Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Herr Minister, Sie haben sich halbwegs distanziert. Das hört sich alles schön und gut an. Aber die Politik in Berlin hat nicht nur Frau Künast, sondern hat auch die SPD in ihrer Gänze zu verantworten.

(Beifall bei der CDU)

Sie ist auch an der Regierung und hat es nicht verhindert, dass wir diese Entwicklung bekommen

haben und dass die Landwirte - ich sage das einmal so hart - die Schnauze voll haben von der Politik

(Zustimmung von Frau Mundlos [CDU])

und sehnlichst darauf warten, dass diese Frau da wegkommt. Das ist das Erste, was von Landwirten gefordert wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, wir sollten jetzt nicht versuchen, in dieser Endzeitstimmung der jetzigen Regierung - dass dies so ist, merkt man an Ihren Äußerungen - noch irgendwelche Dinge zu installieren, die letztendlich keinen Wert haben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Vizepräsident Gansäuer tritt ans Rednerpult)

Ich wollte jetzt noch einen umfassenden Vortrag über die Agrarpolitik halten. Das ist doch völlig klar.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich muss dieses Mikrofon am Pult benutzen, weil es auch darum geht, dass die Mitteilungen, die ich jetzt mache, ebenfalls an den Lautsprechern in den Zimmern gehört werden. Die Technik hat leider ihren Geist aufgegeben. Ich hoffe, dass das Mikrofon des Präsidenten heute Nachmittag wieder funktioniert.

Formell muss ich feststellen, dass mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

Damit kommen wir jetzt zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, diesen Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen und den Unterausschuss „Verbraucherschutz“ sowie die Ausschüsse für Umweltfragen und für Haushalt und Finanzen mitberatend zu beteiligen. - Andere Wünsche sehe ich nicht.

Meine Damen und Herren, das, was ich Ihnen nun noch mitteilen möchte, haben die Fraktionen übereinstimmend vereinbart, dass nämlich die Mittagspause bis 15 Uhr dauern soll. Deshalb wird das Blasorchester der Musikakademie Perm nicht um 14.15 Uhr, sondern um 14.45 Uhr auf der Marmortreppe der Portikushalle spielen. - Ich wünsche

Ihnen derweil einen guten Appetit. Wir sehen uns um 15 Uhr wieder.

Unterbrechung: 13.15 Uhr.

Wiederbeginn: 15.01 Uhr.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben die Mittagspause angenehm verbracht.

Wir setzen unsere Beratungen fort mit

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Umsetzung der AGENDA 21 in Niedersachsen 10 Jahre nach der Konferenz von Rio Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/3367

Zur Einbringung des Antrages hat die Frau Kollegin Steiner um das Wort gebeten. Das erteile ich ihr natürlich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema „Nachhaltige Entwicklung“, wie es in der Präambel der AGENDA 21 formuliert wird, gibt die Richtung eines Prozesses an. Wir können beobachten, dass es der Leitlinie der nachhaltigen Entwicklung genau so geht wie anderen allgemeinen Formulierungen, nämlich dass sie Gefahr laufen, zu einer konsensträchtigen Leerformel zu verkommen und damit nicht mehr ernst genommen zu werden. Solange Nachhaltigkeit als allgemeine Leitlinie stilisiert wird, lässt sich wunderbar darüber diskutieren und auf Symposien vortragen. Auf allgemeiner Ebene herrscht ja Konsens darüber, solange man es nicht konkret umsetzen muss.

Wir Grünen möchten die nachhaltige Entwicklung nicht auf dieser Ebene belassen, sondern wir wollen konkrete Schritte und Ziele festlegen. Dann sind Ergebnisse überprüfbar, und wir können klären, wer was auf welchem Gebiet als nächstes tun wird. Es geht uns mit unserem Antrag nicht darum, den Beitrag anderer Fraktionen, den sie leisten, gering zu schätzen. Wir finden, dass bei dieser Zielsetzung Wettbewerb nur sinnvoll sein kann, denn Ergebnisse der Bemühungen können sich addieren und zu größerer Wirkung führen. Wir alle kennen das Problem: Jeder redet von Nachhaltig

keit, wenn es in der politischen Diskussion opportun ist, aber dann, wenn es an die konkreten Schritte geht und wenn man Ausrichtung von Handeln, z. B. in Verwaltung und Unternehmen, am Prinzip der Nachhaltigkeit erreichen will, wird es wesentlich schwieriger, und ein gutes Vorhaben verläuft oft im Sand, weil die Blockade viel zu groß ist und das eher als allgemeines gesellschaftspolitisches Geschwätz diffamiert wird.

Wir bringen diesen Entschließungsantrag heute ein, weil wir der Auffassung sind, dass das Land seine Anstrengungen in diesem Prozess intensivieren muss. Anspruch und reelle Umsetzung klaffen an bestimmten Stellen weit auseinander. Um das zu erreichen, brauchen wir als erstes eine Vergewisserung, wie viel in den letzten Jahren in Niedersachsen passiert ist. Dann können wir uns weiter gehende Ziele stecken. Wir haben bewusst aus dem ganzen Netz der Handlungsfelder nur einige Bereiche herausgegriffen, weil wir meinen, dass wir zum Weiterarbeiten bald eine Übersicht brauchen. Die letzte Berichterstattung, die im Januar 1998 vom Landtag beschlossen wurde, wurde erst im Juli 1999 von der Landesregierung vorgelegt. So haben wir uns das nicht vorgestellt.

Wir haben verschiedene Fragen an die Landesregierung. Nach deren Beantwortung wollen wir gemeinsam daraus ein Programm entwickeln. Wir möchten beispielsweise von der Landesregierung wissen, was sich im Umgang mit natürlichen Ressourcen wie Wald- und Moorflächen positiv verändert hat. Wälder und Moore sind natürliche Kohlenstoffspeicher und deswegen von besonderer Bedeutung für den Klimaschutz. Wir wissen, dass sich die Bundesregierung international verpflichtet hat, die CO2-Emission bis 2005 um 25 % zu senken. Das NLÖ stellt im April diesen Jahres in seiner Veröffentlichung zu Umweltindikatoren dazu fest - ganz lakonisch -:

„Der Beitrag des Landes Niedersachsen zur Erreichung dieses nationalen Ziels erscheint anhand der bisherigen Entwicklung nicht ausreichend."

Es gibt eine Jubelbroschüre von der Landesregierung, in der im Landwirtschaftsteil dieses Thema erörtert wird. Dort werden aber nur ganz allgemeine Aussagen zum Schutz der Wälder getroffen, und es wird nichts Konkretes festgelegt.

Wir wollen ferner wissen, mit welchen Mitteln die Landesregierung ihren Beitrag zur Veränderung

von Wirtschaftsweisen und Konsumgewohnheiten leisten will. Natürlich ist es nützlich, am 3. Juli eine Veranstaltung zu machen, vielfältige Aktivitäten in Niedersachsen zu würdigen und den Umweltpreis entsprechend zu widmen, ganz abgesehen davon, dass wir alle wissen, dass so etwas auch immer der Selbstdarstellung einer Landesregierung dient. Wir wollen Konsumgewohnheiten in Richtung Nachhaltigkeit verändern. Wollen wir das tun, müssen wir dazu beitragen, Information und Angebot für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern, und zwar niedersachsenweit.

Es gibt viele Initiativen in einzelnen Regionen. Das Wendland ist am bekanntesten. Es gibt sie aber auch in anderen Landkreisen, sei es in Göttingen, Braunschweig oder Ostfriesland. Allerdings sind das einzelne Initiativen. Viele Initiativen sind nach dem ersten Schwung, den es vor drei, vier, fünf Jahren gab, eingeschlafen. Unserer Meinung nach müssen mit Unterstützung des Landes regionale Netze aufgebaut werden, um regionale Produktionen mit nachhaltigen Zielsetzungen zu fördern und zu vermarkten.

Dazu möchte ich betonen: Es handelt sich nicht um eine nachhaltige Produktion, wenn in der Region Vechta Schweine gemästet, nach Italien gekarrt werden und dieses Fleisch nach entsprechender Behandlung als Parmaschinken oder Tiroler Speck wieder nach Deutschland zurück kommt und hier angeboten wird. Das hat keine nachhaltige Ökobilanz. Da muss niemand nachrechnen. Auch hier besteht eine Notwendigkeit für veränderte Agrarpolitik.

Der nächste Punkt betrifft die Unterstützung der Entwicklung in Ländern des Südens. Auch für Niedersachsen besteht die Verpflichtung zur globalen Partnerschaft. Wir fragen uns, wie Nachhaltigkeitsaspekte bei der Gestaltung von Wirtschaftsbeziehungen berücksichtigt werden. Welchen Beitrag leistet Niedersachsen, um mit Partnerschaften mit Entwicklungsregionen die Einhaltung grundlegender Umwelt- und Sozialstandards zu unterstützen? Wir wollen ein Konzept, das den Export umweltfreundlicher Technologien aus Niedersachsen, z. B. nach Eastern Cape, fördert. Hier gibt es natürlich noch mehr Möglichkeiten, als Windräder zu vermarkten. Darüber hinaus könnten wir unsererseits auch den Absatz fair gehandelter Produkte in Niedersachsen steigern. In diesem Bereich gab es im vergangenen Jahr eine tolle Kampagne vom VEN. Aber wenn wir die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten steigern wol

len, dann müssen wir solche Ansätze weiter ausbauen. Hierfür ist weiterhin Unterstützung vonseiten des Landes notwendig.

Wir haben auf viele Punkte in unserem Antrag hingewiesen, bei denen Politik Vorbildfunktion haben kann, z. B. beim Kauf von Lebensmitteln, und zwar in den Bereichen, in denen das Land auf die Beschaffung von Nahrungs- und Genussmitteln Einfluss hat. Wir schlagen vor, dass sich das Land das EMAS Öko-Audit verordnet und damit ein Vorbild gibt, weil das die richtige Linie ist, die wir auch in der Industrie erreichen wollen. Wir glauben, dass die Beratung in den Ausschüssen, ohne dass wir uns gegenseitig um die Ohren hauen, wer mehr getan hat, dazu führen wird, dass wir diese Liste erweitern. Unser Ziel ist - darin liegt auch unser Interesse -, den Prozess in Richtung Nachhaltigkeit weiter zu treiben und zu beschleunigen. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU spricht der Kollege Behr.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Grünen gibt uns Gelegenheit, uns mit dem Thema „AGENDA 21“ auseinander zu setzen und einmal wieder darüber zu diskutieren. Das ist zehn Jahre nach Rio sicherlich angemessen. Allerdings möchte ich den falschen Eindruck vermeiden, als sei nun schon seit zehn Jahren daran gearbeitet worden, und seit zehn Jahren seien AGENDA-Prozesse in Gang gesetzt worden. Das ist leider erst wesentlich später der Fall gewesen.

Nach der Konferenz im Jahre 1992 - dort hat der damalige Umweltminister Klaus Töpfer die Dinge ganz wesentlich mit initiiert - hat es zunächst einmal politischen Streit gegeben: Man hat darüber diskutiert, was „Nachhaltigkeit“ überhaupt bedeutet und wie man sie zu definieren hat. Ich will daran erinnern, dass Frau Griefahn nach Rio gesagt hat, die Rio-Konferenz sei weder das Kerosin noch das Papier wert, das man seinerzeit verbraucht hat.

Insofern ist der AGENDA 21-Prozess auf Landesebene in Niedersachsen erst Anfang 1996 erst richtig in Gang gekommen. Auf kommunaler Ebene ist es sogar noch später gewesen. Bei mir, im

Kreis Stade, haben wir diesen Prozess erst 1997 richtig in Gang gesetzt.

Ich will keine Vergangenheitsbewältigung betreiben, aber trotzdem deutlich machen, dass wir nicht überall seit zehn Jahren in diesem Prozess sind. Trotzdem ist es gut, dass wir jetzt zu einer Bestandsaufnahme kommen und in Niedersachsen ein Stück weit Bilanz ziehen, um dann aber auf jeden Fall nach vorne zu schauen.

Die AGENDA 21 ist darauf angelegt, auf allen Ebenen berücksichtigt zu werden. Gerade die lokalen und dezentralen Ebenen sind in dem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Im kommunalen Bereich - so mein Eindruck - hat sich schon eine ganze Menge entwickelt. Vielfach haben sich AGENDA 21-Arbeitskreise gebildet. Darüber hinaus sind zahlreiche Kommunen die Verpflichtung eingegangen, der Charta von Aalborg beizutreten. Auch auf regionaler Ebene hat eine sehr breit angelegte Zusammenarbeit eingesetzt, z. B. in der Abfallwirtschaft, bei der Energieeinsparung, im Tourismus, bei der Erholung oder auch im Naturschutz. Selbst wenn einschlägige Aktionen zunehmend auf EU-Ebene und ganz global stattfinden, ist es sicherlich sehr sinnvoll, gerade in der regionalen Zusammenarbeit die Kommunikation untereinander zu verbessern, voneinander zu lernen und - wenn ich diese Vokabel einmal benutzen darf - best practice einzusetzen, um so die besten Vorschläge zu verwirklichen.

Meine Damen und Herren, wir sind aber weit davon entfernt, AGENDA 21-Prozesse flächendeckend in Gang gesetzt zu haben. Nach wie vor hängt sehr viel an Einzelpersonen, und es fehlt oft auch an Unterstützung. Das Bewusstsein ist nach wie vor nicht ausreichend ausgeprägt. Außerdem haben wir ein großes Problem zu lösen: Es ist zu wenig Geld da, und es wird zu wenig finanzielle Unterstützung geleistet. Wenn aber den Kommunen kein Geld zur Verfügung steht, ist es schlecht möglich, entsprechende Modellprojekte zu fördern. Das betrifft z. B. Solaranlagen an Schulen. Wer auf der einen Seite Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen vornehmen muss - das gilt gerade für den sozialen Bereich -, hat es schwer, solche Modellprojekte auf kommunaler Ebene zu finanzieren.

Es gibt aber noch einen weiteren Bereich, den ich als sehr problematisch ansehe: Oft werden innovative ökologische Projekte mit Bürokratie tot gemacht. Ich will nur ein Beispiel nennen, das wir im Ausschuss häufig behandeln. Dabei geht es um

Kleinkläranlagen. Dort gibt es sehr gute innovative Beispiele. Wir alle wissen, wie damit vonseiten der Landkreise und der Umweltverwaltung umgegangen wird.

Insgesamt muss man das Gefühl haben - an der Stelle stimme ich Frau Steiner völlig zu -, dass hier die Landesregierung und die Landesebene insgesamt die AGENDA 21 ein Stück weit nur als Pflichtübung auffassen und es sich auf Landesebene um einen relativ müde verlaufenden Prozess handelt, bei dem man mit wenig Herzblut dabei ist. Diesen Eindruck muss man wirklich haben.

Dabei ist es doch eigentlich so, dass die AGENDA 21 von der Motivation lebt, dass man immer wieder Impulse gibt, dass die AGENDA 21 immer wieder neu entdeckt wird und man die Menschen auf diesen Weg mitnimmt. Aus unserer Sicht tut sich dort zu wenig. Es gibt den runden Tisch auf Landesebene, wobei es sicherlich nicht immer einfach ist, die unterschiedlichen und zum Teil divergierenden Interessen unter einen Hut zu bekommen. Aber AGENDA 21 ist ja so angelegt. Es geht um eine nachhaltige, ressourcenschonende Entwicklung, die sowohl ökonomisch machbare Aspekte einbringt als auch sozial gerechte Aspekte berücksichtigt und den ökologischen oder gesundheitlichen Bereich einbezieht. Diese Ziele sind alle gleichwertig. So ist die AGENDA 21 auf Partnerschaft und auf Kommunikation angelegt. Dort liegt sicherlich auch ein großes friedensstiftendes Potenzial begründet.

Es gibt - das ist eben auch deutlich geworden nach wie vor unterschiedliche Auffassungen. Die einen fordern möglichst präzise formulierte Ziele und klare Zeitpläne für die Umsetzung, während andere eher die Auffassung vertreten, der Weg sei das Ziel. Bei einer klar vorgegebenen Richtung ist ein ergebnisoffenes Entscheidungsverfahren im Sinne eines Lern- und Suchprozesses der AGENDA 21 so angelegt, dass es mehr um den Weg in Richtung der Ziele geht.

Nichtsdestotrotz müssen die Fortschritte gemessen werden. Bilanz ist zu ziehen. Ich bin jetzt schon gespannt darauf, wie die CO2-Reduzierung auf staatlicher Ebene erreicht werden soll. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Ausstieg aus der Kernenergie in diesem Kontext mit einem dicken Fragezeichen zu versehen ist. Wir werden sehen, wie wir sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene aus der Kurve kommen.