Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

Zweitens geht es mir um die Frage nach der finanziellen Absicherung unserer Tiermehlfabriken. Im Moment sind noch die Landkreise und die Tierseuchenkasse dafür zuständig.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn man das einmal ausrechnet, müssten die Landkreise und die Tierseuchenkasse in Niedersachsen 90 Millionen DM aufbringen, zwei Drittel davon, also rund 60 Millionen DM, die Landkreise

und 30 Millionen DM die Tierseuchenkasse. Damit wäre sie schlicht und einfach überfordert.

Des weiteren die Frage: Wer bezahlt die Tests. Dazu haben Sie ebenfalls keine klare Aussagen macht. Sie haben lediglich auf die Gebührenordnung hingewiesen. Sicherlich gibt es eine Gebührenordnung. Aber was heißt das? Die Schlachtunternehmen müssen diese Kosten irgendwie abwälzen. Nach vorne, auf die Verbraucher, können Sie sie nicht abwälzen, weil kein Markt vorhanden ist. Bleibt also nur, die Kosten nach hinten abzuwälzen, also auf die landwirtschaftlichen Betriebe. Diese sind aber durch den Preisverfall bereits gebeutelt genug. Das kann es also letztlich nicht sein.

Eine weitere Frage, die noch nicht geklärt ist: Andere Bundesländer handeln im Moment anders als Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, dass hier ein großes Problem besteht. Wir haben das gestern bereits unter dem Stichwort "Schlachttiertourismus" diskutiert. Ich kann es keinem Landwirt oder Viehhändler verdenken, wenn er die Chance nutzt, die in anderen Bundesländern bestehenden Möglichkeiten zu realisieren.

Sie haben gesagt, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden ist. Den Medien habe ich entnommen, dass bis Ende Januar eine Regelung gefunden werden soll. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, wer die sechs Wochen überbrückt. Das kann für den einen oder anderen Schlachtbetrieben das Aus bedeuten und für viele Landwirte heißen, dass sie aus dem Tritt kommen und eventuell sogar aufgeben müssen. Die Frage, was in der Überbrückungszeit passieren soll, ist von Ihnen nicht klar genug beantwortet worden.

Meine Damen und Herren! Vielleicht noch ein Wort zum Allgemeinen. Ich meine schon, dass wir hier einen klassischen Fall haben, in dem wir durch mehr Offenheit im Handel, durch mehr gemeinsamen Markt ein Problem ins Haus getragen bekommen haben, das wir ohne diesen gemeinsamen Markt nicht hätten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn es denn so ist, dass die Allgemeinheit den Nutzen aus diesem geöffneten europäischen Binnenmarkt und darüber hinaus zieht, dann muss die

Allgemeinheit letztlich auch die Kosten, die ich soeben genannt habe, mittragen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Drei Minuten Redezeit zusätzlich erhält nun der Kollege Klein. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz auf die Argumentation des Kollegen Oestmann eingehen, weil ich glaube, dass er in der Tat die Konfliktlinien bezeichnet hat, auf die wir in der nächsten Zeit verstärkt treffen werden, wenn sich der Berufsstand sozusagen wieder gefunden und formiert hat und seine erste Sprachlosigkeit überwunden hat. Es ist ein Standpunkt, der letzten Endes davon ausgeht, dass wir den Kampf gegen die vollständige Tilgung dieser Seuche BSE aufgeben und akzeptieren - das ist schlimm genug -, dass BSE von einem Lebensrisiko, das wir im Moment vielleicht auf Zeit absehen, zu einem dauerhaften Lebensrisiko wird. Das ist eine Position, die wir nicht akzeptieren können.

Manchmal ist es eben auch von Nachteil, Herr Kollege, wenn man über viele Jahre in einem bestimmten Geschäft, in einer bestimmten Branche wirkt und nicht mitbekommt, dass in gewissen Dingen die Zeit einfach über einen hinweggeht. Denn es ist doch so - insofern verstehe ich Ihre Argumentation auch ein wenig -, dass jetzt durch BSE ein Weltbild, das schon lange bröckelt, endgültig zusammengebrochen ist.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Wenn ich schon höre - das ist hier ja verschiedentlich vorgetragen worden -, dass es schließlich dem Markt überlassen bleiben müsse, ob sich der ökologische Landbau durchsetzen könne oder nicht, dann muss ich Ihnen sagen, dass dieser ökologische Landbau in Ihrem Berufsstand, in Ihren Verbänden, in Ihren Versammlungen lange Zeit keine faire Chance gehabt hat. Ich beschäftige mich seit gut 20 Jahren mit Landwirtschaftspolitik, und die größte Zeit, mindestens drei Viertel dieses Zeitraumes, war er das Kellerkind, war er eine Wirtschaftsform, zu der sich auf einer Landvolkversammlung niemand bekennen durfte, weil man dann niedergemacht worden ist. Ich habe es doch häufig genug erlebt, dass über den, der aufgestanden ist und gesagt hat, dass wir umdenken und

andere Formen haben müssten, der gesamte Berufsstand hergefallen ist und ihn niedergemacht hat. Jetzt davon zu reden, hier wäre einfach nur der Markt derjenige, der das entscheiden könne, ist der größte Unsinn.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Das ist der größte Unsinn in einer Branche, die so wenig marktabhängig ist wie keine andere. 60 % ihres Einkommens bekommen die Landwirte aus Transfereinkommen, eben nicht über den Markt. Das ist Geld, das dem Markt entzogen ist.

(Zuruf von Oestmann [CDU])

Das ist Geld, das eingesetzt werden kann, um politische Ziele umzusetzen und einzuleiten.

Was würden Sie denn mit Ihren Zuckerrüben machen, wenn Sie die Marktordnung nicht hätten? Unterpflügen könnten Sie sie alle.

(Oestmann [CDU]: Wäre das denn Ihr Ziel?)

Was würden Sie z. B. machen, wenn wir uns jetzt nicht wieder parteiübergreifend für die Schnapsbrenner in Rotenburg einsetzen würden, damit die Bauern, die dort ihre Kartoffeln produzieren, ihren Markt nicht verlieren, weil Brennrechte verloren gehen? Und in dieser Situation reden Sie dauernd davon, dass diese Probleme nur über den Markt gelöst werden könnten. Ich finde, dass das absoluter Unsinn ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben doch das Beispiel vor Augen, wie jetzt Rot-Grün im Energiemarkt dafür gesorgt hat, dass sich durch vernünftige marktleitende Maßnahmen eine politisch gewollte Entwicklung am Markt durchsetzen kann. So funktioniert es, und so könnte es auch im Bereich des ökologischen Landbaus geschehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein spezielles Wort an unseren Landwirtschaftsminister richten. Das Problem ist, dass man nicht beides machen kann. Beides nebeneinander geht nicht!

(Wojahn [CDU]: Dann haben Sie kei- ne Chance!)

Wir wollen keine besondere Rolle für den ökologischen Landbau, sondern wir wollen, dass er zum Normalfall, zum Regelfall wird. Nichts anderes wird funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wojahn [CDU]: Das schafft ihr nicht!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung der Punkte 17, 18 und 19. Hierzu empfiehlt der Ältestenrat, den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der federführenden Beratung zu beauftragen und die Ausschüsse für innere Verwaltung, für Haushalt und Finanzen, für Sozialund Gesundheitswesen und für Bundes- und Europaangelegenheiten mitberaten zu lassen. - Ich höre gerade, dass sich die Fraktionen darauf geeinigt haben, auch den Umweltausschuss mit der Mitberatung zu beauftragen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Sehr gut!)

Wenn Sie dem Ihre Zustimmung geben wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. - Stimmenthaltungen gibt es auch nicht. Dann haben Sie so beschlossen.

Wir kommen dann zur Ausschussüberweisung zu Punkt 25. Auch hierfür wird vorgeschlagen, den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Federführung und die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen, für Sozial- und Gesundheitswesen und für Bundes- und Europaangelegenheiten mit der Mitberatung zu beauftragen. Wenn Sie dem ebenfalls so folgen wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? Das ist nicht der Fall. - Stimmenthaltungen gibt es auch nicht. Dann haben Sie so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 21: Zweite Beratung: Förderung des Radverkehrs - "Masterplan Fiets" für Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1657 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr - Drs. 14/2031

Der Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen wurde in der 53. Sitzung am 21. Juni 2000 an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Berichterstatter ist Herr Kollege Biel. Dazu erteile ich ihm das Wort. Bitte schön, Herr Biel!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Sie nichts dagegen haben, dass ich den Bericht zu Protokoll gebe

(Beifall bei der SPD)

und dass ich gleichzeitig die Redezeit der SPDFraktion in Anspruch nehme.

(Möllring [CDU]: Was?)

(Zu Protokoll:)

Mit seiner Beschlussempfehlung – Drucksache 2031 – empfiehlt Ihnen der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer von der SPDFraktion geänderten Fassung anzunehmen.

Bereits zu Beginn der Ausschussberatungen erklärten die Vertreter der SPD-Fraktion, dass sie im Gegensatz zu der antragstellenden Fraktion, die eine Art Prioritätenliste für den Radwegebau fordere, für einen flexiblen Einsatz der vorhandenen Haushaltsmittel plädierten und daher in diesem Sinne einen Änderungsvorschlag erarbeitet hätten. Nach ihrer Einschätzung sei es zweckmäßiger, den Ausbau des Radwegenetzes durch einen effizienten Mitteleinsatz, wie z. B. bei dem Bau von Gemeinschaftsradwegen und durch den Einsatz von EU-Fördermitteln, gezielt fortzusetzen und dabei das besondere Know-how der Kommunen zu nutzen. Die Vertreter der SPD-Fraktion wiesen außerdem darauf hin, dass Niedersachsen im Radwegebau im Übrigen eine Erfolgsbilanz vorzuweisen habe, da das Land in den letzten 10 Jahren 435 Millionen DM in den Ausbau des Radwegenetzes investiert habe und außerdem bundesweit im Vergleich straßenbegleitender Radwege

führend sei. Sie seien daher überzeugt, dass sich auch das von den Oppositionsfraktionen kritisierte Konzept des Gemeinschaftsradwegebaus bewährt habe.

Das Ausschussmitglied der Grünen begrüßte zunächst, dass die Mehrheitsfraktion die Anregung seiner Fraktion, einen Preis für die fahrradfreundlichste Kommune ausloben zu wollen, aufgegriffen habe. Insgesamt, gab der Abgeordnete jedoch zu bedenken, werde mit dem Änderungsvorschlag der SPD-Fraktion die Zielrichtung seines Ursprungsantrages, einen Masterplan für die Vernetzung der noch erforderlichen bzw. der bereits bestehenden Maßnahmen u. a. zur Steigerung des Fahrradverkehrs aufstellen zu lassen, völlig verfehlt.