Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

dass wirklich Kinder unterwegs sind in Deutschland und niemand eigentlich weiß, wo sie sich aufhalten, das ist ein äußerst bedenklicher Zustand. Das muss an dieser Stelle auch mal gesagt werden.

Was passiert, wenn sie zum Gericht kommen? Dann versuchen wir zu klären, wie die Identität ist. Da sind wir am Gericht die Ersten, die versuchen, den Namen zu klären. Am Anfang habe ich mich recht intensiv bemüht, herauszufinden, wie denn das Kind, der Jugendliche eigentlich nun wirklich heißt. Sie haben irgendeinen Namen angegeben beim Jugendamt, oft ohne Dolmetscher, da wird irgendwas aufgenommen, und wenn man dann da sitzt – ich habe Dolmetscher beigezogen –, erfährt man plötzlich, dass der Vorname ganz anders ist, dass der Nachname ganz anders ist und das Geburtsdatum ganz anders ist. Das ist kein seltener Fall. Es gibt überhaupt gar keine Identitätsprüfung, das haut meistens überhaupt gar nicht hin. Irgendwann haben wir uns dann entschieden, dass wir das einfach erst mal so annehmen, das heißt, als Identität, also Name und Geburtsdatum, wird einfach nur das genommen, was der Jugendliche, was das Kind sagt. Das wird einfach erst mal so hingenommen vom Jugendamt, denn was sollen wir anderes machen. So, das passiert als Erstes.

Dann bestellt das Familiengericht einen Vormund. Das ist deshalb notwendig, weil das Kind sich nicht selber vertreten kann, keinen Asylantrag stellen kann. So, dann wird ein Asylantrag gestellt, darum kümmert sich der Vormund. Erst dann, und das ist das Interessante, erst dann, wenn der Asylantrag gestellt ist beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, erst dann wird begonnen, die Identität (Name, Geburtsdatum) überhaupt zu prüfen. Das ist eigentlich der Stand bei den Kindern und Jugendlichen.

Nur noch ein Wort zu der Vorrednerin Frau Tegtmeier von der SPD.

(Martina Tegtmeier, SPD: Oh, danke, dass Sie „Rednerin“ sagen!)

Ich würde einfach um ein bisschen mehr Sachlichkeit bitten und um die Verwendung korrekter Begriffe. Man kann verschiedener Meinung sein, damit habe ich kein Problem, aber ich bitte darum, dass wir alle die gleichen Begriffe verwenden. Es gibt keine „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“, sondern das sind „unbegleitete minderjährige Ausländer“. Das ist einfach der sachlich korrekte Begriff, auch das Gesetz redet davon. Generell haben Sie immer wieder den Begriff „Flüchtling“ verwendet,

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

aber es ist nicht jeder ausländische Staatsbürger, der illegal die Grenze übertritt, damit automatisch ein Flüchtling. „Flüchtling“ ist ein Status, den sie zuerkannt bekommen müssen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wenn Sie jetzt jeden, der hier illegal einreist, schon als „Flüchtling“ bezeichnen, ist das einfach unsachlich und polemisch, sage ich mal.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Also ich würde Sie einfach bitten, auch wenn man verschiedene Ansichten hat, dass man wenigstens die Begrifflichkeiten zutreffend verwendet, denn sonst nimmt

man Wertungen vorweg und dann können wir hier eigentlich nicht mehr vernünftig miteinander diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt haben Sie es aber gekriegt, Frau Tegtmeier.)

Für die Fraktion der CDU erteile ich das Wort Frau von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der AfD hat, wie inzwischen ja schon üblich, ein Stirnrunzeln bei mir hervorgerufen. Da fordert die AfD die Landesregierung auf, „einen detaillierten Lagebericht über die biometrische Erfassung von Asylbewerbern … vorzulegen“, verschweigt in dem Antrag aber, wem dieser Bericht vorgelegt werden soll. Innenausschuss oder Landtag kommen wohl am ehesten in Betracht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: An die AfD-Fraktion.)

Aber vielleicht wäre es für die Zukunft hilfreich, wenn die AfD ihre Anträge konkreter fassen würde.

Dann soll dieser Bericht seinen Schwerpunkt auf den sogenannten Gefährdern haben. Die Gefährder sind seit dem Terroranschlag in Berlin in aller Munde. Schon aus den Presseberichten und Stellungnahmen der Bundesregierung war zu entnehmen, dass es noch keine juristisch verbindliche Definition des Begriffes „Gefährder“ gebe, wir haben das schon gehört. Der Staatssekretär hatte es im Ausschuss ebenso mehrfach erklärt und die AfD hatte zu der Problematik auch eine Kleine Anfrage gestellt. Auch dort wurde nochmals erklärt, dass es sich bei der Begrifflichkeit „Gefährder“ derzeit um ein Hilfsmittel der Polizei handelt, um intern die Gefährdungsstufen von Personen festzulegen, eine juristische Definition liege aber noch nicht vor.

Ich frage mich auch, wie dieser Schwerpunkt genau ausgestaltet sein soll. Allenfalls können Sie doch nach der Anzahl fragen, und die ist bekannt. Ich muss mich da erneut wiederholen. Der Minister hat es öffentlich gesagt, der Minister hat es im Ausschuss gesagt, die Zahl der sogenannten Gefährder beläuft sich in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Zahl im unteren einstelligen Bereich. Oder wollten Sie Namen, Adressen, Passfoto und Fingerabdrücke in einem öffentlich zugänglichen Bericht? Die Polizisten und Mitarbeiter des Landesverfassungsschutzes würden sich bedanken, dass Sie ihre Arbeit durch einen solchen Bericht so erheblich verkomplizieren würden und auch noch deren Sicherheit in Gefahr bringen würden. Was eine solche öffentliche Bezichtigung für Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau im Land haben könnte, darüber will ich gar nicht erst nachdenken. Mal wieder ein handwerklich schlecht gemachter und inhaltlich schlecht durchdachter Antragspunkt. Dem wird meine Fraktion nicht zustimmen können.

Kommen wir zu Punkt 2 des Antrages. Auf der Grundlage des Datenaustauschverbesserungsgesetzes wurde im Februar 2016 das Kerndatensystem vom Bund eingeführt. Mit diesem System werden im Ausländerzentralregister die biometrischen Merkmale und Stammdaten von Asylsuchenden erfasst, wenn sich Ausländer als Asylsuchende bei einer deutschen Behörde melden. Mit diesem

System soll sichergestellt werden, dass Mehrfachidentitäten über die Zuordnung zu einem Fingerabdruck unterbunden werden. Vor Einführung dieses Kerndatensystems war in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes bereits ein System in Betrieb, welches die Fingerabdrücke mittels des automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystems erfasste und abglich. Gerade wir hier in Mecklenburg-Vorpommern waren also vorbildlich, was die Erfassung biometrischer Daten anbelangt. Sofern Mehrfachregistrierungen festgestellt werden, werden diese auch angezeigt. Die betreffende Person wird an die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung zurückverwiesen.

Punkt 3 Ihres Antrages befasst sich dann auch mit den Mehrfachidentitäten und dem Asylbetrug. Die Landesregierung soll eine Verordnung erlassen, die vorschreibt, dass „festgestellte Mehrfachidentitäten unverzüglich an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben“ seien. Auch hier fehlt es zunächst am Adressaten. Wer soll dazu verpflichtet werden? Die Menschen auf der Straße? Sollen diese ausländisch aussehenden Mitbürgern hinterherschnüffeln? Oder soll die Verordnung nur an die Behördenmitarbeiter gerichtet sein? Dafür gibt es bereits einen Erlass des Innenministeriums. Auch das ist Ihnen bekannt, zumindest wurde Ihnen das in der Antwort einer Kleinen Anfrage mitgeteilt. Ich gehe davon aus, dass Sie diese auch lesen.

Interessant ist in dem Zusammenhang auch Ihr Rechtsverständnis. Eine Rechtsverordnung bedarf einer Verordnungsermächtigung in einem formellen Gesetz. Ein Hinweis, worauf Sie diese Rechtsverordnung stützen wollen, fehlt im Antrag und in der Begründung. Sie haben doch einige Juristen bei sich in den Reihen sitzen und dann legen Sie uns so einen Antrag vor? So viel zum Handwerklichen.

Kommen wir wieder zum Inhaltlichen. Der Sozialbetrug – so ist die richtige juristische Bezeichnung – ist bereits nach der heutigen Gesetzeslage strafbar. Der deutsche Rechtsstaat toleriert es nicht, wenn seine Hilfsbereitschaft ausgenutzt wird. In den vergangenen Monaten kam es deshalb auch zu einer Reihe von Prozessen. Um dies zu verdeutlichen und auch um die Auswirkungen eines Sozialbetruges auf ein laufendes Asylverfahren zu konkretisieren, plant die Bundesregierung bereits eine Gesetzesänderung. Danach kann ein laufendes Asylverfahren dann beendet werden, wenn der Asylsuchende wegen fortgesetzten Sozialbetruges verurteilt wurde. Das Verfahren kann natürlich erst dann beendet werden, wenn es eine Verurteilung durch ein deutsches Gericht gegeben hat, da auch gegenüber Asylsuchenden die Grundgesetze des Rechtsstaates – wie die Unschuldsvermutung bis zum Urteil – gelten. Diese Änderungen sollen noch im Sommer in Kraft treten und zusammen mit Verschärfungen der Ausreiseregeln beraten werden.

Dann kommen wir schließlich zum letzten Punkt, der biometrischen Erfassung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen.

(Martina Tegtmeier, SPD: Ausländern! Ausländern, nicht Flüchtlingen!)

Es ist rechtlich derzeit gar nicht möglich, von unter 14Jährigen einen Fingerabdruck zu nehmen, das verbietet uns das Asylgesetz. Da die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in der Obhut des Jugendamtes stehen, entscheiden und veranlassen diese eine erkennungsdienst

liche Behandlung von über 14-Jährigen. Eine entsprechende Verfahrensweise wird gerade zwischen dem Sozialministerium und dem Innenministerium besprochen.

Auch zu diesem Antrag kann man also sagen, dass Sie kein neues Problem aufzeigen. Sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene laufen die Verhandlungen, um dem Thema Mehrfachidentitäten entgegenzutreten. Im Gegenteil, Ihre Vorschläge dienen nicht mal ansatzweise der Lösung der Fragestellung. Meine Fraktion wird Ihren Antrag deshalb ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Heiterkeit und Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Danke schön, Frau Abgeordnete.

Es hat noch einmal das Wort für die Fraktion der AfD Herr Komning.

Wertes Präsidium! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Bürger! Auch hier möchte ich mir nicht die Gelegenheit nehmen lassen, auf die bisherigen Redebeiträge noch in aller Kürze einzugehen. Es wird wirklich kurz, Sie werden es nicht mehr lange ertragen müssen.

Herr Glawe, Sie sagten, in der Erstaufnahmeeinrichtung Horst sei ausnahmslos durch die PIK, also durch die Personalisierungsinfrastrukturkomponente, eine Registrierung erfolgt. Ja, das ist richtig. Das ist wohl auch so und das ist auch gut so, dass es erfolgt. Aber das Ganze geschieht erst seit März 2016.

Und, Frau von Allwörden, Sie haben völlig recht, vorher gab es dort ein Verfahren, das sogenannte Fast-IDVerfahren, bei dem offensichtlich Fingerabdrücke aufgenommen werden. Aber das reicht nicht. Es reicht deshalb nicht, weil beide Systeme nicht kompatibel sind, beziehungsweise, wer vorher mit Fingerabdruck registriert wurde, bei dem ist gar nicht ausgeschlossen, dass er nach März 2016 eben noch mal über das PIK-System registriert worden ist. Deshalb heute auch meine weitergehende Fragestellung auf die Antwort des Innenministers auf die Kleine Anfrage, ob es dort irgendeinen Ausgleich gibt und wie denn gerade diese beiden Zeiträume zusammengeführt werden sollen, denn das ist derzeit nicht der Fall.

Es mangelt bei dem Abgleich der jetzt zum Glück genommenen biometrischen Daten eben dennoch an den Mitteln bei den Ausländerbehörden, denn die Vorsitzende beziehungsweise die Leiterin des BAMF Jutta Cordt wies gerade darauf hin, dass lediglich zehn Prozent der Ausländerbehörden technisch überhaupt dazu imstande sind, einen Abgleich vorzunehmen. Wir dürfen davor schlichtweg nicht die Augen verschließen. Selbst wenn es gesetzliche Grundlagen dafür gibt, dass eine Aufnahme von biometrischen Daten jetzt möglich ist, muss der Abgleich aber auch möglich sein, und das ist eben gerade nicht der Fall.

Frau Tegtmeier, ganz kurz zu Ihnen. Sie suggerieren, dass wir als AfD meinen, dass alle Flüchtlinge in irgendeiner Form kriminell seien. Nein, dieser Meinung sind wir nicht, wir unterstellen das auch nicht, aber man muss doch Folgendes sagen: Wenn wir nicht wissen, wer sich

in unserem Lande aufhält, habe ich damit tatsächlich ein Problem. Ich habe damit ein Problem, weil ich nicht weiß, was derjenige hier tut, wo er gemeldet ist, wer das überhaupt ist. Wenn Sie damit kein Problem haben, dann kann ich das schlichtweg menschlich nicht nachvollziehen. Wie kann man ein Land öffnen und die Menschen, die hierherkommen, schlichtweg nicht registrieren,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

ihnen ermöglichen, hier oder dort zu sein, im Süden oder im Norden oder vielleicht in Norditalien oder in Südfrankreich. Es kann doch nicht Sinn eines Staates sein, seine Grenzen so weit zu öffnen, keine Kontrollen zu machen und eben auch im Nachhinein nicht zu kontrollieren, wer hineingekommen ist. Wenn Sie damit kein Sicherheitsproblem haben, dann tut es mir ganz persönlich leid für Sie. Vielleicht haben Sie einen anderen Eindruck, wenn wir zusammen nach Berlin, nach Köln oder nach München fahren und mal durch ein solches Viertel laufen. Da können Sie sich Frau von Allwörden gerne mitnehmen. Ich schicke Sie beide mal zusammen in eine solche Nogo-Area. Ich möchte mal sehen, ob Sie beide unversehrt wieder herauskommen. Das wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nämlich nicht der Fall sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Dirk Friedriszik, SPD: Da kann Herr Holm doch noch was dazu sagen, der wohnt doch da.)

Herr Ritter, ganz kurz zu der Grenzfrage. Sie haben ja sicher noch in einem anderen System studiert …

(Der Abgeordnete Enrico Komning spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie dem Abgeordneten Heydorn eine Zwischenfrage? (Zustimmung)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wer war 89 bei Feliks? Ich nicht! Sie doch wohl!)

Ja, herzlichen Dank, Herr Komning.

Sie haben gerade ausgeführt über No-go-Areas in der Bundesrepublik Deutschland, wo die Wahrscheinlichkeit, dass man nicht unversehrt wieder herauskommt, doch sehr hoch ist.

(Martina Tegtmeier, SPD: Als Frau, meint er wahrscheinlich.)

Als Frau.

Können Sie mir also insoweit eine dieser No-go-Areas hier nennen, wo die Wahrscheinlichkeit, dass da eine Frau nicht unversehrt wieder rauskommt, dergestalt hoch ist, und können Sie das mit entsprechenden Tatsachen untersetzen, also Vorgängen, was da passiert ist, und so weiter und so fort? Denn das sind ganz schwerwiegende Anschuldigungen, die Sie hier erheben.

Ja, Herr Heydorn, ich habe nun heute keine Statistiken dabei. Ich wusste nicht, dass Sie heute diese Anfrage an mich stellen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Man muss auf alles vorbereitet sein, Herr Komning.)