Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

Sie haben in der Vergangenheit durch viele Wortmeldungen hier deutlich gemacht, dass die Probleme eigentlich nur in der damaligen Bundesregierung bzw. in dem ehemaligen Umweltminister Töpfer und der ehemaligen Umweltministerin Merkel begründet seien. Meine Frage lautet: Welche grundsätzliche Problemlösung ist in der Zwischenzeit in diesem Zusammenhang eingetreten, nachdem die genannten Personen die Funktion des Umweltministers bzw. der Umweltministerin nicht mehr ausüben?

Herr Jüttner!

Herr Schirmbeck, zu Frage 1: Ich verweise auf die tägliche Berichterstattung in den Zeitungen. Da können Sie die Zusammensetzung der Bundesregierung nachlesen. Wahrscheinlich war das auch eine rhetorische Frage, die Sie hier formuliert haben.

Zu Frage 2: Die jetzige Bundesregierung hat sich vorgenommen, in der Atompolitik deutlich andere Akzente zu setzen. Ich habe auch den Eindruck, dass sie das mit Erfolg machen wird. Dass es dabei einige Ecken und Kanten gibt, war übrigens zu erwarten, weil der Gegner, den sich die Bundesregierung da ausgesucht hat, nicht der schwächste ist - der weiß sich auch zu wehren - und weil die Problemlage nicht die einfachste ist. Nach meiner Erkenntnis ist es das erste Mal, dass in einem Staat versucht wird, aus einer Technologie politisch auszusteigen. Sonst regelt sich so etwas meist über den Markt.

(Oestmann [CDU]: Das ist die Prob- lematik!)

Da wir ein Rechtsstaat sind, geht es hierbei auch um Rechtsansprüche, um Fragen von Entschädigung oder Nichtentschädigung und auch um Fristen, die man in dem Zusammenhang einzuhalten hat.

Das ist die Situation, die es relativ kompliziert macht, von jetzt auf sofort einen Umstieg zu organisieren. Deshalb hat die SPD auch immer deutlich gemacht - das gilt ebenfalls für die Niedersächsische Landesregierung -, dass sie von einem geord

neten Ausstieg redet. Wir sind dabei, werden das auch vollziehen.

Im Übrigen geht es mir überhaupt nicht darum, mit dem Finger auf irgendwen zu zeigen. Da gibt es Rollenadäquanz. Der Bundesumweltminister hat einen bestimmten Job. Er hat bei der Abarbeitung seines Amtseides andere Dinge zu berücksichtigen als der Niedersächsische Umweltminister. Deshalb ist es auch gar nicht so abwegig, dass wir mitunter im Streit sind. Das wollen wir doch gar nicht so werten. Aber hier geht es darum, dass wir eine Technologie haben, die die Mehrheit der Gesellschaft für nicht verantwortbar hält, die Politik aber gewährleisten muss, dass für die Restlaufzeit ihrer Nutzung Sicherheit möglichst optimiert wird.

Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht ein Problem ist, wer den Stuhl des Bundesumweltministers oder des Landesumweltministers besetzt, sondern dass der Umgang mit solchem Material nur schwerlich bis gar nicht so zu gewährleisten ist, dass nichts passiert. Unsere Gesellschaft basiert auf der Logik des Vertrauensvorschusses und des korrekten Verhaltens. Wer sich mit krimineller Energie daran macht, das zu unterlaufen - das zeigt sich beispielsweise gerade in Sellafield mit den Sabotageanschlägen und Ähnlichem -, der erreicht sein Ziel auch. Deshalb ist die Frage: Geht man überhaupt mit solchem Material um, oder lässt man es lieber? Das ist für mich eher die Konsequenz daraus als die Vorstellung, man wäre durch Verdoppelung oder Verzigfachung des Personals in der Lage, sämtliche Probleme zu beherrschen. Ich glaube, wir machen uns etwas vor, wenn wir uns das einreden.

Frau Zachow, dann Frau Harms!

(Frau Harms [GRÜNE]: Das kann nicht sein!)

- Entschuldigung, Frau Zachow. Herr Schröder ist zuerst dran.

(Schirmbeck [CDU]: Die Landesre- gierung kann nicht einmal das Natio- nalparkgesetz richtig umsetzen!)

Herr Minister, da Sie eben noch einmal, aber auch schon in den letzten zwei Jahren mehr Wettbewerb im Gutachterbereich gefordert haben, frage ich:

Was sind in Ihrem Haus, beim TÜV und bei den Betreibern eigentlich die konkreten Hemmnisse dafür, dass sich bisher an der faktischen Monopolstellung des TÜV kaum etwas geändert hat, und mit welcher Strategie wollen Sie das überwinden?

Meine zweite Frage lautet: Welche anderen Sachverständigen außer denen des TÜV sind im Augenblick beispielsweise bei der derzeitigen Routinerevision im AKW Grohnde tätig?

Herr Minister!

Bei der Revision in Grohnde ist der TÜV Hannover neben anderen tätig. Das ist die zweite Frage.

(Frau Harms [GRÜNE]: Was heißt „neben anderen“?)

- Wer außerdem tätig ist?

(Frau Harms [GRÜNE]: In welchem Umfang?)

- Das kann ich Ihnen schriftlich mitteilen. Das kann ich Ihnen im Detail nicht sagen.

Die Situation ist so - darauf habe ich in meiner Antwort vorhin hingewiesen -, dass es in Deutschland fünf TÜV-Organisationen gibt, in denen sich nach meiner Einschätzung mehr als 1.000 hoch qualifizierte Beschäftigte mit der Begutachtung kerntechnischer Anlagen befassen. Ich schätze einmal, die Zahl der hoch kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort außerhalb des TÜV tätig sind, bewegt sich in Dutzenden-Größen. Anders wird das nicht sein.

Das hat zur Konsequenz, dass, wenn ein neuer Gutachter gesucht wird, dann der Umstieg z. B. vom Gutachter TÜV Bayern auf den Gutachter TÜV Nord vollzogen wird, wie vor einiger Zeit in Hessen geschehen. Das zeigt, dass ein bisschen Wettbewerb besteht, aber der TÜV ist immer noch vorne bei. Ich will nur darauf hinweisen: Die rotgrüne Regierung in Hessen hat dann den TÜV Nord beschäftigt. Daran wird auch deutlich, dass es nicht um Zuweisung von Schuld geht, sondern um das, was bei Wirtschaftsprüfungen auch sinnvoll ist, nämlich von Zeit zu Zeit ein neues Auge darauf schauen zu lassen, weil das anders schaut und dann etwas anderes sieht.

Wir haben im letzten Jahr einen neuen Rahmenvertrag mit dem TÜV abgeschlossen und in diesen Vertrag die Möglichkeiten der Drittbegutachtungen auch richtig hineingeschrieben, weil der Rahmenvertrag die Dinge erst einmal an den TÜV gibt, und sind seitdem dabei, gezielt und kontinuierlich die Mitwirkung von anderen Gutachtern aufzubauen. Was notwendig sein wird, ist, auch die Aufsichtsbehörden in den anderen Bundesländern zu gewinnen, damit wir hier eine stabile Nachfrage organisieren und damit es für konkurrierende Kleinunternehmen interessant genug wird, sich das notwendige Know-how zu erarbeiten, um dann bei weitergehenden Aufträgen auch wirklich hinreichend konkurrenzfähig zu sein und um Begutachtungen durchführen zu können.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das hat die Landesregierung doch schon 1991 er- klärt!)

Jetzt hat Frau Zachow das Wort, dann Frau Harms, dann Frau Steiner.

Herr Minister, nach der Erklärung, die Sie gerade abgegeben haben, dass der Eindruck, dass man seit September hätte wissen müssen, dass es niedersächsische Betroffenheiten gebe, falsch sei, frage ich: Sehen Sie darin einen Widerspruch zu der Aussage, die Ihr Staatssekretär mir gegenüber am Rande der Ausschusssitzung gemacht hat, die Einzigen, die richtig gehandelt hätten, seien die Preußen gewesen?

Waren das richtige oder virtuelle Preußen? – Herr Jüttner!

(Frau Zachow [CDU]: Das war eine Frage!)

Das war eine Frage. Ich nehme an, das Zitat von Herrn Schulz lautete sinngemäß so: PreussenElektra hat seit September kontinuierlich an diesem Problem gearbeitet, um es aufzudecken und es abzuschalten. Das einzige Problem, dass wir mit ihnen haben, ist, dass sie uns von der Verschärfung des Themas - dem niedersächsischen Bezug Anfang November nicht informiert haben.

(Frau Zachow [CDU]: Da haben Sie ja ein Gespräch abgelehnt!)

- Wir haben da kein Gespräch abgelehnt. Es hat zu keinem Zeitpunkt die Bitte um ein Gespräch zum Thema „Brennelemente Sellafield“ gegeben. Das ist definitiv nicht richtig.

(Inselmann [SPD]: Sie kaufen aber auch jedes Märchen, Frau Zachow!)

Frau Harms!

Herr Minister, nachdem wir in den letzten Wochen erlebt haben, wohin es führt, wenn Gutachter und Aufsicht eigentlich immer nur Dokumente prüfen und keine wirklichen Prüfungen stattfinden, hätte ich von Ihnen erstens gerne gewusst, ob der Landesregierung bekannt ist, dass von den ca. 10.000 Glaskokillen, die bisher bei der Cogema in Frankreich hergestellt worden sind, keine einzige destruktiv untersucht worden ist, sodass bisher eben überhaupt nicht festgestellt werden konnte, ob diese Glaskokillen den Spezifikationen entsprechen.

Zweitens hätte ich gerne von Ihnen gewusst, ob sich die Landesregierung jetzt dafür einsetzen wird, dass solche destruktiven Untersuchungen in La Hague stattfinden.

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich arbeite an der Fortbildung.

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie sollen die doch demnächst annehmen! Da kön- nen Sie sich doch nicht erst heute fortbilden, Herr Minister!)

Der Begriff des Destruktiven ist mir bisher fremd. Sie haben das eben so eingeführt, als sei das etwas Gutes.

(Frau Harms [GRÜNE]: Ja!)

- Das habe ich noch nicht begriffen. Das müssen Sie mir noch einmal erklären.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist die einzige Möglichkeit, tatsächlich Spe- zifikationen zu überprüfen!)

Spaß beiseite. - Frau Harms, es ist so, dass für die Begutachtung und für die Produktkontrolle der Glaskokillen das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig ist. Dass die uns fragen, wie sie ihre Arbeit machen sollen, ist eher ungewöhnlich. Das möchte ich auch nicht reklamieren.

(Frau Harms [GRÜNE]: Sie machen doch auch sonst Anregungen!)

Das würde wieder als Intervention in die Bundesaktivitäten begriffen werden. Deshalb lasse ich das.

(Frau Harms [GRÜNE]: Wieso? Das machen Sie doch jetzt auch zum Gut- achterwesen!)

Wir machen die Anregungen an das BMU hinsichtlich der Prüftiefe, was die Arbeit in der Reaktorsicherheitskommission angeht. Darauf hatte ich hingewiesen.

Zu der anderen Frage: Daran sind wir nicht beteiligt.