Protokoll der Sitzung vom 22.01.2003

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Übrigens: Ihr achtjähriges Gymnasium funktioniert nicht ohne Lehrerstunden am Nachmittag. Auch das haben Sie noch nicht verstanden.

(Busemann [CDU]: Na klar!)

Wir werden das aber auch nicht machen.

Unser auf fünf Jahre angelegtes Stufenprogramm für 500 Ganztagsschulen findet große Resonanz: über 140 Anträge. – Es wächst von Tag zu Tag. Am Ende Ihrer Regierungszeit hatten wir 34 Ganztagsschulen, davon 16 Gesamtschulen, die Sie ja überhaupt nicht mögen und abschaffen wollen.

(Busemann [CDU]: Absolut falsch! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das falsch ist! – Gegenruf von Plaue [SPD]: Sie sagen wissentlich die Un- wahrheit! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Für den Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen stellen wir – aufsteigend – 700 zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung. Mit dem Programm der Bundesregierung - -

(Zurufe - Unruhe – Glocke des Präsi- denten)

- Wir können gern darüber reden, wer lügt und wer für den Wahlkampf Lügen vorbereitet.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe sehr, dass die Wählerinnen und Wähler Ihre hochideologische Bildungspolitik, die gegen Fraueninteressen, die gegen Familieninteressen und auch gegen Elterninteressen gerichtet ist, in anderthalb Wochen richtig bewerten. Ihre Wahlkampfversprechen zur Lehrereinstellung sind die Vorbereitung von Lügen. Das will ich einmal ganz deutlich sagen. Die Umsetzung der Versprechen wäre nicht finanzierbar, und der Lehrerarbeitsmarkt gibt das im Übrigen auch nicht her. Wir werden dafür kämpfen, dass das, was Sie wollen, auch nicht eintrifft.

(Beifall bei der SPD – Klare [CDU]: So redet jemand, der kurz vor dem Abschied steht! – Gegenruf von Plaue [SPD]: Sie sind jemand von vorvor- gestern; mit Ihrem Gesetzentwurf so- wieso!)

Das Wort hat Frau Litfin.

(Weitere Zurufe von Plaue [SPD])

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Plaue!

(Plaue [SPD]: Ich höre Ihnen zu!)

Der CDU-Politiker Fromme hat mit seinen Aussagen in einem Punkt Recht: Diejenigen, die Ganztagsschulen wollen - auch in Niedersachsen -, wollen die Gesellschaft verändern. Sie wollen sie sozialer und gerechter gestalten. Das werden wir nur mit einer Ganztagsschule erreichen, in der wir die Bildungszeit für die Kinder, insbesondere für die Kinder, die aus Elternhäusern kommen, die es beim Begleiten des Großwerdens der Kinder sehr, sehr schwer haben, ausweiten bzw. erweitern. Wir alle sind gerade hinsichtlich dieser Kinder in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass auch sie in die Lage versetzt werden, sich maximal gut zu entwickeln. Das wird die CDU mit dem von ihr vorgeschlagenen Ganztagsangebot bzw. Nachmittagsangebot - „Schule“ kann man das ja gar nicht nennen – nicht erreichen. Wir alle wissen, dass vorprogrammiert ist, dass gerade diejenigen Kinder und Jugendlichen, die es besonders nötig hätten, an diesen freiwilligen Angeboten nicht teilnehmen werden, weil sie häufig aus Elternhäusern stammen, die kapituliert haben, die sich um die Erziehung und das Großwerden dieser Kinder und Jugendlichen nicht mehr kümmern und die Kinder wild aufwachsen lassen, woran sie aus meiner Sicht schlecht gehindert werden können. Denn wir können ja nicht in das Elternrecht eingreifen.

Eines können wir aber tun. Das wollen Rote und Grüne in diesem Haus. Wir können das Angebot an Ganztagsschulen so ausweiten, dass für jedes Kind, für jeden Jugendlichen eine solche Schule erreichbar zur Verfügung steht. Dabei darf es sich nicht um reine Angebotsschulen handeln, sondern wir müssen dafür sorgen, dass diese Schulen verpflichtend ganztags mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, damit die Bildungszeit maximal ausgeschöpft werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege Busemann hat den Kollegen Wulf gefragt, ob er denn nichts zu verkaufen habe. Ich glaube, der Kollege Busemann wird etwas zu verkaufen haben, wenn er - der Herr mag uns davor schützen - in diesem Lande Kultusminister werden sollte.

(Plaue [SPD]: Lassen Sie das lieber die Wähler machen!)

Er hat zu verkaufen und wird verkaufen die Zukunft gerade derjenigen Kinder, die bei PISA - 25 % - als diejenigen aufgefallen sind, die kaum Lesekompetenz haben und nicht in der Lage sein werden, später einmal einer qualifizierten Berufstätigkeit nachzugehen. Gerade die Interessen dieser Kinder werden von der CDU nicht gesehen und nicht vertreten. Ich weiß nicht, ob man auf Ihrer Seite nicht ausreichend sehfähig ist oder ob es darum geht, gesellschaftliche Verhältnisse festzuschreiben, Gesellschaft nicht sozialer und gerechter zu machen, Chancengleichheit nicht zu realisieren. Ich enthalte mich da einer Bewertung.

Ich glaube auch, dass das Konzept, das die CDU für die zukünftige Arbeit der Hauptschule hat, dazu führen wird, dass das Prinzip „Schuster, bleib bei deinen Leisten“, d. h. „Kind, bleib in deinen sozialen Verhältnissen“, weiterhin für das Schulsystem in Niedersachsen prägend sein wird.

(Widerspruch von Frau Vockert [CDU])

Wenn ein Hauptschüler bzw. eine Hauptschülerin ausschließlich Unterricht bekommt, der ausschließlich auf eine Berufstätigkeit im Handwerk vorbereitet, wie die CDU sich das vorstellt, wird er oder sie nie die Chance haben, auf eine Realschule oder ein Gymnasium zu wechseln, auch wenn er oder sie das Zeug dazu hätte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dass das schulpolitische Kompetenzzentrum der CDU hauptsächlich durch juristischen Fach- und Sachverstand geprägt ist, merkt man auch daran, dass neuerdings nach dem Willen der CDU der Elternwille zur Bestimmung der Schullaufbahn der Kinder nach Klasse 4 wegfallen soll. Dafür soll den Eltern ein Klagerecht gewährt werden. Ich sehe schon die Prozesshanselei, die herbeigeführt wird, wenn die Farben in diesem Lande wechseln.

Noch einmal ganz kurz zu den Lügen, von denen hier die Rede war. Das Kurzwahlprogamm der CDU ist ehrlicher als alles, was Sie bisher vertreten haben, aber so ganz ehrlich dann doch nicht. 2 500 Stellen - das sagt die CDU nach wie vor wollen Sie schaffen. Das können Sie nicht finanzieren; das wissen wir. Im Kurzwahlprogramm schränken Sie diese Aussage aber auch ein: Wir werden diese zusätzlichen Stellen nur nicht schaffen, wenn nicht ausreichend Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Wir alle wissen aber, dass bundesweit nicht anständig ausgebildet worden ist und wir niemals genügend Lehrkräfte haben werden, um diese 2 500 Stellen besetzen zu können. Wahrheit und Klarheit sind ein schönes Prinzip nicht nur für Haushalts-, sondern auch für Bildungspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Klare [CDU]: Das nützt dir nichts!)

Das Wort hat der Kollege Schwarzenholz für zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich sehr ernsthaft mit dem Wahlprogramm der CDU zur Bildungspolitik befasst, weil meine Kinder zur Schule gehen und Betroffene sind.

(Busemann [CDU]: Er weiß, worum es geht!)

Sie besuchen eine Gesamtschule in Braunschweig. Wir wohnen im Umfeld von Braunschweig. Die CDU-geführte Stadtverwaltung hat als eine erste Maßnahme die Gesamtschulen der Stadt Braunschweig für auswärtige Schülerinnen und Schüler gesperrt, weil die Nachfrage aus der Stadt Braunschweig so groß ist, dass auf einen Schülerplatz dort eine Reihe von Bewerbungen kommt und der Bedarf nicht gedeckt werden kann.

Die CDU will nach ihrem Landtagswahlprogramm den Kommunen die Neuerrichtung von Gesamt

schulen verbieten. Sie will den Kommunen die Wahlmöglichkeit nehmen, solche Schulen einzurichten. Dort, wo diese Schulen fehlen, wird deutlich, welche Bildungschancen gerade für Kinder aus Arbeiterfamilien, aus Flüchtlingsfamilien, aus Aussiedlerfamilien verloren gehen. Schauen Sie sich einmal zum Vergleich den Abiturstand in Salzgitter und in Braunschweig an! Dann sehen Sie, dass in der Stadt, in der es keine Gesamtschule gibt, der Anteil an Abiturienten am niedrigsten ist. Viele sozial schwächere Kinder erhalten nicht die Chance eines höheren Bildungsabschlusses.

(Vizepräsidentin Litfin übernimmt den Vorsitz)

Herr Wulff, das Programm, das Sie aufgelegt haben, ist das knallharteste, das ich je gesehen habe. Als jemand, der Horst Horrmann ganz gut kennt - wir sind beide Peiner -, habe ich gedacht, Sie setzen wenigstens an seiner Politik, einer relativ liberalen Bildungspolitik, an. Aber nein, Sie machen einen konservativen Rollback. Für mich persönlich kann ich nur sagen: Herr Wulff, Sie haben mich überzeugt. Sie haben mich davon überzeugt, dass mir, wenn ich das nicht will, nichts anderes übrig bleibt, als mich - bei aller Kritik an der Förderstufenpolitik der SPD - für Herrn Gabriel zu entscheiden.

(Beifall bei der SPD - Klare [CDU]: Sie haben das Konzept nicht gelesen, sonst hätten Sie dies nicht erzählt!)

Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt 1 c ist damit erledigt. Aber der Herr Kollege Busemann hat sich noch zu einer persönlichen Bemerkung gemeldet. Bitte, Herr Kollege Busemann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte, ich hätte noch zwei Minuten Redezeit. Da das aber nicht so ist, will ich mich wirklich auf eine persönliche Bemerkung beschränken.

Frau Ministerin, Sie haben hier vorhin behauptet, die CDU habe vor, die Gesamtschulen abzuschaffen. Das ist nachweislich absolut falsch. Ich fühle mich dadurch inhaltlich wie persönlich angesprochen und betroffen; denn es ist die Unwahrheit.

(Zustimmung bei der CDU)

Programmatisch, schulgesetzlich wie auch im Übrigen ist unsere Haltung völlig klar: Bestehende Gesamtschulen - IGS, KGS, wie auch immer bleiben bestehen. Sie haben Bestandsschutz. Neue Gesamtschulen wird es mit uns nicht geben. Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das ist schlicht falsch! Aber Ihr Gene- ralsekretär hat ja geklatscht!)

Meine Damen und Herren, ich schließe den Tagesordnungspunkt „Aktuelle Stunde“ und rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2: 50. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 14/4060 - 51. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 14/4090 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/4099 - Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/4093 und 14/4094

Im Ältestenrat haben die Fraktionen vereinbart, die Eingaben, zu denen Änderungsanträge vorliegen, erst am Freitag zu beraten. Ich gehe davon aus, dass das Haus damit einverstanden ist.

Ich rufe also zunächst die Eingaben in der 50. Eingabenübersicht in der Drucksache 4060 und der 51. Eingabenübersicht in der Drucksache 4090 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wortmeldungen dazu sehe ich nicht, sodass ich zur Abstimmung kommen kann.

Ich lasse über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 4060 abstimmen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. - Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.