Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

(Beifall bei der SPD)

Dennoch gibt es nach wie vor ein großes Missverhältnis bei der Verteilung der Bundesfinanzhilfen zwischen Ost- und Westdeutschland. Während in der herkömmlichen Städtebauförderung, ohne soziale Stadterneuerung, im Jahre 2001 520 Millionen DM nach Ostdeutschland gingen, waren für Westdeutschland gerade einmal 180 Millionen DM vorgesehen. Das waren zwar immerhin 100 Millionen DM mehr als zu Zeiten der Regierung Kohl, aber immer noch zu wenig, um kontinuierlich in den Städtebau investieren zu können. Mit der Aufstockung der Städtebaufördermittel im Jahre 2002, die für Niedersachsen eine Erhöhung von 10,6 Millionen Euro auf 16,5 Millionen Euro bedeutet, ist ein erster Schritt getan, um dem Investitionsbedarf in Niedersachsen Rechnung zu tragen.

Weitere Schritte sind jedoch in den nächsten Jahren nötig. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich unsere Städte und Gemeinden weiterhin positiv entwickeln. Die Niedersächsische Landesregierung und die SPD-Landtagsfraktion haben alles dafür getan, diesen Forderungen nach mehr Geld vom Bund Nachdruck zu verleihen. Besonders wichtig war es deshalb trotz der bekannten schwierigen Haushaltssituation des Landes, die kurzfristig erfolgte Aufstockung der Bundesmittel seitens des Landes und der Kommunen gegen zu finanzieren. Kommunen aus Ziel-2-Regionen können zur Aufbringung ihres kommunalen Anteiles dabei auf Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – EFRE – zurückgreifen. Trotz dieser ermutigenden Maßnahmen der Bundesregierung, die damit - anders als die Regierung Kohl - ein eindeutiges Bekenntnis für den Städtebau in Niedersachsen abgegeben hat, wäre es wünschenswert, wenn die Verwaltungsvereinbarung zur Gewährung von Bundesfinanzhilfen auf mehrere Jahre abgeschlossen würde. Dies hätte für Länder und Kommunen den Vorteil der Planungssicherheit, die bei Baumaßnahmen deutlich zur Kostensenkung beitragen könnte.

Meine Damen und Herren, wie ich eingangs bereits sagte, ist die Städtebauförderung ein unendlicher Prozess, der nicht nur von architektonischen und ästhetischen Fragen sowie dem Instandhaltungsbedarf immer wieder neu in Gang gesetzt wird, sondern auch durch soziale Probleme, die zu städtebaulichen Problemen werden - und umgekehrt.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich auch in Niedersachsen eine Reihe von Stadtteilen herausgebildet, die mit einer Konzentration von sozialen Problemen zu kämpfen haben. Das sind Stadtteile mit hoher Arbeitslosigkeit insbesondere von Jugendlichen, mit Problemen im Zusammenleben von Deutschen und Zuwanderern, mit Integrationsproblemen, vernachlässigten öffentlichen Räumen, oftmals mit Wohnungsleerständen, mit niedrigen Durchschnittseinkommen, Drogenproblemen sowie zunehmender Gewaltbereitschaft und Vandalismus.

27 solcher sozial problematischen Stadtgebiete konnten sei 1999 in das Programm „Soziale Stadt“ aufgenommen werden. Jedes dieser Quartiere sieht anders aus. Jedes hat trotz ähnlicher Problemlagen seine Spezifika. Aus diesem Grunde wird beim Programm „Soziale Stadt“ großer Wert darauf gelegt, dass alle Städte des Programms eine detaillierte Bestandsaufnahme ihrer Situation durchführen und eigene Lösungskonzepte erarbeiten.

(Hagenah [GRÜNE]: Aber keinen Abschlussbericht machen!)

Dies ist nur möglich, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Stadtteile umfassend in das Sanierungsprogramm einbezogen werden. Ich meine, das ist notwendig.

Das Programm „Soziale Stadt“ ist idealerweise eine Verbindung zwischen baulichen und anderen, eher sozial- und jugendpolitisch geprägten Maßnahmen. In einem Handbuch zur Förderpraxis, das vom Niedersächsischen Innenministerium, vom Verband der Wohnungswirtschaft sowie von der Niedersächsischen Landestreuhandstelle bereits in zweiter Auflage herausgegeben worden ist, finden sich Dutzende von Förderprogrammen, die ergänzend zum Kernprogramm der sozialen Stadtteilsanierung in Anspruch genommen werden können.

Viele Einzelprobleme der betroffenen Stadtteile können durch zusätzliche Fördermittel z. B. im Bereich von Qualifizierung und Beschäftigung, bei Energieeinsparung und Umweltschutz oder auch

im Bereich der Wirtschaftsförderung einer Lösung näher gebracht werden.

(Hagenah [GRÜNE]: Machen Sie das denn auch?)

Viele in das Programm einbezogene Städte und Gemeinden sowie ihre Sanierungsträger haben die nötige Kreativität entwickelt, um für ihre spezifischen Probleme die richtigen Lösungsansätze zu entwickeln und die nötigen Fördermittel zu beantragen.

Unbefriedigend ist jedoch nach wie vor die häufig nicht ausreichende Sensibilität bei der Antragsbearbeitung für das Gesamtprojekt der sozialen Stadtentwicklung. Dennoch kann bereits jetzt eine positive Zwischenbilanz auch für den Programmteil „Soziale Stadt“ gezogen werden, für den insgesamt Mittel in Höhe von rund 70 Millionen Euro allein in den letzten vier Jahren zur Verfügung gestellt werden konnten.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen zwölf Jahren wurden allein durch die Städtebauförderung mehr als eine halbe Milliarde Euro in mehr als 190 niedersächsischen Städten und Gemeinden investiert. Rund 7 000 Wohnungen wurden neu gebaut oder grundlegend saniert, und tausende von Arbeitsplätzen auf dem Bau wurden gesichert. Allein diese statistischen Daten sind eindrucksvoll. Viel eindrucksvoller aber ist, dass in jeder dieser rund 190 Städte und Gemeinden auf den ersten Blick sichtbar ist, dass diese öffentlichen Gelder gut angelegt worden sind.

Meine Damen und Herren, hierzu kann man zum Abschluss sagen: Mit einer Mark an öffentlichen Mitteln wird ein Investitionsvolumen von 7 bis 8 DM aus privatem Kapital ausgelöst. Das ist arbeitsmarktpolitisch sinnvoll.

(Zustimmung von Rolfes [CDU])

An dieser Aufgabe werden wir festhalten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Rolfes [CDU]: Das gilt aber auch für Euro!)

- Halbieren Sie das doch einfach. In Mathe hatte ich immer eine 2.

Für die Landesregierung spricht der Herr Innenminister Bartling.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wolf, das hat nichts mit Mathematik, sondern mit der Umstellung eines Währungssystems zu tun. Der Faktor ist der Gleiche. Wir brauchen hier also nichts zu halbieren, sondern nur den Faktor zu übernehmen. Das ändert nichts daran, dass der Faktor beeindruckend ist.

Meine Damen und Herren, ich bin Herrn Wolf sehr dankbar, dass er einen Bezug zu den praktischen Wirkungen des Städtebauförderungsgesetzes hergestellt und dies am Beispiel Hamelns deutlich gemacht hat. Auch ich komme aus einer Stadt an der Weser, die sich allerdings ein bisschen später auf den Weg gemacht hat. Ich habe noch die politischen Auseinandersetzungen in Erinnerung, die um Hameln stattgefunden haben, als man überlegte, ob man dort vieles platt machen sollte oder nicht, sich dann aber für den Weg entschieden hat, der schließlich beschritten wurde. Bei der Bundesregierung und bei der Mehrheit im Bundestag hatte sich die Überlegung durchgesetzt, dass es sinnvoll ist, unsere Städte in ihrer historisch gewachsenen Struktur zu erhalten. Das, was Herr Wolf über einen russischen Besucher erzählt hat, ist für mich ein Beleg dafür, was unsere Heimat ist und was Kultur beinhaltet. Das sind Punkte, die neben den ökonomischen Aspekten sehr viel mit Städtebauförderung zu tun haben.

Ich bin der SPD-Fraktion dankbar für die Große Anfrage. Sie bietet angesichts der aktuellen Situation der Binnenkonjunktur und des Arbeitsmarktes eine gute Gelegenheit für eine Zwischenbilanz. Es kann in der Tat nur eine Zwischenbilanz sein.

(Decker [CDU]: Jubel bricht aus!)

- Herr Decker, es kann auch Jubel ausbrechen.

(Widerspruch von Decker [CDU])

Wir müssen auch keineswegs behaupten, dass nur einer Anlass zum Jubeln habe. Das Programm ist ja von anderen, u. a. mit anderer Schwerpunktsetzung, fortgeführt worden. In der Zielsetzung gibt es gar nicht einmal so sehr wesentliche Unterschiede.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Mit der Städtebauförderung wurde Anfang der 70er-Jahre begonnen. Seitdem hat sie sich als ein wertvolles Instrument bewährt, um die räumlichen

Ungleichgewichte auszugleichen. Hiervon hat Niedersachsen als Flächenland erheblich profitiert. Es ist mithilfe der Städtebauförderung gelungen, Orts- und Stadtkerne in ihrer Funktion zu stabilisieren und einen wesentlichen und nachhaltigen Beitrag zum erforderlichen Umbau der Siedlungsund Stadtstrukturen zu leisten. Dazu gehört auch die Wiedernutzung von Flächen, insbesondere der in Innenstädten brachliegenden Konversions- und Eisenbahnflächen. Herausragendes Ziel ist die Stärkung ihrer städtebaulichen Funktion als Wohnund Wirtschaftsstandort.

Bis zur Wiedervereinigung wurde das Städtebauförderungsprogramm bundesweit auf einem finanziell sehr hohen Niveau umgesetzt. Danach wurden die Bundesfinanzhilfen für die alten Länder massiv gekürzt und im Jahre 1993 sogar einmal ausgesetzt. Die Fortsetzung ab 1994 erfolgte auf einem deutlich reduzierten Niveau. Eine nennenswerte Steigerung der Bundesfinanzhilfen für die alten Länder erfolgte im Bereich der herkömmlichen Städtebauförderung erst wieder ab dem Programmjahr 2001. Der Anteil Niedersachsens erhöhte sich von zuvor rund 4,7 Millionen Euro auf rund 16,5 Millionen Euro in 2002.

Die Landesregierung legt seit 1999 einen deutlichen Schwerpunkt auf die Programmkomponente „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf die soziale Stadt“. Mit dieser Gemeinschaftsinitiative ist ein soziales Aktionsprogramm ins Leben gerufen worden, das eine nachhaltige Entwicklung in Stadt- und Ortsteilen mit besonderen sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Problemen sicherstellen soll. Der Bund stellte dem Land hierfür anfangs rund 4,8 Millionen Euro bereit. Dieser Betrag erhöhte sich ab 2001 auf rund 7 Millionen Euro.

Gegenwärtig befinden sich 27 Sanierungsgebiete in der Programmkomponente „Soziale Stadt“. Die Durchführung des Programms wird insbesondere auch durch die Wohnungsbauförderung unterstützt. So konnte erreicht werden, dass seit dem Start des Programms „Soziale Stadt“ rund 500 Wohnungen in städtebaulichen Sanierungs- und ehemaligen Unterkunftsgebieten mit einem Mittelvolumen von rund 10,8 Millionen DM gefördert werden. Ich freue mich, an dieser Stelle feststellen zu können, dass das Land in den vergangenen Jahren bereit und in der Lage war, die erhöhten Bundesfinanzhilfen im Bereich der Städtebauförderung jeweils in vollem Umfang gegenzufinanzieren. Meine

Damen und Herren, das fällt uns bei der Haushaltslage des Landes nicht leicht.

(Beifall bei der SPD)

Gleichermaßen gelang es, die erhöhten Städtebauförderungsmittel des Landes durch die vorgegebene Drittelfinanzierung auch mithilfe höherer Eigenmittel der Sanierungsgemeinden vollständig zu binden. Die Gemeinden - das wissen Sie selbst auch - leisten hier also einen ganz gewaltigen Beitrag.

Eine weitere Verstärkung der Städtebauförderung ergibt sich seit dem letzten Jahr durch die Beteiligung der Europäischen Union im Rahmen des niedersächsischen Ziel-2-Programms. Die Landesregierung hat dieses Programm mit dem eigenen Schwerpunkt „Erneuerung städtischer Problemgebiete“ ausgestaltet und mit rund 41 Millionen Euro dotiert. Ziel ist die nachhaltige Verbesserung der Situation in städtischen Problemgebieten und, damit verbunden, die Stärkung der städtischen Entwicklungspotenziale. In diesem Förderbereich befinden sich 19 Sanierungsgebiete.

Eine zusätzliche Förderungsmöglichkeit könnte sich in Kürze aus der Entscheidung des Bundes im Rahmen des Programms „Stadtumbau West“ ergeben. Hierbei handelt es sich um die bundesseitige Förderung von wahrscheinlich fünf Pilotprojekten in den alten Ländern im Rahmen des experimentellen Wohnungs- und Städtebaus.

Mit den geförderten Maßnahmen sollen die Attraktivität der Städte als Wohn- und Wirtschaftsstandort gestärkt, die Schaffung und Erhaltung neuer Arbeitsplätze gefördert und die Zukunftsfähigkeit der Städte insgesamt unterstützt werden. Es geht darum, den aufgrund des Strukturwandels notwendigen Stadtumbau zu nutzen, um die betroffenen Stadtteile aufzuwerten und an die Anforderungen der Nachhaltigkeit anzupassen. Dazu gehört beispielsweise ebenso die energetische Optimierung von Siedlungen. Im Rahmen dieser Forschungsvorhaben können die Bundesmittel auch für den Rückenbau leer stehender, dauerhaft nicht mehr benötigter Wohngebäude und Wohngebäudeteile eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren, bevor ich zum Ende meiner kurzen Ausführungen komme, lassen Sie mich bitte auf die von der Standortreduzierung durch die Veränderungen, die die Bundeswehr eingeleitet hat, betroffenen Gemeinden eingehen. Neben der vorrangigen Berücksichtigung von An

meldungen dieser Gemeinden für das Städtebauförderungsprogramm hat die Landesregierung beschlossen, Landesmittel zur Unterstützung der Gemeinden in ländlichen und strukturschwachen Regionen als Hilfe bei der Umnutzung der Konversionsflächen in Höhe von 12,8 Millionen Euro bereitzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Gefördert werden können die Erarbeitung von Planungsgrundlagen für die Nutzung von Bundeswehrliegenschaften wie beispielsweise Bestandsaufnahmen, Umnutzungsgutachten oder Rahmenpläne sowie die Erstellung von Konzepten zum Ausgleich der wirtschaftlichen und arbeitsmarktbezogenen Folgen der Standortreduzierungen und auch der Standortschließungen.

Angesichts der aktuellen Situation der Bauwirtschaft, meine Damen und Herren, möchte ich nicht versäumen, auf die arbeitsmarktpolitischen Effekte der Städtebauförderung hinzuweisen, die Herr Wolf eben auch schon erwähnt hat. Sie hat sich als ein hervorragendes Instrument der Konjunkturpolitik bewährt. Durch wissenschaftliche Studien ist nachgewiesen, dass die Städtebauförderungsmittel ein Bauvolumen in der achtfachen Höhe anstoßen. Hierbei ist insbesondere der regionalwirtschaftliche Bezug hervorzuheben. In den meisten Fällen werden Baukapazitäten aus den Sanierungsgemeinden selbst oder aus der unmittelbaren Umgebung genutzt.

Zum Schluss lassen Sie mich bitte eines feststellen: Die Städte stehen - das sagt auch die Finanzsituation - vor großen Herausforderungen. Es ist offensichtlich, dass neue Anstrengungen notwendig werden, um die Rolle unserer Städte als Ort sozialer und kultureller Integration, als Quelle ökonomischen Wohlstandes und nachhaltigen marktgerechten Wachstums zu stabilisieren und zu stärken. Wie Sie aber selbst draußen in Ihren Wahlkreise erkennen können, unterstützt die Landesregierung die Sanierungsgemeinden bei der Bewältigung ihrer städtebaulichen Probleme. Sie wird diesen Weg auf der Grundlage der Landtagsentschließung vom Januar 2001 - „Städtebauliche Probleme durch Städtebauförderung lösen“ - konsequent fortsetzen und zusammen mit den Sanierungsgemeinden dazu beitragen, dass auch diese Gebiete den sich wandelnden Anforderungen gerecht werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Decker hat jetzt ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Städtebau war und ist eine wichtige Aufgabe, die, richtig angepackt, viele Möglichkeiten und Chancen bietet. Darüber sind sich alle am Bau Beteiligten einig. Die Städtebauförderung ist ein Instrument, das mit relativ wenig öffentlichen Mitteln hohe private und kommunale Investitionen auslöst.

Die Große Anfrage der SPD-Fraktion hat sich allerdings nicht mit den Grundsatzfragen von Städtebauförderung, Stadtentwicklung, Entleerung der Innenstädte und Fragen der Beschäftigungsförderung befasst. Insgesamt soll die Große Anfrage dazu dienen, jubelnd auf dem Marktplatz die Städtebauförderung aus der SPD-Sicht zu feiern.

Dabei nimmt man auch alle Tricks der Auslegung von Statistiken in Anspruch. Da wird z. B. gefragt, wie viele Fördermittel seit 1990 eingesetzt wurden, und anschließend vergleicht man die geförderten Maßnahmen seit 1971. Das sind schon interessante Vergleiche. Ich weiß nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat.