Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Die Frage, warum dieser Beamte nicht früher zurückgezogen worden ist, muss der Bundesgrenzschutz beantworten. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich dazu hier nur meinen Kenntnisstand darlegen kann. Über solche Fragen beispielsweise hat uns der Bundesgrenzschutz auch nicht informiert. Ich kenne nur aus den Zeitungen, was Sie eben geschildert haben.

Frau Harms!

Herr Minister, in den Zeitungen hat ja auch gestanden, dass ein Sprecher des BGS die Tätigkeit des verdeckten Ermittlers oder zivilen Aufklärungsbeamten unter dem Decknamen „Bruno Lohmann“ bestätigt hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als Innenminister des Landes Niedersachsen, der ja eine Gesamtverantwortung für die Abläufe auch des Polizeieinsatzes trägt, sich nicht danach erkundigt haben, was dahinter steckt und ob sich das tatsächlich so zugetragen hat.

Herr Bartling!

Ihre Feststellung einer Gesamtverantwortung, Frau Harms, kann ich in dieser Form nicht ganz bestätigen. Wir müssen das Verhältnis zwischen Bundesgrenzschutz und Polizei in einer anderen Form beschreiben. Wir sind auf Zusammenarbeit angewiesen. Es gibt aber nicht eine eindeutige Verantwortung, aufgrund derer ich mir etwa den Bundesgrenzschutz unter den Nagel reißen könnte. Deswegen ist die Situation etwas anders.

Aber ich muss Sie bitten, diese Frage in der Tat ebenfalls dem Bundesgrenzschutz zu stellen, weil wir uns nur auf das berufen können, was uns das Bundesinnenministerium bzw. der Bundesgrenzschutz mitgeteilt hat. Auf das muss ich mich verlassen. Danach wird aber z. B. völlig in Abrede gestellt, dass man hier in irgendeiner Form das Instrument des verdeckten Ermittlers genutzt hätte, weil der Bundesgrenzschutz dieses Instrument nach meinem Wissen gar nicht kennt.

Herr Schwarzenholz!

Herr Minister, was sich mir nicht erschließt, ist die Frage, warum es nicht möglich ist, wenn in der Presse derartige Behauptungen auftauchen, dass ein solcher Mensch des BGS dort bereits am Vorabend in dieser Demonstrantengruppe drin war, dass dies zumindest im Nachhinein aufgeklärt wird und dass Sie sich nicht in der Lage sehen, sich letztlich selbst in Kenntnis darüber zu setzen, wie die Abläufe gewesen sind.

Herr Bartling!

Nein, Herr Kollege Schwarzenholz, das ist nicht der Fall. Aber das ist ein zentrales Element auch des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Deswegen müssen wir dieses Ermittlungsverfahren abwarten, um dazu Ergebnisse zu haben. Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht in das eingreifen kann, was die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ich habe gelesen, dass sich die Staatsanwaltschaft zu Teilen dieser Tage einmal geäußert hat. Aber dies liegt in der Tat in der Hand der Staatsanwaltschaft, und was dabei herauskommt, muss man abwarten.

Frau Harms hat das Wort zu ihrer zweiten Zusatzfrage.

Herr Minister, welchen Sinn macht denn eigentlich der Einsatz eines solchen zivilen Aufklärungsbe

amten - offensichtlich in der Gefahrenabwehr durch den BGS -, wenn dieser Einsatz und die Erkenntnisse, die aus solchen Aktionen gewonnen werden, dann unter dem Strich nicht der Abwehr von Gefährdungen dienen?

Herr Minister!

Frau Harms, ich muss diese Frage sehr theoretisch beantworten. Der Einsatz soll natürlich der Abwehr von Gefahren dienen.

Nach dem, was ich bisher über den Vorfall weiß und was ich Ihnen auch geschildert habe, kann es natürlich sein, dass das, was der Beamte an Informationen über die Gleisbesetzung hatte, zu spät dort angekommen ist und die Wirkung, die er eigentlich erzielen sollte, deswegen nicht erzielt wurde. Das ist das Einzige was ich dazu sagen kann.

Theoretisch soll der Einsatz natürlich Gefahren abwehren. Wenn das in diesem Fall nicht geschehen ist, dann müssen wir einmal abwarten, was die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dazu ergeben.

Herr Hagenah!

Herr Minister, wie viele nicht offen ermittelnde Beamte und - im Unterschied dazu - wie viele verdeckte Ermittler waren denn bei dem CASTORTransport im Herbst 2002 vor Ort tätig?

(Zuruf von der CDU: Es ist ja schon gut, dass Sie nicht nach den Namen fragen!)

Herr Bartling!

Eine Zahl kann ich nicht nennen, Herr Hagenah. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Zivilfahnder bei allen polizeilichen Einsätzen ein ganz normales Einsatzmittel sind, das lageangemessen genutzt

wird, und zwar in den unterschiedlichsten Fällen. Zahlen sind mir nicht bekannt.

Was verdeckte Ermittler angeht, so dürfte ich Ihnen darüber gar keine Auskunft geben, selbst wenn ich es wüsste. Das müssten Sie dann in dem entsprechenden Ausschuss nachfragen.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der Tagesordnungspunkt Dringliche Anfragen beendet.

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 20 bis 22, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufe, also

Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung: Nord/LB auf Kerngeschäft konzentrieren Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3699 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 14/3939

und

Tagesordnungspunkt 21: Einzige (abschließende) Beratung: NORD/LB Fortführung der Nord-OstStrategie - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3869 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 14/3983

und

Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: NORD/LB zukunftsfähig gestalten! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3969

Der Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3699 wurde in der 116. Sitzung am 25. September 2002 und der Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3869 wurde in der 123. Sitzung am 22. November 2002 an den Ausschuss für

Haushalt und Finanzen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen.

Wer möchte jetzt reden? - Zunächst hat der Kollege Rolfes das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Engagement der NORD/LB bei der Berliner Bank-Gesellschaft war ein Flop. Das ist eine Feststellung, die wohl von allen Beteiligten in diesem hohen Hause geteilt werden kann.

Geteilt wird wahrscheinlich ebenso die Aussage, dass eine Kritik an dem ursprünglichen Engagement der NORD/LB bei der Berliner Bank auch aus der Rückschau eigentlich nicht angebracht ist. Wir waren uns über die Parteigrenzen hinweg damals insoweit einig, dass NORD/LB und Berliner Bank über eine Fusion verhandeln wollten und eigentlich auch über das konkrete Engagement, das dann eingegangen wurde. Aber wir waren uns dann später nicht mehr einig, als es darum ging, angesichts der erheblichen Schieflage der Bankgesellschaft dennoch bei der Kapitalerhöhung mitzugehen und auf diese Weise dem schlechten Geld noch gutes weiteres Geld hinterherzuwerfen.

(Beifall bei der CDU)

Wir waren uns erst recht nicht einig, als es dann um das Übernahmeangebot ging, das dann gemacht werden sollte. Es sind zwei völlig verschiedene Dinge, ob ein wirtschaftliches Engagement scheitern kann - dieses Risiko liegt in der Natur eines jeden Geschäftes - oder ob aus Gründen der persönlichen Gesichtswahrung oder gar aus politischen Motiven zu lange noch an der sich als gescheitert erweisenden Linie festgehalten wird.

(Beifall bei der CDU)

540 Millionen Wertberichtigung hätten zu einem Schlussstrich führen müssen. Die Beteiligung an der Kapitalerhöhung, die nochmals 160 Millionen Euro gekostet hat, wäre vermeidbar gewesen. Erst recht die indikative Interessenbekundung zur teilweisen Übernahme der Bankgesellschaft war objektiv schon nicht mehr ernst zu nehmen. Wenn jenseits der wirtschaftlichen und strategischen Gründe offensichtlich eher irrationale oder gar politische Motive zu einem derartigen Festhalten an einer überholten und teuren Linie führen, dann schadet das der NORD/LB. Das hat die CDU

Fraktion immer bemängelt, und das bemängeln wir auch heute noch.

(Beifall bei der CDU)

Tatsächlich hat die Politik erheblichen Einfluss auf die Frage genommen, ob und wie sich die NORD/LB an der Berliner Bank beteiligt, vor allem nachdem die Berliner Bank in Schwierigkeiten geraten war. Der Finanzminister und der Ministerpräsident waren es, die in dieser Zeit auf die Willensbildung der NORD/LB erheblich Einfluss genommen haben. Nachdem die Fusion vernünftigerweise nicht zustande kam, drängten sie auf Weitermachen und zuletzt auf die indikative Interessenbekundung. Ein paar Monate später wird nun scheinheilig in einen Entschließungsantrag hineingeschrieben, dass die Politik doch auf einen Einfluss auf die NORD/LB verzichten solle. Unsere Aufgabe ist es allerdings, hier die Regierung zu kontrollieren und entsprechend kritische Fragen zu stellen.

All das, was ich gesagt habe, meine Damen und Herren, sind nicht Schritte zurück zur Vernunft. Es ist auch kein Schritt zurück zur Vernunft, wenn man nun in die Überschrift des Entschließungsantrages schreibt, dass die NORD/LB ihre Nordoststrategie fortführen soll. Das meinen Sie in Wahrheit auch gar nicht, wie die Begründung des SPDAntrages beweist. Denn dort gestehen Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, genau das zu, was auch Inhalt des CDU-Antrages ist. Es kommt in allererster Linie darauf an, dass die Ertragsseite der NORD/LB gestärkt wird. Die nämlich ist in Gefahr.

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, weshalb es für die NORD/LB in Zukunft schwerer wird. Diese Gründe haben wir in unserem Entschließungsantrag im Einzelnen dargelegt. Sie reichen von der geringeren Eigenkapitalrentabilität der Bank schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt über den Wegfall der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast bis hin zu den Problemen des Mittelstandes beim Eigenkapital und zu der Weiterentwicklung des Verhältnisses der NORD/LB zu den Sparkassen und zu den übrigen beiden Säulen im Kreditgewerbe.

Die Zukunft beinhaltet gegenwärtig ein besonderes Maß an Unsicherheit und Dynamik, sodass die NORD/LB klug beraten ist, ihre Hauptaufmerksamkeit hierauf zu lenken. Das ist ihr Kerngeschäft. Das schließt natürlich nicht aus, dass die NORD/LB im Auslandsgeschäft und insbesondere

auch in Nordosteuropa ihre Chancen sucht und nutzt, soweit dies zum Kerngeschäft gehört.

Natürlich muss ein mittelständischer Kunde, der seinen Sitz in Niedersachsen hat, eine angemessene Betreuung auch für seine Auslandsgeschäfte erfahren. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die NORD/LB im Ausland ganz besonders lukrative Geschäfte gesondert tätigt, um auf diese Weise ihre Eigenkapitalrentabilität zu erhöhen und mit dieser verbesserten Ertragskraft ihre öffentlich-rechtlichen Funktionen in Niedersachsen und Norddeutschland besser zu erfüllen.

Aber klar ist, es muss vorrangig um die Zielsetzung gehen, die Ertragskraft der Bank zu steigern, d. h. die NORD/LB auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Im Übrigen haben wir nie - wie es in dem SPD-Antrag steht - vom Kerngebiet gesprochen, sondern immer auf das Kerngeschäft Bezug genommen. Die Definition, was genau Kerngeschäft ist, bedarf sicherlich der weiteren Bearbeitung. Aber keinesfalls kann es richtig sein, eine Nordostexpansion um ihrer selbst willen zu betreiben. Genau dies aber suggeriert die Überschrift über dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion.

Ich möchte ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang nicht verschweigen. Wir sind nämlich weiterhin in erheblicher Sorge, ob die gegenwärtige Risikovorsorge bei der NORD/LB ausreicht. Finanzminister Aller hat uns zwar vor kurzem in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage versichert, dass alles Notwendige getan wird. Aber wir müssen weiterhin die Tatsache festhalten, dass die NORD/LB in ihrem Halbjahreszwischenbericht völlig unüblich vorgegangen ist und mit einer eher formalen Begründung eine Neubewertung der Risiken abgelehnt hat. Wir kennen damit nur die Bewertung nach dem Stand Jahresende 2001.

Fast alle anderen Landesbanken machen das anders und haben Zwischeneinschätzungen mitgeteilt. Bei der Bayerischen Landesbank gab es im Hinblick auf die unklare Situation bei Kirch einen Grund, den Halbjahresbericht ohne Neubewertung der Risiken herauszugeben. Aber selbst die Bayerische Landesbank hat zwischenzeitlich diese Neubewertung geliefert und dabei die Ertragsprognose reduziert. Aber die Andeutungen, die sich für die NORD/LB ergeben haben, und die absichernden Formulierungen des Finanzministers in der Beantwortung der Kleinen Anfrage beflügeln eher die negative Fantasie, als dass man sich beruhigt zurücklehnen könnte.