Protokoll der Sitzung vom 25.09.2002

Opposition regierungsfähig sein will, unseren Bürgerinnen und Bürgern erklären, wie er das finanzieren will. Das gilt übrigens auch für den Antrag, über den wir zuvor diskutiert haben. Sie sind aber nicht in der Lage, so etwas aufzuzeigen, meine Damen und Herren. Wie Ihr „gewesener“ Kanzlerkandidat machen Sie Wahlversprechen über Wahlversprechen,

(Klare [CDU]: Sie nicht?)

ohne im Geringsten darüber nachzudenken, wie Sie das finanzieren können.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Stoiber ist Champagner trinkend damit gescheitert. Herr Wulff wird ebenfalls - damit bereits im dritten Anlauf - scheitern.

(Zustimmung bei der SPD - Möllring [CDU]: Seien Sie sich nicht so si- cher!)

- Nein, sicher bin ich auch nicht. Ich werde dafür arbeiten, dass das passiert.

Das gilt ebenso für Ihre Forderungen im Zusammenhang mit der polizeilichen Ausbildung. Ich habe Ihnen schon wiederholt erklärt, dass Sie mich nicht von einer anspruchsvollen Ausbildung für die Beamtinnen und Beamten der Polizei in Niedersachsen abbringen werden, nämlich insbesondere deshalb, weil wir der Meinung sind, dass qualitativ hochwertig ausgebildetes Personal auch eine hochwertige, qualifizierte Leistung abliefert. Dafür nehmen wir temporäre Belastungen in der Ausbildung, zum Beispiel im Rahmen des Aufstiegslehrgangs für den gehobenen Polizeivollzugsdienst, auf uns. Diese werden, wie Sie wissen, im Jahre 2005 ihr Ende finden. Dann stehen zusammen mit den zusätzlich ausgebildeten Anwärterinnen und Anwärtern 1 000 Beamtinnen und Beamte mehr für die operative Polizeiarbeit zur Verfügung.

Herr Minister Bartling, möchten Sie eine Frage des Kollegen Klaus Krumfuß beantworten?

Ja, gerne.

Herr Minister, Sie haben angesprochen, dass es zu keiner Mehrbelastung des Einsatz- und Streifendienstes gekommen ist. Wie erklären Sie sich dann, dass der Einsatz- und Streifendienst nach der Polizeireform Aufgaben, die vorher von der Kriminalpolizei erledigt wurden, sprich: vom Kriminalermittlungsdienst, übernehmen musste und dass es heute schon dazu kommt, dass Polizeistationen nur dadurch aufrechterhalten werden können - der Dienst in den Stationen und die Öffnungszeiten -, weil dort eine Verstärkung durch den Einsatz- und Streifendienst stattfindet?

Herr Krumfuß, ich stimme Ihren Analysen insoweit nicht zu, als diese Lagebeschreibung von mir nicht geteilt wird. Wir haben eine umfassende Reform gemacht, die auch dazu geführt hat, dass wir mehr Beamtinnen und Beamte in die Basisdienststellen bekommen haben. Das reicht zurzeit nicht aus. Ich habe die angespannte Personallage durchaus geschildert. Wenn uns ab 2005 die 1 000 Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stehen, werden wir wieder in der Lage sein, hier zu einer gewissen Entlastung zu kommen.

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie scheinen eine qualifizierte Ausbildung offensichtlich aufgeben zu wollen. Anders lässt sich Ihre Forderung nach Ausgleich der mit der Ausbildung zum gehobenen Dienst verringerten Personalstärken nicht deuten. Woher wollen Sie denn kurzfristig Personal nehmen? Von der Straße direkt in den Streifenwagen ist wohl kaum eine Möglichkeit. Auch Sie müssten mittlerweile wissen, dass das Studium an der Fachhochschule drei Jahre dauert und die Beamtinnen und Beamten erst danach dem polizeilichen Einzeldienst zur Verfügung stehen. Allein hieran können Sie ermessen, wie unrealistisch Ihre Forderung ist. Im Gegensatz zu Ihnen bauen wir auf Qualität und nicht ausschließlich auf Quantität.

Meine Damen und Herren, in der Begründung des Entschließungsantrages wird u. a. ausgeführt, dass so genannte aufklärungsgünstige Straftaten, wie beispielsweise Sexualdelikte, kontinuierlich angestiegen sind. Anhand der polizeilichen Kriminalstatistik zeigt sich jedoch ein anderes Bild; denn die Fallzahlen der Sexualdelikte sind im direkten Vergleich von 1992 bis 2001 von 4 700 auf 4 300 Fälle gesunken.

Weiterhin wird behauptet, dass die Häufigkeitszahlen, die Zahl der bekannt gewordenen Straftaten bezogen auf 100 000 Einwohner, auf hohem Niveau stagnieren. Auch das ist eine Aussage, die an der Realität vorbei geht. Die Häufigkeitszahl lag im Jahr 2001 bei 7 152 Straftaten pro 100 000 Einwohner. Das sind 1 346 Straftaten weniger als 1992. Seit 1994 bewegt sich die Häufigkeitszahl für Niedersachsen stetig unter der des gesamten Bundesgebietes.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, vor dem Hintergrund der genannten Fakten ist Ihr Antrag schlicht unseriös. Aber machen Sie ruhig weiter so. Die Menschen werden Ihr Spiel durchblicken.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Biallas hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

(Unruhe bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erste Bemerkung. Herr Minister, Ihr Auftritt eben war in manchen Bereichen ehrlich. Aber dort, wo er besonders ehrlich war, war er auch besonders peinlich.

Zweite Bemerkung. Es handelt sich bei diesem Papier um einen Hilferuf der Direktoren der Polizei aufgrund ihrer dienstlichen Erfahrungen.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte hier fest: Das, was die Direktoren der Polizei in einem 36-seitigen ausführlichen Bericht dargelegt haben, wird von ihnen, wie Sie sagen, jetzt zurückgezogen. Man kann auch sagen: einkassiert und im Papierkorb versenkt. Das ist kein demokratischer Stil, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Dritte Bemerkung. Sie haben gesagt, es handele sich bei diesem Papier um ein unfertiges Papier, das nicht zu Ende abgestimmt und nicht ausgereift sei. - Ich zitiere aus dem Vorwort dieses angeblich unfertigen Papiers. Dort heißt es:

„Wie mit dem Landespolizeidirektor abgesprochen, wurden Inhalt und Er

gebnis zusätzlich mit den Direktoren der Polizei...“

- jetzt werden die Namen aufgezählt

„ausgetauscht, abgestimmt und ergänzt. Mit dieser Beteiligungsform wird eine einheitliche Auffassung der Flächenbezirke und Polizeidirektionen dokumentiert.“

Das sagt doch alles, Herr Innenminister. Sie haben uns hier nicht die Wahrheit gesagt. Das muss ich hier einmal festhalten.

(Beifall bei der CDU)

Ein Letztes. Sie fahren durchs Land und erzählen überall von erfolgreicher Aufklärungsarbeit und gesunkener Kriminalität usw.

(Starker Beifall bei der SPD)

Auch da sagen Sie nicht die Wahrheit. Denn die Wahrheit ist:

(Zuruf von der SPD: Er macht gute Arbeit!)

Dort, wo die Aufklärungsquote besonders hoch ist, ist z. B. die Aufklärungsquote bei Ladendiebstählen mit eingerechnet, wo nämlich der Dieb gleich mit bei der Polizei abgeliefert wird. Da haben Sie 98 %. Das wird alles schön zusammengerechnet. In den ermittlungsintensiven Bereichen - das steht übrigens auch in dem Papier - sind die Aufklärungsquoten sehr gering. Dort fehlt es an Personal. Aber das nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Es sind ja nur die paar Polizeidirektoren, die haben da gearbeitet, mit denen kann man so umgehen.

Die sollen von uns wissen: So werden wir mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in diesem Lande nicht umgehen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Bartling möchte noch einmal erwidern. Bitte sehr!

Ich bitte um Nachsicht, wenn ich Sie noch ein bisschen aufhalte, meine Damen und Herren. Ich mache es aber auch ganz kurz. - Sie haben richtig geschildert, Herr Biallas, was ich mache. Ich fahre

durchs Land und schildere, wie erfolgreich unsere Polizei ist. Das werde ich auch weiterhin machen, und die Leute nehmen mir das auch ab, weil das auch die Realität ist.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Das ist die Realität. Ich sage Ihnen noch einmal - das ist das letzte Mal, dass ich versuche, Ihnen das zu erklären - die Direktoren der Polizei selber haben dieses Papier zurückgezogen, nachdem wir im letzten Jahr die vielfältigen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit durchgeführt und Mittel in den Haushalt eingesetzt haben. Deswegen hat dieses Papier keine Bedeutung mehr. Das müssen Sie mal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Weil Sie es verboten haben! - Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Schünemann, bis zu zwei Minuten zusätzliche Redezeit!

(Oh! bei der SPD)

Herr Minister, ich wundere mich schon sehr über die Aussage, die Sie eben gerade getroffen haben. Ausweislich der Presseberichte, die es über dieses Papier gegeben hat, war ganz klar, dass es ein Hilferuf der Direktoren war, die das der Presse zugespielt haben, weil diese Papiere von der politischen Führung nicht zur Kenntnis genommen worden sind. Ein Hilferuf der Direktoren,

(Beifall bei der CDU)

meine Damen und Herren! Und dann wollen Sie hier behaupten, dass die das schon vor einem Jahr zurückgezogen haben. Die Direktoren selber haben keinen anderen Weg mehr gesehen, als dieses Papier der Öffentlichkeit zuzuspielen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD: Stimmt doch nicht! - Ach, hör doch auf!)

So ist der Parlamentarismus, es kommt Bewegung, und Bewegung brauchen wir. Herr Minister Bartling, bitte sehr!