Im Nachhinein ist festgestellt worden, dass bei zwei Personen iranische Pässe vorlagen. Dazu frage ich die Landesregierung: Warum ist dieses im Asylverfahren nicht ermittelt bzw. berücksichtigt worden?
Ich will noch nachliefern, was mir eben nicht einfiel, Herr Stratmann: Wir haben auch deshalb manchmal Schwierigkeiten auszuweisen, weil mutwillig Pässe vernichtet worden sind und uns die Passwiederbeschaffung vor große Schwierigkeiten stellt.
b) CASTOR-Transport 2002; hier: ICEBlockade bei Lüneburg - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3993
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Darstellung der Polizei musste während des CASTOR-Transportes am 13. November 2002 ein ICE auf der Hauptstrecke Hamburg - Hannover in letzter Sekunde notbremsen, weil sich eine Gruppe von ca. 30 Atomkraftgegnern vor Lüneburg auf dem ICE-Gleis befand.
Nur dem beherzten Verhalten von zwei BGSBeamten, die auf den herannahenden ICE zuliefen und den Lokführer warnten, sei es zu verdanken, dass es nicht zu einem schweren Unfall mit tödlichem Ausgang gekommen sei.
Demgegenüber erklärte das „Aktionsbündnis Heidewerkstatt“, dass der bereits deutlich verlangsamte Zug etwa 700 m vor der Gruppe den ersten Streckenposten des BGS passierte und durch eine Betriebsbremsung ca. 400 m von der Stelle entfernt zum Stehen kam. Als der Zug herannahte, habe sich keiner der Demonstranten auf den Gleisen befunden. Schon als sich die Demonstranten zu Fuß auf die Gleise zu bewegten, seien ihnen Einsatzfahrzeuge von Polizei und BGS gefolgt, ohne einzugreifen. Über den genauen Ablauf sei die Polizei zudem durch einen verdeckten Ermittler Deckname „Bruno Lohmann“ - informiert gewesen, der sich am Vorabend einer Gruppe angeschlossen hatte und sich bis zuletzt unter den Demonstranten befand.
2. Welche Informationen über die geplante Aktion hatten Polizei und BGS zuvor durch verdeckte Ermittler, durch direkte Beobachtung aus Hubschraubern und Einsatzfahrzeugen oder auf anderen Wegen erhalten?
3. Weshalb wurde die Aktion trotz der behaupteten Gefährlichkeit nicht sofort von den Einsatzkräften unterbunden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 13. November 2002 hielten sich im Zeitraum von 10.50 Uhr bis etwa 11.00 Uhr ca. 40 Personen auf den Gleisen der ICE-Strecke Hamburg - Hannover auf und zwangen so den ICE 71 zu einem Nothalt. Gegen insgesamt 40 Personen sind in diesem Zusammenhang Ermittlungsverfahren wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr gemäß §§ 240 und 315 StGB eingeleitet worden. Die Vorgänge befinden sich derzeit bei der Bezirksregierung Lüneburg in Bearbeitung.
Dabei richtet sich ein Verfahren auch gegen einen in Zivilkleidung eingesetzten Bundesgrenzschutzbeamten. Der Vorfall hat sich im Zuständigkeitsund Verantwortungsbereich des Bundesgrenzschutzes ereignet. Dieser ist aufgrund des § 3 des Bundesgrenzschutzgesetzes zuständig für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes. Daher waren Kräfte des Bundesgrenzschutzes zur Beseitigung dieser Gefahrenlage eingesetzt. Sie wurden durch die Landespolizei unterstützt.
Meine Damen und Herren, aufgrund der eingeleiteten Ermittlungsverfahren und weil der Vorfall in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Hoheitsträgers fällt, ist es der Niedersächsischen Landesregierung nur begrenzt möglich, zu diesem Vorfall Stellung zu nehmen. Das Bundesinnenministerium hat folgende Informationen übermittelt:
Der ICE 71 kam am 13. November 2002 ca. 200 m vor dem Ereignisort um 10.55 Uhr durch Nothalt zum Stehen. Der Triebfahrzeugführer des ICE hat dazu erklärt, er sei ausschließlich durch Handsignale von Polizeibeamten zu diesem Nothalt veranlasst worden. Weder habe das Einfahrtsignal des Bahnhofs Lüneburg, das erst 10.58 Uhr Rot zeigte, den Zug zum Halten gebracht, noch sei ein Halt im Bahnhof Lüneburg vorgesehen gewesen. Die Fahrgeschwindigkeit zum Zeitpunkt des Nothalts - nach Angaben des Triebfahrzeugführers ca. 135 km/h war wesentlich dadurch bestimmt, dass die maximale Durchfahrtgeschwindigkeit wegen des kurze Zeit später zu durchfahrenden Bahnhofs Lüneburg auf 110 km/h beschränkt ist. Die Erklärung des „Aktionsbündnis Heidewerkstatt“ zum Anhalten des Zuges und die Behauptung, die Atomkraftgeg
ner hätten vor der Gleisbesetzung eine Warnung ausgesprochen, treffen nicht zu. Weder beim BGS noch bei der Landespolizei noch bei der Deutschen Bahn AG liegen entsprechende Erkenntnisse vor.
Der BGS setzt keine verdeckten Ermittler ein. Zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt er allerdings gemäß § 21 Abs. 3 Satz 3 des Bundesgrenzschutzgesetzes Beamte in Zivilkleidung ein, um im Ausnahmefall Informationen zu gewinnen, wenn ohne diese die Erfüllung der dem BGS obliegenden präventiven Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Solche Einsätze von Polizeibeamten in Zivilkleidung sind auch bei der Landespolizei üblich, wenn Handeln in Dienstkleidung voraussichtlich nicht zum präventiven Erfolg führt.
Konkrete Informationen über diese geplante Aktion der Atomkraftgegner erlangte der BGS erst wenige Minuten vor deren Beginn durch den in Zivilkleidung eingesetzten Beamten. Die Informationen wurden durch unmittelbare Beobachtung von Einsatzkräften an der Strecke und aus der Luft bestätigt.
Die vor Ort befindlichen, zahlenmäßig unterlegenen Einsatzkräfte sind sofort gegen die Gleisbesetzung eingeschritten. Trotzdem gelangten CASTOR-Gegner zunächst kurzzeitig wiederholt auf die Gleise. Mit Eintreffen der herangeführten Kräfte des BGS wurden sie kurz darauf, unterstützt durch die Landespolizei, vollständig von den Gleisen entfernt. Das Unterbinden der Gleisbesetzung war bei dem gezeigten Verhalten der Atomkraftgegner erst mit Eintreffen der unverzüglich herangeführten Verstärkungskräfte möglich.
Darüber hinaus kann die Landesregierung trotz der eingangs beschriebenen Vorbehalte auf Grundlage der Berichterstattung der Bezirksregierung Lüneburg in Bezug auf die Beteiligung niedersächsischer Einsatzkräfte den folgenden Erkenntnisstand mitteilen:
Parallel - und zwar zeitlich parallel - zu den Maßnahmen des Bundesgrenzschutzes haben niedersächsische Einsatzkräfte über Funk den Hinweis erhalten, dass sich im betreffenden Streckenbereich Personengruppen in Richtung der Bahngleise bewegten. Diese niedersächsischen Einsatzkräfte waren in dem Bereich planmäßig zum Streckenschutz eingesetzt. Die Besatzung eines Polizeifahrzeugs - vier Beamte, der Fahrer blieb im Fahrzeug - ist aufgrund der Funkmitteilung ausgestiegen und zu den Bahngleisen gegangen. Dort haben
sie zunächst auf der gegenüberliegenden Seite mehrere Personen in weißen Overalls festgestellt. Diese Personen sind von den niedersächsischen Einsatzkräften und hinzugekommenen BGSBeamten überprüft worden. Dabei wurde festgestellt, dass es sich um Mitarbeiter einer dort ansässigen Firma handelte, die aufgrund der Hubschraubergeräusche neugierig geworden waren. Eine Gefährdung bestand durch diese Personengruppe nicht, sodass hier keine weiteren Maßnahmen erforderlich waren. In weiterer Entfernung wurde dann von diesen niedersächsischen Einsatzkräften eine Personengruppe auf dem Gleiskörper wahrgenommen. Die Anzahl der Personen konnte aufgrund der Entfernung nicht festgestellt werden. Die Beamten entschlossen sich zunächst, zu dieser Personengruppe zu laufen.
„Wiederum nach sehr kurzer Zeit rief uns - den auf den Gleisen stehenden Polizeibeamten - jemand zu, dass sich auf dem Gleis, auf dem wir uns befänden, ein Zug nähern würde. Ob es sich bei dieser zurufenden Person nun um einen Angehörigen unserer Teileinheit oder um einen Beamten des Bundesgrenzschutzes gehandelt hatte, kann ich nicht sagen. Zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns ca. in Höhe Bahnkilometer 134,1.
Ich drehte mich nun wieder herum und stellte fest, dass sich der Zug auf dem Gleis befand, auf dem zuvor auch die große Personengruppe durch mich festgestellt wurde. Dieser Zug näherte sich mit einer hohen Geschwindigkeit der Personengruppe. Ich entschloss mich nun, diesem Zug auf dem Gleis entgegenzulaufen, um ihn auf die Gefahr hinzuweisen.
Da ich zuvor festgestellt hatte, dass die grünen Einsatzanzüge sich nur mäßig vom grünen Randbewuchs der Gleise abhoben, und ich zudem die Personengruppe auf den Gleisen wegen leichten Dunstes auch nur mit einem leichten Grauschleier wahrnahm, entschloss ich mich dazu, dem herannahenden Zug auf dem Gleiskörper entgegenzulaufen, damit ich durch
den Zugführer eher wahrgenommen werden konnte. Hierbei winkte ich mit beiden Armen jeweils von Schulterhöhe bis über den Kopf. Vor mir lief noch Polizeiobermeister S. ebenfalls auf den Gleisen in Richtung des herannahenden Zuges. Kurz bevor der Zug uns erreicht hatte, sprangen wir nach links von den Gleisen in Richtung Böschung.
Als sich der Triebwagenkopf ca. in meiner Höhe befand, leitete der Zugführer eine Vollbremsung ein. Zu diesem Zeitpunkt begannen wir in Richtung der zuvor festgestellten Personengruppe zu laufen. Ich konnte sie in diesem Moment aber nicht wahrnehmen, da ich von umherwirbelndem Bremsstaub und aufgewirbelten Schmutzpartikeln des mich passierenden ICE umgeben war.“
„Zwischen uns und dem herannahenden ICE bemerkte ich neben dem Gleis einen Beamten des Bundesgrenzschutzes, der uns offensichtlich bemerkt hatte und ebenfalls Haltezeichen gab. Der Lokführer des ICE führte daraufhin offensichtlich eine Vollbremsung durch. Als der ICE an uns vorbeifuhr, blockierten bereits die Räder des Zuges, und es flogen Funken umher.“
Nachdem diese niedersächsischen Einsatzkräfte den Blockadeort erreicht hatten, stellten sie fest, dass zwischenzeitlich die Personen von den Gleisen geholt worden waren. Bei den weiteren Maßnahmen haben sie dann Unterstützung geleistet.
Meine Damen und Herren, so weit der Sachverhalt, wie er sich uns derzeit darstellt. Ich weise aber darauf hin, dass zurzeit strafrechtliche Ermittlungsverfahren anhängig sind und eine abschließende Bewertung deshalb erst nach deren Abschluss möglich ist.
Mit diesen Vorbemerkungen wurde die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gesamtzusammenhang beantwortet. Worauf ich meine verzichten zu können, ist die Beantwortung der Einzelfragen, weil aus dem Gesamttext die
Herr Minister, könnten Sie bitte einmal genauer erklären, worin eigentlich der Unterschied zwischen einem verdeckten Ermittler und einem Polizeibeamten in Zivil liegt, der sich einer Demonstrantengruppe anschließt und an ihren Aktionen teilnimmt?
Herr Schröder, ich kann das nicht für den BGS machen; ich kann es nur für unsere Situation darstellen.
Bedeutsam für die Abgrenzung zwischen einem verdeckten Ermittler und einem so genannten nicht offen ermittelnden Beamten - bei uns wird dafür diese schöne Abkürzung Noebse verwendet - ist, ob der Ermittlungsauftrag über einzelne wenige konkret bestimmte Ermittlungshandlungen hinausgeht, ob es erforderlich sein wird, eine unbestimmte Vielzahl von Personen über die wahre Identität des verdeckt operierenden Polizeibeamten zu täuschen und ob wegen der Art und des Umfangs des Auftrags von vornherein abzusehen ist, dass die Identität des Beamten in künftigen Strafverfahren auf Dauer geheim gehalten werden muss. Das ist die Abgrenzung, die wir vornehmen müssen.
Herr Minister, wenn es so war, dass sich dieser in Zivilkleidung tätige BGS-Beamte mit dem Decknamen „Bruno Lohmann“ bereits am Abend dieser Gruppe angeschlossen hatte und an der Vorbereitung dieser Aktion beteiligt war, weshalb ist diese Aktion dann nicht unterbunden worden?
Herr Schröder, ich bitte um Verständnis, wenn ich darauf hinweise, dass diese Frage in der Tat der Bundesgrenzschutz beantworten muss, weil dies in seinem Verantwortungsbereich liegt. Ich kenne das, was Sie eben geschildert haben, aus Zeitungsberichten, dass dieser Beamte eben dabei gewesen ist.
Die Frage, warum dieser Beamte nicht früher zurückgezogen worden ist, muss der Bundesgrenzschutz beantworten. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich dazu hier nur meinen Kenntnisstand darlegen kann. Über solche Fragen beispielsweise hat uns der Bundesgrenzschutz auch nicht informiert. Ich kenne nur aus den Zeitungen, was Sie eben geschildert haben.