Protokoll der Sitzung vom 28.01.2000

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

weder neue Förderrichtlinien noch andere Instrumente für die Umsetzung dieser Programmkomponente zu entwickeln. Diese Auffassung steht auch in Übereinstimmung mit dem Ziel der Deregulierung bzw. der Vermeidung zusätzlicher Regelungen. Die Heranziehung dieses sanierungsrechtlichen Instrumentariums schafft eine Allgemeinverbindlichkeit für alle Stellen – auch außerhalb der Gemeindeverwaltung –, die durch Verwaltungsvorschriften allein nicht herstellbar ist.

Meine Damen und Herren, die Stadterneuerung ist gesetzlich als Aufgabe der Planungshoheit der Gemeinde definiert. Der Gemeinde obliegt die eigenverantwortliche Aufstellung des operationellen Handlungskonzepts auf der Grundlage vorbereitender Analysen unter Berücksichtigung der stadtentwicklungspolitisch relevanten Aufgabenfelder, die neben der Stadtsanierung u. a. die Sozialpolitik, die Wohnungsbauförderung, die Arbeitsmarktpolitik, die Wirtschaftsförderung und die Kulturförderung umgreifen.

Diese Zuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis ist die notwendige Voraussetzung für die unverzichtbare Ortsnähe bei der Vorbereitung und der Durchführung. Durch die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebietes bringt die Gemeinde das sanierungsrechtliche Instrumentari

um zur vollen Anwendung. Im Rahmen ihrer Planungshoheit kann sie u. a. die besonderen Vorschriften über die Erhebung der Ausgleichsbeträge, über die sanierungsrechtliche Genehmigungspflicht und über die Eintragung eines Sanierungsvermerks ausschließen, wenn die Anwendung dieser Vorschriften für die Durchführung der Sanierung nicht erforderlich ist und die Durchführung hierdurch voraussichtlich nicht erschwert wird. Die Anwendung des Sanierungsrechts bietet der Gemeinde also ein Instrumentarium, das Optionen für ein differenziertes und situationsgerechtes Vorgehen öffnet.

Die Aktivierung der Bürger gemäß § 137 des BauGB und die Beteiligung und Mitwirkung der öffentlichen Auftraggeber gemäß § 139 des BauGB sind zielführender Bestandteil der städtebaulichen Erneuerung und hier in verstärktem Maße der sozialen Stadterneuerung.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1 und 2: Das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ wird in Niedersachsen als Komponente des Städtebauförderungsprogramms nach den Vorschriften des besonderen Städtebaurechts durchgeführt.

Über die Festlegung des Sanierungsgebietes entscheidet die Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit durch die Sanierungssatzung. Es gibt keine hiervon abweichenden Vorgaben der Landesregierung bei der Abgrenzung der Sanierungsmaßnahme als Gegenstand der Förderung.

Zu 3: Das Städtebauförderungsprogramm einschließlich der Programmkomponente „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ versteht sich nach Auffassung des Bundes und der Länder auf der Grundlage der mit dem Bund geschlossenen Verwaltungsvereinbarung als Investitions- und Leitprogramm für die städtebauliche Gesamtmaßnahme. Diese grundsätzlich investive Ausrichtung des Programms schließt die Förderung von Einzelmaßnahmen ein, die darauf abzielen, Investitionen vorzubereiten oder erst zu ermöglichen.

Als Leitprogramm ist es im Rahmen eines professionellen Stadtteilmanagements geeignet, Ressourcen unterschiedlicher Aufgabenfelder einzuwerben. Darunter können durchaus auch Programme mit nichtinvestiver Ausrichtung sein. Es ist aber

nicht seine Aufgabe, solche anderen Programme zu ersetzen.

Die grundsätzlich investive Ausrichtung der Bundesfinanzhilfen wie der zur Gegenfinanzierung eingesetzten Mittel ist unabhängig von der Frage, in welchem Verfahren die städtebauliche Maßnahme durchgeführt wird. Fördergegenstand ist in jedem Falle die städtebauliche Maßnahme als Gesamtmaßnahme.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wie erfreulich es auch ist, dass sich nach dem Klingeln der Raum füllt, es steigt dann aber auch der Lärmpegel, und man kann den Beiträgen sehr schlecht folgen. Das gilt auch für die Regierungsbeamten, Herr Staatssekretär Schneider!

Der erste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Wenzel.

Frau Ministerin, ist die Landesregierung bereit, die am Programm „Soziale Stadt“ beteiligten Kommunen dadurch zu unterstützen, dass man ein externes Büro mit dem Erfahrungsaustausch und der Vernetzung beauftragt, so wie es in Hessen geschehen soll?

Frau Merk, bitte!

Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat das difu-Institut damit beauftragt. Insofern wird das nicht in Niedersachsen gemacht.

Die nächste Frage stellt Herr Hagenah. - Danach kommt Frau Litfin.

Frau Ministerin, ist es nicht das Gegenteil von dem, was mit dem Programm von der Bundesregierung eigentlich beabsichtigt worden ist, nämlich neuen Schwung und einen völlig neuen Ansatz in

die Städtebauförderung hineinzubringen, und auch das Gegenteil von Deregulierung, wenn Sie jetzt dieses Programm mit den alten Instrumenten des Städtebauförderungsrechts belasten, und zwar mit den alten Überprüfungen und all dem Bürokratismus, der in der Vergangenheit in diesen Gebieten nicht für den entsprechenden Schub gesorgt hat?

Frau Ministerin!

Nein, Herr Abgeordneter. Gerade auf dem Gebiet der sozialen Stadterneuerung hat es zwischen dem Bundesbauminister und den Landesministern eine sehr intensive Debatte gegeben. Ich kann Ihnen sagen: Genau diese Kombination ist es, die es ermöglicht, dass wir sehr unbürokratisch vorgehen. Es beginnt ja auch gerade erst. Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass die Kommunen das sehr genau verstanden haben, dass die Städte bereits parat waren und dass sie sehr schnell diese Beschlussfassung vornehmen könnten. Ich würde an Ihrer Stelle diese Frage erst dann stellen, wenn sich in der nächsten Zeit in der Praxis zeigen würde, dass es hier Probleme gibt. Es ist aber das Gegenteil der Fall.

Frau Litfin hat sich schon startklar gemacht. Anschließend hat Herr Klein das Wort zu einer Zusatzfrage.

Frau Ministerin, wie stellen die beteiligten Kommunen sicher, dass die Bewohner und Bewohnerinnen an den sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden bzw. mit entscheiden können? Gibt es für diese Verfahren Hinweise vom Land an die Kommunen und, wenn ja, welche?

Das waren zwei Fragen.

Frau Abgeordnete, nach dem Gesetz ist es zwingende Vorschrift, die Bürgerinnen und Bürger zu

beteiligen. Ich habe aber die Kommunen durchweg so erlebt, dass sie die Bürgerbeteiligung auch dann wählen, wenn das keine zwingende Vorschrift wäre, und zwar einfach deshalb, weil das schmerzhafte Prozesse sind, die nur gemeinsam bewältigt werden können, und weil das zu einer Identifikation mit dem angeschlagenen Stadtviertel führt. Das habe ich in den vergangenen Jahren auch bei der Sanierung - es gab ja auch gewählte Sanierungsbeauftragte - erlebt. Das hat funktioniert. Beispiele gibt es seit mehr als 20 Jahren. Beim Thema soziale Stadterneuerung wird das nicht viel anders sein. Im Übrigen haben wir für die Kommunen einen Leitfaden herausgegeben, an den sie sich entsprechend halten können.

(Beifall bei der SPD)

Herr Klein! - Danach hat noch einmal Herr Hagenah das Wort zu einer Zusatzfrage.

Frau Ministerin, es gibt ja neben dem Programm „Soziale Stadt“ auch den Haushaltstitel „Selbsthilfe in sozialen Brennpunkten“. Meine erste Frage lautet: Gibt es eine Verzahnung dieser beiden Maßnahmen, und, wenn ja, wie sieht die aus?

Meine zweite Frage lautet: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe in sozialen Brennpunkten?

Das waren zwei Fragen.

Ich bin froh, dass Sie herausheben, dass die LAG Selbsthilfe, die von den Kommunen auch abgerufen werden kann, ganz bedeutend ist. Es gibt ja tausende von Selbsthilfegruppen, wobei viele im Gesundheitsbereich tätig sind. Aber es gibt ja auch andere. Ich gehe davon aus, dass die Selbsthilfegruppen - das ist aber eine Entscheidung, die die Kommune und die Bürgerinnen und Bürger miteinander treffen müssen - entsprechend angefragt werden. Ich hielte es für gut, wenn alle gesellschaftlichen Kräfte, die mit einem solchen Stadtviertel schon Erfahrungen gemacht haben, einbezogen werden. Nur dann kann die soziale Stadter

neuerung so funktionieren, wie wir sie uns vorstellen.

Als wir über das Thema soziale Stadterneuerung gesprochen haben, hatte ich ja schon darauf hingewiesen, dass es die Intention der Bundesregierung ist, im Bereich der Selbsthilfe zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Es sollen sich also Gemeinden für diesen Wettbewerb entsprechend bewerben, damit beispielsweise junge Leute, die bisher in diesem Bereich nur ehrenamtlich oder gar nicht tätig waren, hier zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten finden. Ich meine, dass sich die Abgeordneten dort, wo die Beschlussfassung getroffen worden ist, einen entsprechenden Stadterneuerungsprozess vorzunehmen, mit ihren Wünschen und Überlegungen einbringen sollten. Das ist also ein sehr aktives Geben und Nehmen. Das ist das, was ich mir als zukunftsweisend für das nächste Jahrzehnt vorstelle. Nur dann gelingt eine wirkliche Erneuerung solcher Stadtteile.

Herr Hagenah noch einmal!

(Unruhe)

- Herr Kollege Schurreit, wenn das eine so intensive Debatte erfordert, bitte ich Sie, hinauszugehen.

Frau Ministerin, wenn es diese Vereinbarung aller Sozialministerinnen und Sozialminister sowie der Bauminister der Länder und des Bundes über das förmliche Städtebaurecht und über die Abwicklung des Programms „Sozialen Stadt“ gibt, dann frage ich Sie: Wie erklären Sie mir denn, dass hier nicht das ganz unbedeutende Land Nordrhein-Westfalen, das ja den Löwenanteil solcher Projekte sicherlich wieder bestreiten wird, und auch unser Nachbarland Schleswig-Holstein den anderen Weg gehen, nämlich nicht mit den förmlich festgesetzten Gebieten? Haben diese völlig andere Probleme als wir, oder was ist dort die Motivation?

Frau Merk!

Ich kann nicht sagen, was die Motivation von Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein ist.

Ich kann Sie nur darauf hinweisen, dass jedes Land in dieser Hinsicht frei ist. Wir vertreten die Position: weniger Regulierung, weniger Vorgaben und mehr Einsatz von dem, was zwischen Kommunen und Bürgern notwendig ist. Ich rate Ihnen Folgendes: Lassen Sie die Frage die Abgeordneten in den jeweiligen Landtagen stellen. Ich kann Ihnen nicht sagen, was die anderen Länder motiviert hat, es so zu machen. Wir wollen es jedenfalls so machen, wie ich es vorhin beschrieben habe.

Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet. Es ist 10.16 Uhr. Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 der Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

(Unruhe)

- Die Abgeordneten, die jetzt wieder herumstehen und reden - Herr Eveslage, Herr Ehlen -, bitte ich, ein wenig ruhiger zu sein.

(Klare [CDU]: Es ist das alte pädago- gische Prinzip: Ansprechen!)

- Herr Kollege Klare, wenn Sie still sind, dann ist das auch in Ordnung.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: Das ist auch ein kluges pädagogisches System!)

Meine Damen und Herren, ich stelle hiermit die Beschlussfähigkeit des Hauses für den heutigen Tag fest. Wir kommen zu