Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse der wissenschaftlichen internationalen und nationalen Vergleichsuntersuchungen im Rahmen der PISA-Studie zeigen, dass in Ländern, in denen der Schule eine größere Selbständigkeit und Eigenverantwortung ermöglicht wird und die erwarteten Leistungen zugleich regelmäßig an zuvor gesetzten Qualitätsstandards gemessen werden, Schülerinnen und Schüler erfolgreicher sind als in den Ländern, in denen beides weitgehend unterbleibt. Dabei soll nicht verkannt werden, dass andere Faktoren ebenfalls eine bedeutende Rolle für den Erfolg oder Misserfolg von Schülerinnen und Schülern spielen.
Ziel zukünftiger Schulentwicklung in Niedersachsen ist es, die Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Schule zu stärken und die Qualität der Schulergebnisse durch eine systematische externe und interne Evaluation zu sichern. Mit der Entwicklung von länderübergreifenden Bildungsstandards und Kerncurricula soll außerdem gewährleistet werden, dass in den Ländern vergleichbare qualitative Schul- und Schülerergebnisse erzielt werden.
Bei der externen Evaluation spielen dezentrale und zentrale Prüfungsverfahren eine wesentliche Rolle. In Niedersachsen soll in Zukunft kein Schulabschluss mehr ohne die erfolgreiche Teilnahme an einer Abschlussprüfung vergeben werden. Das Zentralabitur in den drei schriftlichen Abiturprüfungsfächern soll dabei ein Element sein.
Abiturvergleiche mit anderen Ländern haben gezeigt, dass die Qualität des niedersächsischen Abiturs in jedem Ländervergleich bestehen kann. Gleichzeitig haben sie aber auch gezeigt, dass ein höheres Maß an Transparenz, Vergleichbarkeit und Objektivierung hinsichtlich der Aufgabenstellungen und –bewertungen von Abiturarbeiten unter den Schulen des Landes hergestellt werden muss. Die Abiturvergleiche haben ferner gezeigt, dass die thematische Breite der niedersächsischen Rahmenrichtlinien und Einheitlichen Prüfungsanforderungen in den Abiturprüfungsfächern von den Schulen nicht ausgeschöpft wird. In nicht wenigen Fächern ist über die Jahre eine thematische Engführung bei den Aufgabenvorschlägen der Schulen zu beobachten. Mit dem Zentralabitur als Steuerungselement kann sowohl eine schul- und schulformübergreifende Gleichwertigkeit der Aufgabenstellungen und –bewertungen in der Abiturprüfung gewähr
leistet als auch einer thematischen Engführung entgegengewirkt werden. Vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit und Wissenschaftspropädeutik bleiben so Kennzeichen der allgemeinen Hochschulreife in Niedersachsen.
Bei der Einführung des Zentralabiturs soll aber das Erfahrungswissen nicht verloren gehen, wonach die Gesamtleistung einer Schülerin oder eines Schülers nicht allein durch eine punktuelle Leistungsmessung in einer Abiturprüfung festgestellt werden kann. Die Schülerleistungen, die im 12. und 13. Schuljahrgang erbracht worden sind, werden auch beim Zentralabitur wie bisher in die Gesamtqualifikation eingerechnet, die zur Erteilung der allgemeinen Hochschulreife berechtigt. Ebenso soll auch beim Zentralabitur das unterrichtliche Erfahrungswissen der Schulen weiterhin berücksichtigt werden, indem die zentralen Aufgabenstellungen auf von Schulen eingereichten Aufgabenvorschlägen basieren und in den Fächern mit zentraler Aufgabenstellung eine Auswahl unter verschiedenen Aufgabenvorschlägen ermöglicht wird.
In Verbindung mit dem Zentralabitur wird die Rückmeldung an die Schulen über die Abiturergebnisse systematischer und umfassender gestaltet werden müssen.
Denn die Schulen benötigen mehr Daten über ihre Abiturergebnisse, um vertiefende fachliche Gespräche über die Ursachen für den aktuellen Qualitätsstand im Vergleich zu anderen Schulen führen zu können. Hierzu bedarf es jedoch nicht nur umfassenderer, sondern auch ins Verhältnis gesetzter Daten.
Zu 2: Die Abiturprüfungsaufgaben in Niedersachsen werden sich wie bisher auf die von der Kultusministerkonferenz vereinbarten fachbezogenen Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung, EPA genannt, beziehen. Diese Einheitlichen Prüfungsanforderungen sind seit langem die nationalen Bildungsstandards, von denen die Kultusministerkonferenz bei der Abiturprüfung ausgeht. Nach einem verabredeten Verfahren werden diese Bildungsstandards zurzeit auf der Grundlage
Zu 3: Zur Auswertung der Abiturprüfungsergebnisse sollen die Schulen in Zukunft nach Abschluss der Prüfung in anonymisierter Form mehr Daten der Schulbehörde melden, z. B. die Schülerergebnisse in der Qualifikationsphase und in der Abiturprüfung sowie die Gesamtqualifikation. Die Schulbehörde stellt die Ergebnisse dann landesweit zusammen und meldet die Zusammenstellung der Schule zurück. Hierin können z. B. die folgenden Daten enthalten sein: der landesweite Abiturdurchschnitt, der Schuldurchschnitt und der jeweilige Fachdurchschnitt.
Über das differenzierte Rückmeldeverfahren an die Schulen hinaus soll es weiterhin bei dem so genannten Dezernentenabitur bleiben, wonach in regelmäßigen Abständen an den Schulen des Landes der Vorsitz in der Abiturprüfungskommission durch eine Dezernentin oder einen Dezernenten der Schulbehörde wahrgenommen wird. Das Dezernentenabitur beinhaltet auch die Festlegung der Bewertung der Schülerleistungen in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern durch die Schulbehörde sowie die Teilnahme an mündlichen Abiturprüfungen. Unabhängig vom Zentralabitur bleibt es also bei der systematischen Begleitung und Auswertung des Abiturs durch die Schulbehörde. Vielen Dank.
Frau Ministerin, Sie haben das Zentralabitur als Qualitätssicherungsinstrument im Rahmen des geplanten Projektes „Selbständige Schule“ beschrieben. Empfinden Sie es als effektiv, das, was am Ende des Prozesses steht, zu etablieren, bevor der Prozess begonnen hat?
Frau Ministerin, ist der Landesregierung bekannt, dass beim PISA-Vergleich bei den Gymnasiasten hinsichtlich der Lesekompetenz die Länder ohne Zentralabitur, nämlich Schleswig-Holstein und Niedersachsen, besser abgeschnitten haben als z. B. das Land Baden-Württemberg mit Zentralabitur?
(Möllring [CDU]: Wird denn die Le- sekompetenz im Abitur geprüft? Die wird doch für die Zulassung voraus- gesetzt!)
In der PISA-Studie ist die Lesekompetenz bei 15Jährigen geprüft worden. Es ist nicht die Abiturleistung von Schülerinnen und Schülern geprüft worden. Insofern lässt sich das 1 : 1 weder begründen noch bestätigen, was Sie gesagt haben.
Frage 3: Lehrermangel im ländlichen Raum - Bezirksregierung sucht Lehrerinnen und Lehrer per Zeitungsanzeige
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bezirksregierung Lüneburg hat in der Tageszeitung DIE WELT vom 5. Oktober 2002 eine große Zeitungsanzeige geschaltet, in der undifferenziert Lehrerinnen und Lehrer für den Regierungsbezirk Lüneburg zum 1. November 2002 gesucht werden. Dies ist eine Folge des bereits vorhandenen Lehrermangels insbesondere im ländlichen Raum. Zum Schuljahresbeginn konnten insbesondere im Bereich der Bezirksregierung Lüneburg zahlreiche Stellen nicht besetzt werden. Insgesamt konnte
landesweit im Bereich der allgemein bildenden Schulen und der berufsbildenden Schulen etwa jede fünfte Stelle nicht wie ausgeschrieben besetzt werden.
Die Anzeige verwundert insbesondere, weil die Landesregierung bisher behauptet hat, dass zum Einstellungstermin 1. November 2002 in allererster Linie die Bewerberinnen und Bewerber niedersächsischer Studienseminare übernommen und eingestellt werden sollten, sodass sich eine Anzeigenkampagne damit eigentlich erübrigt hätte. Darüber hinaus ist die Anzeige in keinerlei Hinsicht fach- oder lehramtsspezifisch differenziert.
1. Welche Kosten sind durch diese und gegebenenfalls andere entsprechende Anzeigen anderer Bezirksregierungen in welchen Zeitungen jeweils im Einzelnen im Hinblick auf welchen Haushaltstitel entstanden?
2. Wenn die Landesregierung angeblich zum Einstellungstermin 1. November in allererster Linie die Bewerberinnen und Bewerber niedersächsischer Studienseminare übernehmen will, warum startet sie dann eine aufwändige Anzeigenkampagne zur Lehrerwerbung?
3. Warum sind die Zeitungsanzeigen in keinerlei Hinsicht lehramts- und fachspezifisch differenziert, obwohl der Lehrermangel nicht pauschal, sondern eben lehramts- und fachspezifisch zu verzeichnen ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung konnte im Jahr 2002 einen Einstellungsrekord mit 3 629 neuen Lehrkräften für das Land Niedersachsen aufstellen. So erfreulich diese Tatsache ist, so sehr muss doch mit geeigneten Maßnahmen dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nicht im gleichen Umfang Lehramtsbewerberinnen und -bewerber zur Verfügung stehen. Dabei können zeitweise Schwierigkeiten u. a. in bestimmten Regionen und/oder bei bestimmten Fächern auftreten.
Die Bezirksregierung Lüneburg hatte zu den Einstellungsterminen 1. August 2002 374 Stellen und zum 1. November dieses Jahres weitere 128 Stellen an den allgemein bildenden Schulen zu besetzen. Der zuletzt genannte Termin diente insbesondere dazu, die Absolventinnen und Absolventen des Vorbereitungsdienstes sehr zeitnah für eine Beschäftigung im niedersächsischen Schuldienst zu gewinnen. Diese Planung konnte auch für die große Mehrzahl aller Stellen zum Ziel führen. Da sich aber eine größere Gruppe von Bewerberinnen und Bewerbern erfahrungsgemäß schwer tut, in Großstadtferne eine Stelle anzunehmen, galt es, diese jungen Menschen mit neuen, unkonventionellen Mitteln zu motivieren.
Weiter sollten Absolventinnen und Absolventen aus anderen Regierungsbezirken, die sich nicht für den Regierungsbezirk Lüneburg beworben haben und noch keine Stelle erhalten hatten, aber auch Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Bundesländern auf Arbeitsmöglichkeiten im Bezirk Lüneburg hingewiesen werden.
Ziel der Anzeige war, am vorgesehenen ersten Arbeitstag, dem 1. November 2002, möglichst alle Stellen zu besetzen, um den Schülerinnen und Schülern den geplanten Unterricht auch erteilen zu können.
Zu 1: Die Kosten für die Anzeigen wurden von der Bezirksregierung Lüneburg aufgebracht. Diese betrugen 23 870,93 Euro und wurden aus der so genannten Reformdividende gezahlt. Andere Bezirksregierungen haben keine Anzeigen geschaltet.
Zu 2: Die Anzeige war kurzfristig auf den Termin 1. November 2002 ausgerichtet, hatte aber auch die Einstellung zum 1. Februar 2003 mit im Blick.
Ansprechender Stil und nicht zu konkrete Einschränkung führten zu fast 150 Telefonaten, Briefen oder E-Mails, aus denen sich durch sachkundige Beratung eine Reihe Bewerbungen ableiten ließen. Eine Reihe von Bewerberinnen und Bewerbern mit Lehramtsausbildung wurde vorgemerkt, die auch für den Einstellungstermin 1. Februar 2003 im Gespräch sind. Darüber hinaus konnten Interessierte in eine Liste potenzieller Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger aufgenommen werden.
Zu 3: Da Anzeigen bekannterweise werbenden Charakter haben und es um möglichst vielfältige Kontakte zu Interessierten ging, wurde auf Einschränkungen im Anzeigentext verzichtet, die eher abgeschreckt hätten. Zum Erfolg dieser Strategie siehe Antwort zu Frage 2.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen, dass Sie mit dieser unkonventionellen Maßnahme zum 1. November durchsetzen wollten, dass möglichst alle Stellen besetzt werden können, frage ich Sie, ob es tatsächlich realisiert werden konnte.
Das ist nicht vollständig realisiert worden. Es blieben ein paar Stellen im Lüneburger Bereich offen.