Protokoll der Sitzung vom 11.12.2002

- Darauf komme ich gleich noch zurück.

(Möllring [CDU]: Also hat er doch die Wahrheit gesagt! Das ist der Haushaltsführungserlass!)

Nach wie vor stehen im Haushaltsplan 227 Vollstellen. Gemäß Haushaltsführungserlass wurde auf der Grundlage des Referenzmonats Juli 2001 - um das noch einmal deutlich zu sagen - ein Jahresdurchschnitt errechnet. - Jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Punkt; hören Sie einfach einmal zu. - Im Zusammenhang damit wurde ein Wert ausgeworfen, der eine Reduzierung von 11,3 Vollzeiteinheiten bedeutet.

(Schünemann [CDU]: Das habe ich auch gar nicht anders behauptet! - Möllring [CDU]: Er hat auch nur ge- sagt, dass die nicht besetzt sind!)

Also machen Sie das wie Klein-Fritzchen und behaupten, es wurden 11 Stellen eingespart.

(Schünemann [CDU]: Genau so ist es! Das habe ich gesagt!)

Doch Sie übersehen - jedenfalls haben Sie es bislang übersehen; heute haben Sie das schon einmal kurz eingeschränkt -, dass die Wiederbesetzung trotzdem vollzogen wurde, weil es sich um Zusagen handelte.

(Althusmann [CDU]: Bei Ihnen fehlt es an der Mathematikkompetenz! - Schünemann [CDU]: Sie haben gar nicht zugehört, was ich gesagt habe!)

Genau das haben wir Ihnen mehrfach erklärt. Aber Sie unterstellen nach wie vor, dass diese Stellen zur Disposition stehen,

(Schünemann [CDU]: Das tun sie ja auch!)

dass der Verfassungsschutz nicht gesichert ist. Sie haben heute nicht erwähnt, dass wir im Grunde neun Stellen „über den Durst“ haben. Der Wert wurde im Jahre 2002 nach dem Haushaltsführungserlass deutlich überschritten. Wir wissen, dass natürlich für das nächste Jahr eine Feinabstimmung vorgenommen werden muss.

(Schünemann [CDU]: Wenn Sie sa- gen „über den Durst“, dann wollen Sie das doch abstellen! Ist er denn überbesetzt?)

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, es ist doch für jeden selbstverständlich, dass sich auch der Verfassungsschutz wie jede andere Landesbehörde - wir sehen das so; Sie wollten eine Antwort haben; die bekommen Sie jetzt - an den Sparbemühungen des Landes beteiligen muss,

(Schünemann [CDU]: So, jetzt haben wir es!)

wobei der Bereich der Bekämpfung des terroristischen und extremistischen Islamismus davon allerdings unberührt bleibt. Das ist auch für uns wichtig.

(Schünemann [CDU]: Also, Rechts- extremismus spielt keine Rolle mehr!)

Die Stärkung der öffentlichen Sicherheit wird für die SPD-Landesregierung weiterhin Priorität haben, Herr Schünemann; dessen können Sie gewiss sein.

(Möllring [CDU]: Je nach Windrich- tung!)

Dabei kann aber nicht außer Acht gelassen werden - das tun Sie aber; Sie gehen überhaupt nicht auf veränderte Bedingungen ein -, dass sich z. B. am Ende des Kalten Krieges die Sicherheitslage in Richtung Osten geändert hat.

(Möllring [CDU]: Das war 1990!)

Selbstverständlich - das erwarte ich von jeder Landesbehörde - hat sich unser Verfassungsschutz mit seinem Aufgabenschwerpunkt in den letzten Jahren darauf eingestellt. Deshalb ist es absolut unsinnig, immer wieder Vergleichszahlen des personellen Bestandes aus der Zeit vor 1990 anzusprechen, wie Sie es so gern tun.

(Möllring [CDU]: Ist denn alles siche- rer geworden? Ich dachte, seit dem 11. September ist alles schwieriger!)

Sie wissen, dass bereits die Albrecht-Regierung seiner Zeit mit dem Abbau von Stellen beim Verfassungsschutz angefangen hat.

(Althusmann [CDU]: Gleich hole ich McAllister!)

Das war auch gut so, und das war auch richtig. Ich finde es wirklich reichlich absurd, wenn die CDUFraktion landauf, landab erklärt, dass sie im Falle einer Regierungsübernahme rund 6 000 Stellen bei den Landesbehörden einsparen will, aber im Bereich des Verfassungsschutzes so tut, als wenn es dringend erforderlich wäre, Stellenaufstockung zu betreiben.

(Möllring [CDU]: Das ist gelogen! Sie lügt! - Gegenruf von Adam [SPD]: Ei, Herr Möllring!)

Einen Moment, bitte, Frau Wörmer-Zimmermann. - Herr Kollege Möllring, ich bitte Sie sehr herzlich, sich wirklich parlamentarisch zu verhalten und diese Vokabeln zu unterlassen.

(Möllring [CDU]: Dann soll sie nicht lügen!)

Und wenn Sie reden wollen, bitte ich Sie, sich zu Wort zu melden und die Rednerin hier nicht zu stören.

(Möllring [CDU]: Das war eine Un- verschämtheit!)

In diesem Bereich konnten wir auch heute wieder feststellen, dass Sie eine Stellenaufstockung auch außerhalb der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus vornehmen wollen.

Meine Damen und Herren, abschließend kann ich nur wiederholen, was ich bereits in der ersten Beratung gesagt habe: Der niedersächsische Verfassungsschutz ist absolut arbeitsfähig, auch wenn Sie das anzweifeln.

(Schünemann [CDU]: Sie wollen ihn aber doch tatsächlich schwächen! - Gegenruf von der SPD: Nein, das hat sie nicht gesagt!)

Er arbeitet gut, kann seine Aufgaben trotz Personalbudgetierung ohne nennenswerte Einschränkungen ausüben. Hören Sie auf, die Ängste in der Bevölkerung zu schüren, Herr Schünemann. Hören Sie damit auf. Unser Land ist sicher.

(Schünemann [CDU]: Am besten hö- ren Sie jetzt auch auf!)

Ihre Ängste nimmt Ihnen doch niemand mehr ab. Die Menschen in Niedersachsen fühlen sich sicher, Herr Schünemann, und sie sind sicher. Das werden sie Ihnen auch am 2. Februar des nächsten Jahres mit ihrer Stimmabgabe kundtun.

(Beifall bei der SPD)

Es versteht sich von selbst, meine Damen und Herren, dass die SPD-Fraktion Ihren Antrag ablehnt. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der SPD - Althusmann [CDU]: Das war eben die Geheim- waffe der SPD!)

Jetzt hat Herr Kollege Schröder das Wort, meine Damen und Herren.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der größte und mächtigste Geheimdienst der Welt war nicht in der Lage, die schrecklichen Taten des 11. September zu erkennen, geschweige denn, sie zu verhindern, obwohl doch eigentlich aus früheren Zeiten recht enge Kontakte zu bin Laden und seiner Anhängerschaft bestanden haben. Da können Sie, Herr Schünemann, doch den Menschen in Niedersachsen nicht weismachen wollen, ihre Sicherheit hänge von ein paar Nasen im Landesamt für Verfassungsschutz in Niedersachsen ab.

(Althusmann [CDU]: Deren Spürna- sen!)

Richtig ist aber - darin sind wir uns völlig einig -, dass die personellen Ressourcen im Bereich der Bekämpfung des internationalen Terrorismus verstärkt werden müssen, dass es da neue Aufgaben gibt und dass darin auch ein neuer Arbeitsschwerpunkt für diese Behörde liegt. Aber es kann ja nicht sein, Herr Kollege Schünemann, dass überall draufgesattelt wird.

(Schünemann [CDU]: Aber dass es zumindest gehalten wird!)

Sie wollen 1 000 neue Polizistinnen und Polizisten, Sie wollen 2 500 neue Lehrerinnen und Lehrer, Sie wollen - wie Sie sagen - keinen Sparzwang beim Verfassungsschutz, Sie verraten uns aber nicht, wie Sie dies alles kurzfristig finanzieren können. Es kann ja nicht so sein, dass Sie überall sagen: Da

brauchen wir mehr. Sie haben ja zu jeder Plenarsitzung neue Anträge vorgelegt, wie Menschen mehr und länger in Haft kommen sollen, wahre Arbeitsbeschaffungsprogramme für die Justiz. Aber auch da verraten Sie uns nicht - vielleicht tun Sie es ja morgen in der justizpolitischen Debatte -, woher denn die dafür benötigten Richterinnen und Richter sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vollzugs kommen sollen. Überall sagen Sie: Wir wollen es wie die SPD, aber plus 15 % müssen es schon sein!

Nein, Herr Kollege Schünemann, anders wird ein Schuh daraus. Wir müssen nachdenken, wie sich eigentlich die politische Landschaft, wie sich die Bedrohungslage für unsere Freiheit in den letzten Jahren verändert hat. So müssen wir auch bei so einer Aufgabenkritik den Behördenaufbau verändern. Wir schreiben eben nicht mehr das Jahr 1990. Die Jahre des Kalten Krieges, die den Verfassungsschutz maßgeblich geprägt haben, sind vorbei. Ich verrate Ihnen etwas: Der eiserne Zaun ist gefallen. Da hat sich etwas verändert. Deswegen ist es auch richtig gewesen, bei den 400 Beschäftigten, die es im Jahre 1990 gab, einen deutlichen Personalabbau vorzunehmen, weil eben diese entscheidende Situation - Niedersachsen an der Nahtstelle zweier Weltsysteme, des Ost-West-Konflikts - an unserer langen Landesgrenze weggefallen ist. Es muss doch auch bei Ihnen einmal angekommen sein, dass sich hier viel verändert hat.

(Schünemann [CDU]: Wir haben jetzt eine ganz andere Bedrohung, und die ist von der Qualität her nicht anders!)

- Jetzt haben wir eine andere Bedrohungslage; auf die gilt es einzugehen, aber richtig muss doch sein, dass man dann auch einmal selbstkritisch überprüft, Herr Schünemann: Gibt es Veränderungen, auf die wir reagieren müssen, und das heißt eben auch, gibt es Aufgaben, auf die wir verzichten können? Nach wie vor gilt für den Verfassungsschutz, dass derjenige, der einmal Beobachtungsobjekt geworden ist, dies auf Dauer bleibt, auch wenn es sich um noch so lächerliche und unbedeutende Politsekten handelt, die aus den 70erJahren übrig geblieben sind, MLPD oder wie sie alle heißen mögen mit 55,5 Anhängerinnen in Niedersachsen oder die eben, wie beispielsweise die PDS in Niedersachsen, offenbar ihre Zukunft auch schon hinter sich haben. Darüber muss doch zu sprechen sein, dass dies gewissermaßen ein verzichtbarer Aufgabenbestand ist.

Ferner müssen wir doch darüber nachdenken, ob es Sinn macht, den Verfassungsschutz weiterhin so föderal zu gliedern, dass wir die völlig irren Ergebnisse erleben, dass eine Beamtin des Verfassungsschutzes in den AStA Hannover eingeschleust wird, den CASTOR-Widerstand beobachtet und andere Verfassungsschützer dann sozusagen Beobachtungsprotokolle schreiben oder dass verdeckte Zuträger verschiedener Verfassungsschutzbehörden in der NPD an einem Tische sitzen und über sich gegenseitig Vermerke schreiben. Das ist doch ein Irrsinn, was in diesem Bereich passiert. Das sind unglaubliche Personalressourcen, die wir dann doch zielgerichtet für die Bekämpfung der wirklichen Bedrohungen unserer Freiheit einsetzen könnten.

Sie sind in der Sache strukturkonservativ und wollen immer nur den Stand halten und noch drauflegen. Was wir brauchen, ist ein moderner Verfassungsschutz, der taggenau erkennt, was die Abwehr- und Bedrohungslage ist, und nach ein paar Jahren sagt: „Darauf können wir verzichten; das sind ein paar Verrückte, von denen geht keine Gefahr aus. Wir wenden uns anderen, näher liegenden Gefahren zu.“ Das wäre ein modernes Konzept, nicht aber ein Modell des Immer-Mehr, Immer-Mehr. - Vielen Dank.