir. Wir beschränken uns aber dabei nicht auf eine rein quantitative Analyse, denn dass wir zusätzliche Fachkräfte infolge des ständigen Ausbaus der Kinderbetreuung im Land und des demografischen Wandels brauchen, wissen wir auch so. Das teilt uns und übrigens auch Ihnen das Statistische Landesamt kontinuierlich mit. Unsere Fachkräfteanalyse umfasst mehr. Wir analysieren also nicht nur die Situation und Entwicklung des Fachkräftebedarfs in den Kindertageseinrichtungen, sondern es erfolgt auch eine Analyse für die Kindertagespflege. Darüber hinaus werden Lösungsansätze zur Begegnung des Fachkräftebedarfes entwickelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Landesregierung Maßnahmen getroffen. So wurden bereits seit dem Schuljahr 2013/2014 zusätzlich 100 Plätze für die berufsbegleitende Erzieherausbildung zur Verfügung gestellt. Im Anschluss kam dann die neue Ausbildung der Kitaerzieherinnen und -erzieher hinzu, die zusätzlich Auszubildende bringt.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Aber wir machen noch mehr. Wir haben eine Qualitätsoffensive für Kindertagespflege durchgeführt, die Fachkräfteoffensive erfolgreich unterstützt, die qualitativen Standards in dem neuen KiföG angepasst und eine finanzielle Abgeltung für die Mentorinnen und Mentoren eingeführt. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern im Bundesvergleich die höchste Quote und den höchsten Anteil an Fachkräften und, kaum einer weiß es, wir sind mit einer Quote von 62 Prozent das Bundesland, in dem es in überdurchschnittlich vielen Kitateams unbefristete Arbeitsverhältnisse gibt.

Ja, meine Damen und Herren, das kann alles noch besser werden, gerade mit Blick auf die Fachkraft-Kind-Quote, aber ein entschiedenes Nein zur Behauptung, in den Kitas in unserem Land herrsche schlechte Qualität! Das Gegenteil ist der Fall!

Meine Damen und Herren, jetzt, während der CoronaPandemie, sind wir in einer besonderen Situation. Den

noch wollen wir den Weg der Fachkräftegewinnung von pädagogischem Personal und Kindertagespflegepersonen fortsetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Daniel Peters, CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Schneider.

Der Minister Brodkorb hat Ihnen damals auch gesagt, welche vier Lösungsmöglichkeiten er sieht:

Das wäre die Abwerbung aus anderen Bundesländern. Das ist die schlechteste aller Möglichkeiten, denn wenn wir Leute von dort, Fachkräfte, abwerben, dann haben diejenigen in den anderen Bundesländern diese Fachkräfte eben nicht.

Die zweite Möglichkeit wäre, aus Teilzeit in Vollzeit zu heben. Da sprach die Ministerin gerade davon, dass 62 Prozent, und damit bundesweit ein sehr hoher Anteil, schon in Vollzeit arbeiten. Dann könnten wir die Gruppen größer machen. Das würde aber dem Betreuungsschlüssel/der Fachkraft-Kind-Relation zuwiderlaufen.

Und dann hätte die Möglichkeit bestanden, Sozialassistenten einzusetzen, die dann in zwei Jahren ausgebildet werden und nicht diesen Staatlich anerkannten Erzieher für 0- bis 10-Jährige, so, wie es jetzt ist, mit den drei Jahren an einer höheren Berufsfachschule, und dann dies realisiert durch eine duale Ausbildung.

Sie haben in einem Punkt recht, und das ist die Kritik an der Landesregierung, die berechtigt ist. Denn im Paragrafen 17 Absatz 1 KiföG heißt es: „regelmäßig.“ Was bedeutet „regelmäßig“? Die Frage könnten wir uns stellen.

(Egbert Liskow, CDU: „Regelmäßig“ heißt das.)

Ja, regelmäßig. Was heißt „regelmäßig“, Herr Liskow?

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Thomas de Jesus Fernandes, AfD)