Protokoll der Sitzung vom 24.09.2020

Entschuldigung, das ist dem Wechsel geschuldet. Ich habe noch, mir liegt noch ein Antrag auf Kurzintervention von Herrn Dr. Jess vor. Bitte, Herr Dr. Jess!

Frau Ministerin, tut mir leid, das lag nicht an mir. Aber, Frau Hesse, das ist auch kein Problem.

Frau Ministerin, Sie werfen uns Realitätsverweigerung vor, aber das Gleiche werfe ich Ihnen auch vor, denn wir haben es ja nun ausführlich dargelegt, dass praktisch die Infekt…, also im Grunde in Mecklenburg-Vorpommern die Epidemie vorbei ist. Und ich hatte Ihnen auch dargelegt, dass die Studie von Michael Levitt aus Stanford belegt, dass praktisch unabhängig von den politischen Maßnahmen die Pandemieentwicklung praktisch so ist, dass es ein gewisses Plateau ergibt nach 30 Tagen und dann die Pandemie abklingt. Also bitte schön, das auch mal zur Kenntnis nehmen

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

und nicht die eigenen Aktivitäten überbewerten!

Aber ich habe einen Vorschlag, den ich Sie bitte zu bedenken: Und zwar wird auch in anderen Bereichen diskutiert darüber, dass dort, wo zum Beispiel keine positiven Nachweise oder keine akuten Corona-Fälle sind, dass man dort ein Ampelsystem einführt und dass man sagt, okay, diese Schule hat das Zeichen grün und in dieser Schule muss zu keiner Zeit eine Maske getragen werden. Das wäre doch ein Vorschlag, den man durchaus überlegen könnte.

Frau Ministerin, möchten Sie auf die Kurzintervention erwidern?

Ja, wirklich kurz.

Für mich ist das keine Option, weil wir zu keiner Zeit sicher sein können, dass keine Infektion vorliegt. Und ein Ampelsystem haben wir im Land. Da geht es um Zahlen, um Fallzahlen, wonach wir dann jeweils auch agieren. Aber das Ampelsystem, was Sie vorschlagen, halte ich für nicht verantwortungsvoll.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE die Fraktionsvorsitzende Frau Oldenburg.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ach, da haben wir das wieder, das einzige Thema der AfD-Fraktion: Corona gibt es gar nicht! Heute haben wir jetzt das Märchen gehört von der Aufhebung der Einschränkungen an den Schulen, die in coronafreien Einzugsbereichen liegen. Ich sage noch einmal, wie der Antrag heißt, und da müsste eigentlich schon jedem einfallen, warum dieser Antrag überhaupt nicht zur Diskussion stehen könnte: „Die Landesregierung wird aufgefordert, die coronabedingten Einschränkungen an Schulen aufzuheben, in deren Einzugsbereich in den letzten zwei Wochen keine Infektion mit dem Corona-Virus festgestellt wurde.“

Da Märchen ja immer einen wahren Kern haben, habe ich mich auf die Suche danach gemacht. Und der wahre Kern ist, es gibt tatsächlich Schuleinzugsbereiche. Das ist es dann aber auch schon gewesen. Alles andere von Ihrem Antrag ist frei erfunden und kann außerhalb der Märchenwelt wirklich auch nicht umgesetzt werden!

Zuallererst müssen wir einmal feststellen, dass sich die Infektionen täglich ändern. Mal sind sie in Wismar, mal in Stavenhagen, mal in Grevesmühlen, mal in Schönberg.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Das bedeutet, heute keine Masken, morgen wieder Masken, die man dann 14 Tage trägt, dann wieder zwei, drei Tage keine Masken, bis dann irgendwo wieder ein Fall in dem Schuleinzugsbereich auftaucht. Da endet eigentlich schon die Auseinandersetzung mit Ihrem Antrag.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Aber dennoch möchte ich es unter keinen Umständen mir nehmen lassen, Ihnen weitere große, große Schwachstellen Ihres Vorhabens zu benennen: Im realen Nordwestmecklenburg gibt es über 50 Schuleinzugsbereiche. Wenn man Ihrem Antrag zustimmen würde, müsste man täglich schauen, wo genau die infizierte Person lebt, um zu wissen, welche Schule gerade in diesen Schuleinzugsbereich gehört. Wer soll das mit welchen Mitteln, ohne gegen den Datenschutz zu verstoßen, überhaupt realisieren?

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Aber ein weiterer Punkt, der eben nur im Märchen umzusetzen ist und somit den Wahnwitz Ihres Antrages verdeutlicht, ist die reale Tatsache, dass Grundschulen andere Schuleinzugsbereiche haben als Regionale Schulen, Regionale Schulen andere Schuleinzugsbereiche haben als Förderschulen, Förderschulen andere Schuleinzugsbereiche haben als Gymnasien, Gymnasien andere Schuleinzugsbereiche haben als Gesamtschulen und Gesamtschulen andere Schuleinzugsbereiche haben als Berufsschulen. Das heißt, man müsste nicht nur herausfinden, wo die infizierte Person lebt, sondern auch, ob das nun gerade der Schuleinzugsbereich der Grundschule oder der der Regionalen Schule oder der der Gesamtschule oder der der Förderschule oder der des Gymnasiums oder der der Berufsschule ist.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Berufsschule, genau.

Das mag bei den Gebrüdern Grimm funktionieren,

(Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD)

aber nicht im tatsächlichen Leben!

Und selbst wenn Hänsel und Gretel das schaffen würden – und ich habe da wirklich noch mal nachgelesen, ich finde nur, dass die beiden Geschwister sind, nicht Zwillinge –, heißt das also, dass einer die Grundschule besuchen könnte, zum Beispiel Hänsel, und Gretel meinetwegen das Gymnasium. Und wenn man das dann nimmt, das heißt, Gretel geht meinetwegen mit Maske, Hänsel geht ohne, zu Hause sind sie wieder zusammen. Das zeigt schon wieder, wie irrsinnig Ihr Antrag ist, denn beide Schulen können ja in unterschiedlichen Schuleinzugsbereichen existieren, die von Hänsel in dem einen und die von Gretel in dem anderen. Das kann man alles machen, das muss man aber nicht machen.

Und, sehr geehrte Damen und Herren, schlussendlich will ich Ihnen noch einen weiteren Punkt benennen, warum Ihr Antrag einfach nicht wahr werden kann, denn nun kommt die freie Schulwahl ins Spiel. Das ist das, was Sie in der letzten Sitzung noch versucht haben auszuweiten. Freie Schulwahl bedeutet, dass man sich irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern eine Schule suchen kann, egal, wo man lebt. Das bedeutet, dass es gang und gäbe ist, dass Kinder und Jugendliche Schulen besuchen, in deren Einzugsbereichen keine Corona-Infektionen zu verzeichnen sind, aber diese Schüler in einem Schuleinzugsbereich leben, in dem infizierte Menschen leben, weil die Kinder eben von der freien Schulwahl Gebrauch gemacht haben und nicht dort wohnen, wo sie zur Schule gehen.

Und dann kommt noch hinzu, dass zum Beispiel Rotkäppchen ein besonderes pädagogisches Angebot wahrnehmen kann, zum Beispiel das produktive Lernen. Das heißt, dass Rotkäppchen mit ihrer Großmutter längst nicht dort lebt, wo sie zur Schule geht, obwohl diese Schule sogar die örtlich zuständige Schule wäre.

Und ganz zum Schluss kommen dann noch die Lehrerinnen und Lehrer ins Spiel, denn ganz, ganz selten passiert es, dass eine Lehrkraft dort arbeitet, wo sie lebt. Nun lebt sie also in einer Stadt, in der auch CoronaInfektionen aufgetreten sind, fährt aber an eine Schule, in deren Schuleinzugsbereich gerade mal keine Infektion aufgetreten ist. Was machen wir dann?

Also: Es war einmal ein unsinniger Antrag der AfD... Sie haben es genauso wie Hänsel und Gretel gemacht, Sie haben sich total verrannt!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Christel Weißig, fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Fraktionsvorsitzende, auch für den kleinen Exkurs in die Märchenwelt!

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Jo!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Das kann ich jetzt natürlich nicht toppen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

die schöne Geschichte um das Chaos der Schulbezirke. Aber ich möchte mal kurz berichten, wie wir in der CDU-Fraktion mit dem Thema umgehen: Wir beschäftigen uns tatsächlich bei allen Corona-Maßnahmen/Schutzmaßnahmen immer grundsätzlich damit, sind sie erforderlich, sind sie auch geeignet und sind sie auch verhältnismäßig. Und wir können diese drei Fragen dreimal mit Ja beantworten, wenn es um die jetzigen Maßnahmen im Schulbetrieb geht. Und das ist dann auch ganz einfach, dass wir Ihren Antrag ablehnen. Das ist dann konsequent.

Ich möchte aber trotzdem noch mal kurz erklären, warum das so ist, warum wir die Maßnahmen zum Beispiel für erforderlich halten. Das ist ja schon auch gesagt worden, das Virus ist endemisch in der Weltbevölkerung. Es ist also einfach da. Wir können nicht so tun, als würde das mit einem Mal wieder verschwinden. Wir haben steigende Infektionszahlen in quasi allen europäischen Nachbarstaaten. Und wir dürfen auch nicht davon ausgehen, dass es in Deutschland nun zwangsläufig immer anders ist als in unseren Nachbarstaaten. Das Virus ist auch definitiv nicht ungefährlich und gerade die Langzeitfolgen sind noch völlig unklar. Und das spielt für die Kinder und Jugendlichen eine wichtige Rolle, denn die müssen ja noch unter Umständen lange mit diesen Langzeitschäden dann leben.

Dann gibt es natürlich überhaupt keinen Zusammenhang, wenn in der Vergangenheit keine Infektionen waren, dass dann auch in der Zukunft keine Infektionen stattfinden werden.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Diesen Kausalzusammenhang gibt es überhaupt nicht. Der ist also im Grunde genommen wirklich das K.-o.Kriterium für diesen oder K.-o.-Argument für diesen Antrag. Man kann daraus nichts ableiten. Auch Frau Martin hat es ja eben schon gesagt, wir wissen auch heute nicht, ob vielleicht an einer Schule schon eine Infektion ist. Das werden wir erst in mehreren Tagen feststellen. Also daraus kann man überhaupt nichts herleiten.

Wir sehen auch bei den Fällen, die es gegeben hat, dass es immer wieder neue Gründe sind, wie Infektionen auftreten. Das können also Infektionen sein von einer Familienfeier. Da nimmt vielleicht ein Familienmitglied aus einem anderen Gebiet teil, und das reicht dann auch schon, um seine gesamte Familie anzustecken. Das kann also von heute auf morgen auch über weite Distanzen auftreten, dieses Virus. Das heißt im Fazit: Die Gefahr völlig zu negieren, wäre auch völlig verantwortungslos. Wir haben das Virus, wir müssen damit umgehen. Also Maßnahmen als solche sind auf jeden Fall erforderlich.

Jetzt ist die Frage, sind die Maßnahmen, die ergriffen wurden, sind die auch tatsächlich geeignet. Ich möchte auf die Details jetzt nicht mehr unbedingt eingehen. Das Wichtigste ist der Abstand, die sogenannten AHA-Regeln, das ist ja eigentlich sehr eingängig. Man muss eben Abstand einhalten, man muss bestimmte Hygienemaßnahmen einhalten, wie Händewaschen und Lüften. Ich glaube, da hat auch die AfD ja nichts dagegen, dass die Kinder sich die Hände waschen. Und das Letzte ist eben

tatsächlich dieser Mund-Nasen-Schutz, also die sogenannte Alltagsmaske, weil wir wissen, dass sie tatsächlich die Viruslast verringert und damit einfach hilft.

Und es geht tatsächlich bei diesen Maßnahmen – das ist, glaube ich, ein Missverständnis, Herr Förster –, es geht bei den Maßnahmen nicht darum, die Ansteckungsgefahr komplett zu reduzieren auf null. Das wissen wir, dass das nicht geht. Deswegen ist auch bei dieser Gruppenbildung der Schulkinder es vollkommen klar, dass zum Beispiel – Herr Jess hat letztes Mal danach gefragt – die Geschwisterkinder jetzt meinetwegen nicht gemeinsam in die Schulpause gehen können, trotzdem sind sie dann zu Hause zusammen. Das ist kein Widerspruch, denn Sie können ja auf dem Schulhof als Lehrer nicht sicherstellen, also wenn Sie sich das mal ganz praktisch vorstellen, Sie müssten da die Aufsicht führen, dann können Sie ja nicht sagen, okay, das ist die eine Gruppe, das ist die andere Gruppe, aber der ist mit dem verwandt und der wohnt neben dem und die treffen sich sowieso. Das können Sie ja keinem Lehrer zumuten. Das geht überhaupt gar nicht!

Das heißt, es geht nicht darum, die Kinder hermetisch voneinander abzuriegeln. Das wollen wir nicht, wir sind ja auch ein freies Land. Es geht nur darum, die Ansteckungsgefahr, das Risiko einer Ansteckung zu reduzieren. Wahrscheinlichkeiten werden multipliziert, wenn Sie das ausrechnen wollen, rein mathematisch. Das heißt, immer dann, wenn es uns gelingt, die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren, zum Beispiel auf ein halb, dann nehmen Sie das Ganze eben mal 0,5. So, und das ist bei allen Maßnahmen so. Auch das Händewaschen verringert das Risiko, das Lüften verringert das Risiko. Alle diese Dinge verringern das Risiko. Sie bringen es nicht auf null, deswegen darf man diese Messlatte gar nicht anlegen, sondern sie verringern das Risiko.

Jetzt noch zum dritten Punkt: Sind diese Maßnahmen tatsächlich verhältnismäßig – ja oder nein? Wenn wir uns noch mal vergegenwärtigen, was ist das, es geht eben um das Abstandhalten zwischen den Gruppen. Eine Grundschule ist zum Beispiel eine Gruppe. Das heißt, da haben Sie überhaupt keine Maßnahmen an der Grundschule, sondern nur an den weiterführenden Schulen mit diesen drei Gruppen. Und das ist in der Regel also wirklich so geregelt worden, dass die Pausenzeiten unterschiedlich sind. Die Kinder, Herr Förster, das war auch ein Fehler eben, die können in der Pause, die 11- und 12-Jährigen, die haben in der Pause keine Maske auf.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Die haben die Maske nur auf, wenn sie zum Beispiel zur Toilette müssen, weil da können sie den Kindern der anderen Gruppen begegnen.

Also wir haben es wirklich auf das absolute Minimum reduziert. Deswegen würde ich auch da sagen im Fazit, die Maßnahmen sind wirklich ein absolutes Minimum. Es ist eine gewisse Unbequemlichkeit für die Schüler, aber sie sind im Unterricht ohne Maske, sie sind in der Pause ohne Maske. Sie brauchen also lediglich diese kurzen Wege auf den Gängen und Treppenhäusern diesen MundNasen-Schutz zu tragen. Ansonsten, wie gesagt, Lüften und Händewaschen sind ja wohl kein Problem.