Protokoll der Sitzung vom 31.03.2000

- Frau Pothmer, hier habe ich ein anderes Verständnis. Dass sich Debatten über Zukunftsfragen in unserer Gesellschaft schädlich auswirken können, das sehe ich anders.

Herr Eveslage!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da es in dieser Fragestunde um die Mei

nung der Landesregierung geht und da Herr Minister Bartling erklärt hat, dass er nur seine persönliche Meinung hier vorgetragen hat, frage ich die Landesregierung und damit, da der Ministerpräsident nicht anwesend ist, die stellvertretende Ministerpräsidentin, ob sie bereit ist, zu diesem Punkt die Stellungnahme der Landesregierung abzugeben.

(Frau Pawelski [CDU]: Sehr gut!)

Die Landesregierung entscheidet alleine, wer antwortet. - Wer möchte? - Frau Merk!

(Zurufe)

Herr Eveslage, die Frage hatte ich fast erwartet. Die konnte gar nicht anders lauten. Die Landesregierung, einschließlich des Ministerpräsidenten, hat sich bisher dazu nicht positioniert. Ich habe mich allerdings sehr wohl positioniert.

Frau Vogelsang stellt ihre zweite Frage!

Frau Ministerin, ich frage dennoch: Treffen die Presseberichte zu, nach denen es im Kabinett eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema gegeben hat und dass Sie sich mit dem Kollegen Innenminister nicht einig geworden sind?

Frau Merk!

Frau Abgeordnete, ich habe solche Presseberichte nicht gelesen. Aber wenn ich sie übersehen haben sollte, kann ich Ihnen sagen, dass solche Debatten im Kabinett nicht stattgefunden haben. Hierüber hat es vielmehr eine Diskussion im Rahmen einer Klausurtagung gegeben. In einer Klausurtagung eines Kabinetts geht es um Schwerpunktfragen. Im Zusammenhang mit Schwerpunktfragen mahnt die Frauenministerin regelmäßig die Gleichberechtigungsfrage an. Insoweit hat diese Debatte zum

Thema Gleichberechtigung stattgefunden. Diese Frage ist am Rande berührt worden, aber sie ist nicht inhaltlich fundiert diskutiert und schon gar nicht entschieden worden.

(Frau Vogelsang [CDU]: Ist eine Klausurtagung keine Sitzung bei Ih- nen?)

Frau Stokar von Neuforn!

Ich frage die Landesregierung: Gibt es konkrete Planungen - mir ist es relativ egal, ob Sie das in Klausur, im Kabinett oder sonst wo beschließen -, im kommenden Haushalt die Haushaltsmittel des Landes Niedersachsen für eine Ausweitung der Plätze im Rahmen des freiwilligen sozialen Jahres zu erhöhen?

(Zustimmung von Frau Pothmer [GRÜNE])

Dazu antwortet noch einmal der Innenminister.

Das ist bisher nicht der Fall, Frau Stokar. Bisher hat der Bund diese Dinge finanziert. Wir haben nicht die Absicht, Ähnliches zu tun. Es ist mir jedenfalls gerade berichtet worden, das wir als Land bisher dafür keine finanziellen Mittel aufgewendet haben.

Wir kommen damit zur nächsten Frage, die der Abgeordnete Heineking stellt:

Frage 4: Verwendung von Biodiesel (Rapsölmethyl- ester)

Herr Kollege!

(Zurufe)

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Es ist sicherlich ein Zufall, dass heute schon wieder dieses Thema diskutiert werden kann. Bei dieser Anfrage handelt es sich mehr um eine Klarstellung, Herr Kollege, denn bei der Diskussion um die weitere Nutzung regenerativer Energien fällt häufig auf, dass die sich aus der Nutzung von Biodiesel ergebenden besonders umweltfreundlichen Vorteile nicht angemessen genug dargestellt werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt sie die Auffassung von Energieexperten, wonach der Einsatz von Biodiesel umweltfreundlich und damit positiv zu bewerten ist?

2. Wie bewertet sie die Auffassung von Fachleuten, die im Hinblick auf den zunehmenden Einsatz von Biodiesel auch Vorteile für die Landwirtschaft sehen?

3. Teilt sie die Auffassung, dass die Herstellung von Biodiesel einen Beitrag zur Wertschöpfung in Niedersachsen und damit auch zur Arbeitsplatzsicherung im ländlichen Raum leistet?

Die Antwort gibt der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vom Abgeordneten Heineking gestellten Fragen beantworte ich gerade im Hinblick auf den Abgeordneten Heineking sehr gerne.

Die Landesregierung hat sich seit 1990 mit der technischen Entwicklung und der Markteinführung von Biodiesel befasst. Gefördert wurden eine Versuchsanlage in mehrfachen Vergrößerungsschritten und eine großtechnische Produktionsanlage in Leer. Breit angelegte Praxisversuche mit unterschiedlichen Fahrzeugen wurden durchgeführt. Dazu gehören auch der landesweit bekannte Demonstrationsversuch des Abgeordneten Heineking mit Biodiesel in einem seiner Lkw und wissenschaftliche Untersuchungen zum Leistungsund Abgasverhalten von Motoren. Auf der Grundlage dieser Prüfungen hat die Landesregierung eine eindeutige Position zugunsten von Biodiesel bezo

gen. Die im Institut für Biosystemtechnik der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig bislang erzielten Ergebnisse auf dem Gebiet der Biokraftstoffforschung haben die Position der Landesregierung bestätigt. Ein jetzt noch in Bearbeitung befindliches Projekt beinhaltet weitere technische Fragen, humantoxikologische Fragen und Fragen zur Optimierung moderner, mit elektronisch gesteuerter Hochdruckeinspritzung ausgerüsteter Dieselmotoren. An diesem Gemeinschaftsprojekt sind das Institut für Biosystemtechnik der FAL, das Zentrum für Umwelt- und Arbeitsmedizin der Universität Göttingen, die Fachhochschule Coburg, das Ingenieurbüro Dr. Syassen und das Institut für Maschinenmesstechnik und Kolbenmaschinen der Universität Magdeburg beteiligt.

Mit der Produktionsanlage in Leer/Ostfriesland hat die Landesregierung ein niedersächsisches Pilotprojekt gefördert, dessen Produkt Connediesel erfolgreich am Markt platziert ist. Eine begleitende Markterschließung während der mehrstufigen Versuchsphase bis 1996, wettbewerbsfähige Preise und die bereits genannte Biokraftstoffforschung bei der FAL haben für die Akzeptanz von Biodiesel in der Öffentlichkeit gesorgt. Die wichtigsten Pkw- und Nutzfahrzeughersteller haben in den vergangenen Jahren ihre Fahrzeuge für den Gebrauch von Biodiesel freigegeben. Seit Anfang September 1997 liegt die Deutsche Norm für Biodiesel, die DIN 51606, vor.

Der aktuelle Stand der Biodieselforschung wurde in einer durch mein Haus geförderten internationalen Fachtagung am 12./13. Juni 1998 in Braunschweig im Kreise von mehr als 100 Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich, den USA und Schweden diskutiert. Die eingangs genannten Ergebnisse und Einschätzungen wurden bestätigt.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung bewertet den ökologischen Nutzen von Biodiesel positiv. International anerkannte wissenschaftliche Versuche weisen auf folgende Umweltvorteile hin:

Die Partikelemissionen werden im Vergleich zu Dieselkraftstoff erheblich reduziert.

Der Einsparungseffekt an fossilem CO2 beträgt bei der Produktlinie Biodiesel je Hektar Rapsfläche ca. 3,8 t.

Biodiesel ist frei von Schwefel und eröffnet die Möglichkeit, Oxidationskatalysatoren und weitere moderne Abgasreinigungssysteme einzusetzen.

Der Ausstoß an Krebs erregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH) wird durch Biodiesel erheblich gesenkt.

Das erbgutverändernde Potential der emittierenden Partikelmasse wird um ca. 50 % gesenkt.

Die hohe Cetanzahl führt zu einer besseren Verbrennung des Kraftstoffes.

Die gute Schmierfähigkeit des Biodiesels verlängert die Lebensdauer des Motors - siehe Lastzüge des Abgeordneten Heineking.

Ein geringfügig höherer Ausstoß von NOX gegenüber fossilem Dieselkraftstoff ist insbesondere bei Motoren älterer Bauart festzustellen. Das oben genannte Gemeinschaftsvorhaben, in dem die optimale Einstellung des Einspritzzeitpunktes von Dieselmotoren auf den Kraftstoff Biodiesel erarbeitet wird, zeigt aber schon heute, dass mithilfe des elektronischen Motormanagements moderner Motoren die NOX-Emissionen deutlich gesenkt werden können. Gleichzeitig können der Kraftstoffverbrauch und die Partikelemissionen verringert werden.

Zu 2: Der Anbau von Raps für Biodiesel auf Stilllegungsflächen hat sich zu einer für die Landwirtschaft attraktiven Einkommensalternative entwickelt. Begünstigend wirkt sich dabei die steigende Nachfrage der Hersteller nach dem Rohstoff Raps aus. Das bei der Verarbeitung anfallende Rapsschrot ist ein wertvolles proteinhaltiges Futtermittel. Das Nebenprodukt Glycerin wird von der chemischen Industrie nachgefragt.

Gestiegene Rohölkosten und die Ökosteuer haben die Tankstellenpreise für Dieselkraftstoff kräftig erhöht. Die Biodieselpreise sind dieser Tendenz gefolgt. Dennoch wird Biodiesel örtlich zwischen 0,05 bis 0,11 DM pro Liter günstiger angeboten. Der Preisvorteil lässt einerseits die Nachfrage steigen, andererseits versetzt das insgesamt angestiegene Preisniveau die Produzenten in die Lage, höhere Rohstoffpreise für die Rapssaat zu zahlen.

Zu 3: Das Münchener ifo-Institut und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben nachgewiesen, dass das Produkt Biodiesel nicht nur eine interessante Einkommensalternative für die Landwirtschaft ist, sondern auch dazu beiträgt,

die Importabhängigkeit von fossilem Rohöl zu senken. Insbesondere das ifo-Institut München hat in einem Gutachten festgestellt, dass der Einsatz von Biodiesel zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Verarbeitungsindustrie und in der Vermarktung beiträgt. - Danke sehr.

Herr Schwarzenholz stellt die erste Zusatzfrage. Danach fragt Herr Heineking.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass das Umweltbundesamt nicht nur zu Zeiten der rot-grünen Regierung, sondern vor allem zu Zeiten der Kohl-Regierung in wissenschaftlichen Gutachten dargelegt hat, dass der Einsatz von Biodiesel nicht umweltverträglich und mit den Grundsätzen einer nachhaltigen Politik nicht vereinbar ist und nicht dazu führt, dass tatsächlich eine reale Entlastung der Umwelt erreicht werden kann, dass darüber hinaus Biodiesel in der ökologischen Bilanz ein negatives Ergebnis aufweist, frage ich Sie nach dem, was Sie vorgetragen haben: In welcher Art und Weise haben Sie diese wissenschaftlichen Ergebnisse und Bewertungen des Umweltbundesamtes in Ihre Arbeit einfließen lassen?

Herr Bartels!