Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Des Weiteren sind nicht nur die CDULandtagsfraktion und die niedersächsischen Tierhalter bestürzt darüber, welche Rolle die SPDgeführte Landesregierung bei der Umsetzung dieser EU-Entscheidung gespielt hat, wie sie die niedersächsischen Interessen vertreten hat und wie sie sich die finanzielle Regelung der SRMSonderentsorgung vorstellt.

Meine Damen und Herren, obwohl das internationale Tierseuchenamt aus aktuellen Untersuchungen heraus die BSE-Freiheit Deutschlands festgestellt hat - europäische Experten bescheinigen, dass mit dem seit 60 Jahren in Deutschland angewendeten Drucksterilisationsverfahren der BSE-Erreger abgetötet wird und dass damit für einen nachhaltigen Verbraucherschutz gesorgt wird -, hat der wissenschaftliche Lenkungsausschuss der EU in seiner endgültigen Stellungnahme zur geografischen Verteilung des BSE-Risikos in der Union Deutschland zusammen mit Frankreich und der Schweiz in die zweithöchste Risikogruppe eingestuft.

Die unglaubliche Begründung des EUExpertengremiums lautet: Das Vorliegen von BSE in Deutschland sei unterhalb der Nachweisgrenzen der Überwachungssysteme wahrscheinlich. Zum Zwecke dieser Risikobewertung wurden verschiedene Worst-case-Annahmen zugrunde gelegt, die die Wahrscheinlichkeit einer deutschen BSEBelastung zum Ausdruck bringen sollten. Dies ist aus deutscher Sicht nicht nachvollziehbar. Die Bewertung des BSE-Status und die Einstufung der EU-Mitgliedstaaten muss sich an objektiven Kriterien orientieren. So hat es auch Bundeslandwirtschaftsminister Funke gefordert.

Die Tatsache, dass wir in Deutschland mit den strengsten Futtermittelauflagen und mit dem für die Tierkörperverwertung generell vorgeschriebenen Hitze-Druck-Verfahren - 133 Grad Celsius, 3 bar und 20 Minuten - europaweit führende Sicherheitsstandards anwenden, die eine Übertragung von Krankheitskeimen inklusive des BSEErregers ausschließen, bleibt hierbei völlig unbeachtet. Leider hat es die EU-Kommission bisher nicht geschafft, diese hohen Sicherheitsstandards

europaweit zur Regel zu machen. Dies wäre der richtige Weg gewesen.

Mit der EU-Entscheidung zur SRM-Entsorgung werden diese Sicherheitsstandards unterlaufen und Tierkörperabfälle, wie in England geplant, sogar verbuddelt. Damit ist der Gesundheitsvorsorge des Verbrauchers und der notwendigen Seuchenhygiene ein Bärendienst erwiesen worden.

(Beifall bei der CDU)

Nicht unerwähnt bleiben sollte eine Untersuchung der nordrhein-westfälischen Landesregierung von 1999, bei der nach dem so genannten Schweizer BSE-Schnelltest an 5.000 getesteten Rindern keine BSE-Infektion festgestellt werden konnte.

Meine Damen und Herren, es ist ein Skandal, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium trotz vorheriger gegenteiliger Bekenntnisse von Minister Funke und trotz der eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur deutschen BSE-Freiheit im EUAgrarministerrat eine vom wissenschaftlichen Lenkungsausschuss vorbereitete und später von der EU-Kommission vollzogene SRM-Entscheidung durch eigene Stimmenthaltung billigend in Kauf genommen hat.

(Beifall bei der CDU)

Hier hat sich Bundeslandwirtschaftsminister Funke, der sich vorwiegend durch einen hohen Unterhaltungswert seiner Agrarpolitik auszeichnet,

(Brauns [SPD]: Na, na, na! - Zuruf von der CDU: Aber nur das! - Kethorn [CDU]: Das ist doch hier im Landtag bekannt!)

einmal mehr im Kabinett über den Tisch ziehen lassen und die Interessen der deutschen Tierhalter aufs Gröbste vernachlässigt. Das sieht, wie Sie wissen, die gesamte deutsche Fachpresse genauso. Aber ich will Ihnen das Zitieren der eindeutigen Kommentare ersparen.

Meine Damen und Herren, in keiner Phase dieser Entscheidung haben wir erkennen können, dass das niedersächsische Landwirtschaftsministerium, das wiederholt den besonderen Draht zu Funke betont und für sich in Anspruch nimmt, an bundesdeutschen agrarpolitischen Entscheidungen maßgeblich beteiligt zu sein, Einfluss im Sinne der niedersächsischen Rindviehhalter, Schaf- und Ziegenzüchter genommen hat.

(Zuruf von der CDU: Unerhört!)

Dabei sind die niedersächsischen Rindviehhalter mit bundesweit 20 % Marktanteil auch in diesem Segment Agrarstandort Nr. 1.

Herr Minister, vielleicht sollten Sie sich in Zukunft mehr den existentiellen Fragen niedersächsischer Agrarpolitik zuwenden, statt sich auf Nebenschauplätzen feiern zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Wir erwarten, Herr Minister, dass Sie sich beim Bundeslandwirtschaftsminister dafür einsetzen, dass die durch nichts zu rechtfertigende EUEntscheidung wieder zurückgenommen wird. Dies kann durch eine Klageführung des Bundes geschehen, untermauert mit einem entsprechenden Gegengutachten. Darüber hinaus gehört Deutschland alsbald wieder in die verminderte Risikogruppe 2. Allein schon der Tatbestand, dass Importware aus Drittländern erst ab 1. April 2001 einer SRMEntsorgungspflicht unterliegt, ist aus den vorgegebenen Verbraucherschutzgründen rechtlich kaum haltbar.

Meine Damen und Herren, durch die am 19. Februar 1998 mit der SPD-Mehrheit im Landtag verabschiedete Änderung des niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz hat die Niedersächsische Landesregierung zum Ausdruck gebracht, dass eine etwaige BSE-Risikomaterial-Sonderentsorgung nicht in die rechtliche Zuständigkeit des Landes fällt und somit nicht vom Land mit finanziert werden muss. Gegen diesen Beschluss haben die CDU und der Niedersächsische Landvolkverband seinerzeit energisch protestiert, dies allerdings ohne Erfolg. Die heutigen Folgen sind für die niedersächsischen Tierhalter fatal.

(Beifall bei der CDU)

Wenn die fragwürdige EU-Entscheidung, wie vorgesehen, am kommenden Montag umgesetzt werden soll, dann müssen die Tierhalter alle entstehenden Kosten quasi nach dem Verursacherprinzip allein tragen. Das sind neben höheren Schlachtkosten, die die Schlachtunternehmen aus rechtlichen Gründen vermutlich auf die Einkaufspreise abwälzen werden, zusätzliche Kosten von 230 DM bis 300 DM je gefallenes Rind bzw. rund 50 DM je gefallenes Schaf oder je gefallene Ziege. Es ist fast verständlich, dass sich sowohl die für die Tierkörperentsorgung zuständigen Landkreise als

auch die Tierseuchenkassen als gesetzliche Selbstorgane der Landwirtschaft dagegen wehren, die für diese unsinnige SRM-Entsorgung anfallenden Kosten zu übernehmen, zumal die Landesregierung, aber auch Berlin und Brüssel jegliche Bereitschaft zur Mitfinanzierung vermissen lassen und die Tierhalter im Regen stehen lassen.

Maßnahmen, die wissenschaftlich nicht gerechtfertigt sind, die aber vordergründig aus gesamtpolitischen Gründen der Gesundheitsvorsorge und des Verbraucherschutzes ergriffen werden, können nicht allein den Tierhaltern aufgebürdet werden. Nach Ansicht der CDU-Landtagsfraktion ist die Landesregierung schon wegen der seuchenhygienischen Zuständigkeit gefordert, sich an der Mitfinanzierung zu beteiligen. Mit unserem Antrag treten wir für eine Kompromisslösung ein, die eine Drittelfinanzierung von Land, Tierseuchenkasse als Beteiligung der Landwirte und der kommunalen Träger, der Landkreise, vorsieht. Diese Lösung und ähnliche Lösungen sind von allen anderen Bundesländern zur Kostenentlastung der betroffenen Tierhalter vorgesehen.

Nach jetzigem Erkenntnisstand ist Niedersachsen als viel gepriesenes Agrarland Nr. 1 das einzige Bundesland, das alle Kosten für die Risikomaterialentsorgung den Tierhaltern allein aufbürden will.

(Brauns [SPD]: Das ist falsch. - Ge- genruf von Wojahn [CDU]: Das ist falsch, dass Sie das so machen!)

Das führt zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen bei der niedersächsischen Landwirtschaft, was politisch unverantwortlich wäre.

Bisher hat der niedersächsische Landwirtschaftsminister die Brisanz dieser Thematik meines Erachtens nicht erkannt. Er ist gefordert, sich im Sinne einer tragbaren Kompromisslösung in dieser für die niedersächsische Landwirtschaft existentiellen Frage zu engagieren. Wir bieten unsere Unterstützung auf allen Ebenen der Politik an. Am Zuge ist jetzt die Landesregierung. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Klein, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann nicht alles unterschreiben, was in der Begründung des CDU-Antrags steht, und kann auch nicht alles von dem bestätigen, was der Kollege Biestmann hier ausgeführt hat. Aber für das Anliegen des CDU-Antrags habe ich - das muss ich gestehen - große Sympathie.

Auch wenn es hier in Deutschland keinen originären BSE-Fall gegeben hat, glaube ich, dass es zu der Maßnahme, die jetzt getroffen worden ist, keine Alternative gab, und das nicht nur, weil es dafür eine Mehrheit auf der EU-Ebene gegeben hat, sondern auch deshalb, weil es nach wie vor Anzeichen dafür gibt, dass wir in Sachen BSE bisher sehr viel mehr nicht wissen, als wir tatsächlich wissen. Ich erinnere an das Beispiel Dänemark, erinnere an die Erkenntnisse, dass es in Bezug auf die Übertragungswege offenbar noch sehr viele offene Fragen und unklare Verhältnisse gibt. Von daher, so meine ich, war es richtig, Risikominimierung, so weit das möglich ist, zu betreiben und die Vorsorge im Verbraucherschutz hierbei sehr ernst zu nehmen. Letzten Endes ist das auch eine vertrauensbildende Maßnahme, die wir als Preis dafür betrachten müssen, dass es in der Gegenwart eben so viele Lebensmittelskandale gibt.

Ich verweise auch darauf - das Beispiel NordrheinWestfalen ist bereits angesprochen worden -, dass wir zur Entlastung des Ganzen sicherlich sehr viel beitragen könnten, wenn wir uns auch hier in Niedersachsen dazu entschließen könnten, BSETests systematisch anzuwenden, und zwar nicht zuletzt, weil damit möglicherweise mittelfristig auch der Nachweis einer tatsächlichen BSEFreiheit erbracht werden kann. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Wir sollten dem Beispiel Frankreichs folgen und ganz auf Fleischmehl im Tierfutter verzichten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Streitpunkt sind eigentlich die Kosten. Dazu muss ich Folgendes sagen: Es gibt gute Gründe für beide Positionen. Es gibt gute Gründe dafür, die Kostenübernahme der Landwirtschaft zu überlassen. Letzten Endes ist es ein normaler Kostenfaktor der Tierhaltung wie jeder andere auch, den wir unter dem Gesichtspunkt eines Abfallproblems bewerten müssen. Dabei kommen wir in der Regel zu dem Ergebnis, dass das Verursacherprinzip gelten soll.

Die Kommunen sind sicherlich für die Durchführung der Aufgabe zuständig, aber sie sind verpflichtet, kostendeckend zu arbeiten. Ihnen würde ich deshalb keine zusätzlichen Lasten zumuten wollen.

(Kethorn [CDU]: Und den Landwir- ten?)

Land und Bund haben sicherlich keine originären Zuständigkeiten. Allenfalls könnte man an die EU denken, die sozusagen die Musik bestellt hat und die sie dann auch bezahlen sollte. Möglicherweise könnte man auch an Großbritannien denken, das schließlich letzten Endes die Quelle dieses Übels ist. Aber Sie wissen genauso wie ich, dass das relativ unrealistisch ist.

Ich halte es aber in der Tat auch nicht für abwegig, sich an dem bisherigen Verfahren zu orientieren und das Interesse der Allgemeinheit aus seuchenhygienischen Gründen so hoch zu bewerten, dass der Anreiz zu illegaler Abfallbeseitigung - nichts anderes wäre es schließlich - durch einen Landesbeitrag entsprechend verringert werden kann.

Das Grundproblem, das ich aber sehe und das ein unhaltbarer Zustand ist, ist, dass es keine einheitliche Regelung in Deutschland gibt. Wir setzen uns damit im Grunde genommen der Gefahr aus, so etwas wie den kleinen Grenzverkehr an Tierkadavern zu bekommen. Niedersachsen hat schließlich sehr lange Grenzen zu den Nachbarn, die wesentlich günstigere Regelungen anbieten.

Was mich besonders ärgert, ist, dass wir unglaubwürdig werden, wenn wir auf der einen Seite die Wettbewerbsverzerrungen - etwa bei der Besteuerung von Biodiesel - in Europa beklagen und sie beseitigen wollen, es uns aber auf der anderen Seite nicht gelingt, eine solche Frage bundesweit einheitlich zu regeln. Ich meine, es gibt geeignetere Felder, um föderale Vielfalt zu praktizieren.

(Kethorn [CDU]: Völlig richtig!)

Wir sollten im Ausschuss vor allen Dingen daran arbeiten, dass es zu einer Lösung ohne innerdeutsche Wettbewerbsverzerrungen kommt. - Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Räke, Sie haben das Wort. Bitte schön!

(Kethorn [CDU]: Wird die Rede im Kreistag wiederholt, Bodo Räke?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um die Beseitigung von BSERisikomaterial bzw. korrekt ausgedrückt von Spezifiziertem Risikomaterial - SRM - bei gefallenen Tieren. Vorhin wurde gefragt, was gefallene Tiere sind. Wir kennen das sonst in einem anderen Zusammenhang.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Na, na, na!)

- Entschuldigung. - Es sind verendete Tiere, und zwar geht es vor allem um Rinder, aber auch um Schafe.

Das ist sicherlich ein etwas spezielles Thema. Das sieht man auch an der Beteiligung des Hauses. Die Leidenschaften wogen nicht hoch - jedenfalls nicht bei den Abgeordneten. Aber es muss uns interessieren, weil es mit hohen Kosten verbunden ist. Die Betroffenen kostet das nämlich sehr viel.

Um Geld geht es auch - Herr Klein hat es schon erwähnt - im Wesentlichen in dem Antrag der CDU-Fraktion. Wer trägt die Kosten, die in dieser Situation anfallen? Das ist der Punkt.