Protokoll der Sitzung vom 29.03.2000

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Beratung. In der Aussprache hat der Kollege Coenen das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ordnen und Planen sind wichtige Kriterien, um für die Menschen in Niedersachsen optimale Lebensbedingungen in den jeweiligen Regionen und Kommunen zu schaffen. Dabei sind Zukunftsperspektiven, Entwicklungspotentiale und Chancen des Fortschrittes mit zu berücksichtigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Land Niedersachsen hat viele unterschiedliche, von einem besonderen Reiz geprägte Regio

nen, Landschaften und Orte, die seinen besonderen Charme ausmachen, die aber auch unterschiedliche, nicht zu verallgemeinernde Probleme und Aufgaben mit sich bringen, die individueller Lösungen bedürfen. Ein ganz wichtiger Punkt ist es, dass der ländliche Raum nicht auf Kosten der Zentralisierung benachteiligt werden darf. Denn von den 7,86 Millionen Menschen in Niedersachsen leben zwei Drittel in diesem ländlichen Raum.

Der vorliegende Entwurf zur Raumordnung und Landesplanung ist vom Ansatz her zu begrüßen, weil er eine nachvollziehbare Gliederung beinhaltet, Verfahrensverbesserungen mit sich bringt und raumordnerische Vollzugsaufgaben in Teilen anwendungsfreundlicher gestaltet. Wir hätten uns allerdings bei all diesen positiven Akzenten auch gewünscht, dass mit diesem Gesetzentwurf der Regelungswut und Regulierungsdichte in einem noch größeren Ausmaß ein Riegel vorgeschoben worden wäre. Aber was noch nicht in den Gesetzestext eingeflossen bzw. was dort noch nicht abgebaut worden ist, kann ja im Laufe der Ausschussberatungen noch erfolgen.

Folgende wichtige Paragrafen sollten in den Ausschussberatungen nochmals eingehend erörtert, geprüft, überdacht und beraten werden:

§ 2 Abs. 3. Hier geht es um die Abstimmung mit Nachbarländern und -staaten. Nach meiner Meinung bedarf es keiner gesetzlichen Grundlage, um in den Verflechtungsbereichen mit den Ländern Hamburg und Bremen eine informelle gemeinsame Planung zu betreiben.

§ 5, Landes-Raumordnungsprogramm. Hier stellt sich die Frage, ob die traditionelle Aufteilung des Landes-Raumordnungsprogramms in einen Teil I, als Gesetz zu beschließen, und einen Teil II, als Verordnung zu beschließen, noch sachgerecht ist.

§ 7 Abs. 4 Satz 2, Regionale Raumordnungsprogramme. In den engen Verflechtungsbereichen der Oberzentren wird den regionalen Planungsträgern vorgeschrieben, eine gemeinsame Erarbeitung der Regionalen Raumordnungsprogramme anzustreben, so weit nicht von der Möglichkeit des § 26 Abs. 2 - Zweckverband - Gebrauch gemacht wird. Einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bedarf es meines Erachtens nicht, da benachbarte Raumordnungsprogramme ohnehin miteinander abgestimmt werden müssen.

§ 8 Abs. 5, Aufstellung der Regionalen Raumordnungsprogramme. Die Möglichkeit der Verlänge

rung des Regionalen Raumordnungsprogramms nur in den Fällen, in denen dieses Programm noch nicht mit dem geltenden Landes-Raumordnungsprogramm übereinstimmt, halten wir für problematisch.

Ein ganz wichtiger Paragraf ist § 23, Anpassungspflicht der Gemeinden. Nach unseren Erkenntnissen hat es bisher keinen einzigen Anwendungsfall für den § 23 des Gesetzentwurfes gegeben, der im Wesentlichen der bisherigen gesetzlichen Fassung entspricht. Da ein solcher Anwendungsfall bisher nicht gegeben war, besteht nach meiner Meinung auch keine Notwendigkeit, an dieser Vorschrift festzuhalten. Hier sehen wir noch erheblichen Informationsbedarf. Wir schlagen vor, den § 23 des Entwurfes ersatzlos zu streichen.

(Eveslage [CDU]: Richtig!)

§ 25 Abs. 1, Zuständigkeit der Landesplanungsbehörden. Die vorgeschlagene Regelung widerspricht dem Grundsatz der Verwaltungsreform, dass nach Möglichkeit die ortsnahe Behörde die Zuständigkeit erhalten soll, sofern sie die entsprechenden sachlichen und personellen Voraussetzungen erfüllt. Die oberste Landesplanungsbehörde sollte für ein Zielabweichungsverfahren nur zuständig sein, wenn das betroffene Ziel das Gebiet mehrerer unterer Planungsbehörden betrifft und sich die unteren Planungsbehörden nicht auf die Zuständigkeit einer der betroffenen Behörden einigen. Im Übrigen schlagen wir vor, das Zielabweichungsverfahren bei den unteren Landesplanungsbehörden anzusiedeln.

§ 28, Änderung des Gesetzes über die Bildung des Zweckverbandes „Großraum Braunschweig“. Mit dieser neuen Regelung soll der Zweckverband „Großraum Braunschweig“ die Zuständigkeit für die Aufgaben der Regionalplanung und der unteren Landesplanungsbehörden erhalten. Bisher wurde die Aufgabe der unteren Landesplanungsbehörde von den Landkreisen und kreisfreien Städten wahrgenommen. Dieser Paragraf muss wegen seiner enormen Tragweite auch für andere Regionen im Lande Niedersachsen sorgfältig abgeklopft, beraten und analysiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht alles sollte in ein Korsett gezwängt werden. Wir brauchen in Niedersachsen auch bei diesem Gesetz das Spiel der freien Kräfte und den Wettbewerb der Regionen, Räume und Kommunen. Das Land Niedersachsen hat viele Facetten. Wir brauchen

nicht den verplanten Menschen, sondern wir brauchen in Zukunft noch mehr kreative und innovative Menschen, die flexibel und schnell auf die aktuellen Herausforderungen reagieren. Dies muss in dem vorliegenden Gesetzentwurf noch mehr Berücksichtigung finden.

Wir sollten bei allem Planen und Handeln nicht vergessen: Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Tinius hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Neuregelungen im Bundesgesetz sind nicht nur dahin gehend genutzt worden, die neuen Vorgaben für Niedersachsen umzusetzen. Vielmehr ist die sich bietende Gelegenheit auch dazu genutzt worden, das niedersächsische Raumordnungsgesetz in weitergehender Weise zu novellieren.

Neben der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben wurden zahlreiche Änderungen eingearbeitet, die in erster Linie der Verwaltungsvereinfachung dienen und häufig auf Anregungen aus der Praxis beruhen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bestrebungen im Rahmen der Verwaltungsreform ist eine solche Überarbeitung notwendig und folgerichtig. In einer Zeit, in der alle von „Synergieeffekten“ und „Effizienz“ reden, sollten diese Überlegungen auch Eingang in die Raumplanung finden. Daher ist es für mich nur konsequent, dass die folgenden Punkte zur Verwaltungsvereinfachung in den Gesetzentwurf Eingang gefunden haben: die Verankerung der Zusammenarbeit bei der Regionalplanung in Grenzräumen und Verflechtungsbereichen zu Hamburg und Bremen, die Veränderung der Bekanntmachungsvorschriften bei der Veröffentlichung Regionaler Raumordnungsprogramme, die mögliche Verknüpfung von Zielabweichungsund Raumordnungsverfahren und die Einführung eines vereinfachten Raumordnungsverfahrens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei all diesen Änderungen, die der Verwaltungsvereinfachung und somit auch der Verfahrensbeschleunigung dienen, möchte ich darauf hinweisen, dass sie nicht durch einen Verzicht auf Planungs- und Rechtssicherheit erkauft wurden. Insbesondere

hinsichtlich des in § 17 des Entwurfes vorgesehenen vereinfachten Raumordnungsverfahrens gilt, dass lediglich auf formalisierte Prüfungsschritte verzichtet wird, die dann in den nachfolgenden Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren erfolgen. Ein Defizit bei der Prüfung von Umweltbelangen und bei der Beteiligung von Umweltverbänden ist somit nicht zu befürchten. Zudem möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es in § 17 des Entwurfs letztlich nur um die Frage geht, an welcher Stelle des Planungsablaufes eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu erfolgen hat. Die Feststellung, ob auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung generell verzichtet werden soll oder ob sie notwendig ist, wird nach wie vor im UVPGesetz getroffen und bleibt somit von der Novelle des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes unberührt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, intensive Diskussionen wurden im Vorfeld des Entwurfs über die in § 28 vorgesehene Änderung des § 2 des Gesetzes über die Bildung des Zweckverbandes „Großraum Braunschweig“ geführt. Herr Minister Bartling ging in seinen Ausführungen bereits auf die Historie des § 2 Abs. 2 Großraumgesetz Braunschweig ein. Aber genau der damals entwickelte Kompromiss, dass nicht der Zweckverband, sondern ein Verbandsglied die Aufgabe der unteren Landesplanungsbehörde wahrnimmt, wenn die Auswirkungen eines Vorhabens nur den Bereich dieses Verbandsgliedes berühren, trug entscheidend dazu bei, dass es zur Gründung des Zweckverbandes „Großraums Braunschweig“ kam. Nun sehen einige Verbandsglieder in § 28 ihre Planungshoheit in Gefahr. Sie sehen in der Aufgabenbündelung beim Zweckverband keine Verwaltungsvereinfachung, keine Bürgernähe, keine Kostenersparnis, da das Personal weiterhin für die Zuarbeit bei der Planung durch den Zweckverband vorgehalten werden muss.

An dieser Stelle will ich vollständigkeitshalber erwähnen, dass diese kritischen Stimmen hauptsächlich von den Hauptverwaltungsbeamten kamen, weniger aus der Politik. Auf den Beschluss der Verbandsversammlung - sie begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf mit Mehrheit - möchte ich hier auch noch hinweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden uns in den Ausschussberatungen mit den Argumenten des Für und Wider zum § 28 auseinander setzen. Wir werden auch die vom Minister angeführten Argumente zu würdigen haben. Als

wesentlich betrachte ich es, sich die Ziele des Gesetzentwurfs vor Augen zu halten, gerade im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Raumordnungsplanung. Hierbei geht es um die Verbesserung des Standes der Regionalplanung, um wirkungsvolle Regionalplanung, um interkommunale Kooperation. - In diesem Sinne wünsche ich allen Ausschüssen konstruktive Beratungen dieses Gesetzentwurfs und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf jetzt die Wortmeldung des Kollegen Hagenah aufrufen. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon ein ungewöhnlicher Vorgang, Herr Minister Bartling, wenn in der Begründung für den Entwurf eines neuen Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung festgestellt wird, das das seit 21 Jahren bestehende Gesetz bisher nur lückenhaft umgesetzt worden ist. In Niedersachsen gibt es sieben Landkreise, die noch nie ein Regionales Raumordnungsprogramm aufgestellt haben. Derzeit haben bei uns 13 Landkreise kein gültiges Regionales Raumordnungsprogramm. Wird das mit dem neuen Gesetz nun besser?

(Dinkla [CDU]: Ich hoffe es!)

Ich sehe im neuen Gesetz keinen Ansatz dafür, warum es besser werden sollte; denn man muss sich doch die Frage stellen: Was hinderte die Kreise bisher daran, die Raumordnung wirklich so aktiv zu betreiben?

(Eveslage [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Kollege Hagenah - -

Ich habe im Gegensatz zur CDU nur sehr wenig Zeit. Ich muss - -

Ich wolle nur einmal fragen, ob Sie eine Zwischenfrage gestatten. Das muss ja wohl möglich sein. Diese Zeit ziehe ich Ihnen jetzt auch ab. Sie dürfen dann etwas länger reden.

Das ist sehr nett.

Bitte sehr!

Man muss sich ja fragen, warum die Kreise das nicht tun. Fehlt es ihnen an Geld und Know-how? Gibt es zu wenig Interesse, weil sie zu wenig Nutzen erkennen, oder liegt es einfach an der mangelnden Kontrolle oder aber an fehlenden Sanktionsmöglichkeiten?

Der Gesetzentwurf gibt auf diese Fragen keine Antwort. Das eigentliche Dilemma der Regionalplanung in Niedersachsen wird nicht angegangen. Im Gegensatz zur CDU sind wir der Meinung, dass Regionalplanung keine Kirchturmspolitik sein kann und sich Regionalplanung insofern dem Subsidiariätsgebot entzieht. Im Gegenteil: Wir müssen hier umdenken.

Träger der Regionalplanung sind in Niedersachsen die Landkreise. Herr Bartling, in keinem anderen Bundesland wird Regionalplanung auf so kleiner Ebene betrieben wie bei uns. Angesichts der Diskussion um europäische Regionen, um die Zukunftsfähigkeit, die Gestaltung nachhaltiger Regionalentwicklung trägt die Situation in Niedersachsen schon absurde Züge. Einziger Fortschritt im neuen Gesetz ist, dass nun neben der Region Hannover auch im Großraum Braunschweig formell die Regionalkompetenzen gebündelt worden sind. Es fehlt aber eine klare Aussage der Landesregierung dahin gehend, dass das alte Modell der Kommunen als Träger der Regionalplanung nicht mehr zukunftsfähig ist, dass wir es uns nicht mehr leisten können, dass Planungen gegeneinander laufen. Unsere Kommunen konkurrieren noch immer gegeneinander, verschwenden dabei die knappen Mittel und können so in der Konkurrenz der europäischen Regionen nicht bestehen. Herr Eveslage, das liegt einfach daran, dass das Spiel der freien Kräfte Konkurrenzvorteil der Starken gegenüber den Schwachen ist. Es ist nicht etwa

sinnvoll für alle Beteiligten. Von daher müssen wir die Schwachen durch regionale Kooperationen schützen.

„Wir setzen weiter auf das Prinzip der Freiwilligkeit“ heißt es im Gesetzentwurf der Landesregierung. Damit kaschieren Sie doch nur Ihre Handlungsunfähigkeit. Gerade im großräumigen Bezug der Stadt-Umland-Problematik werden überall erhebliche Defizite offenbar. Trotz guter Ansätze gilt dies auch für die Gemeinsame Landesplanung mit Bremen und Hamburg. Gerade auf niedersächsischer Seite liegen hier die strukturellen Mängel. Beispiel Bremen: Das Umland Bremens splittert sich in drei Bezirksregierungen und diverse Landkreise auf. Wo soll da denn eine sinnvolle regionale Planung möglich sein? Die Gemeinsame Landesplanung mit Bremen und Hamburg kann man nur dann weiter entwickeln, wenn die Landkreise in Niedersachsen die Trägerschaft für die regionale Raumordnung an einen neuen regionalen Träger abgeben; jeweils für die entsprechende Region. Anders ist das nicht sinnvoll zu machen.

Formaljuristisch ließ das auch schon das bisher geltende Gesetz zu. Mit dem neuen Gesetz ändern Sie hier faktisch nichts. Die Aufgabe des Gesetzgebers ist es aber, zu gestalten. Die SPD lässt hier keinen Gestaltungswillen erkennen. Unser Vorschlag: Das Gesetz muss eine zeitliche Vorgabe enthalten, einen Termin, bis zu dem die Landkreise die regionale Raumordnung neu zu organisieren haben. Von diesem Zeitpunkt an sind nicht mehr die Landkreise die Träger der regionalen Raumordnung, sondern diese Aufgabe muss von größeren regionalen Organisationseinheiten übernommen werden. Darüber, ob die Übergangsfristen nun drei oder fünf Jahre betragen sollen, muss man sich im Laufe der Gesetzesberatung einigen. Auf jeden Fall aber muss das Ziel klar sein, und das Land muss dieses Ziel setzen.

Auch die so genannte Verfahrensbeschleunigung ohne UVP muss korrigiert werden. Der Abbau von Umweltstandards führt hier zur Willkür durch pauschale Ermessensentscheidungen im Vorfeld, ob es UVP-relevant ist oder nicht. Das sollte das Verfahren ergeben.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf tendenziell zwar ein richtiger, in wichtigen Teilen aber zu zaghafter und zum Teil - siehe UVP - auch falsch akzentuierter Entwurf. Änderungen sind in den kommenden Beratungen erforderlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Mit dem Gesetzentwurf soll sich federführend der Ausschuss für innere Verwaltung befassen. Die Mitberatung soll erfolgen in den Ausschüssen für Wirtschaft und Verkehr, für Umweltfragen, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist so beschlossen.