Protokoll der Sitzung vom 12.09.2000

Ich würde gerne weiter machen. Nachher am Schluss. Ich habe jetzt, glaube ich, drei oder vier Minuten Redezeit. - Wir sind uns also darüber einig, dass solche gleichen Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden müssen. Diesbezüglich gibt es aber bislang noch Defizite. Auch in der Bewertung darüber sind wir uns einig, Herr Heineking.

(Heineking [CDU]: Große Defizite!)

Sie müssen jetzt fairer Weise aber konstatieren, dass der Auslöser für die Benzinpreiserhöhungen in den letzten vier Monaten nicht die Ökosteuer gewesen ist - das wissen auch Sie -, sondern die Verdreifachung des Ölpreises. Auch der schwache Euro leistet seinen Beitrag zu dieser Entwicklung. Gestern Abend haben Sie in den „Tagesthemen“ eine sehr anschauliche Auflistung sehen können. Danach macht die Ökosteuer an der gesamten Erhöhung allenfalls 25 % aus.

(Gansäuer [CDU]: Das ist eine ganze Menge! - Heineking [CDU]: Plus Mehrwertsteuer!)

Alles andere in den vergangenen zwei Jahren geht zulasten der Ölindustrie und der OPEC, meine Damen und Herren. Das können wir hier doch einmal ganz nüchtern feststellen. Nun frage ich mich: Warum ist die Zielscheibe Ihrer Kampagne die Bundesregierung? Stattdessen sollten Sie sinnvoller Weise sagen: Wir stehen gemeinsam für die Förderung alternativer Energien. Wir müssen in Deutschland eine technologische Antwort geben, weil wir alle wissen - das Programm der CDU ist ja nicht umsonst so entstanden -, dass die Ölressourcen endlich sind. Wir wissen, dass die Ölreserven auf der Welt noch 50 bis 70 Jahre reichen werden. Danach - so kann man dies in vielen klugen wissenschaftlichen Studien nachlesen - müssen wir etwas anderes anbieten, um uns unsere Mobilität erhalten zu können. Das heißt, dass gerade Deutschland als Technologienation gefordert ist, eine Antwort zu geben. Genannt worden ist schon die Wasserstofftechnologie. Genannt worden ist auch die Solarenergie. Dies sind die Antworten, die wir geben müssen. Wir haben damit auch Erfahrung. Denn wie lautete die bundesdeutsche Antwort nach dem Ölpreisschock 1973? - Es gab eine technologische Antwort. Der Verbrauch ist nach 1973 radikal reduziert worden. Das ist die Antwort, die eine führende Industrienation in Europa zu geben hat. Es darf aber keine Kampagne geführt werden, wie sie vonseiten der CDU gerade gestartet wird. Dies wäre keine zukunftsfähige Politik. Vielmehr müssen wir über eine andere weiterführende Technologiepolitik in Europa, auch in Deutschland reden. Dafür haben wir die Kapazitäten und das Know-how an den Universitäten. Dies müssen wir für die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft nutzen. Das ist die richtige Antwort, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Gansäuer hat das Wort.

Herr Kollege Inselmann, ich habe noch eine Frage zum Begriff „Ökosteuer“. Was ist das für eine Steuer, die sich zwar „öko“ nennt, die Vielverbraucher aber begünstigt und die Kleinen zur Kasse bittet? Können Sie mir das bitte einmal erklären?

(Inselmann [SPD]: Das kann ich Ih- nen erklären!)

Was ich Ihnen noch sagen möchte, ist: Im Programm der CDU steht das Bekenntnis zur Ökosteuer. Sie hat dieses Bekenntnis aber immer mit der europäischen Dimension verbunden.

(Beifall bei der CDU)

Der Alleingang Deutschlands vernichtet Arbeitsplätze, was völlig unstreitig ist.

(Inselmann [SPD]: 14 Länder haben es doch schon!)

Jetzt ein Letztes, damit Sie etwas ruhiger werden, meine Damen und Herren. Ich habe eine Rede vor mir liegen, die jemand gehalten hat, der heute große politische Verantwortung trägt. Ich zitiere:

„Wir wollen die Kraftfahrzeugsteuer abschaffen und gleichzeitig die Mineralölsteuer erhöhen. Wir wissen aber, dass es viele Menschen gibt, die als Pendler mit dem Auto zur Arbeit müssen, weil sie ihre Arbeitsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht rechtzeitig erreichen würden. Ihnen gleichen wir die Kosten eines erhöhten Benzinpreises aus sozialen Gründen durch eine Entfernungspauschale aus.“

So Gerhard Schröder auf dem Landesparteitag der SPD in Hannover. Es gibt heute zwar eine Ökosteuer, es gibt aber keine Entfernungspauschale, und die Kraftfahrzeugsteuer ist erhöht worden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich darf feststellen, dass die Aktuelle Stunde damit beendet ist.

Ich rufe jetzt den zusätzlichen Tagesordnungspunkt auf, auf den sich die Fraktionen verständigt haben:

Zusätzlicher Tagesordnungspunkt: Erste und zweite Beratung: Preussag muss ihrer sozialen Verantwortung für Salzgitter gerecht werden - Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/1855

Das Wort in der Beratung hat zunächst der Kollege Eppers.

(Klare [CDU]: Herr Präsident, warum nehmen Sie nicht noch einmal den Kollegen Inselmann dran?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich darüber, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Entschließungstext vorzulegen, nachdem meine Fraktion, bei der ich mich dafür noch einmal sehr herzlich bedanken möchte, gestern bei einer außerordentlichen Fraktionssitzung in Salzgitter beraten und einen Entschließungsantrag entwickelt hat. Es ist gelungen, eine gemeinsame Entschließung vorzulegen. Dennoch bleiben mit Sicherheit Meinungsunterschiede in der Bewertung des ganzen Vorganges.

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Die Überschrift „Preussag muss ihrer sozialen Verantwortung für Salzgitter gerecht werden“ eint uns. Wir sollten dann aber auch hier im Landtag eine klare Sprache sprechen und vor Ort in Salzgitter nicht anders sprechen als hier.

Zum zweiten Mal, meine sehr verehrten Damen und Herren, versetzt ein renommiertes niedersächsisches Unternehmen den drittgrößten Industriestandort Niedersachsens, die Stadt Salzgitter, in Angst und Schrecken. Nach den Vorgängen in den Jahren 1997 und 1998 - Stichwort: Preussag Stahl haben wir hier eine muntere Debatte geführt. Sie wissen ja alle, wie das damals geregelt wurde. Vor diesem Hintergrund hätte ich mir nicht vorstellen können, dass der Vorstand dieses Unternehmens jetzt ein zweites Mal nach dem gleichen Drehbuch versucht, das Land, die Bevölkerung und die Stadt Salzgitter unter Druck zu setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen Lösungsansätzen, die wir gern unterstützen wollen, ist dies etwas, was man massiv kritisieren muss.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle - ich weiß, dass das immer etwas problematisch ist - hätte ich von unserem Kollegen Wolfgang Schultze, der ja eines von vier Mitgliedern des Preussag-Vorstands ist, schon einmal ganz gern gewusst, was er sich in der Vorstandssitzung der Preussag gedacht hat, als sich die vier Vorstandsmitglieder entschlossen haben, die 14.000 Wohnungen in Salzgitter zu verkaufen, ohne zuvor mit dem Betriebsrat der Wohnungswirtschaft zu reden, ohne zuvor mit den Kommunalpolitikern in Salzgitter zu reden und ohne mit der Landesregierung - das unterstelle ich jetzt einmal - zu reden. Diese Entscheidung - das muss ein erfahrender Politiker wie Wolfgang Schultze wissen - muss zu Protesten, Ängsten, Sorgen und Nöten der Bevölkerung führen. Das, lieber Herr Schultze, hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Im Prinzip hätte ich das auch einem Unternehmen nicht zugetraut, in dem auch andere Sozialdemokraten wie z. B. Herr Dr. Frenzel Verantwortung tragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kritik der Landesregierung an diesem Vorgang habe ich bislang noch nicht vernommen. Vielleicht wird hierzu der Herr Ministerpräsident oder ein anderes Mitglied der SPD-Fraktion noch etwas Klarstellendes sagen. Natürlich wollen wir - deshalb ist es gut, dass wir das mit einer gemeinsamen Entschließung unterstützen - der Landesregierung und gleichermaßen auch der Stadt Salzgitter helfen, ihre Interessen durchzusetzen. Dazu gehört es, dass man, lieber Herr Plaue, nicht nur Wahltermine im Blick hat, sondern ohne parteipolitische Brille sagt: im Interesse der Menschen möglichst gemeinsam. Zumal in Salzgitter nicht Sie, sondern die CDU in einer Koalition die Mehrheit stellt.

Vor diesem Hintergrund muss ich außerdem bedauern - ich hoffe, dass das durch diesen gemeinsamen Antrag klargestellt wird -, dass weder die Staatskanzlei noch der Preussag-Vorstand mit der Stadt Salzgitter offiziellen Kontakt über den Oberbürgermeister oder den Oberstadtdirektor aufgenommen haben. Bisher hat es - ich bedauere dies leider nur Geheimgespräche gegeben. Nachdem wir dort letzte Woche Druck gemacht haben, lieber Herr Schultze, hat sich die Preussag letztendlich bereit erklärt, bei Herrn Frenzel einen Termin mit der Stadt Salzgitter anzuberaumen. Dass zuvor

ausgerechnet auch noch Sie als offizieller Gesprächspartner der Preussag bei der Stadt Salzgitter avisiert worden sind, halte ich für ein starkes Stück. Das können wir uns in der Form, lieber Wolfgang Schultze, nicht bieten lassen.

Ich sage auch - das hat nichts damit zu tun, dass Sie in der SPD sind und ich in der CDU bin; Sie können mir glauben, dass mir das völlig egal ist -:

(Plaue [SPD]: Ja, natürlich! Das glau- be ich Ihnen aufs Wort!)

Wir haben im Dezember über Verhaltensweisen in der Politik diskutiert. Der Ministerpräsident hat einen Kriterienkatalog aufstellen lassen, der gar nicht schlecht ist. Zentraler Punkt der Debatte war immer: Man meide den bösen Schein. Politiker haben den bösen Schein zu meiden. An der Stelle hätte ich etwas mehr Sensibilität vom Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses im Niedersächsischen Landtag erwartet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen, meine Herren, die Stadt Salzgitter hat in den letzten Jahrzehnten - dafür tragen beide große Parteien, CDU und SPD, Verantwortung - -

(Zuruf von Biel [SPD])

- Herr Biel, lassen Sie mich doch erst einmal ausreden. Sie können ja dann Ihre Meinung sagen.

(Zuruf von Eveslage [CDU])

Meine Damen, meine Herren, die Stadt Salzgitter hat in den letzten Jahrzehnten nie das durchsetzen können, was andere Städte hinbekommen haben, und zwar eine Erstausstattung. Die Stadt wurde 1942 gegründet. Wir hatten immer erhebliche Probleme, Mittel zu bekommen, um Schulen, Straßen und Krankenhäuser zu bauen. Andere Städte wie etwa Wolfsburg haben diese Erstausstattung bekommen. Wir haben auch immer wieder Probleme gehabt, Flächen für die Stadtentwicklung zu bekommen. Wir haben das mehrfach bei den CDU-geführten, aber auch bei den SPD-geführten Bundesregierungen angemahnt - leider nur mit mäßigem Erfolg. Das will ich durchaus selbstkritisch attestieren.

Bis zur Privatisierung der bundeseigenen Salzgitter AG im Jahre 1989 hat man uns immer wieder darauf verwiesen, dass wir alles über den bundeseigenen Konzern regeln könnten. Das hat auch halbwegs geklappt. Nach 1989 sind die vereinbar

ten Ziele von der Preussag nicht so eingehalten worden. Nachdem Herr Pieper als Vorstandsvorsitzender aufgehört hat und Herr Dr. Frenzel kam, ist sofort der Preis für das Müllkippengrundstück der Stadt Salzgitter von 6 DM/m2 auf 50 DM/m2 hochgesetzt worden.

Vor dem Hintergrund ist eine vernünftige Stadtentwicklung in Salzgitter nicht möglich. Deswegen tritt die CDU-Fraktion mit Ihnen gemeinsam dafür ein, meine Damen und Herren, dass die Problematik zwischen der Stadt Salzgitter, dem Bund und der Preussag endgültig geregelt wird. Beim Herauslösen der Stahlsparte ist versäumt worden, die Frage der Wohnungen und Flächen - ich hatte das damals im Wirtschaftsausschuss angesprochen mitzulösen. Wir dürfen heute nicht den Fehler machen, die wichtige und akute Wohnungsfrage anzupacken und - von mir aus auch mit dem Konsortium, das wird durchaus unterstützt, wenn es den Zielen dient, die wir gemeinsam beschreiben zu regeln, ohne aber die Flächenproblematik zu lösen.

Die Stadt Salzgitter hat kein eigenes Land. Sie braucht aber Fläche zur Stadtentwicklung und kann nicht überall Marktpreise bzw. über den Marktpreisen liegende Preise zahlen. Hier sind Bundesund Landespolitik, aber vor allen Dingen auch die Preussag in der Pflicht. Die Preussag hat diese Flächen - ich kann das nicht im Einzelnen vortragen - fast kostenlos bekommen. Sie hat damals mit der Bundesregierung einen Vertrag geschlossen und industriepolitische Ziele festgelegt, die sie aber verlassen hat, und steht somit im Wort bei der Stadt Salzgitter und bei den betroffenen Mietern, den Mitarbeitern der Preussag-Immobilien, aber vor allen Dingen bei der Gesamtbevölkerung der Stadt Salzgitter, diese Problematik mit der Politik zu lösen.

(Beifall bei der CDU)

Es freut mich sehr - das möchte ich abschließend sagen -, dass wir gemeinsam die Landesregierung und die Stadt Salzgitter unterstützen. Wie Sie wissen, hat der Rat der Stadt Salzgitter vor einigen Tagen einstimmig eine Klage gegen die Bundesregierung und eine Klagevorbereitung gegen die Preussag beschlossen. Wir fühlen uns in Salzgitter bestärkt. Bitte unterstützen Sie uns auch weiter in unserem berechtigten Bemühen. - Ein herzliches „Salzgitter Glückauf“.

(Zurufe: Oh! - Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Knebel. - Der Gang zum Rednerpult wird auf die Redezeit nicht angerechnet, Herr Kollege.